Ax Vergaberecht | Rechtsanwalt

VergMan ® – Beratung für Unternehmen

VergMan ® - Beratung für Unternehmen

Ax Rechtsanwälte begleiten Unternehmen in allen Phasen eines Vergabeverfahrens.

Projektbegleitende Beratung von Unternehmen
  • Strategische Unterstützung bei der Beteiligung an Vergabeverfahren
  • Beratung bei der Vereinbarung von Kooperationen 
  • Unterstützung bei der Angebotserstellung
  • Strategische Unterstützung und Beratung bei fehlerhaften Leistungsbeschreibungen und anderen Vergabefehlern/-verstößen
  • Rügemanagement
  • Beratung  bei Aufklärungs- und Verhandlungsgesprächen
  • Beratung und Unterstützung bei Vertragsschluss
  • Anwaltliche Vertretung von Unternehmen bei Vergabekammer /-senat


Rügemanagement

Erforderlich ist eine anforderungsgerechte Rüge.

Durch die Rügeobliegenheit soll nach der Intention des Gesetzgebers die Einleitung unnötiger Nachprüfungsverfahren und die taktische Spekulation mit Vergabefehlern zur Verzögerung von Auftragserteilungen verhindert werden. In § 160 Abs. 3 GWB heißt es nunmehr wörtlich:

„Der Antrag ist unzulässig, soweit

1. der Antragsteller den geltend gemachten Verstoß gegen Vergabevorschriften vor Einreichen des Nachprüfungsantrags erkannt und gegenüber dem Auftraggeber nicht innerhalb einer Frist von zehn Kalendertagen gerügt hat; der Ablauf der Frist nach § 134 Absatz 2 bleibt unberührt,

2. Verstöße gegen Vergabevorschriften, die aufgrund der Bekanntmachung erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der in der Bekanntmachung benannten Frist zur Bewerbung oder zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden,

3. Verstöße gegen Vergabevorschriften, die erst in den Vergabeunterlagen erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der Frist zur Bewerbung oder zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden,

4. mehr als 15 Kalendertage nach Eingang der Mitteilung des Auftraggebers, einer Rüge nicht abhelfen zu wollen, vergangen sind.

Satz 1 gilt nicht bei einem Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit des Vertrags nach § 135 Absatz 1 Nummer 2. § 134 Absatz 1 Satz 2 bleibt unberührt.“

§ 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB bestimmt, dass ein Nachprüfungsantrag unzulässig ist, soweit Verstöße gegen Vergabevorschriften, die in den Vergabeunterlagen erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der Frist zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden. Dies muss erst recht gelten, wenn ein vermeintlicher Fehler nicht nur erkennbar ist, sondern wenn der Bieter diesen weitergehend sogar positiv erkennt. Hat der Bieter den zum Gegenstand der Nachprüfung gemachten Vergabefehler auf der Basis der Vergabeunterlagen bereits positiv erkannt, löst das die Rügeobliegenheit binnen der Angebotsfrist nach § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 GWB aus. Jeder Vergabefehler ist gesondert zu rügen.

Die Erfüllung der Rügeobliegenheit wird sodann von der Vergabekammer für jeden geltend gemachten Vergabefehler gesondert geprüft (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21. Oktober 2015 – VII-Verg 28/14).

Ein Hinweisschreiben kann Rügequalität haben, wenn der Bieter damit nicht nur sein Erkennen eines vermeintlichen Fehlers in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht dokumentiert, sondern darüber hinaus auch tatsächlich eine Rüge ausgesprochen hat. Das Schreiben muss nur die inhaltlichen Anforderungen erfüllen, die an eine Rüge zu stellen sind. Die Vergabestelle muss danach erkennen können, um welchen Verstoß es sich handelt und dass die Beseitigung des gerügten Vergabefehlers geltend gemacht wird (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 07. Dezember 2011, Az.: VII-Verg 81/11, Rdnr. 25 – zit. nach juris; ferner: Wiese, in: Kulartz/Kuß/Portz/Prieß (Hrsg.), Kommentar zum GWB-Vergaberecht, 4. Aufl. 2016, § 160 Rdnr.171 m.w.N.).

 

Nicht ausreichend ist es, wenn allein Fragen an die Vergabestelle mit der Aufforderung der Aufklärung bis zu einem bestimmten Termin gestellt werden. Es müssen Verstöße an sich und die Aufforderung an die Vergabestelle, vermeintliche Verstöße abzustellen, zu erkennen sein.

 

Für die Entstehung der Rügeobliegenheit ist eine zumindest laienhafte rechtliche Wertung des Bieters erforderlich, dass die betreffenden Punkte rechtlich zu beanstanden sind. Die Rügeobliegenheit besteht nicht erst von dem Zeitpunkt an, in dem der Bieter Kenntnis von einem völlig zweifelsfreien und in jeder Beziehung nachweisbaren Verstoß gegen Vergabevorschriften erlangt; ausreichend ist vielmehr das Wissen um einen Sachverhalt, der aus subjektiver Sicht des Bieters den Schluss auf einen Vergaberechtsverstoß erlaubt und der es bei vernünftiger Betrachtung als gerechtfertigt erscheinen lässt, das Vergabeverfahren als fehlerhaft zu beanstanden. Eine positive Kenntnis wird regelmäßig auch dann angenommen, wenn sich ein redlich Denkender nicht der Überzeugung verschließen würde, die der rechtlichen Würdigung der tatsächlichen Umstände zu Grunde liegt.

 

Nach diesen Maßstäben kann von einer Kenntnis des Verstoßes grundsätzlich gesprochen werden, wenn dem Bieter einerseits die den Verstoß begründenden Tatsachen bekannt sind und andererseits diese Tatsachen bei objektiver Wertung aus der Sicht des Bieters so offensichtlich einen Mangel des Vergabeverfahrens darstellen, dass der Bieter sich dieser Überzeugung schlechterdings nicht verschließen kann (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 18. September 2008 – Verg W 13/08 – juris, Rn. 70; OLG Koblenz, Beschluss vom 31. Mai 2006 – 1 Verg 3/06 – juris Rn. 41).

Ist hierfür eine rechtliche Wertung erforderlich, muss diese jedenfalls nach der gängigen praktischen Handhabung oder einer Parallelwertung in der Laiensphäre zu einem Verstoß gegen Vergabevorschriften führen (vgl. Summa in: Heiermann/Zeiss, jurisPK-Vergaberecht, 4. Aufl. 2013, § 107 GWB, Rn. 215). Nicht erforderlich ist, dass der Antragsteller Kenntnis von einem völlig zweifelsfreien und in jeder Beziehung nachweisbaren Vergaberechtsfehler erlangt.

Solche für den Bieter eindeutige Vergaberechtsfehler liegen eher selten vor. Meist lässt sich aus Sicht des Bieters vor Einleitung des Nachprüfungsverfahrens nicht sicher beurteilen, ob ein Verstoß gegeben ist, weil der Bieter – abgesehen von Unwägbarkeiten der juristischen Bewertung – die näheren tatsächlichen Hintergründe für das Handeln des Auftraggebers nicht kennt. Deshalb bedeutet Kenntnis im Sinn des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB, dass der Antragsteller die Tatsachen kennt, die einen Vergaberechtsverstoß begründen können, und dass er hieraus den Schluss gezogen hat, dass ein Vergaberechtsfehler gegeben sei. Bloße Vermutungen oder ein Verdacht lösen die Rügeobliegenheit demgegenüber nicht aus (so OLG Celle, Beschluss vom 05. Juli 2007 – 13 Verg 8/07 – juris, Rn. 11).

Wesentlicher Zweck der Vorschrift des § 160 Abs. 3 GWB ist es, dass der Auftraggeber durch eine Rüge die Möglichkeit erhält, etwaige Vergaberechtsfehler zu korrigieren. Was die inhaltlichen Anforderungen an eine Rüge angeht, fordert § 160 Abs. 3 GWB lediglich die Angabe von Verstößen gegen Vergabevorschriften. Im Sinne der Gewährung effektiven Rechtsschutzes sind an die Rüge daher nur geringe Anforderungen zu stellen (Brandenburgisches OLG, B. v. 14.01.2013 – Az.: Verg W 13/12; OLG Düsseldorf, B. v. 20.02.2013). Insbesondere ist es nicht erforderlich, dass der Bewerber explizit das Wort „Rüge“ verwendet (OLG Frankfurt, B. v. 02.03.2007 – Az.: 11 Verg 15/06).

Die Rüge muss jedoch objektiv und vor allem auch gegenüber dem Auftraggeber (in der Rolle eines „verständigen Dritten“ – OLG Düsseldorf, B. v. 31.10.2007 – Az.: VII – Verg 24/07; 1. VK Sachsen, B. v. 04.09.2014 – Az.: 1/SVK/26-14) deutlich sein und von diesem so verstanden werden, welcher Sachverhalt aus welchem Grund als Verstoß angesehen wird und dass es sich nicht nur um die Klärung etwaiger Fragen, um einen Hinweis, eine Bekundung des Unverständnisses oder der Kritik z. B. über den Inhalt der Ausschreibung oder Verfahrensabläufe und Entscheidungen o.ä. handelt, sondern dass der Bieter von der Vergabestelle erwartet und bei ihr erreichen will, dass der (vermeintliche) Verstoß behoben wird (VK Südbayern, B. v. 16.04.2014 – Az.: Z3-3-3194-1-05-02/14; Thüringen, B. v. 01.08.2008 – Az.: 250-4003.20-1952/2008-015-GRZ).

Der Bieter bzw. Bewerber muss den Vergabeverstoß und die Aufforderung an den öffentlichen Auftraggeber, den Verstoß abzuändern, konkret darlegen.

Beide Tatsachenvorträge sind – auch bei wenig restriktiver Auslegung – unverzichtbare Bestandteile der Rüge (OLG Frankfurt, B. v. 09.07.2010).

Auf den Zugang der Rüge finden die Vorschriften bzw. Grundsätze über den Zugang von Willenserklärungen entsprechende Anwendung. Voraussetzung für den Zugang einer Rüge beim Adressaten ist somit, dass die Rüge bis zum Ablauf der Angebotsfrist so in den Machtbereich des Auftraggebers gelangt, dass der Auftraggeber unter normalen Verhältnissen die Möglichkeit hat, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen (grundlegend: OLG Düsseldorf, Beschluss vom 7. Dezember 2011, Az.: VII-Verg 81/11, Rdnr. 29 – zit. nach juris; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21. Dezember 2011, Az.: VII-Verg 81/11, sub II.1.b), Rdnr. 17 – zit. nach juris).

Es reicht nicht aus, die Rüge zusammen mit dem Angebot im verschlossenen Umschlag bei dem Auftraggeber einzureichen. Es ist aus Gründen der Sicherstellung des Geheimwettbewerbs und zwecks Vermeidung von kollusivem Zusammenwirken von Vergabestellen und Bietern ein zentraler Grundsatz im vergaberechtlichen Wettbewerb, dass keines der eingegangenen Angebote vor Ablauf der Angebotsfrist geöffnet und inhaltlich zur Kenntnis genommen werden darf. Dies normiert § 55 Abs. 1 VgV ausdrücklich. Die Angebote müssen daher seitens der Bieter in einem verschlossenen Umschlag eingereicht werden, § 53 Abs. 5 VgV. Eine Angebotsöffnung vor Ablauf der Angebotsfrist wäre ein schwerer Fehler des Auftraggebers. Darf der Inhalt des verschlossenen Umschlags aus rechtlichen Gründen aber erst nach Ablauf der Angebotsfrist zur Kenntnis genommen werden, so ist auch die Möglichkeit der Kenntnisnahme und damit der Zugang im Sinne von § 130 Abs. 1 BGB erst mit Ablauf der Angebotsfrist gegeben (grundlegend: OLG Düsseldorf, Beschluss vom 7. Dezember 2011, Az.: VII-Verg 81/11, Rdnr.29 – zit. nach juris, noch zu § 17 Abs. 1 S. 1 EG VOL/A, der dem § 55 VgV inhaltlich in vollem Umfang entsprach; bestätigend: Wiese, in: Kulartz/Kuß/Portz/Prieß (Hrsg.), Kommentar zum GWB-Vergaberecht, 4. Aufl. 2016, § 160 Rdnr. 153). Eine Rüge ist nur selten als „bloße Förmelei“ entbehrlich.

Die Rüge gerade vor Ablauf der Angebotsfrist soll dem Auftraggeber die Möglichkeit geben, bei Fehlern in den Vergabeunterlagen, die er erst mithilfe der Rüge erkennt, gegenzusteuern, und zwar bevor alle Bieter ihre Angebote erstellt und eingereicht haben. Die Grundsätze zur Funktion der Rügeobliegenheit zeigen auch, dass auf dieses Erfordernis grundsätzlich nicht als Zulässigkeitskriterium im Nachprüfungsverfahren verzichtet werden kann (vgl. zur Bedeutung der Rügeobliegenheit als Zulässigkeitsvoraussetzung OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10. Juni 2015 – VII-Verg 4/15 und vom 21. Oktober 2015 – VII-Verg 28/14). Eine aus den Grundsätzen von Treu und Glauben ableitbare Ausnahme ist ggf „dann anzunehmen, wenn die Vergabestelle von vornherein eindeutig zu erkennen gegeben hätte, dass sie unumstößlich an ihrer Entscheidung festhalten wird, sie also unter keinen Umständen, auch nicht auf Rüge eines der Bieter hin, gewillt ist, einen vorliegenden Verfahrensverstoß abzustellen“ (OLG Koblenz, Beschluss vom 18: September 2003, Az.: 1 Verg 4/03, Rdnr. 59 m.w.N. – zit nach juris; in diesem Sinne auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16. Februar 2005, Az.: V-Verg 74/04, Rdnr. 48 – zit. nach juris).

Diese Ausnahme kann etwa dann angenommen werden, wenn genau der von einem Bieter erkannte Vergaberechtsverstoß schon Gegenstand einer ordnungsgemäßen Rüge eines anderen Bieters war und die Vergabestelle diese bereits argumentativ und erkennbar endgültig als unberechtigt zurückgewiesen hat. Die bloße Vermutung, eine Rüge werde erfolglos sein, genügt demgegenüber nicht (vgl. Summa in: Heiermann/Zeiss, jurisPK-Vergaberecht, 4. Aufl. 2013, § 107 GWB, Rn. 155). In Fällen drohenden Verlustes des Primärrechtsschutzes, beispielsweise, wenn ein Antragsteller erst einen Tag vor der möglichen Zuschlagserteilung positive Kenntnis von einem Vergabeverstoß erlangt, kann eine Rüge gegenüber der Vergabestelle noch am selben Tag ausnahmsweise nicht erwartet werden, weil ansonsten effektiver Rechtsschutz nicht erlangt werden könnte (vgl. hierzu OLG München, Beschluss vom 07. August 2007 – Verg 8/07 –, juris, Rn. 15 und 16, wo ein „Zeitdruck“ bestand; Weyand a.a.O. Rn. 409 mwN; Kadenbach, in: Willenbruch/Wieddekind, Vergaberecht, 3. Aufl. 2014, § 107 GWB Rn. 51).

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Bei Nichtabhilfe ist erforderlich Stellung eines Nachprüfungsantrages bei der Vergabekammer.

Nachprüfungsverfahren der Vergabekammer (am Bsp der Vergabekammer Südbayern)

Gemäß § 2 der Verordnung zur Regelung von Organisation und Zuständigkeiten im Nachprüfungsverfahren für öffentliche Aufträge (BayNpV) ist bei der Regierung von Oberbayern die Vergabekammer Südbayern eingerichtet worden.

Sie ist zuständig für die Nachprüfung der Vergabeverfahren von Öffentlichen Auftraggebern nach § 99, Sektorenauftraggebern nach § 100 und Konzessionsgebern nach § 101 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. Juni 2013 (BGBl. I S. 1750, 3245), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 17. Februar 2016 (BGBl. I S. 203), die ihren Sitz in den Regierungsbezirken Oberbayern, Niederbayern oder Schwaben haben, soweit nicht die Vergabekammern des Bundes zuständig sind.

Dies gilt nur für solche Aufträge, deren geschätzter Auftragswert oder Gesamtauftragswert den jeweiligen EG-Schwellenwert erreicht oder übersteigt.

Nachprüfungsverfahren für Vergabeverfahren, die vor dem 18. April 2016 begonnen haben, einschließlich der sich an diese anschließenden Nachprüfungsverfahren sowie am 18. April 2016 anhängige Nachprüfungsverfahren sind nach den hierfür bisher geltenden Vorschriften zu beenden.

Die Vergabekammer leitet ein Nachprüfungsverfahren nur auf Antrag ein. Antragsbefugt ist jeder Wirtschaftsteilnehmer, der ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht. Dabei ist darzulegen, dass dem Wirtschaftsteilnehmer durch die behauptete Verletzung der Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.

Zur Unzulässigkeit eines Antrages auf Nachprüfung wird auf § 160 GWB verwiesen.

Der Antrag ist schriftlich bei der Vergabekammer Südbayern einzureichen und unverzüglich zu begründen. Er soll ein bestimmtes Begehren enthalten.

Ein Antragsteller ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt, Sitz oder Geschäftsleitung in der Bundesrepublik Deutschland, hat einen Empfangsbevollmächtigten innerhalb der Bundesrepublik Deutschland zu benennen.

Anträge auf Nachprüfung von Vergabeverfahren, die unter die BayNpV fallen, sind an folgende Adresse zu richten:

Regierung von Oberbayern
Vergabekammer Südbayern

80534 München

Telefon  +49 89 2176-2411
Telefax  +49 89 2176-2847

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Neue Stadtmitte Kaiserslautern: Vergabekammer gibt Stadt beim Auswahlverfahren recht

Neue Stadtmitte Kaiserslautern: Vergabekammer gibt Stadt beim Auswahlverfahren recht

Bauarbeiten lagen aufgrund ausstehender Entscheidung brach

Kaiserslautern, 24.06.2022

Nun ist es offiziell: Der Stadt ist bei der Vergabe der Bauarbeiten zur Weitergestaltung der Neuen Stadtmitte kein Fehler unterlaufen. Dies bestätigte die Vergabekammer Rheinland-Pfalz in einem ausführlichen Schreiben an die Stadt. Nach dem städtischen Vergabeverfahren hatte sich ein Mitbieter an die Vergabekammer gewandt, da er mit der Entscheidung nicht einverstanden war. „Dieses Prüfverfahren ist durchaus legitim. Leider führt es dazu, dass bis zur Entscheidung der Vergabekammer alle geplanten Bautätigkeiten ruhen müssen beziehungsweise gar nicht erst beginnen dürfen. Nun gilt es, das ausführende Unternehmen zu beauftragen und neue Termine abzustimmen, da die Baufirma zwischenzeitlich andere Arbeiten für ihre Baukolonnen an Land gezogen hat, um nicht monatelang in Untätigkeit zu verharren“, bilanziert Beigeordneter Peter Kiefer die aktuelle Situation.  

Bevor es dann tatsächlich losgeht, werden die anstehenden Arbeiten selbstverständlich öffentlich bekanntgegeben. In mehreren Bauabschnitten soll der großflächige Bereich von der Spittelstraße über die Fruchthall- und Burgstraße bis hin zur Maxstraße erneuert werden. Dazu zählen die Fuß- und Gehwege, die Fahrbahnen, die Bushaltestellen sowie die Park- und Grünflächen mit entsprechender Stadtmöblierung. Die Neue Stadtmitte wird geprägt von einer verbesserten Aufenthaltsqualität mit reduziertem PKW-Verkehr, verbunden mit mehr Raum für Busse, Radfahrer sowie Fußgänger.  

Autor/in: Nadin Robarge – Pressestelle

VergabeManagement – VergMan ®: Nachhaltigkeitsaspekte erfolgreich in die/ Ihre Verwaltung bringen

VergabeManagement – VergMan ®: Nachhaltigkeitsaspekte erfolgreich in die/ Ihre Verwaltung bringen

vorgestellt von Thomas Ax

SCHAFFUNG EINES POLITISCHEN HANDLUNGSRAHMENS

Als Beschaffungsverantwortliche benötigen Sie einen klaren politischen Rahmen und Unterstützung von höchster Stelle. Nutzen Sie politische Grundsatzvereinbarungen wie Ratsbeschlüsse und Dienstanweisungen als Instrumente, um die nachhaltige Beschaffung in Ihrer
Verwaltung zu verankern. Beschlüsse und Dienstanweisungen sollten Regelungen zum Geltungsbereich und zu Produktgruppen enthalten. Je präziser die Beschlüsse sind, desto leichter können sie umgesetzt werden. So können diese durchaus auch konkreten Zielvorgaben enthalten, etwa für den Anteil nachhaltiger Beschaffungen in einer bestimmten Produktgruppe. Auch sollten regelmäßige Umsetzungsberichte vorgesehen werden, um Verwaltung und Öffentlichkeit über die Fortschritte zu informieren

Verankerung in der Verwaltung
Binden Sie alle Beteiligten ein, um eine Umstellung der Beschaffungspraxis gegen eventuelle Widerstände durchzusetzen. Verbündete innerhalb Ihrer Verwaltung sind Beschaffende, Umweltbeauftragte, Mitglieder der Lokalen Agenda und Personalverantwortliche. Sinnvoll ist es, auch diejenigen mit einzubeziehen, die die zu beschaffenden Produkte nutzen. Bilden Sie eine Arbeitsgruppe und benennen Sie Verantwortlichkeiten. Wer sammelt Informationen zu den betreffenden Produkten? Wer erstellt die Ausschreibungsunterlagen? Wer bewertet die Angebote?

Bestandsaufnahme
Verschaffen Sie sich einen Überblick über die Beschaffungspraxis in Ihrer Verwaltung. Folgende Fragen sind dabei von Bedeutung: Wer ist für welche Beschaffungen zuständig? Welche Nachhaltigkeitskriterien werden bereits in Ausschreibungen aufgenommen? Welche Ausschreibungen stehen an? Wer sollte im Hinblick auf Änderungen im Beschaffungsvorgang einbezogen oder informiert werden?

Mit kleinen Schritten zum Erfolg
Fangen Sie mit einem oder zwei Produkten an, die einfach nachhaltig zu beschaffen sind. Für viele Produktgruppen gibt es bereits rechtssichere Ausschreibungskriterien und verlässliche Nachweise in Form von Gütezeichen. Für den Start eignen sich besonders Produkte wie Recyclingpapier oder energiesparende Bürogeräte, bei denen der wirtschaftliche Vorteil umweltfreundlicher Produktvarianten klar auf der Hand liegt.

Haben Sie ein erstes Pilotvorhaben erfolgreich durchgeführt, können Sie die nachhaltige Beschaffung schrittweise auf weitere Produktgruppen ausweiten.

Nachhaltigkeit in der Beschaffungspraxis

Bei Fragen: Sprechen Sie uns gerne an! Wir bringen seit Jahren erfolgreich Nachhaltigkeitsaspekte in die Verwaltung.

VergabeManagement – VergMan ®: Nachhaltigkeitsaspekte im Vergabeverfahren

VergabeManagement – VergMan ®: Nachhaltigkeitsaspekte im Vergabeverfahren

vorgestellt von Thomas Ax

DER RECHTSRAHMEN IN DEUTSCHLAND

Die deutsche Vergaberechtsreform 2016 hat die Handlungsspielräume für öffentliche Auftraggeber bezüglich der Einbeziehung von ökologischen und sozialen Aspekten deutlich erweitert. Angestoßen wurde die Reform durch die 2014 in Kraft getretenen Europäischen Vergaberichtlinien, die von der Bundesregierung 2016 in nationales Recht umgesetzt wurden. Dies erfolgte zum einen über die Novellierung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), zum
anderen über die neue Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (VgV).

n § 97 Absatz 3 GWB wird Nachhaltigkeit neben Wettbewerb, Transparenz, Wirtschaftlichkeit, Gleichbehandlung und Verhältnismäßigkeit als Vergabegrundsatz verankert: „Bei der Vergabe werden […] soziale und umweltbezogene Aspekte nach Maßgabe dieses Teils berücksichtigt“. Eine entsprechende Regelung für den Unterschwellenbereich gibt es in § 2 Absatz 3 UVgO. Eine grundlegende Neuerung ist, dass Produktanforderungen auch über die physischen Eigenschaften des Produktes hinausgehen können. Dies ist insbesondere für soziale Aspekte von Bedeutung. So können spezifische Anforderungen an immaterielle Produkteigenschaften, wie beispielsweise Arbeitsbedingungen bei der Herstellung, gestellt werde

Nach § 23 Absatz 2 UVgO kann

„die Leistungsbeschreibung … auch Aspekte der Qualität sowie soziale, innovative und umweltbezogene Merkmale umfassen. Diese können sich auch auf den Prozess oder die Methode zur Herstellung oder Erbringung der Leistung oder auf ein anderes Stadium im Lebenszyklus des Auftragsgegenstands einschließlich der Produktions- und Lieferkette beziehen, auch wenn derartige Faktoren keine materiellen Bestandteile der Leistung sind, sofern diese Merkmale in Verbindung mit dem Auftragsgegenstand stehen und zu dessen Wert und Beschaffungszielen verhältnismäßig sind.“

Festlegung des Auftragsgegenstandes
Öffentliche Beschaffungsstellen verfügen über einen erheblichen Spielraum, den Auftragsgegenstand entsprechend ihren Anforderungen zu definieren. Sie haben bereits hier die Möglichkeit, Klimaschutz- und Umweltaspekte sowie Sozialstandards aufzunehmen.

Leistungsbeschreibung
Die Leistungsbeschreibung enthält Art und Umfang der zu vergebenden Leistung. Sie umfasst sämtliche Anforderungen an das Produkt beziehungsweise die zu erbringende Dienstleistung. Der Auftragsgegenstand muss so eindeutig beschrieben werden, dass Sie die abgegebenen Angebote vergleichen können.
Die Merkmale des Auftragsgegenstandes können in Form von technischen Spezifikationen oder von Leistungs- oder Funktionsanforderungen beschrieben werden. Sie haben hier weitreichende Möglichkeiten, soziale und umweltbezogene Aspekte zu definieren. Sie können verlangen, dass ein Produkt aus einem bestimmten Material besteht (z. B. Holz anstatt Kunststoff), oder bestimmte Inhaltsstoffe ausschließen (z. B. gesundheitsschädliche Chemikalien). Ebenso haben Sie die Möglichkeit, den Energiebedarf oder Emissionen durch entsprechende Grenzwerte zu beschränken.

Merkmale können sich auch auf die Herstellungsbedingungen entlang der Lieferkette beziehen, selbst, wenn sie keine materiellen Auswirkungen auf das Produkt haben. Hierzu gehören beispielsweise die Einhaltung bestimmter Arbeits- und Menschenrechtsstandards in der Produktionsphase oder Vorgaben zur Produktion von Strom. Voraussetzung für alle Merkmale ist, dass diese in Verbindung mit dem Auftragsgegenstand stehen und zu dessen Wert und den
Beschaffungszielen verhältnismäßig sind.

Möglichkeiten zur Nutzung von Gütezeichen
Die Nutzung von Gütezeichen erleichtert Ihnen die praktische Umsetzung der nachhaltigen Beschaffung. Zum einen können Sie zur Beschreibung der technischen Merkmale von Produkten auf Nachhaltigkeitskriterien von Gütezeichen zurückgreifen. Zum anderen können Sie diese als Nachweis für die Einhaltung von Nachhaltigkeitsmerkmalen einfordern.

Eignungskriterien
Mit Eignungskriterien prüft die Beschaffungsstelle, ob die Bietenden über die nötige Fachkunde und Leistungsfähigkeit verfügen, um den Auftrag auszuführen. Die Eignungskriterien betreffen die folgenden Aspekte:
„„ Befähigung und Erlaubnis zur Berufsausübung
„„ Wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit
„„ Technische und berufliche Leistungsfähigkeit
Im Rahmen der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit bietet es sich an, auch nachhaltigkeitsrelevante Aspekte zu überprüfen. Das heißt, Sie können bei umweltrelevanten Dienstleistungen (z. B. Reinigung, Catering, Abfallwirtschaft) festlegen, dass das Unternehmen Umweltmanagementmaßnahmen eingeführt haben muss. Maßnahmen etwa zur Abfallvermeidung oder Energieeffizienz sind während der Auftragsausführung relevant und haben somit einen klaren Bezug zum Auftragsgegenstand. Eine Zertifizierung nach einem Umweltmanagementsystem oder eine Beschreibung der Maßnahmen genügen als Nachweis.

Zuschlagskriterien
Angebote, die sowohl die formalen Kriterien als auch die Eignungskriterien erfüllen, werden anhand von Zuschlagskriterien bewertet. Das wirtschaftlichste Angebot erhält den Zuschlag. Das ist nicht unbedingt das mit dem niedrigsten Preis, sondern das Angebot mit dem besten Preis-Leistungsverhältnis. Angebote, die über die (sozialen und ökologischen) Anforderungen der Leistungsbeschreibung hinausgehen, können auf diese Weise positiv bewertet werden, wenn Sie hierfür Zuschlagskriterien festgelegt haben. Zur Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes können auch qualitative, umweltbezogene
oder soziale Zuschlagskriterien berücksichtigt werden, solange sie mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen. Dabei müssen sich entsprechende Kriterien nicht zwingend auf die materiellen Eigenschaften des Auftragsgegenstandes auswirken. So kann zum Beispiel ein fair gehandeltes Produkt im Rahmen der Zuschlagswertung mit einer höheren Punktezahl versehen werden, als ein konventionell gehandeltes Produkt.
Zudem haben Sie bei der Bewertung des Preises die Möglichkeit, diesen auf der Grundlage der Lebenszykluskosten der beschafften Leistung oder des Produktes zu berechnen. Nachfolgekosten, die über den reinen Anschaffungspreis hinausgehen, wie beispielsweise der Stromverbrauch, können somit einberechnet werden.

Nachhaltigkeit in der Beschaffungspraxis

Bei Fragen: Sprechen Sie uns gerne an! Wir führen seit Jahren erfolgreich Beschaffungsverfahren mit Nachhaltigkeitsmaßgaben durch.

VergabeManagement – VergMan ®: Herausforderung: Bio-regionale Lebensmittel in Ausschreibungen von Kita- und Schulverpflegung

VergabeManagement – VergMan ®: Herausforderung: Bio-regionale Lebensmittel in Ausschreibungen von Kita- und Schulverpflegung

vorgestellt von Thomas Ax

Nachhaltigere Kita- und Schulverpflegung

Die Bevorzugung heimischer Lebensmittel in der Kita- und Schulverpflegung bietet die große Chance, Kindern und Jugendlichen Zusammenhänge zum Nahrungskreislauf, zur Herkunft der Lebensmittel, zum Klimaschutz und zur Fruchtvielfalt im Verlauf der Jahreszeiten zu vermitteln. Auch Kita- und Schulträger, die in Eigenbewirtschaftung vor Ort kochen oder eine Zentralküche betreiben, können regional erzeugte Lebensmittel anbieten. Es bestehen weitere Möglichkeiten, regionale Lebensmittel in das Verpflegungsangebot einzubeziehen. So können im Schulkiosk oder beim Kita-Frühstück Lebensmittel vom Bauern, Bäcker oder Metzger von nebenan zum Einsatz kommen.

Sperre Vergaberecht? Nein!

Im Sinne von europaweit offenen Märkten schreibt das Vergaberecht eine Gleichbehandlung von Anbietern vor. Das Nachhaltigkeitskriterium „bio-regional“ lässt sich in Leistungsbeschreibungen in EU-weiten Vergabeverfahren berücksichtigen. Kita- und Schulträger müssen als öffentliche Auftraggeber vergaberechtliche Vorschriften beachten und einen Auftrag ausschreiben, wenn sie einen externen Dienstleister mit der Erbringung einer Verpflegungsleistung beauftragen. In der Leistungsbeschreibung, die Bestandteil der Vergabeunterlagen ist, definiert der Träger alle Anforderungen an die Gestaltung der Kita- und Schulverpflegung, so z. B. auch Nachhaltigkeitskriterien.

„Bio-Regionalität“ in der Gemeinschaftsverpflegung

Eine Aufnahme des Merkmals „Bio-Regionalität“ in der Leistungsbeschreibung bei EU-weiten Ausschreibungen erscheint grundsätzlich möglich, wenn das Merkmal mit erhöhter materieller Produktqualität und Umweltschutzförderung gleichgesetzt wird. Insbesondere vor dem Hintergrund des vergaberechtlichen Gleichbehandlungsgebotes kann sich jedoch ein zu pauschales Abstellen auf die regionale Herkunft als problematisch erweisen. Letztlich ist die Rechtskonformität von Leistungsbeschreibungen für jeden Einzelfall gesondert zu beurteilen.

Bio-Regionalität und Vergaberecht

Das Attribut „Bio“ ist EU‑einheitlich für ökologisch/biologisch produzierte Erzeugnisse nach der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 („EG-Öko-Verordnung“) definiert und geschützt. Deshalb kann in Leistungsbeschreibungen auf die Anforderungen dieser Verordnung verwiesen werden. Jedoch gibt es für den Begriff „Regionalität“ bzw. „regional“ keine einheitliche Definition. Verbraucherumfragen zeigen, dass Regionalität gesellschaftlich für kurze Transportwege, Frische, Saisonalität und Unterstützung der heimischen Wirtschaft steht, während mit Bio-Lebensmitteln insbesondere die Freiheit von Zusatzstoffen und Gentechnik, artgerechte Tierhaltung und Umweltschutz verbunden werden.

Beschaffung von Schulverpflegung

Regionalität kann quasi als „Nebeneffekt“ über umwelt- und qualitätsbezogene Aspekte in Leistungsbeschreibungen berücksichtigt werden. Beispiele sind Vorgaben zum Einsatz saisonaler Obst- und Gemüsesorten (z. B. durch das Hinzufügen eines Saisonkalenders zur Leistungsbeschreibung). Im Hinblick auf die Produktion der Speisen besteht bei Warmverpflegungssystemen die Möglichkeit, durch die Definition von Warmhaltezeiten als Zuschlagskriterium Einfluss zu nehmen. Je kürzer die Warmhaltezeit und damit der Anlieferungsweg, desto höher die Qualität der warmgehaltenen Speisen und desto besser die Bewertung eines entsprechenden Angebotes.

Nachhaltigkeit in der Beschaffungspraxis

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VergabeManagement – VergMan ®: VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 19.07.2022 – 1 S 1121/22: Der bei gemeindlichen Bauplatzvergaben grundsätzlich bestehende, in Art. 3 Abs. 1 GG wurzelnde sog. Vergabeverfahrensanspruch vermittelt Bewerbern einen Anspruch auf eine ermessens-, insbesondere gleichheitsrechtsfehlerfreie Vergabeentscheidung

VergabeManagement - VergMan ®: VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 19.07.2022 - 1 S 1121/22: Der bei gemeindlichen Bauplatzvergaben grundsätzlich bestehende, in Art. 3 Abs. 1 GG wurzelnde sog. Vergabeverfahrensanspruch vermittelt Bewerbern einen Anspruch auf eine ermessens-, insbesondere gleichheitsrechtsfehlerfreie Vergabeentscheidung

vorgestellt von Thomas Ax

Jeder Mitbewerber muss aufgrund seines Anspruchs auf Gleichbehandlung eine faire Chance erhalten, nach Maßgabe der für die spezifische Vergabe wesentlichen Kriterien und des vorgesehenen Verfahrens berücksichtigt zu werden. Das setzt voraus, dass der die Vergabeentscheidung treffende Hoheitsträger etwaige ermessenslenkende Richtlinien im Hinblick auf die Vergabekriterien so klar und eindeutig formuliert, dass jeder verständige Bewerber sie gleichermaßen verstehen, seine Chancen abschätzen und insbesondere erkennen kann, welche Unterlagen er einreichen und welche Angaben er machen muss, um im Vergabeverfahren zugelassen und inhaltlich berücksichtigt zu werden (sog. Transparenzgebot).
VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 19.07.2022 – 1 S 1121/22
vorhergehend:
VG Sigmaringen, 22.04.2022 – 4 K 4006/21

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um die Vergabe von Baugrundstücken.

Die Antragsgegnerin beabsichtigt, sechs in ihrer Gemarkung im Baugebiet “Obere Halde” liegende und ihrem Eigentum stehende Grundstücke zu veräußern. Die Grundstücke befinden sich im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der ein allgemeines Wohngebiet (Bauplätze Nrn. 28 und 38) bzw. ein eingeschränktes Mischgebiet (Bauplätze Nrn. 51, 61/1, 61/2 und 62) festsetzt.

Am 14.07.2021 beschloss der Gemeinderat der Antragsgegnerin “Vergaberichtlinien für die Zuteilung von gemeindeeigenen Baugrundstücken nach Konzeptvergabe im Baugebiet Obere Halde” (im Folgenden: Vergaberichtlinien). Nach den Richtlinien erfolgt die Vergabe im Wege einer sog. Konzeptvergabe nach dem Bestpreis, der sich aus dem Kaufpreis (Gewichtung 30%) und der Konzeptqualität (Gewichtung 70%) ermittelt. Um “festzustellen, ob Bewerber als Einzelpersonen oder als bewerbende Gemeinschaft zum Vergabeverfahren zugelassen” werden können, wurden in den Richtlinien zum einen sog. Eignungskriterien (“Allgemeine Nachweise der Bewerber”) aufgestellt. Die Bewerber sollten dazu u.a. die “Befähigung zur Berufsausübung” nachweisen und eine “Unternehmensbeschreibung” sowie die “Umsatzzahlen der letzten drei Jahre” vorlegen. Zum Zweiten wurden sog. Bewertungskriterien zur “Sicherstellung der Qualität der einzelnen Angebote/Konzepte und des positiven Nutzens für das Quartier” festgelegt und gewichtet (“Qualität des Bewerbers” x2, “Soziale Qualität” x2, “Ökologische/Energetische Qualität” x2, “Architektonische Qualität” x4, “Parkierungskonzept” x1) sowie bestimmt, dass die Bewerber für jedes einzelne Kriterium 0 bis 3 Punkte erhalten könnten. Zum Dritten wurden in den Richtlinien die (weiteren) “einzureichenden Unterlagen” festgelegt, darunter ein “Bewerbungsschreiben mit Konzeptbeschreibung und Erläuterung der Planung”. Wegen der Einzelheiten der Richtlinien wird auf die von der Antragsgegnerin vorgelegte Verwaltungsakte verwiesen.

Der Beschluss und die Richtlinien vom 14.07.2021 wurden im Amtsblatt der Antragsgegnerin vom 29.07.2021 bekannt gemacht. Sie wies dort u.a. darauf hin, dass Bewerbungen bis zum 05.10.2021 eingereicht werden könnten und die Bewerber ihr Konzept auf eigene Kosten und Risiken erstellten.

Bei den Antragstellern handelt es sich um sieben Privatpersonen, die auf dem Grundstück Nr. 28 als Bauherrengemeinschaft vier Doppelhaushälften errichten möchten. Sie beabsichtigen, dieses Vorhaben gegebenenfalls von der … GmbH als Bauträgerin umsetzen zu lassen. Diese GmbH fragte im Rahmen eines Telefonats – dessen Inhalt im Übrigen zwischen den Beteiligten umstritten ist – bei der Antragsgegnerin nach, ob sich auch private Bauherrengemeinschaften auf die Bauplätze Nr. 28 und 38 bewerben könnten, was die Antragsgegnerin bejahte.

Bei den Beigeladenen zu 1 bis 3 handelt es sich jeweils um Gesellschaften mit beschränkter Haftung, die als Bauträger am Markt agieren.

Auf den Bauplatz Nr. 28 bewarben sich die Antragsteller und die Beigeladene zu 3, auf den Bauplatz Nr. 38 die Beigeladene zu 3 (und weitere, nicht am vorliegenden Gerichtsverfahren beteiligte Bauherrengemeinschaften), auf den Bauplatz Nr. 51 die Beigeladene zu 3, auf die die Bauplätze Nrn. 61/1 und 61/2 jeweils die Beigeladenen zu 1 und zu 2 und auf den Bauplatz Nr. 62 die Beigeladene zu 2.

Die Antragsteller reichten ihre Bewerbung selbst als Privatpersonen – d.h. nicht etwa über die … GmbH – ein und traten als Bauherrengemeinschaft auf. Sie legten ein Kaufpreisangebot, einen Lageplan mit Baugrenzen im Maßstab 1:500, Grundrisse, Ansichten und Schnitte der geplanten Doppelhaushälften, eine Wohnflächenberechnung, eine Berechnung der GFZ und GRZ sowie jeweils ein Vorstellungsschreiben der vier Familien der Antragsteller nebst Finanzierungsbestätigungen vor. Zusätzlich beschrieben sie ihr Vorhaben wie folgt: “[…] zur Bebauung mit 4 Doppelhaushälften nach Konzeptvergabe. Errichtet werden die Doppelhäuser in KFW 55 Massivbauweise mit regionalen Handwerksbetrieben. Ausgestattet mit erneuerbaren Energien, wie Wärmepumpe mit Fußbodenheizung, Installation/bzw. Vorbereitung Photovoltaikanlagen mit Batteriespeicher (deswegen Haus mit Satteldach Ausrichtung Süden), Vorbereitung E-Ladestationen. Des Weiteren begrünte Flachdachgaragen. Die Neuvermessung und zusätzlich benötigte innere Erschließung wird ebenfalls von uns übernommen. […] Die Unterlagen entsprechen dem Bebauungsplan – alle Vorschriften wurden eingehalten!”.

Der von dem Gemeinderat der Antragsgegnerin gebildete Grundstücksvergabeausschuss, dem ihre Bürgermeisterin und fünf weitere Mitglieder des Gemeinderats angehören, erörterte die Bewerbungen in einer nichtöffentlichen Sitzung am 11.10.2021. Dem von der Antragsgegnerin vorgelegten Protokoll der Sitzung ist zu entnehmen, dass die Bürgermeisterin u.a. ausführte, für die Bauplätze Nrn. 28 und 38 seien mehrere Bewerbungen eingegangen, allerdings könne nur das Konzept der Beigeladenen zu 3 berücksichtigt werden, weil die Bewerbungen der Bauherrengemeinschaften (darunter die Antragsteller) nicht vollständig seien. Es seien nicht alle geforderten Unterlagen beigelegt worden und es handele sich weniger um Konzepte, sondern eher um Baugesuche. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll verwiesen. Dieses wurde von der Antragsgegnerin allerdings in Absprache mit dem Verwaltungsgericht wegen von der Beigeladenen zu 2 geltend gemachter Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nur mit Schwärzungen vorgelegt und ist daher nur auszugsweise lesbar.

Am 20.10.2021 wurde die Grundstücksvergabe im Gemeinderat erörtert. In dem – von der Antragsgegnerin ebenfalls nur mit Schwärzungen vorgelegten – Protokoll der Sitzung ist u.a. festgehalten, dass der Gemeinderat auf Vorschlag der Bürgermeisterin einem Vorschlag des Grundstücksvergabeausschusses zur punktemäßigen Bewertung der von den Beigeladenen zu 1 bis 3 für die Grundstücke 61/1, 61/2 bzw. 62 vorgelegten Konzepte sowie dem Vorschlag, diese Grundstücke an die Beigeladene zu 2 zu vergeben, zustimmte. Dem Protokoll ist weiter zu entnehmen, dass die Bürgermeisterin erklärte, dass in Bezug auf die Vergabe der Grundstücke 28 und 38 nur ein Konzept eingegangen sei, “das nach den Vergaberichtlinien gewertet werden könne. Die anderen Bewerbungen der Bauherrengemeinschaften (darunter die Antragsteller) erfüllten die Kriterien der Vergaberichtlinien nicht und die Unterlagen sind nicht vollständig”. Weitere Erläuterungen dazu sind dem auch insoweit teilgeschwärzten Protokoll nicht zu entnehmen. Dem Vorschlag des Vergabeausschusses entsprechend beschloss der Gemeinderat, die Grundstücke Nrn. 28, 38 und 51 an die Beigeladene zu 3 zu vergeben. Die Beschlüsse wurden in der öffentlichen Sitzung des Gemeinderats vom 17.11.2021 bekannt gegeben.

Mit Schreiben vom 19.11.2021 unterrichtete die Antragsgegnerin die Beigeladenen zu 2 und 3 von den zu ihren Gunsten ausgefallenen Beschlüssen und teilte ihnen mit, dass notarielle Kaufverträge vorbereitet würden.

Mit Schreiben vom 24.11.2021 teilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen zu 1 mit, dass ihre Bewerbung “aufgrund der zu geringen Punktzahl” nicht habe berücksichtigt werden können. Den Antragstellern teilte die Antragsgegnerin mit vier weiteren Schreiben ebenfalls vom 24.11.2021 mit, dass ihre Bewerbung “aufgrund der zu geringen Punktzahl und der fehlenden Erfüllung der Voraussetzungen” nicht habe berücksichtigt werden können.

Am 29.11.2021 legten die Antragsteller Widerspruch gegen die Vergabeentscheidung betreffend das Grundstück Nr. 28 ein. Die Beigeladene zu 1 widersprach der Entscheidung betreffend die Grundstücke 61/1 und 61/2.

Am 21.12.2021 haben die Antragsteller bei dem Verwaltungsgericht beantragt, es der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, “die Bauplätze des Baugebiets ‘Obere Halde'” zu vergeben und notarielle Kaufverträge über sie abzuschließen, solange nicht “über die Rechtswirksamkeit der Vergaberichtlinien” vom 14.07.2021 entschieden ist. Zur Begründung haben sie u.a. vorgetragen, die Vergaberichtlinien enthielten mehrere Regelungen, die zu unbestimmt und daher nichtig seien. Sie verlangten z.B., dass ein “Konzept” vorgelegt werde, ohne näher zu bestimmen, was dies sein solle. Auch die Regelungen über die Bewertungskriterien selbst seien rechtswidrig. Über die Bewerbernachweise würden von Privatpersonen Unterlagen verlangt, die diese nicht vorlegen könnten, nämlich die Befähigung zur Berufsausbildung, eine Unternehmensbeschreibung, Umsatzzahlen und eine Berufshaftpflichtversicherung. Welche Unterlagen Privatleute insoweit vorzulegen hätten und wie dies jeweils bewertet würde, sei in den Vergaberichtlinien nicht geregelt. Auch die Anwendung der Vergaberichtlinien sei fehlerhaft erfolgt.

Die Antragsgegnerin ist dem Eilantrag entgegengetreten. Sie hat u.a. geltend gemacht, die Vergaberichtlinien seien rechtmäßig und auch ihre Anwendung im Einzelfall sei nicht zu beanstanden. Die Antragsteller hätten kein Konzept eingereicht, sondern lediglich ein Bewerbungsschreiben. Entgegen den Vergaberichtlinien hätten die Antragsteller ihre Planung nicht näher erläutert. Ausführungen zu deren sozialen, ökologischen sowie architektonischen Qualität sowie der ihres Parkierungskonzepts hätten sie nicht gemacht. Es sei daher nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin das Grundstück Nr. 28 nicht an die Antragsteller vergeben habe. Ferner sei es so, dass die Antragsteller gemäß den Richtlinien ungeeignet für den Erwerb des Grundstücks seien. Sie verfügten über keinerlei Fachkunde bezüglich der Errichtung von Reihenhäusern und der Umsetzung von Konzepten zur Sicherung der geordneten städtebaulichen Entwicklung. Da ihre Bewerbung unvollständig sei, seien sie zu Recht vom weiteren Verfahren ausgeschlossen worden. Mangels konzeptioneller Ausführungen in ihrem Angebot sei dieses auch mit 0 Punkten zu bewerten gewesen.

Mit Beschluss vom 28.02.2022 hat das Verwaltungsgericht die Beigeladenen zu 1 bis 3 zu dem Verfahren beigeladen.

Die Beigeladene zu 1 hat ebenfalls einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt und beantragt, der Antragsgegnerin zu untersagen, “die Bauplätze des Baugebiets ‘Obere Halde’ … zu vergeben” und notarielle Kaufverträge über sie abzuschließen, “bis die Rechtmäßigkeit der Vergabeentscheidung und Zurückweisung der Bewerbung der Beigeladenen (zu 1) rechtskräftig entschieden ist”. Sie hat geltend gemacht, sie sei durch die Vergabeentscheidung der Antragsgegnerin in ihrem Anspruch auf eine sachgerechte, willkürfreie und transparente Entscheidung aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzt. Bereits die Vergaberichtlinie sei rechtswidrig, weshalb jede auf ihr basierende Vergabeentscheidung ebenfalls rechtswidrig sei. Die einzelnen Bewertungskriterien seien zu unbestimmt und daher nichtig. Das bei Vergabeentscheidungen zu beachtende Transparenzgebot verlange, dass die aufgestellten Vergabekriterien so klar, eindeutig und unmissverständlich formuliert seien, dass jeder verständige und durchschnittliche Bewerber sie gleichermaßen verstehen und seine Chancen hierauf abschätzen könne. Dem genügten die Vergaberichtlinien nicht. Die Antragsgegnerin habe sich im Laufe des Vergabeverfahrens auch intransparent verhalten, was einen eigenständigen Rechtsverstoß darstelle. Sie habe der Beigeladenen zu 1 zugesagt, sie erhalte die Bewertungsmatrix der Punktevergabe, um sich ein eigenes Bild hinsichtlich ihres Angebots machen zu können. Dem sei sie indessen nie nachgekommen.

Die Beigeladene zu 2 hat erstinstanzlich u.a. vorgetragen, der Beigeladenen zu 1 fehle zum Teil schon die Antragsbefugnis. Im Hinblick auf eine Unbestimmtheit der Vergaberichtlinien sei sie zudem präkludiert. Die Vergaberichtlinien seien aber ohnehin rechtmäßig. In den Vergaberichtlinien sei detailliert aufgeführt und erläutert, nach welchen einzelnen Kriterien die eingereichten Konzepte bewertet würden. Die in den Vergaberichtlinien verwendeten Eignungskriterien entsprächen dem Standardkatalog des § 45 VgV und seien daher nicht zu beanstanden. Auch die von ihr behauptete Intransparenz des Vergabeverfahrens liege nicht vor.

Mit Beschluss vom 22.04.2022 – 4 K 4006/21 – hat das Verwaltungsgericht auf den Antrag der Antragsteller der Antragsgegnerin untersagt, den Bauplatz Nr. 28 zu vergeben und notarielle Kaufverträge über ihn abzuschließen, solange nicht über die Rechtswirksamkeit der Vergaberichtlinien vom 14.07.2021 entschieden ist. “Auf den Antrag der Beigeladenen zu 1” hat das Verwaltungsgericht eine auf die Bauplätze Nrn. 61/1 und 61/2 bezogenen und im Übrigen gleichlautende einstweilige Anordnung erlassen. Im Übrigen hat es die Anträge abgelehnt. Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt, die Anträge der Antragsteller und der Beigeladenen zu 1 seien unzulässig, soweit sie Bauplätze beträfen, auf die sie sich nicht beworben hätten. Soweit sie zulässig seien, seien die Anträge auch begründet. Die Antragsteller und die Beigeladene zu 1 hätten insbesondere jeweils einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Dieser folge aus Art. 3 Abs. 1 GG. Es sei Ausfluss der in Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG, Art. 71 Abs. 1 und 2 LV verbürgten kommunalen Selbstverwaltungsgarantie, dass eine Gemeinde frei darüber entscheiden könne, ob und inwieweit sie in ihrem Eigentum stehende Grundstücke veräußere. Entschließe sie sich zu einem solchen Schritt, habe der betroffene Bürger einen Anspruch im Rahmen der Vergabepraxis auf ermessensfehlerfreie Entscheidung und Berücksichtigung im Auswahlverfahren (Vergabeverfahrensanspruch). Die Gemeinde könne dabei das ihr zustehende Ermessen durch ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften – hier Vergaberichtlinien – ausgestalten. In einem solchen Fall binde sich die Gemeinde bei künftigen Entscheidungen selbst mit der Folge, dass ein Bewerber sich allein deshalb auf einen Verstoß seines Anspruchs auf ermessensfehlerfreie Entscheidung berufen könne, wenn die Gemeinde von der in der Richtlinie vorgesehenen Anwendungspraxis abweiche. Eine solche Selbstbindung der Verwaltung setze voraus, dass die Richtlinie ihrerseits mit dem höherrangigen Recht, insbesondere mit Verfassungsrecht, vereinbar sei. Das Recht der Antragsteller und der Beigeladenen zu 1 auf ermessensfehlerfreie Entscheidung habe die Antragsgegnerin durch ihre Auswahlentscheidung verletzt. Dies folge daraus, dass die Vergaberichtlinien jedenfalls materiell rechtswidrig seien, weil sie gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstießen. Die sog. Eignungskriterien in den Vergaberichtlinien führten zu einer ungerechtfertigten Schlechterstellung von privaten Bauplatzbewerbern gegenüber Bauträgern und anderen gewerblichen Bauplatzbewerbern. Die Vergaberichtlinien sähen vor, dass nur Bewerber, die die Eignungskriterien erfüllen, zum Vergabeverfahren zugelassen werden könnten. Personen, die hiernach ungeeignet seien, würden von vornherein vom Vergabeverfahren ausgeschlossen, ungeachtet der Qualität ihres Bebauungskonzepts. Zum Nachweis der Eignung sollen nach den Vergaberichtlinien Unterlagen beigebracht werden, darunter die Befähigung zur Berufsausübung, einschließlich Auflagen hinsichtlich der Eintragung in einem Berufs- oder Handelsregister, eine Unternehmensbeschreibung, Umsatzzahlen der letzten drei Jahre, eine Berufshaftpflichtversicherung und Referenzen früherer Bauprojekte. Diese Liste an vorzulegenden Unterlagen sei offensichtlich § 45 Abs. 1 und 4 VgV nachgebildet, der sich ausweislich der amtlichen Überschrift des 5. Unterabschnitts in Abschnitt 2 der Vergabeverordnung (“Anforderungen an Unternehmen; Eignung”) ausschließlich auf Unternehmen beziehe – bei denen die Eignungskriterien ihre Berechtigung hätten -, nicht aber auf Privatpersonen (Verbraucher). Die Art der vorzulegenden Unterlagen seien Dokumente mit Kennzahlen, die eine natürliche Person, die einen Bauplatz zur Errichtung eines Eigenheims erwerben wolle, typischerweise nicht vorlegen könne, ein gewerblicher Bauplatzbewerber (z.B. Bauträger) hingegen schon. Die Eignungskriterien mit den vorzulegenden Unterlagen bewirkten damit, dass private Bauplatzbewerber regelmäßig mangels Eignung vom weiteren Vergabeverfahren ausgeschlossen würden, obwohl sich die hier streitgegenständliche Konzeptvergabe von Bauplätzen nach eigenen Angaben der Antragsgegnerin gerade auch an private Bauplatzbewerber richten sollte. Einen sachlichen Grund für diese Ungleichbehandlung von privaten Bauplatzbewerbern (Verbrauchern) gegenüber gewerblichen Bauplatzbewerbern habe die Antragsgegnerin nicht vorgetragen und sei auch für das Gericht nicht ersichtlich. Wenn die Antragsgegnerin mit den Eignungskriterien habe sicherstellen wollen, dass der Bauplatzbewerber wirtschaftlich in der Lage sei, sein Bebauungskonzept auch zu verwirklichen, hätte es in den Eignungskriterien näherer Vorgaben dazu bedurft, wie auch Privatpersonen (Verbraucher) ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit gegenüber der Antragsgegnerin belegen könnten. Derartige Regelungen enthielten ihre Vergaberichtlinien aber nicht. Art. 3 Abs. 1 GG verlange, dass die Vergaberichtlinien so ausgestaltet seien, dass jede der beiden Bewerbergruppen bei Bewerbung auf denselben Bauplatz eine bei abstrakter Betrachtung gleich hohe Chance habe, den Zuschlag zu erhalten. Vergabekriterien, die für beide Bewerbergruppen Anwendung fänden, jedoch von einer Bewerbergruppe typischerweise nicht erfüllt werden könnten, seien nichtig. Entsprechendes gelte für das Bewertungskriterium der “Qualität des Bewerbers”. Auch dieses Kriterium führe zu einer nicht von Sachgründen getragenen Benachteiligung privater Bauplatzbewerber (Verbraucher) gegenüber gewerblichen Bauplatzbewerbern. Das Gericht habe angesichts der besonderen Diskriminierungsverbote aus Art. 3 Abs. 3 GG schon erhebliche Bedenken, ob die nach den Vergaberichtlinien vorgesehene Bewertung der “Qualität” eines Menschen rechtlich überhaupt zulässig sei. Sachliche Gründe für die Schlechterstellung privater Bauplatzbewerber durch das Kriterium der Qualität seien im Übrigen weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer Beschwerde, mit der sie beantragt,

unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses die Anträge der Beschwerdegegner (Antragsteller) und der Beigeladenen zu 1 abzulehnen.

Die Antragsgegnerin macht u.a. geltend, ihre Vergaberichtlinien seien rechtmäßig. Die Eignungskriterien in den Vergaberichtlinien führten nicht zu einer Schlechterstellung von privaten Bauherrengemeinschaften gegenüber gewerblichen Bauplatzbewerbern. Sie (die Antragsgegnerin) verfolge mit der Aufstellung der Eignungskriterien den Zweck, zu gewährleisten, dass Bauplatzbewerber, die einen Zuschlag für eines der im Baugebiet “Obere Halde” gelegenen Grundstücke erhielten, das geplante Bauvorhaben auch tatsächlich errichteten und der Errichtung keine finanziellen Gründe bzw. kein Mangel an Fachkenntnissen entgegenstünden. Das Verwaltungsgericht habe übersehen, dass private Einzelpersonen in der Regel weder die finanziellen Möglichkeiten noch die notwendigen Fachkenntnisse hätten, um Mehrfamilien- sowie Reihen- oder Doppelhäuser in einem Zug zu bauen. Private Einzelpersonen müssten sich daher eines (gewerblichen) Bauträgers bedienen, der ihr Bauvorhaben erstellen könne. Im Hinblick auf die Vergaberichtlinien wäre es privaten Einzelpersonen problemlos möglich gewesen, einen gewerblichen Bauträger zu finden, der die Eignungskriterien erfülle, um so zu dem Vergabeverfahren zugelassen zu werden. Dieser gewerbliche Bauträger hätte als Unterauftragnehmer beauftragt werden können. Ferner hätten private Einzelpersonen mit gewerblichen Bauträgern Bietergemeinschaften gründen können. Die Vergaberichtlinien der Beschwerdeführerin hätten nicht zur Voraussetzung, dass die Eignungskriterien in der Person der sich bewerbenden privaten Einzelperson selbst vorliegen müssten. Es bestehe – jedenfalls – ein sachlich gerechtfertigter Grund für die (ggf.) Ungleichbehandlung. Das genannte Ziel, die Verwirklichung der Bauvorhaben zu gewährleisten, könne nur durch die Aufstellung von Eignungskriterien erreicht werden, die einen Schluss auf die finanzielle Potenz und das fachliche Know-How der Bewerber zuließen. Das Bewertungskriterium “Qualität des Bewerbers” in den Vergaberichtlinien der Beschwerdeführerin vom 14.07.2021 führe dementsprechend ebenfalls nicht zu einer Schlechterstellung von privaten Bauherrengemeinschaften gegenüber gewerblichen Bauplatzbewerbern. Sie (die Antragsgegnerin) habe ihre Vergaberichtlinien im Rahmen des Vergabeverfahrens auch zutreffend auf die Antragsteller angewandt. Die Antragsteller hätten kein Konzept und keine Referenzen vorgelegt. Damit sei von vornherein ihre fachliche Eignung nicht nachgewiesen. Allein die Vorlage eines Lageplans mit Grundrissen zu Ansichten und Schnitten sowie der Wohnflächenberechnung ergebe noch kein “Konzept”, wie dies seitens der Vergaberichtlinien gefordert gewesen sei. Ferner fehlten Aussagen zu Mobilitäts- und Parkierungskonzepten. Selbst wenn die Bewerbung der Antragsteller in die Wertung einbezogen worden wäre, hätten diese nicht obsiegt, da mangels Konzept deren Bewerbung nach den hierfür einschlägigen Kriterien der Vergaberichtlinien keine Punkte im Vergleich zum Bestbieter erhalten hätte. Ebenso wären sie bei der Preisbewertung unterlegen, weil der Bestbieter der Beschwerdeführerin einen deutlich höheren Preis angeboten habe. Auch auf die Beigeladene zu 1 seien die Vergaberichtlinien zutreffend angewandt worden. Die Beigeladene zu 1 habe ebenfalls nicht obsiegen können, da ihr Angebot gegenüber dem des begünstigten Bewerbers weniger Punkte erhalten habe. Der angefochtene Beschluss des Verwaltungsgerichts sei unabhängig davon bereits deshalb rechtswidrig und aufzuheben, weil der Tenor letztlich zu einem dauerhaften Veräußerungsverbot im Hinblick auf die Grundstücke der Beschwerdeführerin führen würde. Sollte keiner der Beteiligten einen Antrag im Hauptsacheverfahren stellen, bestünde für sie (die Antragsgegnerin) die nicht hinzunehmende Gefahr, die Grundstücke Nrn. 28, 61/1 und 61/ 2 auf ewig nicht veräußern zu können.

Die Beigeladene zu 2 hat sich den Ausführungen der Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren angeschlossen. Ergänzend trägt sie u.a. vor, der Eilantrag der Beigeladenen zu 1 sei unzulässig und jedenfalls unbegründet, weil diese (auch) ausgehend von der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts nicht in ihren Rechten verletzt sei. Das Gericht habe seine Entscheidung ausschließlich mit dem Argument begründet, dass die Vergaberichtlinien gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen würden, weil sie zu einer ungerechtfertigten Schlechterstellung von privaten Bauplatzerwerbern gegenüber Bauträgern und anderen gewerblichen Bauplatzerwerbern führen würden. Selbst wenn man diese Auffassung als zutreffend unterstellen würde, würde die Beigeladene zu 1 durch diese Rechtsverletzung nicht benachteiligt, sondern sogar bevorteilt, da es sich bei ihr um einen gewerblichen Bewerber handele. Nach dem Grundsatz “venire contra factum proprium” könne sich die Beigeladene zu 1 nicht auf die Unwirksamkeit einer für sie günstigen Regelung berufen. Das Verwaltungsgericht sei unabhängig davon über die Anträge der Antragsteller und der Beigeladenen zu 1 hinausgegangen und habe insbesondere den Antrag dieser Beigeladenen auch im Tatbestand des Beschlusses unzutreffend wiedergegeben.

Die Antragsteller beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigen den angefochtenen Beschluss unter Vertiefung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vorbringens und tragen vor, sie beabsichtigten, zeitnah einen Antrag im Hauptsacheverfahren zu stellen.

Die Beigeladene zu 1 beantragt ebenfalls,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Vortrag der Beigeladenen zu 2 zum Grundsatz “venire contra factum proprium” liege neben der Sache. Weder habe sie (die Beigeladene zu 1) einen hierfür erforderlichen Vertrauenstatbestand gesetzt noch habe das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung festgestellt, dass die Vergaberichtlinien in identischer Weise erneut erlassen werden könnten. Zutreffend habe es angenommen, dass die Vergaberichtlinien jedenfalls private Bewerber erheblich benachteiligten und mithin rechtswidrig seien. Bereits auf dieser Grundlage können die Vergaberichtlinien keine geeignete Grundlage für ein Vergabeverfahren darstellen, sodass auch gegenüber ihr (der Beigeladenen zu 1) das Vergabeverfahren rechtswidrig gewesen sei. Die Rechtsverletzung liege bereits darin, dass ihr auf Grundlage eines rechtswidrigen Vergabeverfahrens kein Zuschlag erteilt worden sei. Im Übrigen verstießen die Vergaberichtlinien gegen das gleichheitsrechtliche Transparenzgebot und seien auch deshalb nicht als Grundlage für die Vergabeentscheidung geeignet. Bereits hinsichtlich des Kriteriums der “Qualität des Bewerbers” sei nicht erkennbar, was dieses Kriterium von dem allgemeinen Eignungskriterium unterscheide. Auch die weiteren festgesetzten Kriterien erfüllen nicht das Gebot der Transparenz, da lediglich eine exemplarische Erläuterung erfolge, sodass nicht abgeschätzt werden könne, ob weitere Kriterien in die Vergabekriterien miteinbezogen werden sollten und gegebenenfalls welche. Insofern seien die Vergabekriterien derart offen gefasst, dass diese der Willkür geöffnet seien, da letztlich nicht definiert werde, was konkret in die Bewertung miteinfließe und was nicht. Im Übrigen seien die Vergabekriterien auch fehlerhaft angewendet worden. Die Entscheidung sei seitens des Gemeinderats letztlich wohl allein vom Ergebnis her getroffen worden. Die Antragsgegnerin hebe etwa hervor, dass es ihr um die Sicherstellung der “finanziellen Potenz” der Bewerber gegangen sei, die Beigeladene zu 2 habe aber keine Finanzierungsbestätigung vorgelegt. Auch im Übrigen sei davon auszugehen, dass die Kriterien nicht ordnungsgemäß angewendet worden seien. Seitens der Antragsgegnerin seien lediglich so umfangreich geschwärzte Unterlagen vorgelegt wurden, dass ein Vergleich der Kriterien nicht möglich sei. Damit werde eine entsprechende Nachprüfung der Entscheidung vereitelt, was nach den Grundsätzen der Beweisvereitelung zu ihren Lasten zu berücksichtigen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze der Beteiligten und die von der Antragsgegnerin vorgelegten Verwaltungsvorgänge, soweit diese lesbar sind, verwiesen.

II.

Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig, aber nicht begründet. Die fristgerecht dargelegten Gründe, auf die sich die Prüfung des Senats grundsätzlich beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO), geben dem Senat keinen Anlass, über die Anträge der Antragsteller und der Beigeladenen zu 1 auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abweichend vom Verwaltungsgericht zu entscheiden. Das Vorbringen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen zu 2 gegen die Tenorierung des erstinstanzlichen Beschlusses (1.), gegen die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Antragsauslegung (2.) und gegen dessen Sachentscheidung zum Eilantrag der Antragsteller (3.) sowie der Beigeladenen zu 1 (4.) rechtfertigt keine wesentliche Änderung des angefochtenen Beschlusses.

1. Ohne Erfolg machen die Antragsgegnerin und die Beigeladene zu 2 geltend, der angefochtene Beschluss des Verwaltungsgerichts sei bereits deshalb aufzuheben, weil der von dem Verwaltungsgericht formulierte Tenor zu einem “dauerhaften Veräußerungsverbot” in Bezug auf die Grundstücke der Antragsgegnerin führen würde, falls keiner der Beteiligten einen Antrag im Hauptsacheverfahren stellen (d.h. Klage erheben) sollte.

Unabhängig davon, dass die Antragsteller eine Klageerhebung angekündigt haben, übersehen die Antragsgegnerin und die Beigeladenen zu 2, dass es die Antragsgegnerin im Bedarfsfall selbst in der Hand hat, den Eintritt eines “dauerhaften Veräußerungsverbotes” zu verhindern. Das ergibt sich aus § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 926 ZPO. Nach der zuletzt genannten, für den Erlass einstweiliger Anordnungen gemäß § 123 Abs. 3 VwGO entsprechend geltenden Vorschrift hat, wenn die Hauptsache (noch) nicht anhängig ist, das Arrestgericht (hier das Verwaltungsgericht) auf Antrag ohne mündliche Verhandlung anzuordnen, dass die Partei, die den Arrestbefehl (hier die einstweilige Anordnung) erwirkt hat, binnen einer zu bestimmenden Frist Klage zu erheben hat (Abs. 1). Wird dieser Anordnung nicht Folge geleistet, ist auf Antrag die Aufhebung des Arrestes (hier der einstweiligen Anordnung) auszusprechen (vgl. § 926 Abs. 2 ZPO und näher zum sog. Klageerzwingungsverfahren OVG NRW, Beschl. v. 18.06.2021 – 13 B 331/21NVwZ-RR 2021, 823; Schoch, in: dems./Schneider, Verwaltungsrecht, Stand 42. Erg.-Lfg., § 123 VwGO Rn. 181; jeweils m.w.N.).

2. Ebenfalls ohne Erfolg bleibt der ergänzende Einwand der Beigeladenen zu 2, das Verwaltungsgericht habe den erstinstanzlichen Eilantrag der Beigeladenen zu 1 im Tatbestand des Beschlusses unzutreffend wiedergegeben und sei inhaltlich weit über diesen hinausgegangen.

Das Verwaltungsgericht hat den von der Beigeladenen zu 1 in deren Schriftsatz vom 29.03.2022 formulierten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung im Tatbestand seines Beschlusses zwar in der Tat nicht wörtlich wiedergegeben. Dazu war es indes auch nicht verpflichtet. Denn es ist an die Fassung der Anträge nicht gebunden (vgl. § 122 Abs. 1 i.V.m. 88 Halbs. 2 VwGO) und zur sachdienlichen, am inhaltlichen Begehren der Beteiligten ausgerichteten Auslegung von Anträgen berufen. Die vom Verwaltungsgericht der Sache nach vorgenommene Auslegung des Eilantrags der Beigeladenen zu 1 weist gemessen an dem im deren Schriftsatz vom 29.03.2022 im Kern zum Ausdruck gebrachten Begehren, eine Schaffung von vollendeten Tatsachen zu verhindern, solange über die Rechtmäßigkeit der in Rede stehenden Vergabeentscheidung, die ihrerseits auf den Vergaberichtlinien vom 14.07.2021 beruht, nicht rechtskräftig entschieden wurde, keine Rechtsfehler auf. Die Beigeladene zu 1 ist der vom Verwaltungsgericht vorgenommenen Auslegung ihres Antrags dementsprechend im Beschwerdeverfahren nicht entgegengetreten, sondern hat die angefochtene Entscheidung (auch insoweit) verteidigt. Erst recht ist das Verwaltungsgericht mit dem in Ausübung der ihm bei dem Erlass einer einstweiligen Anordnung zustehenden weiten Gestaltungsbefugnis (vgl. nur Schoch, a.a.O., §123 Rn. 133 m.w.N.) gewählten Tenor nicht unter Verstoß gegen § 88 Halbs. 1 VwGO inhaltlich über das Antragsbegehren hinausgegangen.

Lediglich klarstellend ergänzt der Senat den Sachausspruch in Ausübung derselben, im Beschwerdeverfahren auch ihm zustehenden Befugnis wie aus dem Tenor seines vorliegenden Beschlusses ersichtlich.

3. Gründe, über den Eilantrag der Antragsteller inhaltlich abweichend vom Verwaltungsgericht zu entscheiden, hat die Antragsgegnerin nicht dargelegt.

a) Das diesbezügliche Beschwerdevorbringen genügt bereits den Darlegungsanforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO nicht.

Das Verwaltungsgericht hat in Bezug auf den Eilantrag der Antragsteller im Kern entschieden, die Antragsgegnerin habe den von ihm näher umschriebenen Vergabeverfahrensanspruch verletzt, weil es sein Ermessen bei der Vergabeentscheidung auf die Vergaberichtlinien vom 14.07.2021 gestützt habe, die ihrerseits gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstießen, weil die sog. Eignungskriterien und das Bewertungskriterium “Qualität der Bewerber” jeweils private Bauplatzbewerber gegenüber gewerblichen Bewerbern ohne sachlichen Grund benachteilige. Wenn die Antragsgegnerin mit den Eignungskriterien habe sicherstellen wollen, dass der Bauplatzbewerber wirtschaftlich in der Lage sei, sein Bebauungskonzept auch zu verwirklichen, hätte es in den Eignungskriterien näherer Vorgaben dazu bedurft, wie auch Privatpersonen (Verbraucher) ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit gegenüber der Antragsgegnerin belegen könnten.

Mit dieser Begründung des Verwaltungsgerichts setzt sich die Antragsgegnerin nicht in einer § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO genügenden Weise auseinander. Denn sie geht nur auf die erste, nicht aber auf die zweite der beiden genannten und selbständig tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts ein. Die Antragsgegnerin hat zwar dargelegt, aus welchen Gründen ihres Erachtens entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts keine Benachteiligung von privaten Bewerbern vorliege, und zur Begründung u.a. ausgeführt, dass die Eignungs- und Qualitätskriterien nicht in der Person von sich bewerbenden Privatpersonen vorliegen müssten und dass diese ihre Bewerbung auf verschiedene Weisen zusammen mit gewerblichen Beiträgern einreichen könnten. Mit der zweiten sinngemäßen Erwägung des Verwaltungsgerichts, dass es dann näherer Vorgaben gerade in der Richtlinie selbst dazu bedurft hätte, welche Schritte Privatpersonen aus Sicht der Antragsgegnerin konkret unternehmen müssten, um eine zulassungsfähige und inhaltlich berücksichtigungsfähige Bewerbung abzugeben, setzt sich die Antragsgegnerin hingegen nicht auseinander.

Es ist unabhängig von diesem Darlegungsdefizit auch in der Sache nicht erkennbar, dass die Vergaberichtlinie der Antragsgegnerin die vom Verwaltungsgericht als fehlend beanstandeten Vorgaben enthält. Das Gegenteil ist der Fall. Die Richtlinie definiert den Begriff des “Bewerbers”, der eine Bewerbung einreichen kann, in den auf S. 3 enthaltenen “Hinweisen” durch einen Klammerzusatz als “Bauträger, Investor, Bauherrengemeinschaft”. Nach der Richtlinie können sich demnach – wie es die Antragsgegnerin im vorgerichtlichen Verfahren auf Nachfrage der … GmbH eigens bestätigt hatte – auch private Bauherrengemeinschaften bewerben. Hinweise dazu, dass Bauherrengemeinschaften – wie die Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren wohl sinngemäß geltend machen will – eine Bewerbung nur zusammen mit einem gewerblichen Bauträger einreichen können oder auf welche sonstige Weise Private die in den Richtlinien genannten Angaben machen und Nachweise führen können, finden sich in den Richtlinien hingegen nicht.

b) Unabhängig davon weist die Entscheidung des Verwaltungsgerichts zum Eilantrag der Antragsteller auch in der Sache keine Rechtsfehler auf.

Der von dem Verwaltungsgericht zutreffend umschriebene (vgl. § 122 Abs. 3 Satz 3 VwGO), in Art. 3 Abs. 1 GG wurzelnde sog. Vergabeverfahrensanspruch vermittelt den Bewerbern einen Anspruch auf eine ermessens-, insbesondere materiell gleichheitsrechtsfehlerfreie Vergabeentscheidung. Jeder Mitbewerber muss aufgrund seines Anspruchs auf Gleichbehandlung eine faire Chance erhalten, nach Maßgabe der für die spezifische Vergabe wesentlichen Kriterien und des vorgesehenen Verfahrens berücksichtigt zu werden (vgl. zur Vergabe von öffentlichen Aufträgen BVerfG, Beschl. v. 13.06.2006 – 1 BvR 1160/03BVerfGE 116, 135, m.w.N.). Das setzt voraus, dass der die Vergabeentscheidung treffende Hoheitsträger etwaige ermessenslenkende Richtlinien im Hinblick auf die Vergabekriterien so klar und eindeutig formuliert, dass jeder verständige Bewerber sie gleichermaßen verstehen, seine Chancen abschätzen und insbesondere erkennen kann, welche Unterlagen er einreichen und Angaben er machen muss, um im Vergabeverfahren zugelassen und inhaltlich berücksichtigt zu werden. Ohne eine in diesem Sinne transparente, d.h. hinreichend bestimmte Ausgestaltung und Formulierung der Vergaberichtlinien ist es in der Regel nicht möglich, die gebotene Chancengleichheit zu gewährleisten und fehlt es daher an einer verfahrensmäßigen Grundlage, auf der eine gleichheitskonforme Auswahl getroffen werden kann (vgl. zu diesem sog. Transparenzgebot speziell in kommunalrechtlichen Bauplatzvergabeverfahren VG Sigmaringen, Beschl. v. 03.03.2022 – 14 K 4018/21 -, und v. 21.12.2020 – 7 K 3840/20 -; VG Weimar, Beschl. v. 30.07.2018 – 8 E 841/16 We [“allgemeiner Grundsatz des öffentlichen Vergabewesens”]; zu strukturierten Bieterverfahren zur Veräußerung von Vermögensgegenständen durch die öffentliche Hand Brbg. OLG, Urt. v. 24.04.2012 – 6 W 149/11ZfBR 2012, 508; LG Stuttgart, Urt. v. 24.03.2011 – 17 O 115/11 -; zum Vergaberecht i.e.S. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22.11.2017 – Verg 16/17NZBau 2018, 248; zu “Einheimischenmodellen” bei der Vergabe von Liegenschaften im Lichte des unionsrechtlichen Freizügigkeitsrechts EuGH, Urt. v. 08.05.2013 – C-197/11 u.a. – DVBl 2013, 1041; zum ggf. auch aus dem unionsrechtlichen Verbot der Diskriminierung wegen der Staatsangehörigkeit folgenden Transparenzgebot für Vergabeentscheidungen EuGH, Urt. v. 13.10.2005 – C-458/03Slg. 2005, I-8585; zu Marktzulassungsentscheidungen auf der Grundlage von § 70 Abs. 3 GewO BayVGH, Beschl. v. 12.08.2013 – 22 CE 13.970NVwZ-RR 2013, 933; zur Ausschreibung von öffentlichen Ämtern BVerwG, Beschl. v. 20.06.2013 – 2 VR 1.13BVerwGE 147, 20; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 04.11.2020 – 4 S 2582/20 – VBlBW 2021, 208; jeweils m.w.N.).

Diesem gleichheitsrechtlichen Transparenzgebot werden die verfahrensgegenständlichen Vergaberichtlinien der Antragsgegnerin nicht gerecht. Das betrifft bereits die in den Richtlinien mit den sog. Eignungskriterien geregelte erste, die Zulassung zum Verfahren betreffende Stufe. Die Richtlinien suggerieren, wie gezeigt (oben a)), einerseits, dass sich auch Private (Bauherrengemeinschaften) eigenständig um die Bauplätze bewerben können. Sie benennen aber andererseits Eignungskriterien – Zulassungsvoraussetzungen -, die ersichtlich nur auf gewerbliche Bewerber zugeschnitten sind, ohne klarzustellen, ob diese Kriterien ggf. auch – und dann mit welchen Modifikationen – für Private gelten. Ebenso wenig ist den Richtlinien mit hinreichender Sicherheit zu entnehmen, wie ein privater Bewerber, falls er zugelassen ist, seine “Qualität” im Sinne der sog. Bewertungskriterien darlegen kann. Erst recht enthalten die Richtlinien, wie gezeigt, keinen Hinweis darauf, dass die Antragsgegnerin wohl – und entgegen der abschließenden “Hinweise” in den Richtlinien – Bewerbungen von Privaten nur zulassen und ggf. bewerten will, falls diese zusammen mit einem gewerblichen Bauträger eingereicht werden.

Die Richtlinien versetzten einen privaten Interessenten damit insgesamt nicht in die Lage, seine Chancen abschätzen und erkennen zu können, welche Unterlagen er einreichen und Angaben er machen musste, um im Vergabeverfahren zugelassen und inhaltlich berücksichtigt zu werden. Die Vergabeentscheidung der Antragsgegnerin war an den mithin gleichheitswidrigen und deshalb unwirksamen Vergaberichtlinien ausgerichtet und ihrerseits rechtswidrig. Denn die Antragsgegnerin ließ die Bewerbung der Antragsteller bereits auf der ersten Stufe des Auswahlverfahrens mit der Begründung, die Antragsteller hätten nicht alle erforderlichen Unterlagen eingereicht, nicht zu, obwohl die Antragsgegnerin es zuvor unterlassen hatte, zu gewährleisten, dass die Antragsteller erkennen konnten, welche Unterlagen sie als Private einreichen mussten.

Aus im Wesentlichen demselben Grund kann die Antragsgegnerin auch nicht mit Erfolg geltend machen, die Bewerbung der Antragsteller wäre selbst bei einer Zulassung wegen der fehlenden Unterlagen nicht ausreichend hoch gepunktet worden, um zum Zuge kommen zu können. Auch insoweit gilt, dass die Vergaberichtlinien Private wie die Antragsteller von vornherein nicht dazu in die Lage versetzten, zu erkennen, was sie vorlegen mussten, um mit Aussicht auf Erfolg berücksichtigt zu werden. Deshalb wäre auch eine auf den Einwand fehlender Unterlagen gestützte inhaltliche Auswahlentscheidung gleichheitswidrig gewesen. Unabhängig davon spricht – was keiner abschließenden Entscheidung bedarf – viel dafür, dass die Antragsgegnerin im gerichtlichen Verfahren eine tatsächlich unterlassene Auswahlentscheidung nicht durch Vortrag hypothetischer Überlegungen zu einer tatsächlich nicht durchgeführten Auswahl heilen kann. Denn zuständig für die Auswahl war der Gemeinderat (vgl. § 24 Abs. 1 Satz 2 GemO) und es ist nicht erkennbar, dass dieser sich inhaltlich mit der Bewerbung der Antragsteller auseinandergesetzt hätte (vgl. zur Ergänzung von Ermessensentscheidungen aus dem Zuständigkeitsbereich des Gemeinderats im gerichtlichen Verfahren den erkennenden Senat, Beschl. v. 09.08.2021 – 1 S 1764/21NVwZ-RR 2022, 55, und Urt. v. 02.11.2021 – 1 S 3252/20 -).

4. Gründe, über den Eilantrag der Beigeladenen zu 1 inhaltlich abweichend vom Verwaltungsgericht zu entscheiden, haben weder die Antragsgegnerin noch die Beigeladene zu 2 dargelegt.

a) Ohne Erfolg macht die Beigeladene zu 2 geltend, der Eilantrag der Beigeladenen zu 1 sei bereits unzulässig, weil sie mit ihrem Vortrag gegen das Verbot des widersprüchlichen Verhaltens (venire contra factum proprium) verstoßen habe und ihr deshalb das Rechtsschutzbedürfnis fehle.

Einem Beteiligten fehlt das Rechtsschutzbedürfnis grundsätzlich nur dann, wenn das prozessuale Vorgehen seine Rechtsstellung nicht verbessern kann und daher nutzlos ist (st. Rspr., vgl. nur Sodan, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl., § 42 Rn. 350, m.w.N.). Das ist nur anzunehmen, wenn die Klage bzw. der Antrag für den Kläger bzw. Antragsteller offensichtlich keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile erbringen kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.04.2004 – 3 C 25.03BVerwGE 121, 1 ; Urt. v. 06.03.2014 – 1 C 5.13 -). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Der von der Beigeladenen zu 1 gestellte Eilantrag vermag ihr tatsächliche und rechtliche Vorteile zu vermitteln. Denn im Falle einer – wie hier erstinstanzlich teilweise geschehen – Stattgabe kann sie die Schaffung vollendet Tatsachen verhindern und sich eine Chance in dem Vergabeverfahren erhalten.

Unabhängig davon ist auch der Vorwurf der Beigeladenen zu 2, die Beigeladene zu 1 verhalte sich rechtsmissbräuchlich, nicht begründet. Es ist insbesondere nicht missbräuchlich, dass sie eine Vergabeentscheidung mit dem sinngemäßen Einwand angreift, die der Entscheidung zugrunde gelegten Richtlinien seien (u.a.) aus Gründen rechtswidrig, die unmittelbar andere Bewerbergruppen betreffen, ihres Erachtens aber gleichwohl zur Gesamtunwirksamkeit der Richtlinie führen. Ein dahingehender Vortrag ist nicht widersprüchlich. Unabhängig davon stützt die Beigeladene zu 1 ihren Vortrag auch auf andere, nicht nur private, sondern auch gewerbliche Bewerber wie sie selbst betreffende Einwände.

b) Ebenfalls ohne Erfolg bleibt der Vortrag der Beigeladenen zu 2, die Beigeladene zu 1 sei mit ihren Einwänden zur Rechtmäßigkeit der Vergaberichtlinien “präkludiert”, weil sie diese nicht bis zum Ablauf der Bewerbungsfrist oder aus anderen Gründen rechtzeitig geltend gemacht habe.

Falls die Beigeladene zu 2 diesen inhaltlich nur andeutungsweise ausgeführten Einwand unter Verweis auf die Regelung zur Zurückweisung von Angriffs- und Verteidigungsmitteln aus § 531 ZPO begründen möchte, übersieht sie, dass diese Vorschrift im Verwaltungsprozessrecht nicht anwendbar ist. Falls sie mit ihrem Einwand auch oder stattdessen an die in der zivilgerichtlichen Rechtsprechung und Literatur teils vertretene Auffassung anknüpfen möchte, wonach im vergaberechtlichen sog. Unterschwellenbereich eine ungeschriebene Pflicht zur rechtzeitigen Rüge von etwaigen Fehlern im Ausschreibungsverfahren bestehe, rechtfertigt auch das keine “Präklusion” des Vortrags der Beigeladenen zu 2. Die zur Begründung der genannten Rügepflicht (tatsächlich -obliegenheit) für zivilrechtliche Verfahren erwogenen dogmatischen Begründungsansätze wie eine analoge Anwendung des § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB oder eine Anknüpfung an § 241 Abs. 2 BGB oder an § 242 BGB (vgl. LG Bielfeld, Urt. v. 27.02.2014 – 1 O 23/14 -) kommen in einem – wie hier – öffentlich-rechtlich ausgestalteten, an Art. 3 Abs. 1 GG auszurichtenden Vergabeverfahren nicht in Betracht. Es ist bereits nicht erkennbar, dass die für eine Analogie erforderliche planwidrige Regelungslücke vorliegt. Eine im Ergebnis rechtsschutzverkürzende Präklusion für ein öffentlich-rechtliches Vergabeverfahren bedürfte einer dahingehenden Entscheidung des Gesetzgebers (vgl. aus dem Planungsrecht etwa § 73 Abs. 4 Satz 3 [L]VwVfG oder im Verwaltungsprozessrecht § 87b Abs. 3 VwGO), an der es hier fehlt.

c) Eine Änderung der angefochtenen Entscheidung rechtfertigt auch nicht das sinngemäße Vorbringen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen zu 2, jedenfalls in Bezug auf gewerbliche Bewerber seien die Vergaberichtlinien vom 14.07.2021 entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts rechtmäßig. Es bedarf keiner Entscheidung, ob der oben genannte Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG, wie das Verwaltungsgericht wohl angenommen hat, bereits per se die Gesamtunwirksamkeit der Richtlinien zur Folge hat und schon deshalb auch die die Beigeladene zu 1 betreffende Auswahlentscheidung rechtswidrig ist. Diese Entscheidung erweist sich unabhängig davon als rechtswidrig, weil die Vergaberichtlinien auch in Bezug auf gewerbliche Bewerber dem o.g. Transparenzgebot nicht genügen. Es kommt nicht darauf an, ob die Antragsgegnerin die Maßstäbe für die Punktevergabe innerhalb der einzelnen Bewertungskriterien ausreichend transparent und in einer gerichtlich nachprüfbaren Weise bestimmt hat. Jedenfalls sind den Richtlinien, wie das Verwaltungsgericht bereits in Zweifel gezogen hat, zu dem Kriterium “Parkierungskonzept” keine transparenten Vorgaben zu entnehmen. Die Antragsgegnerin hat sich insoweit auf den Hinweis beschränkt, dass flächensparende und “zukunftsträchtige Mobilitäts- und Parkierungskonzepte” Einfluss auf die Gesamtqualität eines Wohnbaukonzepts hätten, ohne wenigstens ansatzweise zu erläutern, welche Konzepte sie als “zukunftsträchtig” ansieht und deshalb in einer Bewerbung mit einer hohen Punktzahl bewerten würde, und ob dies unabhängig von der Zahl der zu erstellenden Wohneinheiten gelten soll.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht billigem Ermessen (§ 162 Abs. 3 VwGO), dass die Beigeladene zu 2 ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt, da sie auf eigene Rechtsmittel und eine Antragstellung verzichtet und sich damit keinem eigenen Kostenrisiko nach § 154 Abs. 3 Satz 1 VwGO ausgesetzt hat.

6. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1 und § 52 Abs. 1 GKG und folgt der von den Beteiligten nicht beanstandeten Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

VergMan Baden-Württemberg ® – VwV Beschaffung und Arbeitshilfen

VergMan Baden-Württemberg ® - VwV Beschaffung und Arbeitshilfen

Beschaffungsunterlagen für Landeseinrichtungen

Bei der Vergabe von Liefer- und Dienstleistungsaufträgen sind die Behörden und Betriebe des Landes an die Verwaltungsvorschrift der Landesregierung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (VwV Beschaffung) gebunden. Die VwV Beschaffung ist eine Art Leitfaden, der chronologisch durch ein Vergabeverfahren führt und dabei auf die zu beachtenden Vergaberegelungen verweist.

Mit der VwV Beschaffung wurde die bundeseinheitliche Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) für Liefer- und Dienstleistungsaufträge der Behörden und Betriebe des Landes eingeführt. Zudem wurde dort die elektronische Kommunikation zwischen öffentlichem Auftraggeber und Unternehmen verankert. Außerdem wurden die Vergabeverfahren vereinfacht und beschleunigt, so dass kleine und mittlere Unternehmen besser an Vergabeverfahren teilnehmen können. Auftraggeber und Unternehmen haben mehr Flexibilität bei der Gestaltung der Vergabeverfahren.

Die VwV Beschaffung ermöglicht es den Vergabestellen schließlich, bei ihren Beschaffungen deutlich stärker als bisher qualitative, innovative, soziale, umweltbezogene und wirtschaftliche Aspekte in den Vordergrund zu rücken. Konkret heißt dies, dass bei Beschaffungen des Landes zum Beispiel umweltgerechte Aspekte wie die Beschaffung von Recyclingpapier, Biolebensmitteln, energieeffizienten und klimaschützenden Waren sowie lärm- und schadstoffarmen mobilen Maschinen und Geräten eine gewichtigere Rolle spielen. Außerdem werden soziale Aspekte wie die Förderung der sozialen Integration und der Gleichstellung, ILO-Kernarbeitsnormen und fair gehandelte Produkte berücksichtigt.

VWV Beschaffung vom 24. Juli 2018 (PDF)

VWV zur Änderung der VWV Beschaffung vom 24. Juli 2018 (PDF)

Anlage 1 ILO Kernarbeitsnormen Ergänzende Vertragsbedingungen (DOCX)

Anlage 2 Beschaffung von Baumaschinen (PDF)

Anlage 3 Erklärung gemäß Nummer 12.1.2 Buchstabe g (PDF)

Anlage 4 Gegenstände der gemeinsamen Beschaffung (PDF)

Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Beschaffung energieeffizienter Produkte und Dienstleistungen (AVV-EnEff) (PDF)

Arbeitshilfen für die Beschaffung

Wer muss Vergaberecht anwenden, Arbeitshilfe (DOCX)

Wer muss Vergaberecht anwenden, Arbeitshilfe (PDF)

Verfahrensarten und Wertgrenzen, Arbeitshilfe (PDF)

Schwellenwerte Wertgrenzen Vergaberecht Januar 2022 (PDF)

Prüfraster für die Vergabe öffentlicher Aufträge, Arbeitshilfe (DOCX)

Prüfraster für die Vergabe öffentlicher Aufträge, Arbeitshilfe (PDF)

Information Datenschutz, Arbeitshilfe (DOCX)

Checkliste für die Vertragsprüfung, Arbeitshilfe (DOCX)

Hinweise zu fair gehandelten Produkten, Arbeitshilfe (PDF)

Muster Verpflichtungserklärung Mindestentgeld, Stand 1.2.2021 (DOCX)

Muster Besondere Vertragsbedingungen LTMG (PDF)

VergMan ® – Rechtsprechungsreport: OLG FFM zur Frage der äußersten Dringlichkeit im Sinne des § 3a EU Abs. 3 Nr. 4 VOB/A 2019

VergMan ® - Rechtsprechungsreport: OLG FFM zur Frage der äußersten Dringlichkeit im Sinne des § 3a EU Abs. 3 Nr. 4 VOB/A 2019

vorgestellt von Thomas Ax

Äußerste Dringlichkeit ist regelmäßig bei unaufschiebbaren, nicht durch den Auftraggeber verursachten Ereignissen anzunehmen, bei denen eine gravierende Beeinträchtigung für die Allgemeinheit und die staatliche Aufgabenerfüllung droht, etwa durch einen schweren, nicht wiedergutzumachenden Schaden. Als dringliche und zwingende Gründe kommen deshalb akute Gefahrensituationen und höhere Gewalt in Betracht, die zur Vermeidung von Schäden der Allgemeinheit ein sofortiges, die Einhaltung von Fristen ausschließendes Handeln erfordern. Beispiele sind die Behebung von Sturm- und Brandschäden oder sonstigen Katastrophenschäden sowie die Beschaffung von Leistungen, die der kurzfristigen Bewältigung von Krisen (etwa der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020) und der Aufrechterhaltung des Dienstbetriebs der öffentlichen Verwaltung dienen. Eine äußerste Dringlichkeit kann hingegen nicht mit bloßen wirtschaftlichen Erwägungen begründet werden. Das Tatbestandsmerkmal wird ausgefüllt durch den Verweis auf die Mindestfristen, die in Verfahren mit einer EU-Auftragsbekanntmachung vorgeschrieben sind. Der Grad der Dringlichkeit muss demgemäß so hoch sein, dass selbst die auf ein zulässiges Maß verkürzten Teilnahme- und Angebotsfristen zu lang sind, um den Beschaffungsbedarf zu decken. Es darf also nicht möglich sein, die in §§ 10a, 10b und § 10c EU VOB/A vorgeschriebenen Fristen einzuhalten (Völlink in Ziekow/Völlink, 4. Aufl. 2020, VOB/A-EU § 3a EU Rn. 16; aaO VgV § 14 Rn. 62, 63; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 20. Dezember 2019 – Verg 18/19, “Trockenausbau”). Beim offenen Verfahren beträgt die Angebotsfrist mindestens 35 Kalendertage. Sie kann unter bestimmten Voraussetzungen verkürzt werden, darf aber auch im Fall der Dringlichkeit 15 Kalendertage nicht unterschreiten (§ 10a EU Abs. 3 VOB/A). Beim nicht offenen Verfahren beträgt die Teilnahmefrist mindestens 30 Kalendertage, sie kann im Fall der Dringlichkeit auf 15 Kalendertage verkürzt werden (§ 10b EU Abs. 5 Nr. 1 VOB/A). Die Angebotsfrist beträgt mindestens 30 Kalendertage, aus Gründen der Dringlichkeit kann sie bis auf 10 Kalendertage reduziert werden (§ 10b EU Abs. 5 Nr. 2 VOB/A). Beim Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb gelten die Fristen des nicht offenen Verfahrens (§ 10c EU Abs. 1 VOB/A). Die äußerste Dringlichkeit des § 3a EU Abs. 3 Nr. 4 VOB/A kann also nur dann gegeben sein, wenn selbst die Ausschöpfung aller Verkürzungsmöglichkeiten nach § 10 EU bis 10c EU VOB/A objektiv nicht ausreicht (Stickler in Kapellmann/Messerschmidt, VOB/A § 3aEU Rn. 57, beck-online).
OLG Frankfurt, Beschluss vom 07.06.2022 – 11 Verg 12/21
vorhergehend:
VK Hessen, 02.12.2021 – 69d-VK-2-32/2021

Gründe

I.

Die Antragstellerin erhielt in einem vorangegangenen, hier nicht verfahrensgegenständlichen, Vergabeverfahren aus dem Jahr 2013 den Zuschlag für Aufzugsarbeiten für elf Aufzüge im neu zu errichtenden – bis heute nicht fertiggestellten – Gebäude … (Bauteile …, …, …) der Klinik1 in Stadt1. Zwei dieser Aufzüge wurden während der Bauarbeiten an dem Gebäude als Bauaufzüge in Betrieb genommen. Nachdem der Antragsgegner den mit der Antragstellerin geschlossenen Bauvertrag am 07.08.2020 gekündigt hatte, gab er am 09.08.2021, also etwa ein Jahr später, die bereits erfolgte Vergabe hinsichtlich neun Aufzügen in dem Objekt an die Beigeladene bekannt. Diese erneute Vergabe ist Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens.

Die Vergabekammer, für deren vollständige Feststellungen auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen wird, hat u.a. festgestellt:

Der Antragsgegner gab am 9. August 2021 in der hessischen Ausschreibungsdatenbank unter der Referenznummer HAD … bekannt, den hier streitgegenständlichen Auftrag am 4. August 2021 ohne vorherige Bekanntmachung eines Aufrufs zum Wettbewerb im Wege eines Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb vergeben zu haben. Als Grund gab der Antragsgegner unter Ziffer IV.1.1 der Bekanntmachung an, wegen der Dringlichkeit der Leistung aus zwingenden Gründen infolge von Ereignissen, die er nicht verursacht habe und auch nicht habe voraussehen können, hätten die in § 10a EU, 10 b EU und 10 c EU Abs. 1 VOB/A vorgeschriebenen Fristen nicht eingehalten werden können.

Der hier gegenständlichen Ausschreibung liegt eine Ausschreibung aus dem Jahre 2013 zu Grunde, mit der die Antragstellerin zur Errichtung von elf Aufzugsanlagen beauftragt worden ist. Im Zuge dieser Bauausführungsphase errichtete die Antragstellerin zwei dieser Aufzugsanlagen derart, dass diese einstweilen als Bauaufzüge genutzt werden können. Im Sommer des Jahres 2016 nahm der Antragsgegner bezüglich dieser beiden Aufzugsanlagen die von der Antragstellerin insoweit erbrachten Leistungen teilweise unter dem Vorbehalt der Beseitigung der bei der Teilabnahme festgestellten Mängel ab.

Die Arbeiten an den neun weiteren Aufzügen nahm der Antragsgegner nicht ab, da die Antragstellerin hier ihre Leistungen nur teilweise erbracht habe. In der Folgezeit stritten die Antragstellerin und der Antragsgegner über die Frage, welche Leistungen aus dem Hauptauftrag von der Antragstellerin erbracht worden seien und warfen sich gegenseitig unkooperatives und destruktives Verhalten vor. Der Antragsgegner forderte die Antragstellerin erstmals mit E-Mail vom 20. Juni 2017 und in der Folgezeit wiederholt dazu auf, hinsichtlich der in der Zwischenzeit erforderlichen technischen Anpassung der Aufzüge auf der Grundlage der DIN EN 81 20/50 ein Nachtragsangebot vorzulegen, was diese aber nicht abgab.

Am 7. August 2020 kündigte der Antragsgegner das Vertragsverhältnis außerordentlich, weil die Antragstellerin ihren Verpflichtungen gemäß Ziffer 10.22 der “Weiteren besonderen Vertragsbedingungen” nicht nachgekommen sei, Leistungen nach Aufforderungen und Androhung nicht erbracht, die Baustelle nicht in angemessener Form besetzt habe, angeforderte Nachtragsangebote, welche zum abnahmereifen Erbringen der Leistung erforderlich gewesen seien, nicht abgegeben und Mängel aus den Teilabnahmen nicht beseitigt habe (Blatt 809 der Vergabeakte). Die Antragstellerin ging gegen die außerordentliche Kündigung zivilrechtlich nicht vor und legte am 15. Dezember 2020 ein Nachtragsangebot – nach Auffassung des Antragsgegners ohne hinreichende Kalkulationsnachweise (Blatt 41 der Vergabeakte) – vor, das der Antragsgegner am 28. Mai 2021 ablehnte, da die Antragstellerin trotz mehrfacher Hinweise die notwendigen Kalkulationsunterlagen nicht nachgereicht habe.

Wegen der zwei teilabgenommenen (Bau-) Aufzüge hat der Antragsgegner am 15. Juli 2020 Klage vor dem Landgericht Wiesbaden wegen mangelhafter Leistung erhoben. Der Rechtsstreit ist nach wie vor anhängig. Die Antragstellerin hat unter dem 11. November 2021 Widerklage wegen offener Werklohnforderungen erhoben.

Aufgrund der aus dem ursprünglichen Auftragsverhältnis aus dem Jahre 2013 resultierenden Streitigkeiten mit der Antragstellerin entschied der Antragsgegner, die nun nicht mehr dem Stand der Technik entsprechenden Aufzugsanlagen durch eine Drittfirma entweder demontieren, fachgerecht entsorgen und neu aufbauen (Hauptangebot) oder die teilerrichteten Aufzugsanlagen so um-/aufrüsten zu lassen, dass ein Inverkehrbringen auf der Grundlage der seit dem 1. August 2017 gültigen DIN EN 8120/50 möglich werde. Die Aufzugsanlagen sollen in dem noch nicht fertiggestellten Neubau des Hauses …, Bauteile …, … und … der Klinik1 Stadt1 eingebaut werden, in welchem sich dann alle wesentlichen “Kopfdisziplinen” befinden werden, die zurzeit in verschiedenen Gebäuden auf dem Gelände des Klinik1 untergebracht sind. Ziel ist die Nutzung von Synergien beispielsweise durch gemeinsame Diagnose- und OP-Abteilungen.

Vor dem Hintergrund des Termindrucks zur Fertigstellung des “Hauses … …” und der bestmöglichen Abwendung von im Falle von Fertigstellungsverzögerungen drohenden wirtschaftlichen Schäden, die monatlich im siebenstelligen Bereich veranschlagt worden sind, beschloss der Antragsgegner, die Beauftragung eines Drittunternehmens durch ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb zu realisieren, da diese Verfahrensart nach seiner Auffassung das Potenzial bot, schätzungsweise zwei Monate einsparen zu können.

Um für die ausgeschriebene Leistung Bieter mit den erforderlichen technischen Voraussetzungen und ausreichender Leistungsfähigkeit ausfindig zu machen, fand im Vorfeld durch den Antragsgegner eine Markterkundung statt. Der Antragsgegner wählte sechs Unternehmen aus, die durch ihre Fachkunde und Leistungsfähigkeit den technischen Anforderungen entsprachen, und ermöglichte am 4. Mai 2021 über die Vergabeplattform diesen sechs Unternehmen den Zugang zu den Vergabeunterlagen. Die Antragstellerin gehörte nicht zu den sechs ausgewählten Unternehmen des Antragsgegners. Die Angebotsfrist wurde letztendlich auf den 23. Juni 2021, 10:30 Uhr, festgelegt.

Von den sechs ausgewählten Bietern gab ausschließlich die Beigeladene ein Angebot ab, das der Antragsgegner einer rechnerischen und technischen Prüfung unterzog. Außerdem prüfte er die Auskömmlichkeit der Preise sowie der Kalkulationen und die Eignung des Bieters. Der Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen erfolgte am 4. August 2021. (…)

Mit Schriftsatz vom 27. September 2021 beantragte die Antragstellerin die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens. (…)

Die Antragstellerin hat vor der Vergabekammer beantragt,

1. festzustellen, dass der gemäß HAD-Referenz-Nr. … erteilte öffentliche Auftrag von Anfang an unwirksam ist;

2. hilfsweise, dem Antragsgegner aufzugeben, den mit der HAD-Referenz-Nr. … bekannt gemachten Auftrag an die X GmbH gemäß § 133 Abs. 1 Nr. 3 GWB zu kündigen;

3. dem Antragsgegner für den Fall, dass er an der Beschaffungsabsicht festhalte, aufzugeben, den Auftrag im Wege eines förmlichen EU-weiten Vergabeverfahrens in einer zulässigen Verfahrensart nach § 3a EU Abs. 1 VOB/A sowie unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer auszuschreiben;

4. der Antragstellerin Akteneinsicht gemäß § 165 GWB zu gewähren.

Der Antragsgegner hat beantragt,

den Antrag auf Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens zu verwerfen, hilfsweise, den Antrag zurückzuweisen.

Die Beigeladene hat beantragt,

den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin vom 7. September 2021 zurückzuweisen.

Die Vergabekammer, die der Antragstellerin keine Akteneinsicht gewährt hat, hat den Antrag mit dem der Antragstellerin am 17.12.2021 zugestelltem Beschluss vom 02.12.2021, auf den für seine genaue Begründung Bezug genommen wird, abgelehnt. Der Hauptantrag sei unbegründet. Die Vergabekammer hat offengelassen, ob die Voraussetzungen für ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnehmerwettbewerb vorgelegen haben und darauf abgestellt, dass ein solcher Fehler die Zuschlagschancen der Antragstellerin jedenfalls nicht verschlechtert habe. Denn der Antragsgegner habe die Antragstellerin im Verhandlungstermin vor der Vergabekammer berechtigt gem. § 6e EU VI Nr. 7 VOB/A und ermessensfehlerfrei vom Verfahren ausgeschlossen (VKB19ff.). Der (Hilfs-) Antrag zu 2) sei unzulässig, weil § 133 I GWB dem unterlegenen Bieter kein wehrfähiges Recht gewähre, so dass eine Antragsbefugnis nach § 160 II GWB insoweit nicht gegeben sei. Auch der Antrag zu 3 sei mangels Antragsbefugnis unzulässig, weil der zwischen dem Antragsgegner und der Beigeladenen geschlossene Vertrag nicht gem. § 135 I Nr. 2 GWB von Anfang an unwirksam sei.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin, die am 31.12.2021 handschriftlich unterzeichnet und am 05.01.2022 über das besondere Anwaltspostfach (beA) in einer korrigierten Fassung beim Oberlandesgericht eingegangen ist. Die Korrekturen betreffen in der handschriftlich unterzeichneten Fassung nur mit Fehlermeldungen enthaltene automatische Verweise auf Anlagen. Die Antragstellerin wendet sich insbesondere gegen die Annahme eines Ausschlussgrundes, das Abstellen auf ein “hypothetisches Vergabeverfahren”, einen Ausschluss der Antragstellerin noch nach dem Zuschlag an die Beigeladene, eine fehlende Stellungnahme der Antragsgegnerin zu von der Antragstellerin vorgebrachten Selbstreinigungsmaßnahmen und eine aus Sicht der Antragstellerin gleichwohl und daher eigenständig erfolgte, nicht auf Ermessenskontrolle begrenzte Prüfung dieser Maßnahmen durch die Vergabekammer.

Die Antragstellerin beantragt,

1. die Entscheidung der Vergabekammer des Landes Hessen vom 02.12.2021 (69d-VK2-32/2021) aufzuheben;

2. festzustellen, dass der Vertrag zwischen dem Antragsgegner und der Beigeladenen vom 04.08.2021 – bekanntgemacht mit HAD-Referenz-Nr. … – von Anfang an unwirksam war;

3. hilfsweise, dem Antragsgegner aufzugeben, den mit der HAD-Referenz-Nr. … bekanntgemachten Auftrag an die Beigeladene gemäß § 133 Abs. 1 Nr. 3 GWB zu kündigen;

4. den Antragsgegner im Falle des Fortbestehens der Beschaffungsabsicht zu verpflichten, den Auftrag im Wege eines förmlichen EU-weiten Vergabeverfahrens in einer zulässigen Verfahrensart nach § 3a EU Abs. 1 VOB/A sowie unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts auszuschreiben;

5. hilfsweise, die Vergabekammer zu verpflichten, unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts über die Sache erneut zu entscheiden;

6. die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin für notwendig zu erklären.

Außerdem beantragt sie,

ihr Akteneinsicht gem. § 165 GWB zu gewähren.

Der Antragsgegner widerspricht einer Akteneinsicht der Antragstellerin und beantragt,

die sofortige Beschwerde zu verwerfen, hilfsweise zurückzuweisen.

Die Beigeladene beantragt,

1. die sofortige Beschwerde zurückzuweisen;

2. den Antrag der Antragstellerin auf Akteneinsicht zurückzuweisen, hilfsweise die Akteneinsicht auf diejenigen Unterlagen zu beschränken, die unmittelbar von den im Nachprüfungsverfahren vom 7. September 2021 formulierten Vorwürfen gegen die Vergabestelle betroffen sind;

3. die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Beigeladene sowohl im Verfahren vor der Vergabekammer als auch im Beschwerdeverfahren für notwendig zu erklären.

Der Antragsgegner macht im Beschwerdeverfahren geltend, der (konkludente) Ausschluss der Antragsgegnerin liege schon darin, dass die Antragstellerin im Rahmen der Neuvergabe nicht berücksichtigt worden sei. Sie verneint eine hinreichende Selbstreinigung der Beschwerdeführerin und bezieht sich hinsichtlich der Ermessenserwägungen auf ihren Schriftsatz vom 30.11.2021, Bl. 1636 ff. d.BA, der der Antragstellerin nach deren Angaben im Schriftsatz vom 25.02.2022, S. 56, Bl. 287 d.A., nicht bekannt ist. Bei der Neuausschreibung sei kein Unternehmen bereit gewesen, auf dem vorhandenen Stand der Aufzugsanlagen aufzubauen.

II.

1. Die sofortige Beschwerde ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft und in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden, § 172 GWB.

a) Entgegen der Auffassung des Antragsgegners ist die Beschwerde nicht deshalb mangels ausreichender Begründung unzulässig, weil es wegen der Verweisfehler hinsichtlich der Anlagen im Fließtext des handschriftlich unterzeichneten, allein fristwahrend übermittelten, Exemplars an der gem. § 172 II GWB erforderlichen (geordneten) Angabe der Tatsachen und Beweismittel fehlte, auf die die Beschwerde gestützt ist. Zunächst listet die Beschwerdeschrift am Ende die maßgeblichen Anlagen nochmals auf, so dass eine Zuordnung möglich blieb. Vor allem aber sind die Mindestanforderungen an die Begründung auch dann erfüllt, wenn man die fehlerhaften Verweise auf die bereits der Vergabekammer vorgelegten Anlagen wegdenkt. Die Beschwerde ist nur dann wegen eines Begründungsmangels unzulässig, wenn das Beschwerdegericht ihr nicht entnehmen kann, aus welchen Gründen tatsächlicher oder rechtlicher Art die angefochtene Entscheidung nach Auffassung des Beschwerdeführers falsch sein soll. Fehlende Beweisantritte würden daher nur zur Unzulässigkeit führen, soweit ausschließlich die Nichtberücksichtigung von Beweismitteln gerügt, diese aber gleichwohl nicht hinreichend bezeichnet wären. Schlüssigkeit, hinreichende Substantiierung, Vertretbarkeit oder rechtliche Haltbarkeit werden hinsichtlich der formalen Mindestanforderungen nicht verlangt (vgl. MüKoZPO/Rimmelspacher, 6. Aufl. 2020, ZPO § 520 Rn. 42 für die strengeren Anforderungen nach § 520 ZPO, s.a. Pünder/Schellenberg, Vergaberecht, GWB § 172 Rn. 12, beck-online).

b) Der Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde steht auch nicht entgegen, dass das zur Rechtsmitteleinlegung eingereichte konkrete Exemplar vom Antragstellervertreter bei Unterzeichnung nicht nochmals auf Vollständigkeit und Richtigkeit kontrolliert worden und damit in seiner konkreten Gestaltung gebilligt worden, sondern unbesehen unterschrieben worden ist.

Die Unterzeichnung der Beschwerdeschrift bzw. der Beschwerdebegründung durch einen postulationsfähigen Rechtsanwalt stellt keine bloße Formalität dar. Sie ist zugleich äußerer Ausdruck für die von dem Gesetz geforderte eigenverantwortliche Prüfung des Inhalts durch den Anwalt. Mit dem Anwaltszwang und den Regelungen über den notwendigen Inhalt einer Rechtsmittelbegründung soll erreicht werden, dass ein mit dem Verfahren vertrauter Rechtsanwalt dem Gericht und dem Gegner den Sachverhalt unter bestimmter Bezeichnung der im einzelnen anzuführenden Anfechtungsgründe nach persönlicher Durcharbeitung des Prozessstoffs vorträgt. Die Begründung muss deshalb Ergebnis der geistigen Arbeit des Rechtsanwalts sein. Aus Gründen der Rechtssicherheit begnügt sich das Gesetz hinsichtlich dieser Anforderungen allerdings mit dem äußeren Merkmal der Unterschrift ohne einen darüberhinausgehenden Nachweis zu fordern, dass der Anwalt den Prozessstoff eigenverantwortlich durchgearbeitet hat und die Verantwortung für dessen Inhalt tragen will. Ausnahmen von diesem Grundsatz werden von der Rechtsprechung nur in zwei Konstellationen anerkannt, nämlich zum einen, wenn der Anwalt sich durch einen Zusatz von dem unterschriebenen Schriftsatz distanziert, und zum anderen, wenn nach den Umständen außer Zweifel steht, dass der Rechtsanwalt den Schriftsatz ohne eigene Prüfung, also unbesehen, unterschrieben hat (vgl. zur Berufungsbegründung nach § 520 III ZPO: BGH, Beschluss vom 23. Juni 2005 – V ZB 45/04 mwN).

Vorliegend ist die handschriftlich unterzeichnete Beschwerdeschrift ausweislich des erläuternden Schriftsatzes vom 04.01.2022, Bl. 59 f. d.A., zur Vorlage der korrigierten Fassung nicht vom Rechtsanwalt selbst nach eigenhändiger abschließender Bearbeitung am Bildschirm, sondern vom Sekretariat ausgedruckt worden und sind die Verweisfehler erst nach Einreichung im Zuge der Prüfung der Beschwerdeschrift aufgefallen. Zugleich sind die Fehlermeldungen in der Beschwerdeschrift in Fettdruck ausgeführt und an mehreren Stellen in der Beschwerdeschrift enthalten, so dass sie selbst bei flüchtiger Durchsicht aufgefallen wären.

Die danach anzunehmende unbesehene Unterzeichnung der Beschwerdeschrift führt aber nicht zur Unzulässigkeit des Rechtsmittels, weil sich die Billigung und eigenverantwortliche Prüfung auf den gedanklichen Inhalt des Schriftsatzes bezieht und nicht auf die konkrete drucktechnische Umsetzung. Deshalb wird die Form selbst durch eine Blankounterschrift unter einem weisungsgemäß unter deren Verwendung erstellten Schriftsatz gewahrt, wenn der Rechtsanwalt den Inhalt des Schriftsatzes so genau festgelegt hat, dass er dessen eigenverantwortliche Prüfung bestätigen kann. Dies ist bei nur stichwortartiger Fixierung durch den Rechtsanwalt ohne abschließende Prüfung zu verneinen, aber zu bejahen, wenn der Inhalt des Schriftsatzes durch die Weisung des Rechtsanwalts so genau bestimmt worden ist, dass eine fachkundige Bürokraft ihn ohne weitere Festlegungen sachlicher oder inhaltlicher Art erstellen kann (BGH aaO Rn. 16 f.).

Im Streitfall spricht nichts für die Annahme, der Antragstellervertreter habe die Beschwerdeschrift nicht selbst entworfen und nur nach seiner abschließenden Durchsicht, wie vielfach üblich, für die Einarbeitung danach veranlasster konkret vorgegebener Änderungen in das elektronische Dokument und den Ausdruck eines fehlerfreien Exemplars ins Sekretariat zurückgegeben, bevor er die ihm dann vorgelegte Fassung ohne nochmalige Durchsicht unterschrieb.

2. Die Beigeladene ist neben den Parteien am Beschwerdeverfahren beteiligt. Zwar enthält die Akte der Vergabekammer keinen – durch die vollständig besetzte Kammer zu treffenden (MüKoVergabeR I/Jaeger, 2. Aufl. 2018, § 162 GWB, Rn. 8) – Beiladungsbeschluss, sondern nur Benachrichtigungen der Beigeladenen und der Parteien durch die Kammervorsitzende über die Beiladung (Bl. 670 ff. d. BA.). Insoweit kann dahinstehen, ob der Beigeladenen die Beigeladenenstellung auch bei einer Beiladungsentscheidung nur durch den Vorsitzenden oder durch eine bloße Benachrichtigung aller Beteiligten zukommt. Jedenfalls liegt in der angefochtenen, die Beigeladene als solche bezeichnende und im Tenor berücksichtigenden Entscheidung die Bestätigung der Beiladung durch die Kammer; ein etwaiger Verfahrensmangel wurde damit – jedenfalls ex nunc – geheilt.

3. Die sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

a) Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.

aa) Die Vergabekammer hat zu Recht angenommen, dass der gem. § 106 I, II Nr. 1 GWB i.V.m. Art. 4 lit. a der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG (nachfolgend Vergaberichtlinie genannt) maßgebliche Schwellenwert von 5.382.000 Euro erreicht ist, weil insoweit auf den (ursprünglichen) Gesamtauftrag für das Klinikgebäude von mehr als 450 Millionen Euro und nicht auf den den Schwellenwert für sich genommen nicht erreichenden Wert des neu zu vergebenden (Teil-) Auftrags abzustellen ist.

Ob bei Kündigung des Altauftrags und neuer Vergabe der noch nicht fertiggestellten oder nur mangelhaft erbrachten Leistungen für den nach § 106 GWB maßgeblichen Schwellenwert die Schwellenwerterreichung des Altauftrags maßgeblich bleibt, oder die Schwellenwerterreichung und damit die Anwendbarkeit des Kartellvergaberechts neu zu prüfen ist, wird nicht einheitlich beantwortet.

(1) Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte geht, soweit ersichtlich, davon aus, dass auf den Wert des Altauftrags – und zwar bei losweiser Vergabe in Gestalt des nach § 3 VII VgV maßgeblichen Gesamtwerts aller Lose – abzustellen ist. Dies wird z.B. in den Beschlüssen des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 20.12.2019 – Verg 18/19, “Trockenausbau”, aaO, Rn. 22 f., und des Oberlandesgerichts Sachsen-Anhalt vom 15.03.2007 – 1 Verg 14/06, “Multimediazentrum II”) vorausgesetzt.

Auch die Vergabekammer des Landes Brandenburg und die Vergabekammer Rheinland-Pfalz gehen von einer Zuordnung der erneuten Vergabe zum ursprünglichen (Gesamt-) Auftrag aus (vgl. Vergabekammer des Landes Brandenburg, Beschluss vom 23. August 2018 – VK 15/18; Vergabekammer Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 22. Oktober 2010 – VK 2-34/10).

(2) In seinem Beschluss vom 04.02.2009 – Verg 65/08 – hat das Oberlandesgericht Düsseldorf die Frage ausdrücklich angesprochen und ausgeführt, es handele sich unbeschadet der dortigen Kündigung weiterhin um eine dem ursprünglich ausgeschriebenen Gesamtauftrag zuzuordnende Leistung und infolgedessen um einen Teil des Gesamtbauauftrags. Sachliche Gründe für eine unterschiedliche Einordnung des ursprünglichen Auftrags und der Restarbeiten seien nicht zu erkennen. Es hat dann allerdings gleichwohl offengelassen, ob dabei aus der Pflicht zur Ausschreibung des ursprünglichen Auftrags zugleich das Erfordernis einer Ausschreibung auch der Restarbeiten abzuleiten sei und ausgeführt, im dort zu entscheidenden Fall unterfielen die Restarbeiten schon deshalb dem Vergaberecht, weil das Gesamtvolumen aller noch zu vergebenden Aufträge den Schwellenwert überschreite. Vom dortigen Projekt mit einem Gesamtauftragswert von 40 – 45 Millionen Euro waren bislang erst Aufträge über etwa 7 Millionen Euro vergeben worden. Im hier vom erkennenden Senat zu entscheidenden Fall sind weitere noch zu vergebende Arbeiten indessen nicht ersichtlich.

(3) Aus der weiteren Entscheidung des Oberlandesgerichts Sachsen-Anhalt vom 14.03.2014 – 2 Verg 1/14, “Projektsteuerung”, folgt keine von der unter (1) dargestellten Annahme, grundsätzlich sei die Schwellenwerterreichung des Altauftrags maßgeblich, abweichende Auffassung. Dort ist zwar für die Neuvergabe auf den Wert des neu zu vergebenden Auftrags abgestellt worden. Dies ist jedoch damit begründet worden, dass der neue Auftrag sich in seinen wesentlichen Grundlagen vom bisherigen Generalplanervertrag unterscheide, weil nunmehr nur die Projektsteuerung vergeben werde und diese nicht mehr unselbständiger Bestandteil des Generalplanervertrags sei, sondern als einzelne Leistung vergeben werde. Deshalb würden auch jedenfalls zum Teil andere Wirtschaftsteilnehmer als potentielle Auftragnehmer angesprochen. Dieser Ausführungen hätte es nicht bedurft, wenn der Vergabesenat des Oberlandesgerichts Naumburg der Auffassung gewesen wäre, die Neuvergabe sei hinsichtlich der Schwellenwerterreichung ohnehin neu und ohne Rückgriff auf die vorangegangene Vergabe zu beurteilen.

(4) Demgegenüber wird in der Literatur vertreten, dass die erneute Vergabe nicht mehr dem Kartellvergaberecht unterfalle, wenn ein den Schwellenwert erreichender Auftrag während der Ausführung gekündigt worden ist und der Auftragswert der noch auszuführenden Leistungen für sich genommen unterhalb des Schwellenwertes liegt. § 3 VII VgV sei, wenn die Neuvergabe selbst nicht losweise erfolgt, nicht direkt anwendbar und für eine analoge Anwendung fehle es sowohl an einer planwidrigen Gesetzeslücke als auch an einer vergleichbaren Fallgestaltung. Der Auftraggeber stehe nicht anders, als wenn sich sein Beschaffungsbedarf von Anfang an nur auf die in Rede stehenden (Rest-) Arbeiten beschränkt hätte (Kühnen in Byok/Jaeger, Kommentar zum Vergaberecht, 4. Auflage, § 106 GWB Rn. 24; Schneider in Kapellmann/Messerschmidt, VOB-Kommentar, Teil A/B, 7. Auflage, § 3 VgV, Rn. 79).

(5) Der letztgenannten Auffassung ist zuzugestehen, dass jedenfalls bei nicht offensichtlich willkürlicher Kündigung des Altvertrages durch die Vergabestelle als Auftraggeberin keine Gefahr einer missbräuchlichen Umgehung des – zunächst beachteten – Kartellvergaberechts droht und die daraus folgende Abspaltung der Neuvergabe vom ursprünglichen Vergabeverfahren in der Kündigung bzw. den Kündigungsgründen eine sachliche Begründung findet. Zugleich kollidiert eine selbständige Prüfung der Anwendbarkeit des GWB-Vergaberechts nicht mit dessen Zwecken, insbesondere der Öffnung der Beschaffungsmärkte der EU-Mitgliedstaaten für einen unverfälschten und möglichst umfassenden Wettbewerb sowie der Schonung öffentlicher Ressourcen (vgl. zu diesen Zwecken Ziekow in ders./Völlink, VergabeR, 4. Auflage, GWB Einleitung Rn. 1), denn diese werden mit den Instrumenten des GWB nur bei die Schwellenwerte erreichenden Aufträgen angestrebt. Auch beruht die neuerliche Beschaffung zumindest auf einer Aktualisierung und damit Neuformung des nunmehr begrenzten Beschaffungswillens.

Die Ansicht kollidiert jedoch mit Satz 1 des 110. Erwägungsgrunds der Vergaberichtlinie. Danach soll “der erfolgreiche Bieter, zum Beispiel, wenn ein Auftrag aufgrund von Mängeln bei der Ausführung gekündigt wird, nicht durch einen anderen Wirtschaftsteilnehmer ersetzt werden, ohne dass der Auftrag erneut ausgeschrieben wird”. Aus Satz 2 des 110. Erwägungsgrunds der Vergaberichtlinie folgt, dass die Richtlinie von solchen Ersetzungen des Auftraggebers zulässige strukturelle Veränderungen auf Auftraggeberseite abgrenzen will, die kein neues Vergabeverfahren nach sich ziehen sollen. Diese Abgrenzung nehmen die Richtlinie in Art. 72 und das deutsche Recht in § 132 GWB vor. Dort wird die Ersetzung des Auftragnehmers nach Art. 72 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. d der Richtlinie und § 132 I 3 Nr. 4 GWB als Auftragsänderung eingeordnet. Eine Auftragsänderung ist dabei nicht nur bei einvernehmlichen Vertragsänderungen, sondern z.B. auch dann anzunehmen, wenn der bisherige Vertrag gekündigt und ein anderes Unternehmen beauftragt wird (vgl. Vergabekammer des Landes Brandenburg aaO, Rn. 56, Ziekow in Ziekow/Völlink, VergabeR, 4. Auflage, § 132, Rn. 59). Dies folgt daraus, dass die “wesentliche Änderung” nach § 132 I 2 GWB (nur) darin liegen soll, dass sich der (neue) öffentliche Auftrag erheblich von dem vergebenen (ursprünglichen) Auftrag unterscheidet, und dass nach § 132 II Nr. 4 lit. b, c GWB bzw. Art. 72 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. d Nr. ii, iii der Vergaberichtlinie solche Änderungen auch allein in den Entschließungen einer Seite wurzeln können. § 132 II Nr. 4 lit. c GWB und Art. 72 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. d Nr. iii der Vergaberichtlinie betreffen dabei auch den Fall, dass der Auftraggeber die verbleibenden Leistungen nach Kündigung des ursprünglichen Vertrags selbst ausführt (s. BeckOK VergabeR/Mertens/Götze, 23. Ed. 31.1.2021, GWB § 132 Rn. 97).

Vor diesem Hintergrund folgt aus der – im Streitfall nicht einschlägigen – de-minimis-Regelung des § 132 III GWB bzw. des Art. 72 Abs. 2 Unterabs. 1 der Vergaberichtlinie, dass das Nichterreichen des Schwellenwertes hinsichtlich des neuen Auftrags allein nicht ausreicht, die Anwendbarkeit des Kartellvergaberechts von vornherein mangels Schwellenwerterreichung zu verneinen. Vielmehr ist für den insoweit nach § 106 GWB maßgeblichen Schwellenwert auf den ursprünglichen Auftrag abzustellen. Denn die Anwendbarkeit der de-minimis-Regelung setzt nicht nur das Nichtübersteigen der Schwellenwerte hinsichtlich des neu zu vergebenden Auftrags (lit. a bzw. Nr. i), sondern außerdem das Nichtüberschreiten eines bestimmten Prozentsatzes des ursprünglichen Auftragswertes (lit. b bzw Nr. ii) voraus.

bb) Die Antragstellerin ist, wie die Vergabekammer zutreffend angenommen hat, im Sinne des § 160 II 2 GWB antragsbefugt.

Das Interesse der Antragstellerin an dem Auftrag folgt aus der Ausrichtung ihres Geschäftsbetriebs auf den Aufzugsbau und der Beteiligung am ursprünglichen, für sie erfolgreichen Vergabeverfahren im Jahr 2013. Es wird nochmals dadurch bestätigt, dass sich die Antragstellerin auch weiterhin um Aufträge des Antragsgegners bewirbt.

Mit der Rüge, die angegriffene Vergabe widerspreche wegen des gewählten Vergabeverfahrens den Bestimmungen des GWB über das Vergabeverfahren, macht sie eine Verletzung in eigenen Rechten nach § 97 VI GWB geltend. Damit ist auch ein drohender Schaden dargelegt, denn die Antragstellerin hätte sich bei einem Verfahren mit Teilnahmewettbewerb bewerben können und hätte damit (bessere) Zuschlagschancen gehabt, als bei dem von der Antragsgegnerin gewählten, die Antragstellerin von vornherein nicht einbeziehenden Verfahren.

Der Zugang zum Nachprüfungsverfahren kann nicht mit der Begründung verwehrt werden, das Angebot des Antragstellers sei aus anderen als mit dem Nachprüfungsantrag zur Überprüfung gestellten Gründen auszuscheiden gewesen, weshalb dem Antragsteller wegen der von ihm behaupteten Rechtswidrigkeit kein Schaden erwachsen sei oder drohe (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Mai 2004 – X ZB 7/04, “Mischkalkulationen”, BGHZ 159, 186). Die Frage, ob das Angebot aus irgendwelchen Gründen (zwingend) auszuschließen ist, ist daher eine Frage der Begründetheit (so Dicks in Ziekow/Völlink, GWB, 4. Auflage, § 160 Rn. 9 aE), allerdings nur, sofern es für diese hierauf ankommt. Allenfalls in der Begründetheit ist auch zu prüfen, ob der Antragstellerin die Berufung auf die materielle Rechtslage, also eine etwaige Unwirksamkeit nach § 135 GWB, nach Treu und Glauben zu verwehren ist. Die Einleitung des Nachprüfungsverfahrens selbst ist im Streitfall jedenfalls nicht treuwidrig. Weder hat die Antragstellerin ein Vertrauen der Beklagten dahin geweckt, sie werde bestimmte Umstände nicht zum Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens machen, noch hat sich der Antragsgegner hierauf eingerichtet und verlassen.

cc) Die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen des Nachprüfungsantrags liegen vor, insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen der Vergabekammer Bezug genommen, auch hinsichtlich der Entbehrlichkeit von Rügen nach bereits erteiltem Zuschlag.

b) Der Nachprüfungsantrag ist hinsichtlich der Beschwerdeanträge zu 2) und 4) begründet, so dass die hilfsweise gestellten Beschwerdeanträge zu 3) und 5) nicht zu bescheiden sind.

aa) Der zwischen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen abgeschlossene Vertrag ist gem. § 135 I Nr. 2 GWB unwirksam.

(1) Die Antragsgegnerin hat den Auftrag nicht vor der Vergabe im Amtsblatt der Europäischen Union bekannt gemacht, so dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 135 I Nr. 2 GWB gegeben sind. Da es auch sonst keine Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union gab, greift auch § 135 III GWB nicht ein.

(2) Darauf, ob dem Antragsteller ein Schaden entstanden ist oder droht, kommt es für die Rechtsfolge des § 135 I Nr. 2 GWB nicht an; die Norm stellt allein auf die fehlende Bekanntmachung ab.

Eine Schadensentstehung oder -gefahr ist in einem eine Unwirksamkeit nach § 135 GWB betreffenden Nachprüfungsverfahren nur im Rahmen des Zulässigkeitserfordernisses der Antragsbefugnis und dort, wie bereits ausgeführt, nur insoweit relevant, als der Schaden aufgrund der mit dem Nachprüfungsantrag zur Überprüfung gestellten Gründe auszuschließen ist. Ob tatsächlich ein Schaden eingetreten ist, ist erst – soweit dafür erheblich – bei Geltendmachung an die Unwirksamkeit anknüpfender weiterer Rechtsfolgen zu prüfen, die hier nicht verfahrensgegenständlich sind.

(3) Der Antragstellerin ist die Berufung auf die Unwirksamkeit nach § 135 I Nr. 2 GWB auch nicht nach Treu und Glauben verwehrt.

Dabei kann dahinstehen, ob der Rechtsschutz im Falle des § 135 GWB überhaupt nach Treu und Glauben eingeschränkt werden kann (vgl. Braun in Ziekow/Völlink, aaO § 135 Rn. 119 ff.). Denn im Streitfall scheidet eine derartige Einschränkung jedenfalls deshalb aus, weil das Vorgehen des Antragsgegners auf Grundlage der von ihm selbst zutreffend bejahten Anwendbarkeit des GWB-Vergaberechts offensichtlich rechtswidrig war und die Grenze zur Willkür überschritten hat; der Antragsgegner ist nicht schutzwürdig.

Der Antragsgegner beruft sich auf § 2 VgV, § 3a EU III Nr. 4 VOB/A, der in inhaltlicher Übereinstimmung mit der Bestimmung des § 14 IV Nr. 3 VgV ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb erlaubt, wenn “wegen der äußersten Dringlichkeit der Leistung aus zwingenden Gründen infolge von Ereignissen, die der öffentliche Auftraggeber nicht verursacht hat und nicht voraussehen konnte, die in § 10a EU, § 10b EU und § 10c EU Absatz 1 vorgeschriebenen Fristen nicht eingehalten werden können.”

Äußerste Dringlichkeit ist regelmäßig bei unaufschiebbaren, nicht durch den Auftraggeber verursachten Ereignissen anzunehmen, bei denen eine gravierende Beeinträchtigung für die Allgemeinheit und die staatliche Aufgabenerfüllung droht, etwa durch einen schweren, nicht wiedergutzumachenden Schaden. Als dringliche und zwingende Gründe kommen deshalb akute Gefahrensituationen und höhere Gewalt in Betracht, die zur Vermeidung von Schäden der Allgemeinheit ein sofortiges, die Einhaltung von Fristen ausschließendes Handeln erfordern. Beispiele sind die Behebung von Sturm- und Brandschäden oder sonstigen Katastrophenschäden sowie die Beschaffung von Leistungen, die der kurzfristigen Bewältigung von Krisen (etwa der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020) und der Aufrechterhaltung des Dienstbetriebs der öffentlichen Verwaltung dienen. Eine äußerste Dringlichkeit kann hingegen nicht mit bloßen wirtschaftlichen Erwägungen begründet werden. Das Tatbestandsmerkmal wird ausgefüllt durch den Verweis auf die Mindestfristen, die in Verfahren mit einer EU-Auftragsbekanntmachung vorgeschrieben sind. Der Grad der Dringlichkeit muss demgemäß so hoch sein, dass selbst die auf ein zulässiges Maß verkürzten Teilnahme- und Angebotsfristen zu lang sind, um den Beschaffungsbedarf zu decken. Es darf also nicht möglich sein, die in §§ 10a, 10b und § 10c EU VOB/A vorgeschriebenen Fristen einzuhalten (Völlink in Ziekow/Völlink, 4. Aufl. 2020, VOB/A-EU § 3a EU Rn. 16; aaO VgV § 14 Rn. 62, 63; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 20. Dezember 2019 – Verg 18/19, “Trockenausbau”).

Beim offenen Verfahren beträgt die Angebotsfrist mindestens 35 Kalendertage. Sie kann unter bestimmten Voraussetzungen verkürzt werden, darf aber auch im Fall der Dringlichkeit 15 Kalendertage nicht unterschreiten (§ 10a EU Abs. 3 VOB/A). Beim nicht offenen Verfahren beträgt die Teilnahmefrist mindestens 30 Kalendertage, sie kann im Fall der Dringlichkeit auf 15 Kalendertage verkürzt werden (§ 10b EU Abs. 5 Nr. 1 VOB/A). Die Angebotsfrist beträgt mindestens 30 Kalendertage, aus Gründen der Dringlichkeit kann sie bis auf 10 Kalendertage reduziert werden (§ 10b EU Abs. 5 Nr. 2 VOB/A). Beim Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb gelten die Fristen des nicht offenen Verfahrens (§ 10c EU Abs. 1 VOB/A). Die äußerste Dringlichkeit des § 3a EU Abs. 3 Nr. 4 VOB/A kann also nur dann gegeben sein, wenn selbst die Ausschöpfung aller Verkürzungsmöglichkeiten nach § 10 EU bis 10c EU VOB/A objektiv nicht ausreicht (Stickler in Kapellmann/Messerschmidt, VOB/A § 3aEU Rn. 57, beck-online).

Vorliegend begründet der Antragsgegner die Dringlichkeit mit Termindruck bei der Fertigstellung des Klinikgebäudes. Er befürchtet wirtschaftliche Schäden (VKB5), die monatlich im siebenstelligen Bereich liegen und meint, mit dem Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb ließen sich zwei Monate Zeit einsparen. In der Antragserwiderung vom 29.09.2021, S. 64 f., Bl. 144 ff d.A. hat er darauf abgestellt, dass es um Daseinsvorsorge gehe, Gefahr im Verzug im polizeirechtlichen Sinne nicht erforderlich sei und in dem neuen Gebäude die “Kopfdisziplinen” vereint werden sollten, die derzeit in auf dem Gelände verstreuten Gebäuden untergebracht seien, die in absehbarer Zeit saniert bzw. neu gebaut werden müssten.

Damit ist eine Dringlichkeit nicht ansatzweise ersichtlich. Wirtschaftliche Nachteile genügen, wie ausgeführt, grundsätzlich nicht. Die Versorgung der Bevölkerung erscheint nicht gefährdet, vielmehr kann sie auch einige Zeit länger – nach den Angaben des Antragsgegners zwei Monate – wie bisher in den bestehenden Gebäuden gewährleistet werden.

Der Dringlichkeit steht auch die zeitliche Gestaltung des durchgeführten Vergabeverfahrens entgegen. Der Antragsgegner hat eine Angebotsfrist von mehr als 7 Wochen vorgesehen. Schon daraus folgt, dass die Vergabe im offenen Verfahren und im nicht offenen Verfahren mit Teilnehmerwettbewerb hätte durchgeführt werden können.

bb) Aus den vorstehenden Ausführungen unter II 3 b) aa) (3) folgt, dass der Antragsgegner bei fortbestehender Beschaffungsabsicht zur Durchführung eines erneuten, den Vorgaben des GWB entsprechenden Vergabeverfahrens verpflichtet ist.

4. Der Antrag der obsiegenden Antragstellerin auf Akteneinsicht gem. § 165 GWB ist zurückzuweisen, weil sie für den Erfolg ihres Rechtsschutzbegehrens keiner Akteneinsicht bedurfte.

5. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer und die dortigen notwendigen Aufwendungen beruht auf § 182 III 1, IV 1 GWB, § 80 I, III 2 HessVwVfG. Da der Nachprüfungsantrag begründet ist, hat der Antragsgegner die Kosten für die Amtshandlungen der Verfahrenskammer (Gebühren und Auslagen) gem. § 182 III 1 GWB und die zur Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin gem. § 182 IV 1 GWB zu tragen. Die Hinzuziehung der Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin ist gem. § 182 IV 4 GWB, § 80 III 2 HessVwVfG für notwendig zu erklären. Die Notwendigkeit ist nicht deshalb zu verneinen, weil das Vorliegen der Voraussetzungen des § 135 I Nr. 2 GWB und die Begründetheit des Nachprüfungsantrags offensichtlich sind. Denn die Antragstellerin ist vor der Vergabekammer unterlegen und hatte erst in der Beschwerde Erfolg.

Der Beigeladenen sind neben dem Antragsgegner keine Kosten aufzuerlegen, da dem Nachprüfungsantrag aus Gründen stattzugeben ist, die allein in der Sphäre des Antragsgegners liegen (vgl. Krohn in Burgi/Dreher/Opitz, Beck’scher Vergaberechtskommentar, 4. Aufl. 2022, GWB § 182 Rn. 33). Da sie den unterlegenen Antragsgegner unterstützt hat, sind ihr jedoch auch keine Aufwendungen zu erstatten.

6. Die Höhe der festgesetzten Gebühr greift die Beschwerde nicht an.

7. Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 175 II, 71 GWB. Da die sofortige Beschwerde erfolgreich ist und das Vorgehen des Antragsgegners offensichtlich rechtswidrig war, entspricht es billigem Ermessen, die Kosten des Beschwerdeverfahrens dem Antragsgegner aufzuerlegen. Hinsichtlich der Kosten der Beigeladenen, die an den sonstigen Verfahrenskosten nicht zu beteiligen ist (Bechtold/Bosch in dies., GWB, 10. Aufl. 2021, § 71 Rn. 9), entspricht es billigem Ermessen, dass diese von der Beigeladenen selbst getragen werden. Denn die Beigeladene hat sich gegen den begründeten Nachprüfungsantrag gewandt und das rechtswidrige Vorgehen des Antragsgegners verteidigt.

Unter “Kosten” des Verfahrens im Sinne des § 71 GWB sind dabei sowohl die Gerichtskosten als auch die außergerichtlichen Kosten zu verstehen (Bechtold/Bosch aaO, § 71 Rn. 2), einer Entscheidung über die Notwendigkeit der Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten bedarf es insoweit nicht (Vavra/Willner in Burgi/Dreher/Opitz, Beck’scher Vergaberechtskommentar, 4. Aufl. 2022, GWB § 175 Rn. 14).

8. Der Schriftsatz des Antragsgegners vom 19.05.2022 und die Stellungnahme der Antragstellerin vom 30.05.2022 geben keine Veranlassung zum Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung.

9. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 50 II GKG.

VergMan ® – Rechtsprechungsreport: VK Sachsen zur Rüge eines unzulässigen Verhandlungsverfahrens und eines unzulässigen Selbstausführungsgebots und zum Aufgreifen präkludierter Vergaberechtsverstöße

VergMan ® - Rechtsprechungsreport: VK Sachsen zur Rüge eines unzulässigen Verhandlungsverfahrens und eines unzulässigen Selbstausführungsgebots und zum Aufgreifen präkludierter Vergaberechtsverstöße

vorgestellt von Thomas Ax

Bieter, die sich auf ein Verhandlungsverfahren nicht einlassen wollen, müssen eine entsprechende Rüge gegenüber dem Auftraggeber im Vorfeld der Verfahrensbeteiligung aussprechen. Denn einem durchschnittlichen Bieter müssen mit Benennung der Verfahrensart die möglichen negativen Folgen des Verhandlungsverfahrens also bspw. im Rahmen von Verhandlungen von einem Mitbewerber unterboten zu werden, bewusst sein. Bei der teilweisen Untersagung der Möglichkeit der Einbindung von Nachunternehmern in die zu kalkulierende Leistungserbringung handelt es sich um einen Umstand, der sich einem Bieter bei der Kalkulation aufdrängen muss und somit im Vorfeld der Angebotsabgabe gerügt werden muss. Die Unzulässigkeit der Vorgabe eines anteiligen Selbstausführungsgebots und ein damit verbundenes Verbot der prozentualen Einbindung von Unterauftragnehmern ist angesichts der Regelungen in § 6d EU VOB/A 2019 erkennbar. Darüber hinaus ist auch die dazu ergangene Rechtsprechung eindeutig. Ist ein Antragsteller mit bestimmten Rechtsverstößen präkludiert, liegt es grundsätzlich nicht im Ermessen der Vergabekammer, solche Rechtsverstöße dennoch zu prüfen. Sie dürfen dann weder unmittelbar noch mittelbar wieder von Amts wegen aufgegriffen werden, jedenfalls so lange eine Wertung der Angebote noch möglich ist.
VK Sachsen, Beschluss vom 25.06.2021 – 1/SVK/009-21

Gründe:

I.

Mit Auftragsbekanntmachung vom 6. Oktober 2020 veröffentlichte der Auftraggeber die beabsichtigte Vergabe des Auftrages “Vergabe von Bauleistungen zur Errichtung eines FTTW/H-Netzes in der Stadt XXX im geführten Breitbandausbau im Betreibermodell”. Genauer heißt es unter Ziffer II 1.4 Kurze Beschreibung: “Zur Versorgung unterversorgter Teilnehmer in der Stadt XXX wird die Kommune unter Nutzung von Fördermitteln von Bund und Land ein FTTW/H-Glasfasernetz errichten.”

Hierzu sollen die hierzu erforderlichen Bauleistungen beauftragt werden, insbesondere Vermessungsarbeiten, Tiefbauleistungen in offener und geschlossener Bauweise, Zieh- und Einblasleistungen, Infrastrukturleistungen, vor allem die Errichtung von Netztechnik, energietechnische Leistungen und Glasfasermontagearbeiten.

Als Verfahrensart war gemäß Ziffer IV. 1.1 das Verhandlungsverfahren vorgesehen. Schlusstermin für den Eingang der Angebote war der 3. November 2020, 12:00 Uhr. Die Bindefrist des Angebotes war zunächst für vier Monate vorgesehen. Gemäß Ziffer II 2.5 war der Preis nicht das einzige Zuschlagskriterium. Alle entscheidenden Kriterien sollten in den Beschaffungsunterlagen aufgeführt werden. Den Vergabeunterlagen war demgemäß u.a. das Dokument Teil A: Vergabebedingungen zur Angebots- Verhandlungsphase beigefügt. In diesem heißt es u.a. in Ziffer 8 unter der Überschrift “Auswahl des wirtschaftlich günstigsten Angebots / Zuschlagskriterien” wie folgt: “Neben dem Preis wertet die Vergabestelle die Qualität der Leistungserbringung anhand der Angaben der Bieter zu den geforderten Darstellungen und Konzepten zur Auftragsdurchführung und vergibt anhand der Kriterien Punkte. Die Punkte der jeweiligen Kriterien werden addiert. Der Zuschlag erfolgt auf das Angebot mit der höchsten Punktzahl. Rundungen erfolgen mathematisch auf zwei Nachkommastellen.” Unter Ziffer 8.1 folgten sodann weitere Erläuterungen zu den Kriterien. Diesen war zu entnehmen, dass der Preis wie folgt bewertet werden sollte:

Der Preis (P) des Bieters mit dem niedrigsten Preis (nP) erhält die bei diesem Kriterium maximal erreichbare Punktzahl (70 Punkte absolut). Die Angebote, deren P über dem nP liegen, werden im Wege einer linearen Interpolation nach der folgenden Formel bewertet.

𝑷𝒖𝒏𝒌𝒕𝒛𝒂𝒉𝒍 𝒅𝒆𝒔 𝑨𝒏𝒈𝒆𝒃𝒐𝒕𝒔=𝟕𝟎 𝑷𝒖𝒏𝒌𝒕𝒆⋅𝒏𝑷/𝑷

Punkte absolut = maximal erreichbare Punktzahl = 70

Gemäß Ziffer II 2.9 heißt es: “Geplante Mindestzahl: 3, geplante Höchstzahl: 5. Objektive Kriterien für die Auswahl der begrenzten Zahl von Bewerbern: Sollte die Durchführung der Eignungsprüfung ergeben, dass mehr als fünf Bewerber die Eignungsvoraussetzungen erfüllen, so wird der Auftraggeber die Teilnahmeanträge auf Basis der in Ziffer III 1.1 der in der Bekanntmachung genannten Eignungsnachweise und Erklärungen in eine qualitative Reihenfolge bringen. Die Bewertung erfolgt hierbei anhand der vergleichbaren Referenzen”. Weiterhin heißt es im Teil A der Vergabebedingungen unter 4.4 Allgemeine Anforderungen an das Angebot, resp. unter 4.4.5.1 Konzept zur Qualitätssicherung und zur Dokumentation der Bauausführung Mindestangaben/-anforderungen: “Die Eigenleistung des Bieters in der Auftragsdurchführung im Gesamtprojekt muss mindestens 50 % und in Bezug auf die Herstellung der Hausanschlüsse mindestens 80 % betragen.”

Die Antragstellerin beteiligte sich fristgerecht mit einem ersten Angebot am Vergabeverfahren. Am 26. Januar 2021 wurde sie für den 2. Februar 2021 zu einem Bietergespräch eingeladen, welches per Videokonferenz stattfand und ca. eine Stunde dauerte. Im Nachgang dazu wurde sie am 3. Februar 2021 zur Abgabe eines zweiten, finalen Angebotes aufgefordert.

Am 4. März 2021 wurde der Antragstellerin gemäß § 134 GWB mitgeteilt, dass ihr Angebot keine Berücksichtigung finden würde und vielmehr beabsichtigt sei, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass ihr Angebot nicht habe berücksichtigt haben können, da es nicht das wirtschaftlichste gewesen sei. Insbesondere seien auf ihr Angebot im Rahmen der Angebotswertung im Kriterium Preis weniger Punkte entfallen als auf das Angebot der avisierten Zuschlagsbieterin.

Am 9. März 2021 wandte sich die Antragstellerin mit anwaltlichem Schreiben an die Auftraggeberin und monierte die beabsichtigte Zuschlagsentscheidung. Sie monierte Unzulänglichkeiten des Informationsschreibens nach § 134 Abs. 1 Satz 1 GWB, insbesondere, dass ihr die als Zuschlagsbieterin mitgeteilte Firma nicht bekannt sei und womöglich nicht existiere.

Am 10. März 2021 wandten sich die anwaltlichen Vertreter der Auftraggeberin an die Antragstellerin und teilte dieser den exakten Preis des Angebotes der Zuschlagsbieterin mit.

Ebenso teilte er mit, dass dieses Angebot im Übrigen jeweils die volle Punktzahl in den übrigen Kriterien erhalten habe. Das Antragstellerangebot habe also nicht an erster Stelle eingestuft werden können, da es preislich nicht das günstigste gewesen sei. Ein weitergehender Anspruch auf Mitteilung weiterer Details zur genaueren Punktvergabe stünde der Antragstellerin nicht zu. Im Ergebnis wies die Auftraggeberin die Rüge zurück.

Am 10. und 11. März 2021 wandte sich die Antragstellerin abermals an die Auftraggeberin und rügte nunmehr dezidiert Verstöße gegen den Transparenzgrundsatz gemäß § 97 Abs. 1 und 2 GWB sowie den Grundsatz der Gleichbehandlung gemäß § 6 d) EU Abs. 4 VOB/A. Sodann rügte sie dezidiert, dass mutmaßlich die avisierte Zuschlagsbieterin nicht in ausreichendem Maße habe Referenzen vorlegen können. Weiter rügte sie die unzulässige Delegation des Vergabeverfahrens an die verfahrensbevollmächtigte Anwaltskanzlei, eine fehlende Gewichtung der Unterkriterien betreffend das Konzept zur Qualitätssicherung sowie die Vergaberechtswidrigkeit der Bewertungsskala insgesamt, eine Intransparenz des Wertungsmaßstabes, widersprüchliche Angaben zu Bewertungsmethoden sowie der insgesamten Angebotswertung. Außerdem monierte die Antragstellerin, dass das anteilige Selbstausführungsgebot, wie es in den Vergabeunterlagen aufgeführt gewesen sei unzulässig sei. Ohne die anteilige Verpflichtung zur Eigenleistung wäre sie in der Lage gewesen, ein Angebot zu unterbreiten, dass im Kriterium Preis erheblich wettbewerblicher gewesen wäre, was sie genau aufschlüsselte und bezifferte. Abschließend monierte sie sodann insgesamt vorsorglich das Vorliegen einer nicht ausreichenden Dokumentation.

Nach Nichtabhilfe dieser Rüge platzierte die Antragstellerin am 12. März 2021 einen Vergabenachprüfungsantrag bei der erkennenden Vergabekammer und beantragte u. a., der Auftraggeberin zu untersagen, auf Grundlage der bisherigen Vergabe- und Vertragsunterlagen eine Zuschlagsentscheidung zu treffen. Zur Begründung stützte sie sich im Wesentlichen auf die schon in der Rüge dargelegten Gründe.

Am 30. März 2021 nahm die Auftraggeberin zum Sach- und Streitstand Stellung und beantragte, die Anträge der Antragstellerin zurückzuweisen. Anschließend nahm sie dezidiert zu den einzelnen Rügepunkten Stellung. Zunächst wies sie darauf hin, dass die Anforderungen hinsichtlich der Eignungsleistungen des Bieters in Ziffer III 1.3 der Auftragsbekanntmachung veröffentlicht waren. Ebenso waren diese Ziffer 4.4.5.1 der Vergabebedingungen zu entnehmen gewesen. Auch sei die Verfahrensart des Verhandlungsverfahrens mit Teilnahmewettbewerb nach § 3 Nr. 3 EU-VOB/A der Auftragsbekanntmachung sowie den Vergabebedingungen zu entnehmen gewesen. Hinsichtlich der vermeintlich fehlenden Gewichtung von Unterkriterien betreffend das Konzept zur Qualitätssicherung und zur Dokumentation der Bauausführung wies die Auftraggeberin darauf hin, dass detaillierte Angaben zu den gerügten Anforderungen sich unter den Ziffern 4, insbesondere der Ziffer 4.4.5.1 der Vergabebedingungen, finden würden. Zur Wertungsmatrix als solcher und zu den diesbezüglichen Kriterien zur Auswahl des wirtschaftlichsten Angebotes seien unter Ziffer 8 der Vergabebedingungen detaillierte Angaben gemacht worden. Unter Ziffer 8.1.1 seien die Kriterien zum Preis angegeben worden, unter Ziffer 8.1.2 das Konzept zur Qualitätssicherung und zur Dokumentation der Bauausführung und unter Ziffer 8.1.3 seien die Kriterien zum Zeitplan und zur Zeit- Meilensteinplanung aufgelistet worden. In der Einschaltung der auftraggeberseits beauftragten Anwaltskanzlei sei zudem keine vergaberechtswidrige Delegation des Vergabeverfahrens zu sehen. Im Übrigen sei bereits in der Auftragsbekanntmachung unter Ziffer II 1 darauf hingewiesen worden, dass das Vergabeverfahren durch eine Anwaltskanzlei betreut werde. Die Antragstellerin habe während des gesamten Vergabeverfahrens bis zum 9. März 2021 keine Rügen geltend gemacht. Allenfalls habe sie mit Nachricht vom 23. Dezember 2020 eine für ihre Angebotskalkulation relevante technische Frage gestellt, welche sowohl ihr als auch allen anderen Bietern am 7. Januar 2021 beantwortet worden sei.

Mithin seien erste Rügen erstmalig am 9. März 2021 sowie mit weiteren Schreiben vom 10. und 11. März 2021 geltend gemacht worden. Vor diesem Hintergrund seien zahlreiche Rügen der Antragstellerin bereits präkludiert und damit bereits unzulässig.

Der Antrag der Antragstellerin sei rechtsmissbräuchlich, da er einzig darauf gerichtet sei, ein Vergabeverfahren zu zerstören. Zahlreiche der Rügen seien ins Blaue hinein vorgetragen oder aber präkludiert. Die Rüge betreffend die vermeintlich rechtswidrige Mitteilung des Angebotspreises verletzt die Antragstellerin nicht in ihren eigenen Rechten. Auch würden keine vergaberechtlichen Vorschriften verletzt werden. Viele der Rügen seien gemäß § 160 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 3 GWB präkludiert, weil die betreffenden Vorgaben bereits der Auftragsbekanntmachung oder aber den Vergabeunterlagen zu entnehmen gewesen waren. Die Rüge betreffend die vermeintlich mangelnde Eignung der Beigeladenen – sei als Rüge ins Blaue hinein zu qualifizieren, für die es keinerlei Anhaltspunkte gebe. Die weitere Rüge betreffend die vermeintlich intransparente Angebotswertung und -dokumentation sei ebenfalls als Rüge ins Blaue hinein zu qualifizieren, da sie ebenso ausweislich der Vergabedokumentation jedweder Grundlage entbehre.

Die weitere Rüge betreffend den Umstand, dass der Antragstellerin kein Verhandlungsprotokoll zum Bietergespräch vom 2. Februar 2021 zur Verfügung gestellt worden sei, beinhalte insoweit keine Beschwer der Antragstellerin, weil das Verhandlungsprotokoll keine Wertungsrelevanz habe. Insoweit könne die Antragstellerin aus dem Fehlen des Verhandlungsprotokolls auch keine Rechtsverletzung ableiten. Auch betreffen die Rüge, das vermeintlich fehlerhafte Nichtabhilfeschreiben, sei als Rüge ins Blaue hinein zu qualifizieren. Die Antragstellerin habe auf Grundlage der Angaben der Auftraggeberin in ihrem Schreiben gemäß § 134 GWB selbst feststellen können, welcher Bieter den Zuschlag erhalten solle. Dies räume sie in ihrem Schreiben vom 9. März 2021 an die Auftraggeberin selbst ein. Auch die Rüge einer vermeintlich fehlerhaften Dokumentation entbehre jeglicher Grundlage und sei als Rüge ins Blaue hinein zu qualifizieren. Gleiches gelte für die Rüge mit der vermeintliche Verletzung (beihilferechtlicher Vorschriften) im Zusammenhang mit dem geförderten Breitbandausbau moniert würden. Insoweit seien sämtliche Anträge der Antragstellerin ohne weitere Behandlung in einer mündlichen Verhandlung als unzulässig zurückzuweisen. Nachfolgend ging die Auftraggeberin dezidiert auf sämtliche Rügen ein. Zunächst zog sie quasi diejenigen Rügen vor die Klammer der Antragserwiderung, die ihres Erachtens präkludiert seien und legte jeweils das, dass die jeweils angegriffenen Rügegegenstände bereits mit der Auftragsbekanntmachung und der Mitteilung der Vergabebedingungen transparent beschrieben worden seien und öffentlich den Bewerbern bzw. Bietern bekannt gemacht worden. Die Antragstellerin hatte sämtliche Rügegegenstände jedoch weder durch Bieteranfrage hinterfragt noch hierzu irgendwelche Rügen geltend gemacht. Damit seien diese gemäß § 160 GWB präkludiert. Unabhängig davon sei ohnedies nicht ersichtlich, wie die Antragstellerin hierdurch in den eigenen Rechten verletzt worden sein solle. Die zudem angegriffene mangelnde Eignung der Zuschlagsbieterin sei als Rüge ins Blaue hinein zu qualifizieren. Pauschale und unsubstantiierte ins Blaue hinein erhobene Behauptungen könnten nicht zur Zulässigkeit eines Antrags führen. Ein Mindestmaß an Substantiierung sei zu fordern. Reine Vermutungen und eventuelle Vergabeverstöße genügten nicht.

Zur Begründetheit des Nachprüfungsantrages führte die Auftraggeberin sodann orientiert an den einzelnen Rügepunkten jeweils dezidiert aus.

Die Mitteilung des Angebotspreises des obsiegenden Bieters sei weder rechtswidrig noch verletze diese Information die Antragstellerin in eigenen Rechten. Vielmehr entspreche es den Vorgaben des § 134 GWB, wenn die tragenden Gründe für die Nichtberücksichtigung des Angebotes der Antragstellerin dezidiert wiedergegeben würden.

Die vermeintliche Unrechtmäßigkeit der Anforderungen an die Eigenleistungen der Bieter sei von der Antragstellerin zu keinem Zeitpunkt des Vergabeverfahrens gerügt worden und dies nicht vor dem Hintergrund, dass die entsprechenden Anforderungen bereits unter Ziffer III 1.3 der Auftragsbekanntmachung sowie unter Ziffer 4.4.5.1 der Vergabebedingungen mitgeteilt worden seien. Bei den durchzuführenden Arbeiten, insbesondere soweit sie die Sicherung der betreffenden Baustellen und den Verschluss der ausgehobenen Gräben nach Fertigstellung der Arbeiten angingen, handele es sich um wesentliche Tätigkeiten, welche die Verkehrssicherheit der Stadt XXX beträfen. Würden hier Unternehmen tätig werden, die mit einer Kette von Unterauftragnehmern arbeiten würden, sei zu befürchten, dass die Tiefbauarbeiten zu Problemen führen würden. Insoweit seien die entsprechenden Anforderungen besonders wichtig, um eine zügige und qualitativ hochwertige Projektumsetzung zu gewährleisten. Die entsprechend tragenden Gründe für die diesbezügliche Entscheidung seien im ergabevermerk festgehalten worden. Der Auftraggeberin stünde auch hinsichtlich etwaiger Einschränkungen des Selbstausführungsgebotes ein Beurteilungsspielraum zu, was kritische Aufgaben anginge. Diesen habe die Auftraggeberin entsprechend ausgeübt.

Auch die Rüge der Antragstellerin betreffend eine vermeintlich falsche Wahl der Verfahrensart könne vorliegend nicht verfangen. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 3 a Abs. 2 EU-VOB/A lägen vor. Danach wäre ein Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb zulässig, wenn der Auftrag konzeptionelle oder innovative Lösungen umfasse und wenn der Auftrag aufgrund konkreter Umstände, die mit der Art der Komplexität oder dem rechtlichen oder dem finanziellen Rahmen oder den damit einhergehenden Risiken zusammenhingen, nicht ohne vorherige Verhandlungen vergeben werden könnte. Diese Voraussetzungen seien hier erfüllt, da komplexe Planungs- und Bauleistungen zusammenfassend vergeben würden. Die erforderlichen Spezifikationen könnten vor Beginn des Vergabeverfahrens nicht hinreichend genau getroffen werden, um eine einwandfreie Preisermittlung zu ermöglichen. Die die Wahl des Vergabeverfahrens begründenden Erwägungen seien im Vergabevermerk festgehalten.

Auch die Rügen zur vermeintlich mangelnden Eignung der Beigeladenen verfingen nicht. Die Eignung der Beigeladenen, soweit diese sich auf die entsprechenden Referenzen stützen würden, seien von der Auftraggeberin nachgehalten worden und hätten sich eindeutig bestätigt. Das diesbezügliche Vorbringen der Antragstellerin sei daher zum einen ins Blaue hinein formuliert und zum anderen auch inhaltlich unbegründet.

Ebenso wie die vorherigen Rügen ginge auch diejenige, die sich gegen vermeintliche Fehler der Bewertungsmatrix richtete, fehl. Die Behauptung, dass etwaige Unterkriterien betreffend das Konzept zur Qualitätssicherung und zur Dokumentation der Bauausführung und dem Konzept zum Zeitplan nicht gesichtet worden seien, sei nicht korrekt. In den Vergabebedingungen sei unter Ziffer 4.4.5.1 ausgeführt worden, dass die Bieter darzustellen hätten, wie sie “im Rahmen der Auftragsdurchführung die Ziele der Qualitätssicherung und Dokumentation der Bauausführung umsetzen würden. Es sei darauf hingewiesen worden, wozu die Bieter mindestens Angaben machen müssten. Gleichermaßen verhielte es sich mit den Konzepten zum Zeitplan, auch hier sei unter Ziffer 4.4.5.2 deutlich gemacht worden, worauf es dem Auftraggeber ankommen werde. An diese Voraussetzungen habe die Auftraggeberin sich gehalten. Zudem seien auch keine Fehler in der Bewertungsskala erkennbar, wozu die Auftraggeberin weiter ausführte. Ebenso wies sie den Vorwurf unklarer Bewertungsmaßstäbe zurück und führte dazu dezidiert aus.

Auch die Behauptung der Antragstellerin, die Auftraggeberin hätte widersprüchliche Angaben zur Bewertungsmethode gemacht, sei nicht korrekt. Dass eine Formel als hyperbolisch oder linear bezeichnet werden müsse, sei letztlich nicht maßgeblich, wenn die Formel klar, wie vorliegend, die Berechnung widergebe. Dies sei vorliegend der Fall. Ebenfalls greife der Vorwurf der fehlerhaften Angebotswertung nicht. Die Auftraggeberin habe sich intensiv mit den Angeboten auseinandergesetzt und die diesbezügliche Wertung festgehalten im Vergabevermerk. Der Vorwurf der Antragstellerin entbehre jeder Grundlage. Die von der Antragstellerin vorgetragene Rüge, dass ihr das Protokoll des Bietergespräches vom 2. Februar 2021 nicht zugesandt worden sei, sei nicht relevant, da das diesbezügliche Handeln der Auftraggeberin rechtmäßig sei. Die Protokolle des Termins seien lediglich als Gedächtnisstütze für den weiteren Verfahrensverlauf getätigt worden. Ausweislich der Vergabebedingungen sei das Bietergespräch nicht wertungsrelevant gewesen. Insoweit habe das Protokoll der Antragstellerin auch nicht zur Verfügung gestellt werden müssen.

Soweit die Antragstellerin die hier teilweise geforderte Selbstausführungspflicht angreife und sich hier auf unkonkrete nicht genau zitierte Rechtsprechung des EuGH beziehe, so sei dem entgegenzuhalten, dass hier die Auftraggeberin konkrete Vorgaben in das Vergabeverfahren aus sachlichen Gründen vorgenommen habe. Insoweit sei die Ausgangslage anders als in der Entscheidung des EuGH vom 26. September 2019. Die ins Feld geführte EuGH-Rechtsprechung habe keine Relevanz für das hier streitgegenständliche Vergabeverfahren.

Dass die Auftraggeberin der Antragstellerin zunächst die falsche Rechtsform der Zuschlagsbieterin mitgeteilt habe, führe nicht zu einer Rechtsverletzung. Der Antragstellerin sei es dennoch möglich gewesen, die richtige Zuschlagsbieterin zu ermitteln. Abschließend wies die Auftraggeberin auch die Rüge der Antragstellerin zu einer angeblich fehlenden oder fehlerhaften Dokumentation zurück und ebenso, dass förderrechtliche Vorschriften im Vergabeverfahren verletzt worden seien.

Am 21. April 2021 nahm die Antragstellerin ergänzend zum Sach- und Rechtsstreit Stellung und beantragte, der Antragstellerin in dem Vermerk zur Angebotswertung, insbesondere der Konzeptbewertung der vermeintlichen Bestbieterin und deren vorhandenes Protokoll, Akteneinsicht zu gewähren.

Sodann nahm sie zum auftraggeberseits geäußerten Vorwurf der Rügepräklusion Stellung und wies diesen dezidiert zurück. Sie verwies darauf, dass Fragen der Ausgestaltung der Bewertungsmatrix, des Selbstausführungsgebotes, der Wahl der Verfahrensart sowie der Delegation von Vergabeentscheidungen an Dritte oder auch die Mitteilung der Vergabebedingungen und die sich daraus ergebenden Vergabeverstöße für einen durchschnittlich fachkundigen Bieter nicht erkennbar gewesen seien. Außerdem wiederholte die Antragstellerin wortreich ihre schon dargetane Auffassung, dass in der Mitteilung des Angebotspreises der vermeintlichen Bestbieterin ein Verfahrensfehler liege. Ebenso umfangreich ging sie abermals darauf ein, ihre Rechtsauffassung zu verteidigen, dass die Auftraggeberin vorliegend die Verfahrensart fehlerhaft gewählt habe. Soweit die Auftraggeberin schriftsätzlich mitgeteilt habe, dass das Verhandlungsverfahren gewählt worden sei, um eine einwandfreie Preisermittlung zu ermöglichen, werde dies antragstellerseits dahingehend verstanden, dass dahinter der Zweck liege, mit den Bietern über den Preis verhandeln zu können. Dies sei aber nicht Sinn und Zweck eines Verhandlungsverfahrens, was hinlänglich bekannt sein sollte. Der Katalog des § 3 a Abs. 2 VOB/A EU sei abschließend. Die Verhandlung über Preise sei darin nicht als tauglicher Grund aufgeführt. Dies vertiefte und ergänzte die Antragstellerin unter Verweis auf verschiedene höchstrichterliche und obergerichtliche Rechtsprechungen.

Anschließend wiederholte sie ihren Vorwurf der mangelnden Eignung der Bestbieterin und der fehlerhaften Angebotswertung insgesamt. Auch den Vorwurf, dass in der Nichtübersendung des Verhandlungsprotokolls eine Rechtsverletzung der Antragstellerin liege, wiederholte sie abermals und umfangreich. In ihren Ausführungen zur Begründetheit des Vergabenachprüfungsantrages ging sie ein weiteres Mal auf die ihres Erachtens nach unzulässige Mitteilung des Angebotspreises der Zuschlagsbieterin ein.

Fortführend ging sie sodann darauf ein, dass ihres Erachtens die auszuführenden Eigenleistungen nicht hinreichend bekannt gemacht worden seien. Mindestanforderungen an Referenzen sowie einzureichende Konzepte seien ihres Erachtens nicht der passende Ort für eine vergaberechtsmäßige Bekanntmachung von Ausführungsbedingungen. Diese seien für gewöhnlich unter Ziffer III 2.2 der Bekanntmachung zu verorten, ggf. auch in den Vergabebedingungen. Beides sei vorliegend jedoch nicht geschehen. Die bloße Mitteilung von Mindestanforderungen für Referenzen und/oder Konzepten entspreche jedoch nicht den Vorgaben des § 128 Abs. 2 Satz 2 GWB.

Im Übrigen stelle sich das Selbstausführungsgebot vorliegend auch als rechtswidrig dar. Eine Selbstausführung sei lediglich im Hinblick auf bestimmte kritische Aufgaben zulässig, die hierzu vorgebrachten Gründe der Antragsgegnerin stellten gerade keine taugliche Begründung hierfür dar. Zudem irre sie, wenn sie behaupte, an den Begriff der bestimmten kritischen Aufgaben seien keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Die entsprechende Regelung sei vielmehr rezeptiv auszulegen und solle nicht den seitens der Auftraggeberin vorgebrachten Problemen abhelfen. Im Übrigen habe diese es versäumt, darzulegen, inwieweit es sich vorliegend um “kritische Aufgaben” handeln solle. Wäre es für einen Auftraggeber zulässig, die Beauftragung von Unterauftragnehmern mit dem Argument abzuwehren, diese würden ihn vor organisatorische Probleme stellen, liefe dies dem Sinn und Zweck der Regelung zuwider. Diese solle gerade kleinen und mittelständischen Unternehmen den Zugang zu öffentlichen Aufträgen erleichtern. Mangels konkreter Ausführung oder Benennung von kritischen Aufgaben, welche ein Selbstausführungsgebot gerechtfertigt hätten, habe die Auftraggeberin vorliegend ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt.

Den Vorwurf fehlerhafter Ermessensausübung wiederholte die Antragstellerin auch bezüglich der Wahl der Verfahrensart. Auch hier wiederholte sie ihre Rechtsauffassung, warum vorliegend die Wahl des Verhandlungsverfahrens vergaberechtswidrig sei. Auch ihre bisherigen Vorwürfe zur fehlerhaften Bewertungsmatrix wiederholte sie dezidiert, bevor sie dann auf ihre Erkenntnisse aus der Akteneinsicht einging. Abermals widmete sie sich dem Thema der unzulässig gewählten Verfahrensart. Soweit darauf verwiesen werde, dass es sich bei dem vorliegenden Vorhaben um ausgesprochen komplexe und kostenintensive Tiefbaumaßnahmen mit anschließenden Verlegearbeiten von Glasfaserkabeln, handele, so sei dies sicherlich richtig. Allerdings sei nicht dargelegt worden, dass diese Komplexität durch die Wahl der Verfahrensart in irgendeiner Weise tangiert würde. Beachtlich sei, dass lediglich 47 Minuten zum eingereichten Erstangebot verhandelt worden sei, ohne dass im Ergebnis dieser Verhandlung die vermeintliche Komplexität der Beschaffungsleistung thematisiert worden sei. Insoweit habe das 47minütige Verhandlungsgespräch vielmehr dazu gedient, den Preis des Erstangebotes zu optimieren, was zwar sicherlich nicht grundsätzlich zu beanstanden sei, gerade aber kein adäquater Grund für die Wahl eines zweistufigen Verfahrens sei.

Soweit im Vermerk das Selbstausführungsgebot thematisiert würde, sei das zwar zutreffend, die im Vergabevermerk niedergelegte Begründung sei jedoch nicht geeignet, die Tatbestandsvoraussetzungen für das Vorliegen einer Selbstausführung zu begründen.

Nachfolgend wies die Antragstellerin darauf hin, dass der Vergabevermerk auf den Tag der Veröffentlichung datiere und somit ein Beweis dafür sei, dass eine abwägende und den konkreten Begebenheiten der vorliegenden Beschaffung nicht gerecht werdende Entscheidungsfindung unter Zuhilfenahme externer sachkundiger Beratung nicht stattgefunden habe. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung sei die Leistungsbeschreibung längst fertiggestellt gewesen und bilde den originären Bestandteil der Vergabeunterlagen ab, auch die Wahl der Verfahrensart erfolge gerade bei derart großvolumigen Beschaffungen, welche zudem überwiegend zuwendungsfinanziert seien, nicht am Tag der Veröffentlichung. Schon deswegen genüge der Vergabevermerk nicht der Pflicht einer zeitnahen und vollständigen Verfahrensdokumentation. Anschließend widmete sich die Antragstellerin der Bewertung zum Konzept der Zeitplanung und rügte zunächst, dass hier durch Schwärzungen der Vergabekammer die Akteneinsicht nur beschränkt gewährt worden sei. Insbesondere rügte die Antragstellerin, dass ihr nicht die Wertungsergebnisse der Mitbieter übermittelt worden seien. Bei diesen Ergebnissen handele es sich nicht um Betriebs und Geschäftsgeheimnisse. Ein noch weiteres Mal wiederholte die Antragstellerin nunmehr Bezug nehmend auf das von der Vergabekammer zur Verfügung gestellte Verhandlungsprotokoll, dass sich in diesem keine Anhaltspunkte finden ließen, die einen Bezug zum Beschaffungsgegenstand herstellen könnten und welche geeignet wären, die gewählte Verfahrensart zu legitimieren.

Soweit die Antragstellerin ausweislich des Vergabevermerkes in dem Konzeptpunkt Qualitätssicherungen und Dokumentation der Bauausführung jeweils die volle Punktzahl erreicht habe, so werde gerügt, dass die Konzepte der Mitbieter nicht offen gelegt werden und ebenso nicht die vergleichende Bewertung mit diesen. Im Ergebnis mutmaßte und monierte die Antragstellerin, dass objektive Unterschiede zwischen den jeweiligen Konzepten der Bestbieterin jeweils die volle Punktzahl erhalten hätten, festzustellen seien, so dass im Ergebnis willkürliches Handeln der Auftraggeberin zu befürchten sei. Die umfassende Vorenthaltung der fachlichen Auswertungsergebnisse verstoße gegen das Transparenzgebot und den Grundsatz der Gleichbehandlung. Die vorgenommenen Schwärzungen seien rechtswidrig, weshalb sie beantragte, die geschwärzten Textpassagen im Hinblick auf das tatsächliche Vorliegen von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen zu überprüfen und ihr diese Unterlagen in nicht geschwärzter Form zur Verfügung zu stellen.

Mit Beschluss vom 5. April 2021 wurde die Beigeladene zum Verfahren hinzugezogen.

Am 29. April 2021 erwiderte die Auftraggeberin zum Schriftsatz der Antragstellerin vom 21. April 2021 und beantragte, die Anträge auf ergänzende Akteneinsicht zurückzuweisen. Zu den Ausführungen der Antragstellerin hinsichtlich des Vorwurfes der Präklusion führte sie aus, dass sie auf den nicht neuen Vortrag der Antragstellerin zur Zulässigkeit der Vergabekammer weitere detaillierte Erwiderungen erspare und lediglich darauf hinweise, dass die Antragstellerin sich über mehrere Monate an einem Vergabeverfahren beteiligt habe, dessen Vergabebedingungen inklusive Verfahrensart ausführlich wiedergegeben worden seien. Eine Rüge der Verfahrensumstände sei nicht erfolgt.

Sodann führte die Auftraggeberin abermals zur mangelnden Begründetheit des Nachprüfungsantrages aus und trat der Mutmaßung oder Behauptung der Antragstellerin entgegen, dass davon auszugehen sei, dass der Beigeladenen im Rahmen der Verhandlungsphase der Angebotspreis der Antragstellerin mitgeteilt worden sei. Diese Behauptung der Antragstellerin sei schlicht unwahr und entbehre jeder Grundlage im Sachverhalt. Außerdem wiederholte die Auftraggeberin ihre Auffassung, dass die Voraussetzungen des § 3 EU Abs. 2 Nr. 1 b und c VOB/A vorlägen. Ein Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb sei zulässig, wenn der Auftrag konzeptionelle oder innovative Lösungen umfasse und/oder wenn der Auftrag aufgrund konkreter Umstände, die mit der Art, der Komplexität oder dem rechtlichen und finanziellen Rahmen oder den damit einhergehenden Risiken zusammenhängen, nicht ohne vorherige Verhandlungen vergeben werden können. Hierzu sei bereits ausgeführt worden. Soweit die Antragstellerin in Auswertung des Internetauftrittes der Beigeladenen zu dem Ergebnis komme, dass sie für die Auftragsausführung nicht geeignet sei, so sei dies letztlich nicht relevant. Die Auftraggeberin habe die Eignung der Beigeladenen intensiv geprüft und im Ergebnis bejaht.

Auch die weiterhin vorgetragenen Angriffe gegen die Wertungsmatrix beinhalteten in der Sache nichts Neues. Auch insoweit sei darauf zu verweisen, dass die Anforderungen an das Konzept zur Qualitätssicherung und zur Dokumentation zur Bauausführung in den Vergabeunterlagen ausführlich erläutert und mit einer Gewichtung versehen worden waren. Zu bestreiten sei, dass die Bewertungsskala angeblich keine hinreichende Differenzierung der Konzepte zugelassen habe. Soweit die Antragstellerin ins Blaue hinein behaupte, dass von ihr und der Beigeladenen gleichermaßen eine optimale und vollumfängliche Leistungserbringung zu erwarten sei, so beruhe der diesbezügliche Vortrag auf pauschalen Mutmaßungen. Danach legte die Auftraggeberin abermals dar, warum der Bewertungsmaßstab transparent und die Angebotswertung insgesamt rechtskonform verlaufen sei. Auch die Argumentation dazu, dass die Nichtübersendung des Verhandlungsprotokolls keine Rechtsverletzung der Antragstellerin begründen könne, wiederholte sie in Reaktion auf deren abermaligen Vortrag.

Daneben ging sie dezidiert auf die Anträge der Antragstellerin zur Gewährung erweiterter Akteneinsicht ein und begründete dezidiert, warum diese nicht zu gewähren sei. Auf den Inhalt des Schriftsatzes wird Bezug genommen

In der mündlichen Verhandlung am 20. Mai 2021 wurde der Sach- und Streitstand mit den Beteiligten erörtert.

Die Antragstellerin stellte ihre Anträge aus dem Antragsschriftsatz vom 12. März 2021. Ergänzend stellt sie ihren Antrag aus dem Schriftsatz vom 21. April 2021 und hier Seite 29.

Die Auftraggeberin stellte ihre Anträge aus dem Antragsabweisungsschriftsatz vom 30. März 2021 sowie ergänzend die Anträge aus dem Schriftsatz vom 29. April 2021.

Nach Belehrung durch die Vergabekammer erklärte die Beigeladene, keinen eigenen Antrag stellen zu wollen.

Die Auftraggeberin wurde von der Vergabekammer aufgefordert, dieser die Stadtratsvorlage, mit der die Vergabeentscheidung vorgestellt wurde bis Dienstag, den 25. Mai 2021 zuzuleiten und zudem nochmal konkret herauszuarbeiten, worin die Unterschiede zwischen der alten Version der Vergabeunterlagen und der neuen Version der Vergabeunterlagen gelegen habe.

Am 25. Mai 2021 nahm die Auftraggeberin zu den Ergebnissen der mündlichen Verhandlung sowie zum Sach- und Streitstand insgesamt Stellung, stellte der Vergabekammer die erbetene Stadtratsvorlage zur Verfügung und stellte in einer Synopse die wesentlichen Änderungen der neuen Fassung der Vergabeunterlagen, im Verhältnis zur veralteten Version heraus.

Mit Schriftsatz vom 21. Juni 2021 nahm die Antragstellerin sodann abschließend zum Sach und Streitstand Stellung und wiederholte und bekräftigte dabei Ihre bisherigen Rechtsauffassungen und verlangte sodann u.a. mit Blick auf die Rüge der Verletzung des Selbstausführungsgebotes eine Vorlage des Vergabenachprüfungsverfahrens an den EuGH und wiederholte Ihren bisherigen Vortrag und vertiefte diesen.

Dem trat die Auftraggeberin mit kurzem, nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 23.Juni 2021 entgegen.

Die Frist zur Entscheidung wurde gemäß § 167 Abs. 1 Satz 2 GWB durch Verfügungen der Vorsitzenden mehrfach verlängert.


II.

Der Nachprüfungsantrag ist nur teilweise zulässig (1.). Soweit der Antrag zulässig ist, ist er im Übrigen unbegründet (2.).

1. Der Nachprüfungsantrag ist nur teilweise zulässig.

1.1. Die 1. Vergabekammer des Freistaates Sachsen ist gemäß § 2 der Verordnung der Sächsischen Staatsregierung über Einrichtung, Organisation Vergabekammern des Freistaates Sachsen (SächsVgKVO) für den Antrag zuständig.

1.2. Die geplante Gesamtauftragssumme überschreitet den maßgeblichen Schwellenwert, § 106 Abs. 1 GWB i. V. m. Artikel 4 c) der Richtlinie 2014/24/EU i. V. m. Artikel 1 Absatz 1 a) der delegierten Verordnung (EU) 2019/1828.

Der Gesamtauftragswert des streitgegenständlichen Bauauftrags beläuft sich nach der Schätzung der Auftraggeberin und ausweislich der vorgelegten finalen Angebote auf einen Auftragswert, der den maßgeblichen Schwellenwert für öffentliche Bauaufträge gemäß § 106 Abs. 1 GWB i. V. m. Artikel 4 a) der Richtlinie 2014/24/EU i. V. m. Artikel 1 Abs. 1 a) der delegierten Verordnung (EU) 2019/1828 von 5.350.000 EUR unproblematisch überschreitet.

1.3. Die Antragstellerin ist gemäß § 160 Abs. 2 GWB antragsbefugt. Nach § 160 Abs. 2 Satz 1 GWB ist der Nachprüfungsantrag zulässig, wenn ein Unternehmen ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB geltend macht. Diesem Erfordernis ist genügt, wenn mit dem Nachprüfungsantrag eine Verletzung vergaberechtlicher Vorschriften schlüssig vorgetragen wird.

Darüber hinaus ist es gemäß § 160 Abs. 2 Satz 1 GWB erforderlich, dass mit dem Nachprüfungsantrag auch dargelegt wird, dass dem Unternehmen durch die behauptete Verletzung der Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.

Diesen Anforderungen genügt der Vortrag der Antragstellerin zunächst. Die Antragstellerin hat ihr Interesse am Auftrag schon durch die Abgabe ihres Angebotes nachgewiesen. Mit dem gegenständlichen Nachprüfungsantrag verfolgt sie das Ziel, den strittigen Auftrag zu erhalten. Diesbezüglich legte sie im Nachprüfungsantrag und in der vorherigen Rüge dar, dass die beabsichtigte Zuschlagserteilung an die Beigeladene zu Unrecht erfolge, da dieser u.a. wegen fehlender Eignung der Zuschlag nicht erteilt werden dürfe. Dadurch hat sie schlüssig vorgetragen, dass sie in ihren Rechten verletzt ist und ihr durch die beabsichtigte – aus ihrer Sicht vergaberechtswidrige – Erteilung des Zuschlags auf das Angebot der Beigeladenen ein Schaden zu entstehen drohe, da sie so keine Chance hat, den streitigen Auftrag zu erhalten.

Ob die geltend gemachten Rechtsverstöße tatsächlich vorliegen und ein Schaden entstanden ist, ist eine im Rahmen der Begründetheit des Nachprüfungsverfahrens zu beantwortende Frage. Ebenso wird im Rahmen der Begründetheit zu prüfen sein, ob das Angebot der Antragstellerin womöglich auszuschließen war.

1.4. Der Vergabenachprüfungsantrag ist hinsichtlich des Rügeerfordernisses des § 160 Abs. 3 GWB nur teilweise zulässig.

1.4.1. Rügeschreiben vom 9. März 2021

Mit Schreiben vom 4. März 2021, teilte die Auftraggeberin der Antragstellerin mit, dass beabsichtigt sei, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen. Mit Schreiben vom 9. März 2021 rügte die Antragstellerin die angekündigte Zuschlagsentscheidung der Auftraggeberin als vergabefehlerhaft.

Soweit die Antragstellerin damit zunächst einerseits monierte, dass das Absageschreiben nach § 134 Abs. 1 GWB unvollständig sei, weil die Gründe der ihr ungünstigen Zuschlagsentscheidung nur unzulänglich in einer lediglich formelhaften Wiedergabe des Gesetzestextes zusammengefasst worden seien und zudem der Namen des Unternehmens, dessen Angebot angenommen werden solle nicht korrekt mitgeteilt worden sei, so war diese Rüge sicherlich fristgemäß i.S. des § 160 Abs. 3 GWB. Auch die Rüge, dass der Antragstellerin (bis zur Mitteilung der Zuschlagsentscheidung) kein Verhandlungsprotokoll des Bietergesprächs vom 2. Februar 2021 zur Verfügung gestellt worden sei, mag diesbezüglich noch als fristgerecht gewertet werden.

1.4.2. Rügeschreiben vom 10. März 2021

Auch soweit die Antragstellerin sodann mit Schreiben vom 10. März 2021 monierte, dass die Mitteilung des Angebotspreises des vermeintlichen Bestbieter rechtswidrig sei, und die Befürchtung nahelege, dass mit den Preisen der Antragstellerin ebenso sorglos umgegangen worden sei, war diese Rüge ebenfalls noch als fristgerecht i.S. des § 160 Abs. 3 GWB einzuordnen. Ebenso ist ihr Vortrag, dass zu mutmaßen sei, dass die Auftraggeberin keine hinreichende Eignungsprüfung des vermeintlichen Bestbieters vorgenommen habe und dieser nicht geeignet sei, fristgerecht erfolgt.

Anders verhält es sich mit den sodann folgenden Rügen. Soweit sich die Antragstellerin sodann erstmalig mit dem Schreiben vom 10. März gegen die Mindestanforderungen für Eigenleistungen, für das Gesamtprojekt von mindestens 50% insgesamt und für die Herstellung der Hausanschlüsse von mindestens 80 % wandte (b), war sie mit diesem Vortrag nach Auffassung der Vergabekammer präkludiert.

Ebenso war sie nach Überzeugung der Vergabekammer mit dem Vortrag präkludiert, dass für einen Bieter nicht erkennbar gewesen sei, auf welche Punkte innerhalb der Konzeptbewertung die Auftraggeberin Wert legen werde, dass zudem die Bewertungsskala der beiden Konzepte vergaberechtswidrig und der Bewertungsmaßstab intransparent sei (c) so ist sie mit diesen Vorträgen präkludiert. Dies will die Vergabekammer nachfolgend im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung näher ausführen.

1.4.3. Rügeschreiben vom 11. März 2021

Die sodann von der Antragstellerin erstmalig mit weiterem Schreiben vom 11. März angegriffene Verfahrensart des durchgeführten Vergabeverfahrens als Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb (a) ist gem. § 160 Abs. 3 Nr. 2 und 3 GWB als verspätet gerügt und damit als präkludiert zu bewerten

(a) Präklusion der Rüge der Verfahrensart des durchgeführten Verhandlungsverfahrens mit Teilnahmewettbewerb

Ausweislich Ziffer IV. 1.1 der Vergabebekanntmachung war für das streitgegenständliche Verfahren als Verfahrensart das Verhandlungsverfahren vorgesehen. Dies war nicht nur der Vergabebekanntmachung, sondern sämtlichen Vergabeunterlagen zu entnehmen, so bspw. den Bewerbungsbedingungen zum Teilnahmewettbewerb, welche zum Verbleib beim Bewerber bestimmt und nicht mit dem Teilnahmeantrag zurückzugeben waren. Hier heißt es unter Ziffer 1.5 Vergabeverfahren: “Das Vergabeverfahren wird als Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb nach § 3 Nr. 3 EU VOB/A durchgeführt.” Hinsichtlich des zu erwartenden Verfahrensablaufes heißt es unter Ziffer 1.6 sodann: “Das Vergabeverfahren wird zweistufig durchgeführt.”, was im nachfolgenden Text näher konkretisiert wurde.

Zudem beteiligte sich die Antragstellerin klaglos an dem Verfahren, reichte form und fristgerecht einen vollständigen Teilnahmeantrag ein und passierte die formale und inhaltliche Prüfung des Teilnahmeantrags problemlos. Ebenso monierte sie zu keinem Zeitpunkt, dass sie für den 2. Februar 2021 eine Einladung zu einem Bietergespräch erhielt, an dem sie auch widerspruchslos teilnahm und sodann ohne weitere Beanstandungen absolvierte. Infolge dessen nahm sie vielmehr preisliche Veränderungen an ihrem zuvor noch indikativen Angebot vor und platzierte letztendlich ich finales Angebot.

Nach Überzeugung der Vergabekammer müssen Bieter, die sich auf ein Verhandlungsverfahren nicht einlassen wollen, eine entsprechende Rüge gegenüber dem Auftraggeber im Vorfeld der Verfahrensbeteiligung aussprechen. Denn es ist es für das Auslösen der Rügeobliegenheit ausreichend, dass die Bieter – wie hier – aufgrund der Bekanntmachung erkennen können, dass der Auftraggeber vom Vorrang des offenen Verfahrens abgewichen ist.

Dies vorausgeschickt ist nach Überzeugung der Vergabekammer darauf zu verweisen, dass die gewählte Verfahrensart zu den Grundlagen des Vergaberechts gehört. Dass der Gesetzgeber grundsätzlich eine Rangfolge der Verfahrensarten, gestaffelt nach der größtmöglichen Öffnung des Vergabeverfahrens für den Wettbewerb zu beachten hat, muss auch einem mit Vergabeverfahren weniger befassten Bieter bekannt sein. Auch ein mit Vergabesachen nicht allzu vertrauter Bieter muss sich zwangsläufig zunächst mit der Verfahrensart beschäftigen. Denn aus dieser folgen unterschiedliche Konsequenzen für die Angebotserstellung, Einschränkungen des Bieterkreises und gegebenenfalls weitere Angebotsrunden nach Verhandlungen. Vertiefte Kenntnisse des Vergaberechts sind daher nicht erforderlich, um zu erkennen, dass die Wahl des Verfahrens für den weiteren Verlauf des Vergabeverfahrens Folgen hat. Es ist daher davon auszugehen, dass einem durchschnittlichen Bieter mit Benennung der Verfahrensart die möglichen negativen Folgen des Verhandlungsverfahrens für seine Stellung im Vergabeverfahren bewusst sind – nämlich die Möglichkeit, schon aufgrund des Teilnahmewettbewerbs nicht in den Bieterkreis zu gelangen oder auch bei Erlangung des Bieterstatus im Rahmen von Nachverhandlungen von einem Mitbewerber unterboten zu werden (vgl. OLG Frankfurt, B. v. 5. 3. 2014 – 11 Verg 2/14). Weitergehende Tatsachen- oder Rechtkenntnis dahingehend, auf welche Fakten im Einzelnen und welche Norm sich der Auftraggeber für die Begründung des Verhandlungsverfahrens gestützt hat, sind für eine Erkennbarkeit nach § 160 Abs. 3 Nr. 2 GWB nicht zu fordern (so schon VK Sachsen, B. v. 2.10. 2012 – 1/SVK/022-12).

In Beachtung des so ausgeführten war die Antragstellerin mit ihrem Vorbringen, dass die gewählte Verfahrensart gegen das Vergaberecht verstoße, gemäß § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 GWB präkludiert.

(b) Präklusion der Rüge der Forderung nach einem Eigenleistungsanteil, für das Gesamtprojekt von mindestens 50% insgesamt und für die Herstellung der Hausanschlüsse von mindestens 80 %.

Für die Antragstellerin war es ebenfalls vor Ablauf der Angebotsfrist erkennbar, dass in den Vergabeunterlagen unter 4.4 Allgemeine Anforderungen an das Angebot insbes. unter 4.4.5.1 Konzept zur Qualitätssicherung und zur Dokumentation der Bauausführung; Mindestangaben/-anforderungen folgendes gefordert war: “Die Eigenleistung des Bieters in der Auftragsdurchführung im Gesamtprojekt muss mindestens 50 % und in Bezug auf die Herstellung der Hausanschlüsse mindestens 80 % betragen.”

Damit war nach Überzeugung der Vergabekammer für die Antragstellerin erkennbar, dass abweichend von § 6 d EU Abs 1 VOB/A die Inanspruchnahme der Kapazitäten anderer Unternehmen reglementiert war und eine Eigenleistungsquote bezogen auf das Gesamtprojekt, insbesondere auch in Bezug auf die Herstellung der Hausanschlüsse vorgeschrieben war.

Maßstab der Erkennbarkeit ist zunächst die objektive Erkenntnismöglichkeit bei Zugrundelegung der üblichen Sorgfalt und üblichen Kenntnisse eines durchschnittlich fachkundigen Bieters des mit der Bekanntmachung angesprochenen Adressatenkreises. Erforderlich ist, dass die Rechtsvorschriften, gegen die verstoßen wird, zum allgemeinen und grundlegenden Wissen des angesprochenen und beteiligten Bieterkreises gehört. Die Rügepräklusion tritt demnach ein, wenn der Inhalt der Vergabeunterlagen bei laienhafter rechtlicher Bewertung auf einen Vergaberechtsverstoß hindeutet, ohne dass es einer exakten rechtlichen Einordnung oder des vollständigen Durchdringens etwaiger Rechtsfragen bedarf. Auch muss ein Bieter mit der Rüge den Auftraggeber lediglich auf jene Tatsachen, die aus seiner Sicht möglicherweise einen Vergaberechtsverstoß begründen, hinweisen (vgl. statt aller: VK Berlin, B. v. 30.07.2019 – VK B 1-09/19, m. Verw. a. OLG Düsseldorf, B. v. 03.04.2019 – Verg 49/18; OLG Schleswig-Holstein, B. vom 22.01.2019 – 54 Verg 3/18; u.a.). Sinn und Zweck der Rügeobliegenheit ist die Möglichkeit des Auftraggebers, mögliche Fehler frühzeitig im Verfahren zu korrigieren (vgl. OLG Schleswig-Holstein a.a.O.) und auf diese Weise ein Vergabeverfahren nicht unnötig in die Länge zu ziehen bzw. unnötige Nachprüfungsverfahren zu vermeiden.

So verhält es sich hier. Die Vorgabe, dass die Eigenleistung des Bieters in der Auftragsdurchführung im Gesamtprojekt mindestens 50 % und in Bezug auf die Herstellung der Hausanschlüsse mindestens 80 % betragen muss ergibt sich zunächst schlicht aus den Vergabebedingungen zur Angebots/Verhandlungsphase, Ziffer 4.4 Allgemeine Anforderungen an das Angebot ff.

Fraglich ist, ob dies für die Antragstellerin auch “erkennbar” i.S.v. § 160 GWB war.

Prüfungsmaßstab für die Erkennbarkeit ist die Erkenntnismöglichkeit eines durchschnittlichen Antragstellers. Erkennbar sind somit Vergaberechtsverstöße, die von einem Durchschnittsbieter bei üblicher Sorgfalt und den üblichen Kenntnissen erkannt werden. Dabei ist zu erwarten, dass Unternehmer, auch wissen, welchen Mindestanforderungen die Vergabeunterlagen genügen müssen. Ein Vergaberechtsverstoß, der sich schon durch bloßes Lesen der einschlägigen Normen und einen Vergleich mit dem Text der Vergabeunterlagen ohne weiteres feststellen lässt, ist nach obergerichtlicher Rechtsprechung (OLG Schleswig, B.v. 10.12.2020 – 54 Verg 4/20, sowie B. v. 22. 1. 2019 – 54 Verg 3/18; OLG Sachsen-Anhalt, 7 Verg 6/16; OLG Celle, B. v. 16. 6. 2011) für jeden erkennbar, der über die intellektuellen Fähigkeiten verfügt, die notwendig sind, um ein Angebot zu erstellen oder gar ein Unternehmen zu leiten.

Selbst wenn man diesen strengen Maßstab nicht teilte, so wäre doch darauf zu verweisen, dass jedenfalls für solche Verstöße, die bei üblicher Sorgfalt und den üblichen Kenntnissen des von der Ausschreibung angesprochenen Verkehrskreises erkennbar sind eine Präklusion anzunehmen ist, wenn sich die Vergaberechtsverstöße bei Lesen der Vergabeunterlagen und einer auch nur branchenüblichen Kenntnis der gesetzlichen Rahmenbedingungen aufdrängen, wie vorliegend.

Die Unzulässigkeit der Vorgabe eines anteiligen Selbstausführungsgebotes und ein damit verbundenes Verbot der prozentualen Einbindung von Unterauftragnehmern ist angesichts der Regelungen in § 6d EU VOB/A zunächst offensichtlich. Darüber hinaus ist auch die dazu ergangene Rechtsprechung bisher eindeutig und zudem durch langjährige Grundsatzentscheidungen des EuGH bekannt und abgesichert (EuGH, Urt. v. 14.07.2016 – Rs. C-406/14, OLG Rostock, B. v. 23.04.2018 – 17 Verg 1/18 VK Thüringen, B. v. 19.12.2019 – 250-4003-15326/2019-E-010-G).

Darüber hinaus betrifft die Frage, ob in die Auftragsabwicklung ein Nachunternehmer eingebunden werden kann und darf unmittelbar die strukturelle Organisation und Kalkulation des Angebotes. Bei der teilweisen Untersagung der Möglichkeit der Einbindung von Nachunternehmern in die zu kalkulierende Leistungserbringung handelt sich auch um ein Problem, dass der Antragstellerin bei der Kalkulation ins Auge springen muss oder ihr bei der Erstellung des Angebotes Fragen bereiten musste die sie vor Abgabe des Angebotes zu lösen hatte. Insoweit waren sie nach Auffassung der Vergabekammer erkennbar i.S.v. § 160 Abs 3 Nr. 2 und 3 (vgl. hierzu auch Hofmann in Müller-Wrede, Kommentar zum GWB-Vergaberecht, 2016, § 160, Rdn. 72) und somit bis zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe gem. § 160 Abs. 3 Nr. 2 und 3 GWB gegenüber dem Auftraggeber zu rügen. Dies mag umso mehr gelten vor dem Hintergrund, dass im Verhandlungsgespräch die Möglichkeit gegeben war etwaige Fragen und Probleme im Zusammenhang mit der Angebotserstellung, oder Auftragskoordinierung anzusprechen, insbesondere gerade dann, wenn Fragen der Durchführung der Hausanschlüsse Gegenstand des Verhandlungsgespräches waren.

Mithin war die so formulierte Vorgabe in den Vergabeunterlagen ungerügt geblieben und war von der Antragstellerin so zu erfüllen – was sie es mit Angebotsabgabe auch unproblematisch getan hat.

Die Vergabekammer hat keine Möglichkeit die dadurch womöglich vergaberechtswidrigen Vergabeunterlagen “von Amts wegen” durch Rückversetzung des Vergabeverfahrens korrigieren zu lassen, denn das Aufgreifen präkludierter Vergaberechtsverstößen ist ihr untersagt (VK Sachsen, Beschluss vom 04.04.2018 – 1/SVK/004-18, m. Verw.a. Antweiler in Burgi/Dreher, § 168 GWB, Rn. 48). Soweit ein Antragsteller mit bestimmten Rechtsverstößen präkludiert ist, liegt es nicht im Ermessen der Vergabekammer, solche Rechtsverstöße dennoch zu prüfen (u. a. OLG Naumburg, Beschluss vom 12. April 2012 – 2 Verg 2/12; OLG Celle, Beschluss vom 11. Februar 2010 – 13 Verg 16/09). Ist eine Rüge präkludiert, darf sie auch weder unmittelbar noch mittelbar wieder von Amts wegen aufgegriffen werden (vgl. Summa in: Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 5. Aufl. 2016, § 160 GWB Rn. 310), jedenfalls so lange ein Wertung der Angebote noch möglich ist.

Anders als die Antragstellerin ist die erkennende Vergabekammer schließlich auch Auffassung dass zu dieser Rechtsfrage aus gleichen Gründen auch keine Vorlagemöglichkeit, geschweige denn Vorlagepflicht an den EuGH besteht, auch wenn die Vergabekammer als Gericht i. S. v Art. 267 AEUV durchaus vorlageberechtigt wäre (EuGH, Urt. v. 24.10.2018 – Rs. C-124/17, EuGH Urt. v. 18.09.2014 – C-549/13). Die nationalen Gerichte haben nach ständiger Rechtsprechung gemäß Art. 267 AEUV zwar ein unbeschränktes Recht zur Vorlage an den Gerichtshof, aber nach Überzeugung der Vergabekammer nur, wenn eine bei ihnen anhängige Rechtssache Fragen nach der Auslegung oder der Gültigkeit der unionsrechtlichen Bestimmungen aufwirft und sie eine Entscheidung darüber zur Entscheidung des ihnen unterbreiteten Rechtsstreits für erforderlich halten. Vorliegend geht es um die schlichte Frage der Präklusion von Rügen gegen Vergabeunterlagen, dies dürfte kaum eine Frage sein, die dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt werden könnte.

(c) Präklusion der Rüge der Vergaberechtswidrigkeit der Bewertungsskala zur Konzeptwertung und der angeblichen Intransparenz und des Bewertungsmaßstabes.

Soweit die Antragstellerin mit Schreiben vom 10. März 2021 erstmals monierte, dass die Wertungsvorgaben betreffend das Konzept zur Qualitätssicherung und zur Dokumentation der Bauausführung vergaberechtswidrig seien und die Skala mit ihrer Benotung von 0 bis 3 keine hinreichende Differenzierung zulasse, was zu einer starken Wertungsverzerrung führe, so greift die Antragstellerin damit Vorgaben an, die sich bereits aus der Vergabebekanntmachung und den Vergabeunterlagen ergeben hatten. Insbesondere in den Vergabeunterlagen waren im Dokument Teil A: Vergabebedingungen zur Angebots- / Verhandlungsphase über zwei Seiten hinweg dezidiert die Wertungsmodalitäten aufgeführt. Es war von Anfang an folgendes klargestellt: “Neben dem Preis wertet die Vergabestelle die Qualität der Leistungserbringung anhand der Angaben der Bieter zu den geforderten Darstellungen und Konzepten zur Auftragsdurchführung und vergibt anhand der Kriterien Punkte. Die Punkte der jeweiligen Kriterien werden addiert. Der Zuschlag erfolgt auf das Angebot mit der höchsten Punktzahl. Rundungen erfolgen mathematisch auf zwei Nachkommastellen.” Unter Ziffer 8.1 ff. folgten sodann weitere Erläuterungen zu den einzelnen Kriterien. Diesen war zu entnehmen, mit welcher Formel der Preis bewertet werden sollte und auch wie und nach welchen Maßstäben die einzelnen Konzepte einer Bewertung zugeführt werden sollten.

Der Bewertungsmodus und -maßstab ergaben sich ebenso wie die Bewertungsskala und deren inhaltliche Abstufung und Strukturierung aus den Vergabeunterlagen und waren damit für die Antragstellerin tatsächlich erkennbar. Ein etwaiger, damit im Zusammenhang stehender nunmehr erst geltend gemachte Vergaberechtsverstoß, konnte nach Auffassung der Vergabekammer von einem Durchschnittsbieter ebenfalls erkannt werden. Einen etwaigen Vergaberechtsverstoß hatte die Antragstellerin bis zum Erhalt der Zuschlagsentscheidung jedoch nicht angegriffen. Aus diesem Grund ist ihrer hiergegen gerichteten Rüge nach Erhalt des Informationsschreibens nach § 134 GWB entgegen zu halten, dass ein durchschnittlicher fachkundiger Bieter die (mögliche) Intransparenz der Wertungssystematik im Allgemeinen und der Auswirkung von verschiedenen Punktszenarien qualitativer Art einschließlich einer Niedrigpreis-Strategie erkennen kann und diese daher rechtzeitig rügen muss, sofern er diese für vergaberechtswidrig und intransparent hält (VK Bund, B. v. 23.12.2020 – VK 1-104/20; VK Berlin, B. v. 30.07.2019 – VK B 1-09/19; VK Sachsen, B. v. 28.03.2019 – 1/SVK/044-18; OLG Naumburg, B. v. 16.12.2016 – 7 Verg 6/16). Das jetzige Vorbringen der Antragstellerin in diesen Punkten ist präkludiert.

1.5. Die weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen liegen vor.

Die Frist des § 160 Abs. 3 Nr. 4 GWB ist vorliegend gewahrt und der Nachprüfungsantrag entspricht im Übrigen den Anforderungen des § 161 GWB.

2. Der Nachprüfungsantrag ist, soweit er zulässig ist, unbegründet.

Die Antragstellerin ist weder durch die Mitteilung des Angebotspreises der Zuschlagsbieterin, noch durch eine vermeintlich mangelnde Eignungsprüfung resp. fehlende Eignung der Beigeladenen, noch durch eine vermeintlich rechtswidrige Delegation von Vergabeentscheidungen in ihren Rechten aus § 97 GWB verletzt. Die Dokumentation des Vergabeverfahrens erfolgte ordnungsgemäß

2.1. Keine Rechtsverletzung zu Lasten der Antragstellerin durch die Mitteilung des Angebotspreises der Zuschlagsbieterin

Dass die Auftraggeberin der Antragstellerin in Reaktion auf deren Rüge den exakten Angebotspreis der Zuschlagbieterin mitteilte erscheint vor dem Hintergrund, dass vorliegend ein Verhandlungsverfahren durchgeführt wurde mindestens ungewöhnlich, da insoweit § 3b EU Abs. 3 Nr. 9 VOB/A vorschreibt, dass der öffentliche Auftraggeber vertrauliche Informationen eines an den Verhandlungen teilnehmenden Bieters nicht ohne dessen Zustimmung an die anderen Teilnehmer weitergeben darf. Gleichwohl entfaltet diese Norm nach Auffassung der Vergabekammer nur bieterschützenden Charakter hinsichtlich desjenigen Bieters, dessen vertrauliche Informationen weitergegeben werden (sollen). Insoweit verletzt die Weitergabe des Angebotspreises allenfalls die Beigeladenen in ihren Rechten, nicht jedoch die Antragstellerin.

Daraus ableiten zu wollen, dass somit gleichermaßen wenig sorgsam mit den Preisen und Verhandlungsergebnissen im Verhandlungsverfahren umgegangen worden sei, findet in der Vergabeakte keine Grundlage. Die Protokolle der Verhandlungsgespräche indizieren vielmehr, dass die Auftraggeberin beide Bieter gleich behandelt hatte und ihnen insoweit die gleiche Chance gegeben hatte, innerhalb gleicher Fristen und zu gleichen Anforderungen Angebote abzugeben.

Eine Rechtsverletzung der Antragstellerin unter diesem Gesichtspunkt war ausgeschlossen.

2.2. Durchführung einer ordnungsgemäßen Eignungsprüfung / Eignung der Beigeladenen

Ausweislich der Vergabeakte hat die Auftraggeberin im Rahmen der Auswertung der Teilnahmeanträge eine ordnungsgemäße Wertung und Überprüfung der Eignung der sich um die Teilnahme am Verhandlungsverfahren bewerbenden Bieter vorgenommen. Dazu hat sie zunächst eine eigenständige formale Prüfung durchgeführt und hatte sodann für die inhaltliche Wertung der Teilnahmeunterlagen eine externe Beratungs- und Planungsgesellschaft aus Wiesbaden zu Rate gezogen. Diese hat die vorgelegten Unterlagen inhaltlich ausgewertet und jeweils geprüft, ob bspw. die aufgeführten Referenzprojekte die Mindestanforderungen erfüllten – dies insbesondere mit Blick darauf, dass hier für die Referenzen gefordert war, dass die referenzierten Leistungen einen konkreten Mindest-Eigenleistungsanteil ausweisen mussten.

Im Ergebnis wurden einige Teilnehmer aus dem Vergabeverfahren ausgeschieden, die Antragstellerin und die Beigeladene reüssierten. Die von der Beigeladenen vorgelegten Referenzen erfüllten nach Überzeugung der Vergabekammer jeweils die erforderlichen Mindestbedingungen, insbesondere wiesen sie jeweils einen ausreichend hohen Eigenleistungsanteil aus.

Eine Rechtsverletzung der Antragstellerin war insoweit nicht zu erkennen.

2.3. Keine unzulässige Delegation der Vergabeentscheidung

Nach Wahrnehmung der Vergabekammer war keine unzulässige Delegation des Vergabeverfahrens an die Verfahrensbevollmächtigte festzustellen. Vielmehr war aus der Vergabeakte ablesbar, dass in die wesentlichen Verfahrensetappen die Amtsleiterin der Vergabestelle eingebunden war. So führe diese auf Befragen der Vergabekammer im Rahmen der mündlichen Verhandlung aus, dass bspw. die Dokumente, die man auf der Vergabeplattform eingestellt habe, erst dann über die Kanzlei eingestellt worden seien, nachdem sie zuvor jeweils vom Auftraggeber freigegeben habe. Auch alle weiteren entscheidungsrelevanten Unterlagen seien dem Auftraggeber zuvor zur Verfügung gestellt worden und entsprechend auch vorgeprüft worden. Demgemäß habe man auch die Zuschlagsentscheidung in einem Gremium getroffen. Dem ist nichts hinzuzufügen. Dass die Amtsleiterin sodann nach verwaltungsinterner Abstimmung und abschließender Entscheidung die Beschlussvorlage an den Stadtrat versandte und parallel dazu, also noch vor abschließender Beschlussfassung des Stadtrates bereits die Informationsschreiben nach § 134 GWB versandt hält die Vergabekammer für unschädlich. Eine etwaige Nichtzustimmung des Stadtrates hätte allenfalls sodann ein sicherlich lösbares “Rückversetzungsproblem” für die Auftraggeberin ausgelöst. Das geschilderte Vorgehen der Auftraggeberin ist jedoch insbesondere unter vergaberechtlichen Beschleunigungsgesichtspunkten nicht zu beanstanden.

Eine Rechtsverletzung der Antragstellerin war insoweit nicht zu erkennen.

2.4. Ausschluss des Angebotes der Antragstellerin

Es spricht vieles dafür, dass schon das erste, indikative Angebot der Antragstellerin vom Vergabeverfahren auszuschließen gewesen wäre, da sie Ihr erstes Angebot auf einer veralteten Fassung des Leistungsverzeichnisses unterbreitete (Version aus dem Teilnahmewettbewerb). Der Auftraggeber hatte insoweit Rechenfehler in der Berechnung des in dem Angebotsschreiben (Anlage A 2) genannten Angebotspreises befürchtet, hatte das Angebot aber dennoch im Wettbewerb belassen. Auf Veranlassung der Vergabekammer im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurde sodann im Nachgang der Vergabekammer eine Synopse der verschiedenen Fassungen des Leistungsverzeichnisses vorgelegt, aus der sich leichterdings ergibt, dass hier zahlreiche Massenmehrungen und Massenminderungen stattgefunden hatten, so dass hier ein Ausschluss des indikativen Angebotes erwägenswert gewesen wäre. Die Verwendung einer veralteten Version des Leistungsverzeichnisses stellt eine Änderung der Vergabeunterlagen dar. Das gilt auch dann, wenn nicht der Bieter das Formular physisch geändert, sondern eine vom Auftraggeber erstellte Unterlage verwendet hat (VK Bund, B. v. 18.01.2019 – VK 1-113/18).

Es spricht jedenfalls vieles dafür, dass dieses auch in einem Verhandlungsverfahren bei Abgabe der ersten, indikativen Angebote zu gelten hat, da jedenfalls die im Leistungsverzeichnis vorgegebenen (Leistungs-)Mengen Parameter sind , die nach Auffassung der Vergabekammer als eindeutige und unmissverständlich zwingende Mindestanforderungen an die Angebote anzusehen sind (vgl. OLG Düsseldorf, B. v. 29.06.2017 – Verg 7/17), so dass deren Missachtung zu einem Ausschluss des Angebotes führen müsste.

Vor dem Hintergrund des hier ohnehin gefundenen Ergebnisses konnten weitere Überlegungen hierzu allerdings dahinstehen.

Im Ergebnis aller Untersuchungen und Abwägungen war eine Rechtsverletzung zu Lasten der Antragstellerin nicht erkennbar, weshalb der Antrag der Antragstellerin als unbegründet anzusehen war.


III.

1. Die Antragstellerin hat die Kosten zu tragen, § 182 Abs. 3 Satz 1 GWB.

Die Antragstellerin hat als Unterliegende die Kosten (Gebühren und Auslagen) des Nachprüfungsverfahrens gemäß § 182 Abs. 3 Satz 1 GWB zu tragen.

Die Gebühr beträgt mindestens 2.500 EUR und soll den Betrag von 50.000 EUR nicht überschreiten (§ 182 Abs. 2 Satz 1 und 2 GWB). Die Höhe der Gebühr bestimmt sich nach dem personellen und sachlichen Aufwand der erkennenden Vergabekammer unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstandes des Nachprüfungsverfahrens (§ 182 Abs. 2 GWB). Der Gesetzgeber hat mit dieser an § 80 Abs. 2 GWB orientierten Regelung klargestellt, dass – wie im Kartellverwaltungsverfahren – vorrangig auf die wirtschaftliche Bedeutung des Verfahrens abzustellen ist.

Die Vergabekammern des Bundes haben eine Gebührentabelle erarbeitet, die die erkennende Vergabekammer im Interesse einer bundeseinheitlichen Handhabung in der Regel übernimmt. Zur Bestimmung des wirtschaftlichen Interesses wird in der Regel auf den Angebotswert des Angebotes der Antragstellerin abgestellt. Ausgehend von diesen Prämissen ergibt sich hier nach der Gebührentabelle der Vergabekammern des Bundes eine Gebühr in Höhe von xx EUR.

Dieser Betrag kann entsprechend § 182 Abs. 2 Satz 1, 2. Hs. GWB ermäßigt werden, ggf. bis auf ein Zehntel. Als Gründe einer Ermäßigung sind dabei nur solche Gesichtspunkte zu berücksichtigen, die im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Bedeutung sowie dem erforderlichen Verwaltungsaufwand stehen. Gründe, die dies rechtfertigten, waren hier nicht gegeben. Damit hat die Antragstellerin den Betrag von xx EUR zu tragen. Auslagen, die nicht mit der Gebühr abgegolten wären, sind nicht angefallen.

Den Betrag hat die Antragstellerin binnen zweier Wochen nach Bestandskraft dieser Entscheidung einzuzahlen.

2. Die Antragstellerin hat die notwendigen Aufwendungen der Auftraggeberin zu tragen, § 182 Abs. 4 Satz 1 GWB.

Gemäß 182 Abs. 4 Satz 1 GWB hat ein Beteiligter die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung notwendigen Aufwendungen seines Gegners zu tragen, soweit er im Verfahren unterliegt. Vorliegend ist die Antragstellerin in diesem Verfahren die Unterlegene. Daher hat sie die zur Rechtverfolgung notwendigen Aufwendungen der Auftraggeberin nach § 182 Abs. 4 Satz 1 GWB zu tragen.

3. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten auf Seiten der Auftraggeberin war gemäß § 182 Abs. 4 Satz 4 GWB i. V. m. i. V. m. § 1 SächsVwVfZG und § 80 Abs. 2 VwVfG notwendig.

Ob die Zuziehung eines Bevollmächtigten erforderlich war und die hieraus entstandenen Kosten damit zu den notwendigen Aufwendungen der Vergabestelle i. S. d. § 80 Abs. 1 Satz 3 VwVfG gehören, ist nach dem individuellen Streitstoff des einzelnen Nachprüfungsverfahrens zu beurteilen (OLG Dresden, Beschluss vom 22.01.2010 – WVerg 1/10).

Im vorliegenden Nachprüfungsverfahren waren zahlreiche einzelne Punkte streitig, so insbesondere ob die Beigeladene geeignet ist, ob die Forderung nach einer prozentualen Eigenleistungsquote zulässig ist, ob eine unzulässige Delegation des Vergabeverfahrens an die verfahrensbevollmächtigte Anwaltskanzlei erfolgt war, ob eine fehlende Gewichtung der Unterkriterien betreffend das Konzept zur Qualitätssicherung vorliegt, ob eine Vergaberechtswidrigkeit der Bewertungsskala insgesamt anzunehmen ist etc..

Die Probleme des Nachprüfungsverfahrens konzentrieren sich daher nicht ausschließlich auf lediglich schlichte auftragsbezogene Sach- und Rechtsfragen, für die der öffentliche Auftraggeber die erforderlichen Sach- und Rechtskenntnisse in seinem originären Aufgabenkreis ohnehin organisieren muss und daher auch im Nachprüfungsverfahren nicht notwendig eines anwaltlichen Bevollmächtigten bedarf (vgl. OLG Düsseldorf, B. vom 28.01.2011- Verg 60/10), sondern auf darüber hinausgehende schwierige vergaberechtliche Fragestellungen.

Zudem berücksichtigt die Vergabekammer im Rahmen der hier zu treffenden Einzelfallentscheidung auch, dass es sich um ein großes und umfangreiches Bauvorhaben mit einem hohen Auftragswert handelt.

Zudem handelt es sich bei dem Vergaberecht allgemein aufgrund vielfältiger europarechtlicher Überlagerung um ein wenig übersichtliches und zudem stetigen Veränderungen unterworfenes überdurchschnittlich kompliziertes Rechtsgebiet, das wegen des gerichtsähnlich ausgestalteten Verfahrens bei der Vergabekammer bereits prozessrechtliche Kenntnisse verlangt, einem hohem Zeitdruck unterliegt und für das in vielen Bereichen gesicherte Rechtsprechungsergebnisse noch nicht vorhanden sind.

Im Ergebnis ist dementsprechend festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten für die Auftraggeberin notwendig war.

4. Die Aufwendungen der Beigeladenen sind ihr nicht zu erstatten, § 182 Abs. 4 Satz 3 GWB i. V. m. § 182 Abs. 4 Satz 2 GWB.

Die Aufwendungen der Beigeladenen sind gemäß § 182 Abs. 4 Satz 2 GWB nur erstattungsfähig, soweit sie die Vergabekammer aus Billigkeit der unterliegenden Partei auferlegt. Die Beigeladene hat sich vorliegend nicht schriftsätzlich eingelassen. Zwar hat sie an der mündlichen Verhandlung teilgenommen, in dieser hat sie jedoch keinen eigenen Antrag auf Ablehnung des Nachprüfungsantrages gestellt. Damit nimmt sie nicht am Kostenrisiko des Verfahrens teil. Insoweit entspricht es der Billigkeit, ihr die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Aufwendungen nicht zu erstatten.


IV.

Rechtsbehelfsbelehrung

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