Ax Vergaberecht

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LG Heilbronn ua zu der Frage, dass in der unberechtigten Einstellung der Arbeiten zur Durchsetzung eines Nachtrags, einer Abschlagsrechnung oder aus sonstigen Gründen eine schwerwiegende Verletzung der bauvertraglichen Kooperationspflicht liegen kann, die zur außerordentlichen Kündigung berechtigt

LG Heilbronn ua zu der Frage, dass in der unberechtigten Einstellung der Arbeiten zur Durchsetzung eines Nachtrags, einer Abschlagsrechnung oder aus sonstigen Gründen eine schwerwiegende Verletzung der bauvertraglichen Kooperationspflicht liegen kann, die zur außerordentlichen Kündigung berechtigt

vorgestellt von Thomas Ax

1. Nach den Grundsätzen des sog. unternehmensbezogenen Geschäfts geht der Wille der Beteiligten im Zweifel dahin, dass bei derartigen Geschäften der Unternehmensinhaber Vertragspartner werden soll und nicht derjenige, der konkret für das Unternehmen gehandelt hat. Dies gilt auch dann, wenn der Inhaber falsch bezeichnet wird oder über ihn sonst Fehlvorstellungen bestehen. Die Anwendung dieser Grundsätze hängt lediglich von dem erkennbaren Unternehmensbezug des Geschäfts ab und nicht von einer firmenrechtlich korrekten Bezeichnung des Unternehmens (BGH, Urteil vom 15.01.1990 – II ZR 311/88, IBRRS 1990, 0325).
2. Deshalb muss nicht zwangsläufig die Person, die im Vertrag als Inhaber des Unternehmens bezeichnet ist, Vertragspartner werden. Entscheidend ist, wer tatsächlich der Unternehmensinhaber ist.
3. Zur Frage, wer Unternehmensinhaber ist, wenn in den Schreiben und E-Mails des Unternehmens nach Vertragsschluss durchgängig eine andere Person als Inhaber genannt wird als in den in den Schreiben und E-Mails des Unternehmens vor Vertragsschluss.
4. Regelmäßig hat der Vertragspartner des Unternehmens kein schützenswertes Interesse daran, dass ihm neben dem tatsächlichen Unternehmensinhaber noch eine weitere Person als möglicher Schuldner zur Verfügung steht.
5. Grundsätzlich muss sowohl die Kündigung eines Bauvertrags als auch die vorausgehende Androhung der Kündigung durch einen bevollmächtigten Vertreter des Kündigenden ausgesprochen werden.
6. Zur Frage, wann die Kündigung durch eine Person mit dem Zusatz “i.A.”/”im Auftrag” eine wirksame Kündigung darstellt.*)
7. Die völlige Einstellung der Arbeiten kann einen Grund zur außerordentlichen Kündigung nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1, § 5 Abs. 3, 4 VOB/B darstellen, wenn sich der Unternehmer nicht auf ein entsprechendes Leistungsverweigerungsrecht berufen kann. Die Einstellung der Arbeiten ist der Extremfall der unzureichenden Ausstattung einer Baustelle mit Arbeitskräften i. S. des § 5 Abs. 3 VOB/B (Anschluss an OLG Stuttgart, IBR 2023, 61; IBR 2020, 634).
8. In der unberechtigten Einstellung der Arbeiten zur Durchsetzung eines Nachtrags, einer Abschlagsrechnung oder aus sonstigen Gründen kann eine schwerwiegende Verletzung der bauvertraglichen Kooperationspflicht liegen, die zur außerordentlichen Kündigung berechtigt (vgl. OLG Frankfurt, IBR 2011, 690; OLG Hamm, IBR 2012, 321; OLG Stuttgart, IBR 2016, 272).
9. Nach einer berechtigten Kündigung gem. § 8 Abs. 3 VOB/B oder nach einer Kündigung aus wichtigem Grund (jetzt § 648a Abs. 1 BGB n.F.) hat der Auftraggeber Anspruch auf Erstattung der für die Fertigstellung entstehenden Mehrkosten. Dabei ist der Auftraggeber nach § 254 BGB verpflichtet, die Fertigstellungskosten in angemessenen Grenzen zu halten. Im Rahmen des § 254 Abs. 2 BGB ist der Einwand des Auftragnehmers zu prüfen, der Auftragnehmer habe einen unnötig teuren Unternehmer ausgewählt.
10. Bewegt sich die Schlussrechnung des mit der Fertigstellung beauftragten Unternehmers insgesamt im Rahmen des Ortsüblichen und Angemessenen, ist es unerheblich, wenn einige Einzelpreise als nicht mehr ortsüblich und angemessen angesehen werden können.
11. Soweit nach der Kündigung eines Bauvertrags Schadensersatzansprüche des Auftraggebers, aber auch Vergütungsansprüche des Auftragnehmers für erbrachte Leistungen bestehen, stehen sich diese Ansprüche aufrechenbar gegenüber. Es findet keine automatische Verrechnung statt (BGH, IBR 2005, 465).
LG Heilbronn, Urteil vom 21.03.2024 – 3 O 155/21 (nicht rechtskräftig; Ber: OLG Stuttgart, Az. 13 U 47/24)

Tenor

1. Der Beklagte 1 wird verurteilt, an die Klägerin 60.635,10 Euro nebst Jahreszinsen hieraus in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23.04.2021 zu zahlen.

2. Der Beklagte 1 wird verurteilt, an die Klägerin weitere 1.642,40 Euro nebst Jahreszinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23.04.2021 zu zahlen.

3. Der Beklagte 1 wird verurteilt, an die Klägerin weitere 694,17 Euro nebst Jahreszinsen hieraus in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 31.01.2022 sowie weitere 748,95 Euro nebst Jahreszinsen hieraus in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17.01.2023 zu zahlen.

4. Im Übrigen wird die Klage gegen den Beklagten 1 abgewiesen.

5. Die Klage gegen die Beklagte 2 wird abgewiesen.

6. Die Widerklage wird abgewiesen.

7. Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen die Klägerin zu einem Drittel, die Beklagten als Gesamtschuldner zu einem Drittel und der Beklagte 1 zu einem weiteren Drittel.

Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten 1 trägt die Klägerin zu einem Drittel und der Beklagte 1 zu zwei Dritteln.

Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten 2 trägt die Klägerin.

8. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 180.780,82 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien machen mit Klage und Widerklage wechselseitig Ansprüche aus einem gekündigten VOB/B-Bauvertrag geltend.

Die Klägerin, ein Betrieb für Stahlbau und Metallbauarbeiten, wurde vom Regierungspräsidium Stuttgart (i.F. auch: RP) mit der Ausführung von Brückenbauarbeiten an der ###-Talbrücke der BAB ### beauftragt. Die ###-Talbrücke war 1974 errichtet und in den Jahren 2009 bis 2013 im Außenbereich instandgesetzt worden. Sie hat eine Gesamtlänge von 888 m, eine Breite von 30 m und eine Höhe von 80 m (vgl. die Bauwerksdaten in der Baubeschreibung). Gegenstand der Beauftragung der Klägerin waren Stahlbauarbeiten sowie Korrosions- und Oberflächenschutz im Hohlkasten innen, Korrosions- und Oberflächenschutz im Hohlkasten außen, sowie die Herstellung der gesamten elektrotechnischen Ausstattung des Brückenhohlkastens sowie der acht Brückenhohlpfeiler. Mit Nachunternehmervertrag vom 8. November 2017 beauftragte die Klägerin unter Einbeziehung der VOB/B die “### Technische Dienstleistung Elektrotechnik” mit der “Ausführung von Titel 05 Betriebstechnik …”.

Weder der Beklagte 1 noch die Beklagte 2 ist im Handelsregister eingetragen.

Am 26. Juli 2018 wurde von der Hauptauftraggeberseite und der Bauüberwachung gegenüber der Klägerin ein Baustopp wegen unzureichender Baubeleuchtung ausgesprochen.

Vom 30. Oktober 2018 datiert eine (erste) 1. Abschlagsrechnung der Beklagtenseite. Diese wurde später durch die überarbeitete 1. Abschlagsrechnung vom 3. Dezember 2018 ersetzt.

Mit Anwaltsschreiben vom 13. Februar 2019 setzte die Klägerin unter Kündigungsandrohung eine Nachfrist zur Übergabe von Unterlagen. Mit Telefaxschreiben vom 12. März 2019 kündigte die Klägerin gegenüber der “### Techn. Dienstleistung Elektrotechnik” den Nachunternehmervertrag wegen verzögerter Fertigstellung und aus wichtigem Grund, wobei die Parteien über die formelle und materielle Wirksamkeit der Kündigung streiten. Die Beklagtenseite kündigte ihrerseits mit Anwaltsschreiben vom 22. März 2019 das Vertragsverhältnis außerordentlich aus wichtigem Grund.

Am 27. März 2019 wurde ein gemeinsames Aufmaß durchgeführt.

Die Klägerin beauftragte die Fa. Elektro ### GmbH (i.F. auch: Fa. ###) aus ### mit der Fertigstellung der Elektroarbeiten. Diese stellte der Klägerin mit Datum vom 31. August 2020 eine Schlussrechnung, die auf einen Gesamtbetrag von 510.000,92 Euro (netto) lautet.

Mit Anwaltsschreiben vom 20. März 2021 übermittelte die Klägerin der Beklagtenseite eine Abrechnung der Ersatzvornahmemaßnahmen und bezifferte diese mit 108.049,09 Euro (einschließlich 1.665,00 Euro für eigenen Aufwand). Unter Berücksichtigung von Bürgschaftskosten von 4.605,15 Euro und nach Abzug von 12.945,87 Euro für die erbrachten Leistungen forderte sie von der Beklagtenseite 99.808,37 Euro sowie Anwaltskosten in Höhe von 1.953,90 Euro sowie die Rückgabe der überlassenen Bürgschaft.

Die Klägerin hatte der Beklagten zunächst eine Bürgschaft nach § 648a BGB über 333.368,34 Euro übermittelt. Am 1. April 2019 wurde die Bürgschaftssumme auf 70.000,00 Euro reduziert.

Vom 19. April 2021 datiert eine Schlussrechnung der ### Technische Dienstleistung Elektrotechnik, Inh. ###, an die Klägerin. Darin werden insgesamt 58.629,32 Euro (netto) geltend gemacht. In diesem Betrag enthalten sind 13.972,85 Euro als Vergütung für nicht ausgeführte Arbeiten.

Die Klägerin trägt vor, sie habe die Beklagten mit dem Nachunternehmervertrag beauftragt. Die Beklagten hätten den Anschein erweckt, Inhaber des unter der Fa. “### Technische Dienstleistungen Elektrotechnik” handelnden Unternehmens zu sein. Sie müssten sich ihre eigenen Angaben zurechnen lassen. Ein Unternehmen, das sich entgegen § 29 HGB nicht zum Handelsregister anmelde, könne nicht nach Belieben die Inhaberhaftung hin und her schieben.

Die Beklagten hätten ihre Leistungen nicht vertragsgerecht und insbesondere nicht zeitgerecht erbracht. Die in Nr. 9 des Nachunternehmervertrags als Vertragsfristen vereinbarten Zwischentermine seien überschritten worden. Die mit Anwaltsschreiben vom 20. Dezember 2018 wiederholt verlangten Unterlagen seien nach dem Nachunternehmervertrag von der Beklagten vorzulegen gewesen.

Die Klägerin habe die auf das Gewerk Elektro entfallenden Planungsleistungen durch Einbeziehung der Baubeschreibung an die Beklagten untervergeben. Die Beklagten hätten vor Abschluss des Vertrags sämtliche Unterlagen erhalten, auch die Baubeschreibung.

Mit der Planungsleistung (Übergabe der Zeichnungen) hätten sich die Beklagten seit dem 31. Oktober 2017 in Verzug befunden. Auch seien zum 30. jeden Monats detaillierte Fortschrittsberichte über die Leistungen zu erstellen gewesen. Ausführungsplanung und Fortschrittsberichte hätten der Vertragsabwicklung gedient und seien nicht erst zum Zeitpunkt der Abnahme geschuldet gewesen.

Trotz Aufforderungen vom 20. September 2018, 22. November 2018 und 20. Dezember 2018 seien die Beklagten der Vorlagepflicht bezüglich der Unterlagen nicht nachgekommen. Zum Zeitpunkt der Kündigung am 13. Februar 2019 seien der Endtermin und die vereinbarten Zwischentermine überschritten gewesen. Mit der Übergabe der verlangten Unterlagen hätten sich die Beklagten ebenfalls in Verzug befunden.

Es sei unzutreffend, dass die Termine hinfällig geworden seien. Die Beklagten seien zum Zeitpunkt der Anforderung der Unterlagen und der Kündigung nicht zur Einstellung der Arbeiten berechtigt gewesen. Eine Behinderung der Beklagten und eine sich hieraus ergebende Verschiebung des Endtermins sei nicht dargelegt und bewiesen.

Die 1. Abschlagsrechnung vom 30. Oktober 2018 habe nicht den Bestimmungen des RP genügt. Auch die daraufhin am 3. Dezember 2018 vorgelegte Abschlagsrechnung habe als nicht prüfbar zurückgeschickt werden müssen, weil die auftraggeberseitigen Vorgaben wiederum nicht beachtet worden seien. Die Weiterberechnung der Leistungen an das RP sei so nicht möglich gewesen. Erforderlich gewesen wären Angaben gemäß Baubeschreibung 4.2.5. Um die Einhaltung der bauseitigen Anforderungen zu prüfen, wäre eine vom Auftraggeber freigegebene Elektroplanung nötig gewesen. Ohne die freigegebene Elektroplanung und die geschuldeten Fortschrittsberichte sei der Leistungsstand der Beklagten nicht zu überprüfen gewesen.

Da eine prüfbare Aufstellung Voraussetzung für einen Anspruch auf Abschlagszahlung sei, hier eine Prüfung aber nicht möglich gewesen sei, sei eine Zahlung nicht fällig geworden. Die vom RP verlangten Unterlagen seien üblich und für ein Fachunternehmen ohne weiteres nachzuvollziehen gewesen. Einer Konkretisierung habe ist nicht bedurft.

Nach der Kündigung habe sie durch eigenes Personal sowie die Fa. Elektro ### GmbH die Leistungen der Beklagten fertig stellen lassen. Durch die Ersatzvornahme hätten sich Mehrkosten in Höhe von 106.384,09 Euro ergeben. Die Mehrkosten beruhten auf höheren Einheitspreisen der mit der Ersatzvornahme beauftragten Firma. Wegen der Einzelheiten wird auf die Kostenermittlung Bezug genommen. Wo die Fa. ### einen niedrigeren Einheitspreis angesetzt habe, sei dies zu Gunsten der Beklagten eingeflossen.

Die von der Beklagten erbrachten Leistungen seien im gemeinsamen Aufmaßblatt festgehalten. Dieses Aufmaßblatt sei fortgeschrieben worden. Die von der Fa. ### in Rechnung gestellten Nachträge NA 01 bis NA 46.5 würden den Beklagten nicht in Rechnung gestellt. Die Nachtragspositionen NA 23, 24, 25, 26 bezögen sich auf Leistungspositionen, mit denen die Beklagten beauftragt gewesen seien. Deshalb seien sie wie die anderen Leistungspositionen zu behandeln.

Alle Leistungen hätten ausschließlich der Fertigstellung der Leistungen der Beklagten gedient. Der Mehraufwand sei tatsächlich angefallen. Aus der Schlussrechnung der Firma C sei nach Kürzungen und Skontoabzug ein Betrag von 58.344,22 Euro offen gestanden. Die Schlusszahlung sei am 15. April 2021 erfolgt. Die Preise seien ortsüblich und angemessen.

Hinzu komme der zusätzliche eigene Aufwand, den die Klägerin habe aufwenden müssen, um die Ersatzvornahme durchführen zu können. Aufgrund der Marktsituation habe sich insbesondere die Suche nach einem Ersatzunternehmer als sehr zeitaufwändig erwiesen. Angefallen seien 37 Stunden zu je 45,00 Euro, insgesamt also 1.665,00 Euro. Ein Gewinn sei darin nicht enthalten.

Ferner seien Bürgschaftskosten von 4.605,15 Euro angefallen. Wegen der Berechnung wird auf die Tabelle auf Seite 9 der Replik verwiesen. Die bürgende Sparkasse behandele den Umsatz als steuerpflichtig. Da sie diese Option ausübe, falle auch Umsatzsteuer an. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten selbst habe die Bürgschaft nach § 648a BGB angefordert und die Reduktion angeboten.

Da die Beklagten die Bürgschaft nicht zurückgegeben hätten, hätten sie auch die weiteren Avalprovisionen zu tragen.

Schließlich seien Anwaltskosten für die außergerichtliche Vertretung in Höhe von 1.953,90 Euro netto entstanden.

Es ergebe sich daher folgende Abrechnung für die Klageanträge Ziff. 1 und Ziff. 2:

Ersatzvornahme 106.384,09 Euro

eigener Aufwand 1.665,00 Euro

Bürgschaftskosten 4.605,15 Euro

Zwischensumme: 112.654,24 Euro

abzüglich erbrachter Leistung – 12.945,87 Euro

ergibt: 99.708,37 Euro

Anwaltskosten 1.953,90 Euro

Gesamtforderung: 100.662,27 Euro

Die Klägerin ist der Ansicht, der Vertrag sei mit den Inhabern der “### Technische Dienstleistung Elektrotechnik” zustande gekommen. Dies seien nach ihren eigenen Angaben die Beklagten 1 und 2.

Die Beklagte 2 bezeichne sich selbst als kaufmännische Leitung. Der Beklagte 1 hätte den Vertrag nicht unterzeichnet und die Beklagte 2 als Inhaberin bezeichnet, wenn dies nicht zugetroffen hätte.

Sie habe den Vertrag nach § 8 Abs. 3 VOB/B gekündigt. Nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B sei sie berechtigt gewesen, die Leistungen zu Lasten der Beklagten fertig stellen zu lassen.

Der vereinbarte Endtermin 8. Oktober 2018 und die vereinbarten Zwischentermine ergäben sich aus Nr. 9 der Vertragsurkunde.

Die Beklagten hätten sich entschieden, den Vertrag zu unterzeichnen, obwohl sie gewusst hätten, dass eine dort aufgeführte Einzelfrist kurz zuvor abgelaufen sei. An Fälligkeit und Verzug der zugesagten Leistungen ändere dies nichts. Unschädlich sei, dass die in der Aufzählung in Ziff. 9 des Vertrags genannten Terminpläne noch nicht vorgelegen hätten.

Die Beklagten hätten am 18. März 2019 eine zeitliche Grobplanung vorgelegt, die sich in den Eckterminen des Vertrags gehalten habe. Eine Detaillierung, wie am 9. März 2019 vereinbart, sei jedoch nicht erfolgt.

Die Übergabe der Zeichnungen (Elektroplanung) hätte bereits im Oktober 2017 stattfinden sollen. Da dieser Termin bei Vertragsschluss verstrichen gewesen sei, hätten sie unverzüglich angefertigt werden müssen. Tatsächlich sei die Elektroplanung nicht vorgelegt worden. Mehrere Mahnungen seien vergeblich gewesen.

Der Abschluss der Stahlbau- und Korrosionsschutzarbeiten sei nicht zwingend Voraussetzungen dafür, dass die Beklagten ihre Leistungen hätten ausführen können. Die Planungsleistungen hätten erbracht werden können und müssen. Ihre Ausführung wäre unabhängig von Korrosionsschutzarbeiten möglich gewesen.

Desweiteren sei die Kündigung auch aus wichtigem Grunde möglich gewesen. Die Beklagten hätten ultimativ angedroht, ihre Leistungen einzustellen, wenn die 1. Abschlagsrechnung nicht bezahlt werde. Sie hätten sich trotz mehrfacher Aufforderung unter Fristsetzung geweigert, die Leistungen in der vereinbarten Weise zu erbringen. Durch ihre Verweigerungshaltung hätten sie die fristgerechte Fertigstellung des Projekts gefährdet und die Klägerin Regressansprüchen ausgesetzt.

Der Leistungsumfang sei nicht auf den Titel 05 begrenzt gewesen, wie sich aus Nr. 2 des Vertrags ergebe. Die Baubeschreibung bestimme das Leistungssoll der Beklagten, soweit sie für die Ausführung des Gewerks relevant sei. Die Beklagten hätten mit E-Mail vom 29. Mai 2017 ausdrücklich den Erhalt der Baubeschreibung bestätigt. Verwiesen werde auf Ziff. 4.2.5 der Baubeschreibung. Untervergeben an die Beklagten seien daher die auf das Gewerk Elektro entfallenden Planungsleistungen durch die Einbeziehung der Baubeschreibung. Mit der Planungsleistung hätten sich die Beklagten seit dem 31. Oktober 2017 in Verzug befunden. Weiter sei in Nr. 9 a.E. des Vertrags vorgesehen, dass die Beklagten jeweils zum 30. eines jeden Monats detaillierte Fortschrittsberichte zu erstellen hätten.

Die Beklagten seien nicht zur Einstellung ihrer Arbeiten berechtigt gewesen. Nach Stellung der 1. AZ-Rechnung vom 30. Oktober 2018 habe die Klägerin darauf hingewiesen, dass AZ-Rechnungen nach den Bestimmungen des RP aufzustellen seien. Auch die daraufhin übersandte AZ-Rechnung vom 3. Dezember 2018 habe als nicht prüfbar zurückgeschickt werden müssen, weil die Beklagten wiederum auftraggeberseitige Vorgaben nicht beachtet hätten. Die Abrechnung habe nicht den Anforderungen entsprochen, wie sie sich aus dem Vertrag mit allen Vertragsbestandteilen, insbesondere Nr. 3.11.2, 3.11.4 der Baubeschreibung, ergäben. Aus dem Aufmaßblatt sei es nicht möglich gewesen nachzuvollziehen, wieviel von welcher Art wo verbaut worden sei.

Eine Behinderung der Beklagten und eine sich darauf ergebende Verschiebung des Endtermins sei nicht dargelegt und bewiesen.

Die Klägerin beantragt zuletzt:

1. Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin EUR 99.708,38 zzgl. Zinsen in Höhe von 9%-Punkten über dem Basiszinssatz ab Zustellung der Klageschrift zu zahlen.

2. Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin EUR 1.953,90 für vorprozessuale Anwaltskosten zzgl. Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz ab Zustellung der Klageschrift zu zahlen.

2a. Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner weitere EUR 694,17 zzgl. Zinsen in Höhe von 9 %-Punkten über dem Basiszinssatz ab Zustellung der Klageerweiterungsschrift zu zahlen.

2c. Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner weitere EUR 748,95 zzgl. Zinsen in Höhe von 9 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 2022-01-17 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen:

Klageabweisung

Beide Beklagten haben Widerklage erhoben mit dem Antrag:

Die Widerbeklagte wird verurteilt, an die Widerkläger insgesamt 58.629,32 EUR nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Klägerin beantragt:

Abweisung der Widerklage.

Soweit die Klägerin zunächst als Klageantrag Ziff. 3 beantragt hatte:

Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin die Bürgschaft der ### nach § 648a Avalkonto Nr. ### in Höhe von EUR 70.000,- herauszugeben.

haben die Parteien diesen Antrag übereinstimmend für erledigt erklärt und gegenläufige Kostenanträge gestellt.

Die Beklagten tragen vor, der Beklagte 1 sei von der Klägerin als Nachunternehmer beauftragt worden. Die Beklagte 2 sei nicht passivlegitimiert. Unzutreffend sei, dass die Beklagten unter der Firma ### Technische Dienstleistung (B TD) aufträten. Vertragspartner der Klägerin sei der Inhaber des Betriebs “### Technische Dienstleistung Elektrotechnik”. Geschäftsinhaber sei einzig und allein der Beklagte 1. Die Beklagte 2 nehme lediglich aushilfsweise Bürotätigkeiten wahr.

Auch aus der Homepage ergebe sich nichts anderes.

Bereits im Oktober/November 2017 sei im Rahmen der Vertragsbesprechungen ausdrücklich mitgeteilt worden, dass Vertragspartner ausschließlich der Beklagte 1 und nicht die Beklagte 2 sei.

Völlig unerheblich sei, ob die Beklagte 2 als Inhaberin der Firmenhomepage auftrete.

Der Beklagte 1 betreibe einen Handwerksbetrieb und sei infolgedessen in die Handwerksrolle eingetragen. Daraus ergebe sich auch, dass lediglich er allein Geschäftsinhaber sei.

Die Vertragsurkunde sei von der Klägerin erstellt und dem Beklagen 1 zur Unterzeichnung vorgelegt worden. Weshalb die Beklagte 2 dort als Inhaberin bezeichnet sei, könne nur diese selbst erklären. Dem Beklagten 1 sei dieser Fehler offensichtlich nicht aufgefallen.

Unzutreffend sei, dass der Beklagte 1 seine Leistungen nicht vertragsgerecht und insbesondere nicht zeitgerecht erbracht habe. Falsch sei, dass wirksam verbindliche Bauzeit- und/oder Zwischentermine vereinbart worden seien. Die Parteien hätten keine verbindliche Bauzeit vereinbart. Bauzeitbezogene Forderungen der Klägerin scheiterten bereits am Fehlen der Vereinbarung einer verbindlichen Bauzeit. Ein verbindlicher Bauzeitenplan sei in das Vertragsverhältnis nicht einbezogen worden. Die in der Vertragsurkunde wiedergegebenen Ausführungstermine seien keine verbindlichen Ausführungsfristen.

Als Montagebeginn sei bei Vertragsschluss am 8. November 2017 “sofort” vereinbart worden. Tatsächlich habe mit der Ausführung untergeordneter Teile der Leistung erst am 19. März 2018 begonnen werden können. Die Klägerin habe am 28. Oktober 2018 noch nicht einmal die für die Vorleistung des Widerklägers erforderlichen Vorgewerke Korrosionsschutz und Stahlbau abgeschlossen gehabt.

Aufgrund der Anordnung eines Baustopps gegenüber der Klägerin nach einer Sicherheitsbegehung durch das RP sei der Beklagte 1 direkt von einer Mitarbeiterin des RP gebeten worden, mit der Ertüchtigung der Beleuchtung zu beginnen, obwohl der zuvor von der Klägerin auszuführende Korrosionsschutz und Stahlbau noch nicht abgeschlossen gewesen sei.

Zwischen den Parteien habe Einigkeit bestanden, dass die vom Beklagten 1 auszuführenden Leistungen entsprechend der vereinbarten Planung grundsätzlich erst nach vollständiger Fertigstellung der Arbeiten durch die Klägerin auszuführen seien.

Die Klägerin habe sich mit der Ausführung der Arbeiten im Vergleich zum prognostizierten Ausführungszeitraum über ein Jahr in Verzug befunden. Selbst wenn verbindliche Fertigstellungs- und Zwischenfristen vereinbart worden wären, wären diese daher hinfällig geworden. Der Beklagte 1 habe nicht in Verzug geraten können.

Der Vortrag der Klägerin zu vermeintlichen Vertragsverletzungen unter Verweis auf beigefügte Anlagen sei unsubstantiiert und nicht einlassungsfähig.

Jedenfalls werde bestritten, dass die Klägerin die Leistungen mehrfach angemahnt habe.

Entgegen der Annahme der Klägerin habe diese keinen Anspruch auf Überlassung diverser Unterlagen, unter anderem eine Freigabeerklärung des Bauherrn zur Elektroplanung, einen fortgeschriebenen Bauzeitenplan u.a. Maßgeblich für den vom Beklagten 1 geschuldeten Leistungsumfang sei ausweislich “2. Leistungsumfang” des Nachunternehmervertrags, dass lediglich die dort explizit beschriebenen Leistungen geschuldet seien. Dem Bauvertrag sei auch lediglich dieser Teil des LV beigefügt gewesen. Eine Kündigung wegen Nichtüberlassung dieser Unterlagen gehe daher ins Leere. Die Ausführung von Leistungen gem. Ziff. 4.2.5 sei vom Beklagten 1 nicht geschuldet gewesen. Tatsächlich habe der Beklagte 1 der Klägerin überobligatorisch Planunterlagen erstellt und zukommen lassen.

Jedenfalls wäre eine entsprechende vertragliche Verpflichtung nicht fällig gewesen. Zudem sei der Beklagte 1 zum Zeitpunkt der Anforderung und der Kündigung durch die Klägerin zur Einstellung der Arbeiten berechtigt gewesen.

Aus der von der Klägerin zitierten Regelung ergebe sich für den Beklagten 1 nicht in der erforderlichen Verständlichkeit, dass er die von der Klägerin gewünschten Pläne, Protokolle, Unterlagen etc. vorzulegen habe. Jedenfalls würde die Klausel einer Inhaltskontrolle nicht standhalten und infolgedessen ersatzlos entfallen.

Die Vorlage der vollständigen Baubeschreibung mit sämtlichen Titel zum Zeitpunkt der Angebotsanfrage und Erstellung ergebe sich aus der E-Mail vom 29. Mai 2017 nicht.

Die Baubeschreibung sei dem Beklagten 1 erst im Nachgang überlassen worden.

Vorgelegt und zum Vertragsgegenstand gemacht worden sei lediglich Titel 5 des LV. Der Verweis auf in bestimmten Titeln der Baubeschreibung enthaltene Punkte gehe ins Leere. Ein bei Vertragsschluss unbekannter Leistungsinhalt könne nicht vereinbart werden.

Grundsätzlich schulde der Auftragnehmer die Herstellung des Werkes und der Auftraggeber die Zurverfügungstellung der Planung. Der Beklagte sei bereits dem Grunde nach nicht zur Vorlage von Plänen verpflichtet gewesen.

Selbst wenn eine vertragliche Verpflichtung zur Vorlage der streitgegenständlichen Dokumente bestanden hätte, wäre diese zum Zeitpunkt der Aufforderung zur Vorlage nicht fällig gewesen. Maßgeblich seien die anerkannten Regeln der Technik und die VOB/C. Danach sei die Dokumentation der Leistung grundsätzlich nach Ausführung bei Abnahme vorzulegen.

Der Widerkläger habe dem Grunde nach keine Unterlagen geschuldet, Zwischenfristen seien nicht vereinbart gewesen; es hätten behindernde Umstände vorgelegen. Infolge des Zahlungsverzugs der Klägerin sei der Widerkläger zur Leistungsverweigerung berechtigt gewesen.

Abwegig sei, dass der Beklagte 1 sich seit dem 31. Oktober 2017 mit Planungsleistungen in Verzug befunden habe. Die Klägerin habe die zur Leistungsausführung erforderliche Vorleistung erst im März 2018 erbracht. Denklogisch habe zuvor keine Planung erstellt werden können.

Falsch sei, dass er verpflichtet gewesen sei, monatliche Fortschrittsberichte zu erstellen. Da der Beklagte 1 mangels Vorleistungen überhaupt keine Leistungen habe ausführen können, habe es nichts zu berichten gegeben.

Überdies sei der Beklagte 1 zum Zeitpunkt der Anforderung der Unterlagen und der Kündigungserklärung zur Einstellung der Arbeiten berechtigt gewesen. Er habe am 30. Oktober 2018 eine ordnungsgemäße Abschlagsrechnung über 46.918,46 Euro verlangt. Die Klägerin habe sich ab dem 21. November 2018 mit der Begleichung fälliger Abschlagsforderungen in Verzug befunden. Zur Wahrung der vertraglichen Kooperationspflicht sei die Abschlagsrechnung wunschgemäß korrigiert worden.

Es bleibe das Geheimnis der Klägerin, weshalb AZ-Rechnungen nach den Bestimmungen des RP aufzustellen sein sollten. Maßgeblich seien allein die Vorgaben der VOB/B. Sämtlichen Abschlagsrechnungen sei ein prüfbares Aufmaß beigefügt gewesen. Die vom Beklagten 1 eingereichten Rechnungen seien vom RP geprüft und freigegeben und die Klägerin sei hierfür vergütet worden.

Zu Unrecht habe die Klägerin die Überlassung einer weiteren nicht geschuldeten freigegebenen Elektroplanung zur Fälligkeitsvoraussetzung für die Begleichung der Abschlagsforderung gemacht.

Infolge der Zahlungsverweigerung sei der Beklagte 1 nicht nur berechtigt gewesen, die Arbeiten einzustellen, sondern es habe ihm auch die Einrede des nicht erfüllten Vertrags zugestanden.

Die Klägerin sei im Übrigen auch nicht zur ordentlichen Kündigung des Vertragsverhältnisses berechtigt gewesen.

Vertraglich sei die konkrete Ausgestaltung der als nicht vorgelegt gerügten Unterlagen nicht geregelt gewesen. Sie konnten daher nicht wirksam angefordert werden. Darauf sei mit Schreiben vom 29. Januar 2019 hingewiesen worden. Eine Konkretisierung sei aber nicht erfolgt. Eine wirksame Aufforderung zur Leistungserbringung sei nie erfolgt, da die Aufforderung nicht dem erforderlichen Konkretisierungs- und Substantiierungsgrad entsprochen habe. Zudem seien die in 3.2.3 der Baubeschreibung definierten Vorleistungen bis zur Kündigung nicht erbracht gewesen. Die Ausführung der Leistung, einschließlich der Erstellung einer konkretisierten Montageplanung, sei unmöglich gewesen.

Die Beklagtenseite ist ferner der Auffassung, die Anforderung von als fehlend gerügten Unterlagen sei nicht wirksam, weil die konkrete Ausgestaltung dieser oder deren inhaltliche Beschaffenheit vertraglich nicht geregelt gewesen sei.

Bei den verlangten Unterlagen handele es sich um separat zu beauftragende und zu vergütende Planungsleistungen. Jedenfalls würde die Formularklausel auf der zweiten Seite unten des Nachunternehmervertrags einer Inhaltskontrolle nicht standhalten. Sie entfalle daher ersatzlos.

Die Vorlage der vollständigen Baubeschreibung, welche sämtliche Titel beinhalte, ergebe sich aus der E-Mail vom 29. Mai 2017 nicht. Die Baubeschreibung sei dem Widerkläger erst im Nachgang überlassen worden. Ausweislich des Nachunternehmervertrags nebst Leistungsverzeichnis sei ausschließlich Titel 5 der Leistungsbeschreibung beigefügt gewesen und zum Vertragsgegenstand gemacht worden. Der Verweis der Klägerin auf in bestimmten Titeln der Baubeschreibung enthaltene Punkte gehe ins Leere. Ein bei Vertragsschluss unbekannter Leistungsinhalt könne nicht vereinbart werden. Grundsätzlich schulde der Auftragnehmer die Herstellung des Werkes und der Auftraggeber die Zurverfügungstellung der Planung. Eine derartige Verpflichtung zu Lasten des Widerklägers würde sich auch bei Vorlage der Baubeschreibung in ungekürzter Fassung nicht ergeben. Bereits dem Grunde nach sei der Beklagte nicht zur Vorlage von Plänen verpflichtet gewesen.

Hilfsweise trägt die Beklagtenseite vor: Ein einlassungsfähiger Mindestvortrag zur vermeintlich durchgeführten Ersatzvornahme fehle. Bestritten werde, dass die Fa. ### am 4. April 2019 mit der Fertigstellung der Leistungen beauftragt worden sei, dass die Ersatzvornahme ausgeführt worden sei und sich daraus Mehrkosten von 106.384,09 Euro ergeben hätten, die Massen ausgeführt worden seien, die Leistungen der Fertigstellung des Gewerks des Beklagten 1 gedient hätten, der vorgetragene Werklohn bezahlt worden sei, die angesetzten Preise ortsüblich und angemessen seien.

Die von der Klägerin in Ansatz gebrachten Preise seien abwegig. Vielmehr würde es sich um geänderte und zusätzliche Leistungen handeln. Die Klägerin versuche, Mehrkosten für gestiegene Kupferpreise geltend zu machen, die sie aufgrund der Stoffpreisgleitklausel ohnehin zu tragen gehabt hätte. Bestritten werde auch, dass die Klägerin etwaige Mehrkosten selbst zu tragen gehabt und nicht von ihrer Auftraggeberin erstattet bekommen hätte.

Der Vortrag zu vermeintlich entstandenem Eigenaufwand sei unschlüssig.

Der Anfall von Bürgschaftskosten werde bestritten. Nicht nachvollziehbar sei, warum Bruttobeträge begehrt würden.

Die Beklagten sind der Ansicht, das Landgericht Stuttgart sei örtlich unzuständig. Eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung liege nicht vor. Die Beklagten seien nicht im Handelsregister eingetragen.

Die Beklagte 2 sei keine Unternehmerin, sondern Verbraucherin. Die Beklagten seien keine Kaufleute. Da die Widerbeklagte ein Formkaufmann sei, werde Antrag auf Verweisung an die Handelskammer gestellt.

Die Kündigung vom 12. März 2019 sei bereits aus formalen Gründen unwirksam. Die unterzeichnende Frau ### habe die Erklärung nicht in Vertretung für den Geschäftsführer abgegeben. Sie sei auch nicht nach außen als Stellvertreterin aufgetreten. In Ziff. 10 des Vertrags sei sie nicht aufgeführt. Frau ### sei gerade nicht als Vertreterin der Klägerin aufgetreten, sondern als Botin. § 174 BGB finde keine Anwendung.

Es liege kein von den Beklagten zu vertretender wichtiger Kündigungsgrund vor.

Die Voraussetzungen für die Geltendmachung von Ersatzvornahmekosten lägen nicht vor. Der diesbezügliche Vortrag der Klägerin sei unschlüssig.

Eine zur außerordentlichen Kündigung durch die Klägerin berechtigende Pflichtverletzung liegt nicht vor. Die Annahme des Vorliegens der in § 5 Abs. 4 VOB/B normierten Voraussetzungen sei abwegig. Es sei weder die Vorlage von Zeichnungen noch die Vorlage einer Elektroplanung vertraglich geschuldet gewesen, erst recht nicht im Oktober 2017. Vielmehr sei der Beklagte 1 analog § 314 BGB wegen des sich aus der unwirksam ausgesprochenen Kündigung der Klägerin, die in eine freie Kündigung umzudeuten sei, ergebenden Vertrauensverlustes zur außerordentlichen und fristlosen Kündigung des Vertragsverhältnisses aus wichtigem Grund berechtigt gewesen. Auch die Nichtbegleichung von Abschlagsforderungen habe den Beklagten 1 zur außerordentlichen Kündigung berechtigt. Dies habe gleichfalls zur außerordentlichen Kündigung nach § 9 Abs. 1 S. 2 VOB/B berechtigt.

Die Klägerin habe im Kündigungszeitpunkt noch nicht einmal die von ihr zu erbringenden Vorleistungen fertiggestellt gehabt, wie die Stahlbau- und Korrosionsschutzarbeiten, vgl. Ziff. 3.2.3. der Baubeschreibung. Es fehle jeglicher schlüssige Vortrag der Klägerin, zu welchem Zeitpunkt die Beklagten angeblich die vertraglich übernommenen Leistungen hätten fertigstellen müssen. Die in Ziff. 9 des Vertrags genannten Termine seien keine Vertragsfristen. Die dortige Regelung sei AGB-widrig.

Das Regierungspräsidium habe zu keinem Zeitpunkt einen Verzug mit Leistungen der Beklagten beanstandet.

Der Vorwurf eines Verstoßes gegen Ziff. 17 des Vertrags sei abwegig. Widersprüchlich sei das klägerische Vorbringen, da sie behaupte, die Beklagten hätten die Übergabe der “Freigabeerklärung des Bauherrn zur Elektroplanung” geschuldet, was bestritten werde, gleichzeitig hätten dem Bauherrn keine Pläne zur Prüfung/Freigabe vorgelegt werden sollen.

Auch der weitere behauptete Kündigungsgrund der Nichtübergabe angeblich geschuldeter Unterlagen bestehe nicht. Es fehle jeglicher schlüssige Vortrag der Klägerin, woraus sich vertraglich eine Verpflichtung zur Vorlage der einzelnen im Schreiben vom 20. Dezember 2018 erwähnten Unterlagen ergeben solle.

Die verlangten Zeichnungen/Skizzen/Anzeichnungen zu LV-Pos. 05.05.0001 bis 0004 seien gerade nicht geschuldet gewesen, wie sich aus Ziff. 2 des Vertrags ergebe.

Das Vorbringen der Klägerin sei “Fehlanzeige” zur allen Voraussetzungen einer Kündigung aus wichtigem Grund.

Die Klägerin und ihre anderen Nachunternehmer hätten die Vorgewerke fertigstellen und die Baustelle beräumen müssen, damit die Elektroplanung erstellt werden könnte.

Der Klägerin stehe kein Anspruch auf Erstattung der Avalkosten zu. Die Stellung bzw. Aufrechterhaltung der Sicherheit sei nur erforderlich gewesen, weil die Klägerin unberechtigte Einwendungen gegen den Werklohnanspruch erhoben habe. Eine Erledigung bezüglich des ursprünglichen Klageantrags Ziff. 2b) sei nicht eingetreten.

Die Klägerin könne auch nicht die mit den Pos. NA23 bis NA26 geltend gemachten Beträge als vermeintlich kündigungsbedingte Mehrkosten beanspruchen.

Es handele sich weder um geänderte Leistungen noch um kündigungsbedingte Mehrkosten. Vielmehr hätten diese Nachtragspositionen keinen Bezug zur ursprünglich ausgeschriebenen Leistung. Es seien klassische zusätzliche Leistungen, die der Klägerin vollständig vergütet worden seien. Der Klägerin sei in diesem Zusammenhang überhaupt kein finanzieller Schaden entstanden. In Höhe von ca. 1/4 der Klageforderung sei die Klage von vornherein abweisungsreif.

Zur Widerklage führt die Beklagtenseite aus: Der Beklagte 1 rechne die erbrachten und mangelfrei abgenommenen Leistungen auf Grundlage der Vertragspreise und die beauftragten Nachtragsleistungen ab. Wegen der Einzelheiten wird auf die Ausführungen auf Seiten 22 f. der Widerklage verwiesen.

Daraus ergäben sich Ansprüche für ausgeführte Leistungen in Höhe von 23.604,98 Euro, für Nachträge von 21.051,52 Euro und 13.972,85 Euro für nicht ausgeführte Leistungen (5 % von 279.457,10 Euro). Insgesamt bestehe somit ein Nettoanspruch von 58.629,32 Euro.

Die vom Beklagten 1 erbrachte Leistung gelte am 30. März 2019 als abgenommen, nachdem mit Anwaltsschreiben vom 22. März 2019 zur Erstellung eines gemeinsamen Aufmaßes und zur Abnahme aufgefordert worden sei.

Die Leistung sei mit Schlussrechnung vom 19. April 2021 prüfbar abgerechnet worden.

Die Klägerin führt zur Widerklage aus: Da keine freie Kündigung vorliege, komme eine Vergütung für nicht erbrachte Leistungen nicht in Betracht.

Die Beklagten seien an das von den Parteien durchgeführte gemeinsame Aufmaß gebunden. Sie könnten keine weiteren angeblich erbrachten Leistungen abrechnen. Eine höhere Vergütung für erbrachte Leistungen stehe den Beklagten nicht zu.

Wegen der Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst den beigefügten Anlagen verwiesen.

Der Rechtsstreit wurde zunächst beim Landgericht Stuttgart anhängig gemacht. Mit Beschluss des Landgerichts Stuttgart vom 12. Mai 2021 wurde er auf den dortigen Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen. Das Landgericht Stuttgart erklärte sich mit Beschluss vom 18. August 2021 für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das Landgericht Heilbronn (eAkte 154/156).

Es wurde Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens gemäß Beweisbeschluss vom 27. Januar 2021 (eAkte 189/191). Wegen des Ergebnisses wird auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen ### vom 9. Juli 2022 (eAkte 204 ff.) und seine ergänzende schriftliche Stellungnahme vom 8. November 2022 (eAkte 260/261) verwiesen. Am 30. März 2023 wurde der Sachverständige ### ergänzend angehört. Insoweit wird auf das Protokoll vom 30. März 2023 (eAkte 310/321) verwiesen. Ferner wurde Beweis erhoben durch Vernehmung von Frau ### als Zeugin. Wegen des Ergebnisses wird auf das Protokoll vom 29. Februar 2024 (eAkte 411/416) verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und teilweise begründet.

Die Widerklage ist zulässig, aber nicht begründet.

A.

Klage

Die Klage ist zulässig und teilweise begründet.

I.

Zulässigkeit

Die Klage ist zulässig.

1. Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Heilbronn ergibt sich aus dem bindenden Verweisungsbeschluss des Landgerichts Stuttgart vom 12. Mai 2021.

Die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts folgt aus § 71 Abs. 1 GVG.

Die Wirkung der Übertragung des Rechtsstreits durch den Beschluss des Landgerichts Stuttgart vom 12. Mai 2021 auf den Einzelrichter bleibt auch nach der Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht Heilbronn erhalten, weil der Rechtsstreit vor dem verwiesenen Gericht eine Fortsetzung des Rechtsstreits vor dem verweisenden Gericht darstellt (vgl. Stackmann in MünchKomm-ZPO, 6. Aufl., § 348a ZPO Rn. 10; Foerste in Musielak/Voit, ZPO, 20. Aufl., § 281 Rn. 13).

2. Eine Verweisung an die Kammer für Handelssachen auf den Antrag der Beklagtenseite, der bereits im Schriftsatz vom 6. Mai 2021 gestellt worden war, kommt nicht in Betracht. Die Klage richtet sich gegen den Beklagten 1 und die Beklagte 2. Hinsichtlich der Beklagten 2 vertritt die Beklagtenseite dezidiert die Auffassung, diese sei eine Verbraucherin. Eine Verweisung des (gesamten) Rechtsstreits mitsamt Klage und Widerklage an die Kammer für Handelssachen ist bereits deshalb nicht möglich, weil sich die Klage nach dem Vorbringen der Beklagtenseite (auch) gegen eine Verbraucherin richtet.

Unerheblich ist daher, ob der Beklagte 1 mit einer isolierten und nicht als Widerklage geltend gemachten Klage die Klägerin vor der Kammer für Handelssachen hätte verklagen können. Offen bleiben kann auch, ob im Hinblick auf den Verweisungsbeschluss des Landgerichts Stuttgart vom 18. August 2021 an das Landgericht Heilbronn noch eine Verweisung von der Zivilkammer des Landgerichts Heilbronn an die Kammer für Handelssachen möglich ist.

II.

Begründetheit

Die Klage gegen den Beklagten 1 ist im aus dem im Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Hinsichtlich der darüber hinausgehenden Mehrforderung ist die Klage abzuweisen. Die gegen die Beklagte 2 gerichtete Klage ist insgesamt unbegründet.

1. Zum Klageantrag Ziff. 1

Der Klageantrag Ziff. 1 ist gegen den Beklagten 1 in Höhe von 60.635,10 Euro nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit begründet.

Die Klägerin hat lediglich mit dem Beklagten 1 am 8. November 2017 den als Anlage K 2 vorgelegten Nachunternehmervertrag geschlossen. Die Beklagte 2 ist nicht passivlegitimiert (dazu sogleich unter a). Den Vertrag hat die Klägerin mit Schreiben vom 12. März 2019 gekündigt. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Kündigung nicht aus formalen Gründen unwirksam (dazu unter b). Allerdings lagen die Voraussetzungen für eine Auftragsentziehung nach § 8 Abs. 3 VOB/B nicht vor (dazu unter c). Die Kündigung ist aber als sonstige außerordentliche Kündigung wirksam und hat zur Beendigung des Nachunternehmervertrags geführt (dazu unter d). Die Klägerin hat daher Anspruch auf Ersatz der Mehrkosten, die ihr aufgrund der kündigungsbedingt erforderlichen Beauftragung der Fa. Elektro ### GmbH entstanden sind (dazu unter e). Der Erstattungsanspruch der Klägerin beläuft sich auf 81.381,19 Euro. Ein Anspruch in Höhe von 1.665,00 Euro für angeblich entstandenen eigenen Aufwand hat die Klägerin nicht. Sie kann aber Bürgschaftskosten in Höhe von 4.605,15 Euro verlangen (dazu unter f.). Hiervon abzuziehen ist der Vergütungsanspruch der Beklagten für die erbrachten Leistungen. Dieser Anspruch beläuft sich auf 25.351,24 Euro (dazu unter g). Insgesamt errechnet sich somit ein Anspruch der Klägerin in Höhe von 60.635,10 Euro (dazu unter h).

a) Die Klägerin und der Beklagte 1 waren durch den am 8. November 2018 geschlossenen Nachunternehmervertrag verbunden. Die Beklagte 2 ist nicht Vertragspartnerin geworden.

aa) Unstreitig wurde am 8. November 2017 der als Anlage K 2 vorgelegte Nachunternehmervertrag geschlossen.

In Nr. 1 des Vertrags sind enumerativ die “Vertragsgrundlagen” aufgeführt. Grundlagen und somit Vertragsbestandteile sind danach unter anderem “die Baubeschreibung BAB ###” sowie “das Leistungsverzeichnis OZ: 05., ausgenommen 05.05.” Das Leistungsverzeichnis ist als Anlage B 3 und die Baubeschreibung ist als Anlage K 14 vorgelegt worden.

Nach der ausdrücklichen Regelung in Nr. 1 des Vertrags sind diese sowie die weiteren als “Vertragsgrundlagen” genannten Unterlagen “zugleich Vertragsbestandteil”. Klargestellt wird ferner ausdrücklich, dass diese “Vertragsunterlagen … zwischen Nachunternehmer und Auftragnehmer in der Weise [gelten], dass an die Stelle des Auftraggebers der Auftragnehmer und an die Stelle des dortigen Auftragnehmers der Nachunternehmer tritt.”

bb) Die VOB/B wurde in das Vertragsverhältnis einbezogen. Dies ergibt sich aus Nr. 1 (Vertragsgrundlagen) des Vertrags. Dort ist unter lfd. Nr. 19 die VOB/B aufgeführt.

Einbezogen ist also die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltende Fassung der VOB/B. Dies ist vorliegend die VOB/B Ausgabe 2016 (i.F. nur: VOB/B).

Das Bürgerliche Gesetzbuch ist in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung anwendbar, Art. 229 § 39 EGBGB.

cc) Als Vertragspartner der Klägerin ist in dem Nachunternehmervertrag an exponierter Stelle auf der ersten Seite bei der Angabe der Vertragsparteien genannt:

### Technische Dienstleistung Elektrotechnik, ###-Weg ###,

Herr ###, Betriebsleiter – Frau ### Inhaber

Einerseits ist also als Nachunternehmer ein Unternehmen mit der Geschäftsbezeichnung “### Technische Dienstleistung Elektrotechnik” angegeben, andererseits ist die Beklagte 2 als Inhaberin – und der Beklagte 1 als “Betriebsleiter” – genannt. Die “### Technische Dienstleistung Elektrotechnik” ist ersichtlich weder eine juristische Person noch lässt die Bezeichnung erkennen, dass es sich um eine Personengesellschaft handelt.

Tatsächlich ist nur der Beklagte 1 als Vertragspartner der Klägerin anzusehen.

Nach den Grundsätzen des sogenannten unternehmensbezogenen Geschäfts geht der Wille der Beteiligten im Zweifel dahin, dass bei derartigen Geschäften der Unternehmensinhaber Vertragspartner werden soll und nicht derjenige, der konkret für das Unternehmen gehandelt hat (vgl. nur BGH, Urteil vom 15. Januar 1990 – II ZR 311/88; Urteil vom 31. Juli 2012 – X ZR 154/11 Rn. 10). Dies gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch dann, wenn der Inhaber falsch bezeichnet wird oder über ihn sonst Fehlvorstellungen bestehen. Die Anwendung dieser Grundsätze hängt lediglich von dem erkennbaren Unternehmensbezug des Geschäfts ab und nicht von einer firmenrechtlich korrekten Bezeichnung des Unternehmens (BGH, Urteil vom 15. Januar 1990 – II ZR 311/88). Eine andere Beurteilung kommt in Betracht, wenn sich die Parteien darüber einig sind, dass gerade die handelnde Person persönlich Vertragspartner werden sollte.

Hinsichtlich des Beklagten 1 stellt die Beklagtenseite bereits nicht in Abrede, dass dieser Vertragspartner der Klägerin geworden ist.

Hinsichtlich der Beklagten 2 kann nicht davon ausgegangen werden, dass diese als Unternehmensinhaberin anzusehen und daher (auch) Vertragspartnerin der Klägerin geworden ist.

Zunächst ist davon auszugehen, dass der Beklagte 1 den Nachunternehmervertrag auf Beklagtenseite unterzeichnet hat. Die Klägerin stellt dies nicht in Abrede, wie sich aus ihren Ausführungen auf Seite 2 der Replik vom 18. Juni 2021 ergibt. Dies besagt aber noch nichts bezüglich der Frage, wer als Unternehmensinhaber Vertragspartner der Klägerin geworden ist.

Für eine Unternehmensinhaberschaft der Beklagten 2 spricht zwar nicht nur, dass diese in dem Vertrag auf der ersten Seite bei der Angabe der Vertragsparteien als “Inhaber” genannt ist, sondern auch dass in E-Mails der Beklagtenseite, die vor Abschluss des streitgegenständlichen Vertrags an die Klägerin gerichtet wurden, die Beklagte 2 als Inhaberin des Unternehmens mit der Geschäftsbezeichnung “### Technische Dienstleistung Elektrotechnik” genannt worden ist, während der Beklagte 1 als Betriebsleiter bezeichnet wurde, so in der E-Mail vom 10. Mai 2017 sowie in der E-Mail vom 29. Mai 2017.

Gegen ihre Unternehmensinhaberschaft spricht hingegen, dass in sämtlichen Schreiben bzw. E-Mails der Beklagtenseite aus dem Zeitraum nach Abschluss des Nachunternehmervertrags der Beklagte 1 als Inhaber des Unternehmens bezeichnet wird, so beispielsweise in den E-Mails vom 6. April 2018, vom 11. April 2018, vom 14. Mai 2018, vom 17. Mai 2018, vom 6. November 2018 und diversen anderen. Auch in dem Impressum des Internetauftritts von “### Technische Dienstleistung Elektrotechnik”, Stand: 9. April 2021, ist der Beklagte 1 als Inhaber genannt; die Beklagte 2 wird dort als alleinige Inhaberin der Website bezeichnet. Es gibt mit anderen Worten keine Schreiben oder E-Mails der Beklagtenseite vor Abschluss des Nachunternehmervertrags, in denen der Beklagte 1 als Inhaber bezeichnet wird und keine Schreiben oder E-Mails der Beklagtenseite aus dem Zeitraum nach Vertragsschluss, in denen die Beklagte 2 als Inhaberin der “### Technische Dienstleistung Elektrotechnik” bezeichnet wird.

Die Bezeichnung der Beklagten 2 als Inhaberin des unter der Bezeichnung “### Technische Dienstleistung Elektrotechnik” im Geschäftsverkehr auftretenden Unternehmens in den Mitteilungen der Beklagtenseite vor Abschluss des Nachunternehmervertrags war offensichtlich der Grund dafür, dass diese in dem von der Klägerseite entworfenen Vertrag als Inhaber des Unternehmens bezeichnet ist, während der Beklagte 1 (lediglich) als Betriebsleiter genannt wird. Offensichtlich hat die Beklagtenseite bei Unterzeichnung des Nachunternehmervertrags keine Veranlassung gesehen, diese Angaben in dem Vertragskopf richtig zu stellen. Dies kann aber auch darauf zurückzuführen sein, dass dies zum damaligen Zeitpunkt niemandem aufgefallen ist. Die Beklagtenseite hat in der Duplik vom 13. Juli 2021 vorgetragen, dem Beklagten 1 sei “dieser Fehler” offensichtlich nicht aufgefallen, geht aber weder in diesem noch in den sonstigen Schriftsätzen auf die Frage ein, warum die Beklagte 2 in den genannten E-Mails, die von der Beklagtenseite stammen, als Inhaberin des Unternehmens bezeichnet wird. Andererseits ist auch von Klägerseite zu keinem späteren Zeitpunkt die Frage der Unternehmensinhaberschaft von “### Technische Dienstleistung Elektrotechnik” thematisiert worden, obwohl in deren Mitteilungen nach Vertragsschluss der Beklagte 1 als Inhaber genannt ist.

Jedenfalls für den Zeitraum nach Vertragsschluss ist auf Beklagtenseite durchgängig der Beklagte 1 als Unternehmensinhaber angegeben worden. Zweifel bezüglich der Frage, wer als Unternehmensinhaber der Vertragspartner der Klägerin ist, bestanden daher nach Vertragsschluss nicht: Dies war nach den konsistenten Angaben nur der Beklagte 1.

Eine Haftung der Beklagten 2 neben dem Beklagten 1 ergibt sich nicht aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Haftung aus Rechtsscheinsgründen (BGH, Urteil vom 31. Juli 2012 – X ZR 154/11 Rn. 12; s.a. schon BGH, Urteil vom 15. Januar 1990 – II ZR 311/88). Danach ist in der Rechtsprechung die Rechtsscheinhaftung insbesondere für die Fälle einer Scheinsozietät anerkannt. Der als Sozius auftretende Scheinsozius haftet für die Verpflichtungen der Sozietät ebenso wie die wahren Inhaber der Sozietät (BGH, Urteil vom 31. Juli 2012 – X ZR 154/11 Rn. 13 m.w.N.).

Für eine entsprechende Anwendung dieser Haftungsgrundsätze besteht vorliegend aber keine Notwendigkeit. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass es der Klägerin bei Abschluss des Vertrags gerade darauf angekommen wäre, den Vertrag mit der Beklagten 2 als Unternehmensinhaberin von “### Technische Dienstleistung Elektrotechnik” abzuschließen. Ihr Interesse ging vielmehr nicht über den allgemeinen Grundsatz hinaus, dass der Unternehmensinhaber Vertragspartner werden soll. Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass sie ein besonderes Interesse daran gehabt habe, dass die Beklagte 2 ihre Vertragspartnerin wird (vgl. BGH, Urteil vom 27. April 1983 – VIII ZR 328/81). Sie hat auch kein schützenswertes Interesse daran, dass ihr neben dem Beklagten 1 mit der Beklagten 2 noch eine weitere Person als Schuldnerin zur Verfügung steht. Der Beklagte 1 hat seine Stellung als Vertragspartner der Klägerin nie in Abrede gestellt.

Eine Vernehmung der beklagtenseits benannten Zeugin ### zu der Behauptung, Geschäftsinhaber sei einzig und allein der Beklagte 1, bedurfte es daher nicht.

Soweit von der Beklagtenseite Widerklage auf Zahlung von über 58.000,00 Euro als Vergütung für erbrachte und nicht erbrachte Leistungen geltend gemacht wird, hat sie mit Schriftsatz vom 31. August 2022 ausdrücklich erklärt, dass die Widerklage (nunmehr) von beiden Beklagten erhoben wird. Dies ist aber für die Frage, mit wem der Nachunternehmervertrag zustande gekommen ist, unergiebig. Wie im Schriftsatz vom 31. August 2022 klargestellt wurde, erfolgte die geänderte Antragstellung lediglich “aus Gründen anwaltlicher Vorsicht” im Hinblick auf die Erörterungen in der mündlichen Verhandlung vom 22. Dezember 2021.

Festzuhalten ist daher, dass Vertragspartner der Klägerin lediglich der Beklagte 1 als Inhaber von “### Technische Dienstleistung Elektrotechnik” ist. Die Beklagte 2 ist nicht passivlegitimiert.

dd) Nach Nr. 2 des Vertrags beauftragte die Klägerin ihren als Nachunternehmer bezeichneten Vertragspartner

“mit der vollständigen Erstellung der in sämtlichen Vertragsunterlagen beschriebenen Leistung für Ausführung von Titel 05 Betriebstechnik 05.00., 05.01., 05.02., 05.03., 05.04., 05.06., 05.07., 05.08., 05.09., 05.10.

Einzelne der o.g. Positionen können nach noch zu treffender Absprache evtl. vom Auftragnehmer ausgeführt werden.

05.05. Schlosserarbeiten werden von Stahlbau ### gefertigt

Bestandsunterlagen gem. Baubeschreibung Ziff. 4.3″


Weiter heißt es in Nr. 2 des Vertrags u.a.:

“Hierzu gehören auch alle Leistungen und die Erfüllung von Mitwirkungspflichten, die in den Vertragsunterlagen, insbesondere in der Baubeschreibung enthalten ist, soweit sie auch für die Ausführung des Gewerkes relevant sind. Dies gilt auch dann, wenn diese Leistungen und Mitwirkungspflichten auch für andere Gewerke relevant sind.”

b) Mit Schreiben vom 12. März 2019 kündigte die Klägerin den Nachunternehmervertrag wegen verzögerter Fertigstellung und aus wichtigem Grund. Dabei verwies sie auf das Anwaltsschreiben vom 13. Februar 2019, mit welchem nach mehreren Aufforderungen und Mahnungen zur Leistungserbringung eine letzte Frist zur Übergabe vertraglich geschuldeter Unterlagen gesetzt und die Kündigung angedroht worden sei.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Kündigung nicht aus formalen Gründen unwirksam.

Die Beklagtenseite hat erstmals in der mündlichen Verhandlung am 12. Januar 2023 und schriftsätzlich am 16. März 2023 vorgetragen, die Kündigung sei bereits aus formalen Gründen unwirksam. Dieser erstmals knapp 21 Monate nach Klageerhebung erhobene Einwand ist nicht begründet. Die Kündigung genügt der in § 8 Abs. 6 VOB/B vorgeschriebenen Schriftform. Sie ist zwar von einer Mitarbeiterin der Klägerin mit dem Zusatz “i.A.” unterzeichnet. Gleichwohl liegt eine wirksame Kündigungserklärung vor.

aa) (1) Gemäß § 8 Abs. 6 VOB/B ist die Kündigung schriftlich zu erklären. Dieses Schriftformerfordernis ist zwingend und eine Wirksamkeitsvoraussetzung für die Kündigung. Dabei handelt es sich um ein gewillkürtes Schriftformerfordernis gemäß § 127 BGB. Das gesetzliche Schriftformerfordernis für die Kündigung eines Bauvertrags gemäß § 650h BGB findet vorliegend keine Anwendung, da der Vertrag zwischen den Parteien bereits im November 2017 zustandegekommen ist (Art. 229 § 39 EGBGB).

Für die Wahrung der gewillkürten Schriftform genügt eine Kündigung per Telefax (vgl. § 127 Abs. 2 BGB; s.a. BGH, Urteil vom 22. April 1996 – II ZR 65/95).

(2) Ferner muss sowohl die Kündigung als auch die vorausgehende Androhung der Kündigung durch einen bevollmächtigten Vertreter des Auftraggebers ausgesprochen werden (vgl. Joussen in Ingenstau/Korbion, VOB Teile A und B, Kommentar, 22. Aufl., § 8 Abs. 6 VOB/B Rn. 4). Ein wirksames Handeln eines Vertreters für eine andere Person liegt im Grundsatz nur dann vor, wenn das Handeln im Namen des Vertretenen offenkundig ist, und der Vertreter mit Vertretungsmacht handelt. Im Grundsatz ist bei einem einseitigen Rechtsgeschäft wie der Kündigung gemäß § 180 S. 1 BGB eine Vertretung ohne Vertretungsmacht unzulässig. Es liegt daher im dringenden Interesse des Erklärungsempfängers, zu wissen, ob der als Vertreter Auftretende bevollmächtigt ist oder nicht (BGH, Versäumnisurteil vom 30. März 2022 – VIII ZR 283/21 Rn. 61). Darum ermöglich ihm § 174 BGB, klare Verhältnisse zu schaffen (Ellenberger in Grüneberg, BGB, 83. Aufl., § 174 Rn. 1): Gemäß § 174 S. 1 BGB ist ein einseitiges Rechtsgeschäft unwirksam, wenn keine Vollmachtsurkunde vorgelegt wird und der Erklärungsempfänger das Rechtsgeschäft deshalb unverzüglich zurückweist. Nach § 180 S. 2 BGB finden die Vorschriften über Verträge entsprechende Anwendung, wenn die fehlende Vertretungsmacht bei der Vornahme des Rechtsgeschäfts von dem Erklärungsempfänger nicht beanstandet wird oder er damit einverstanden ist. In diesem Fall gelten also die §§ 177 ff. BGB.

bb) Die Kündigung der Klägerseite erfolgte, wie sich aus der von der Beklagtenseite mit Schriftsatz vom 16. März 2023 vorgelegten Anlage B 19 ergibt und von der Klägerin mit Schriftsatz vom 21. März 2023 unstreitig gestellt wurde, nicht am 8. März 2019, sondern durch ein (auch) per Telefax übermitteltes Schreiben vom 12. März 2019. Dieses Schreiben war nicht von dem Geschäftsführer der Klägerin bzw. deren persönlich haftender Gesellschafterin – oder einer mit Prokura ausgestatteten Person – unterzeichnet, sondern von Frau ###, einer Mitarbeiterin der Klägerin, versehen mit dem Zusatz: “i.A. ###”. Insoweit unterscheidet sich das als Anlage B 19 vorgelegte Kündigungsschreiben von der mit der Klageschrift vorgelegten Anlage K 7, das diesen Zusatz nicht enthält! Der Anlage B 19 entspricht hingegen das bei der Anlage K 8 befindliche Kündigungsschreiben. Die Klägerin behauptet, bei der Anlage K 7 handele es sich um den Entwurf des Kündigungsschreibens.

Zweifel daran, dass die Mitarbeiterin ### bei der Unterzeichnung des Schreibens vom 12. März 2019 im Namen der Klägerin handelte, bestehen nicht. Insbesondere steht dieser Überzeugung nicht entgegen, dass das Schreiben bei der Unterschrift den Zusatz “i.A.” enthält.

Ob der Zusatz “i.A.” oder “im Auftrag” eine Vertretung kenntlich machen soll, ist eine Frage der Auslegung im Einzelfall. Vorliegend ergibt sich aus den Umständen eindeutig und unmissverständlich, dass mit dem Schreiben eine rechtliche Erklärung im Namen und mit Rechtswirkung für und gegen die Klägerin abgegeben wurde. Dies zeigt sich bereits darin, dass die Kündigungserklärung auf einem Briefbogen der Klägerin erfolgt ist. Es war somit offenkundig, dass ein Handeln für die Klägerin vorlag. Im Übrigen wurde auch von der Beklagtenseite nach Erhalt des Schreibens nicht in Zweifel gezogen, dass eine Kündigungserklärung der Klägerin vorlag. So wies die Beklagtenseite mit dem als Anlage B 16 vorgelegten Anwaltsschreiben an die Klägerin die Kündigung zurück, weil sich die Beklagtenseite mit der Leistungserbringung nicht in Verzug befinde und auch ein anderweitiger außerordentlicher Kündigungsgrund nicht vorliege. Deshalb sei die “von Ihnen erklärte Kündigung” als freie Kündigung anzusehen. Zweifel an der formalen Wirksamkeit der Kündigung wurden in dem Schreiben also nicht geltend gemacht, weil diese offensichtlich nicht bestanden.

Die Kündigungserklärung der Klägerin vom 12. März 2019 ist auch nicht unwirksam, weil die Mitarbeiterin Frau ### ohne Vertretungsmacht der Klägerin gehandelt hätte.

Die Beklagtenseite hat das Rechtsgeschäft nicht wegen fehlender Vollmachtsvorlage unverzüglich zurückgewiesen. Tatsächlich bestanden ersichtlich keine Zweifel an der Bevollmächtigung von Frau ### zur Abgabe der Erklärung. Entsprechende Zweifel bestanden insbesondere auch nicht auf der anwaltlich vertretenen Beklagtenseite. Bereits in dem vorangegangenen Zeitraum war beim Schriftwechsel zwischen der Klägerin und der Beklagtenseite vielfach auf Klägerseite Frau ### tätig. Zu nennen sind insoweit die E-Mails bzw. Schreiben vom 26. März 2018 (der Klägerin an die Beklagtenseite), vom 11. April 2018 (der Beklagtenseite an die Klägerin), vom 15. Mai 2018 (der Klägerin), vom 11. Juni 2018 (der Klägerin), vom 12. Juni 2018 (der Klägerin), vom 20. Juni 2018 (der Beklagtenseite an die Klägerin), vom 3. Juli 2018 (der Klägerin), vom 10. Juli 2018 (der Klägerin), vom 13. Juli 2018 (der Klägerin), vom 18. Oktober 2018 (der Klägerin), vom 28. Oktober 2018 (der Beklagtenseite), vom 31. Oktober 2018 (der Klägerin) und vom 22. November 2018 (der Klägerin). Hieraus war nicht nur ersichtlich, dass Frau ### auf Klägerseite an dem Projekt beteiligt ist. Ersichtlich war zudem, dass bei den E-Mails und Schreiben der Klägerseite an die Beklagtenseite Frau ### mit dem Zusatz “i.A.” zeichnete. Gleichwohl hat die Beklagtenseite dies zu keinem Zeitpunkt zum Anlass genommen, die Wirksamkeit der so gezeichneten Erklärungen der Klägerseite in Zweifel zu ziehen. Dies gilt beispielsweise auch hinsichtlich des Schreibens vom 12. Juni 2018, mit welchem der Beklagtenseite Nachfristen gesetzt wurden und darauf hingewiesen wurde, die Klägerin werde im Fall des ergebnislosen Fristablaufs auf Kosten der Beklagtenseite einen “Ersatzvornehmer” beauftragen. Die Beklagtenseite hat also trotz der Zeichnung des Schreibens mit dem Zusatz “i.A.” die erfolgte Fristsetzung nicht als formal unwirksam und deshalb unbeachtlich zurückgewiesen, sondern darauf vielmehr mit E-Mail vom 20. Juni 2018 reagiert. Auch aus der Anrede in dieser E-Mail: “Sehr geehrte Frau ###” ist zu ersehen, dass die Beklagtenseite Frau ### als auf Klägerseite zuständige Ansprechpartnerin angesehen hat. In der Gesamtschau ist daher der erstmals im Januar 2023 während des Rechtsstreits erhobene Einwand der fehlenden Bevollmächtigung nicht berechtigt. Eine andere Beurteilung ergibt sich nicht aus dem Umstand, dass Frau ### in Nr. 10 des Nachunternehmervertrags nicht als Vertreterin der Klägerin benannt ist. Dort ist Herr ### als verantwortlicher Projektleiter genannt, der berechtigt ist, im Namen des Auftragnehmers alle erforderlichen Erklärungen verbindlich abzugeben und entgegenzunehmen, sowie als Stellvertreter Herr ### (also der Geschäftsführer der Klägerin bzw. der persönlich haftenden Gesellschafterin). Diese Regelung ist keine abschließende Regelung, die alleine maßgeblich dafür ist, wer die Klägerin vertreten darf.

Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass die Kündigung der Klägerin vom 12. März 2019 nicht aus formalen Gründen unwirksam ist.

c) Die Voraussetzungen für eine Auftragsentziehung nach § 8 Abs. 3 VOB/B lagen nicht vor. Es bedarf daher keiner Entscheidung, ob § 5 Abs. 3 VOB/B und die darauf bezogene Bestimmung in § 8 Abs. 3 S. 1 VOB/B bei Verwendung durch den Auftraggeber einer Inhaltskontrolle standhalten (vgl. zu §§ 4 Nr. 7 S. 3 i.V.m. § 8 Nr. 3 Abs. 1 S. 1 VOB/B 2002 BGH, Urteil vom 19. Januar 2023 – VII ZR 34/20).

aa) Nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 VOB/B kann der Auftraggeber den Vertrag kündigen, wenn in den Fällen des § 4 Abs. 7 und 8 Nr. 1 und des § 5 Abs. 4 VOB/B die gesetzte Frist fruchtlos abgelaufen ist.

Vorliegend steht eine schon während der Ausführung als mangelhaft oder vertragswidrig erkannte Leistung (§ 4 Abs. 7 VOB/B) nicht in Rede (vgl. insoweit BGH, Urteil vom 19. Januar 2023 – VII ZR 34/20), ebensowenig eine Ausführung von Leistungen nicht im eigenen Betrieb (§ 4 Abs. 8 Nr. 1 VOB/B).

Wenn der Auftragnehmer den Beginn der Ausführung verzögert, mit der Vollendung in Verzug gerät oder der Verpflichtung nach § 5 Abs. 3 VOB/B nicht nachkommt, kann der Auftraggeber dem Auftragnehmer nach § 5 Abs. 4 VOB/B eine angemessene Frist zur Vertragserfüllung setzen und erklären, dass er nach fruchtlosem Fristablauf den Auftrag entzieht. § 5 Abs. 3 VOB/B verpflichtet den Auftragnehmer, Arbeitskräfte, Geräte, Gerüste, Stoffe oder Bauteile in gebotenem Umfang vorzuhalten. Sind diese so unzureichend, dass die Ausführungsfristen offenbar nicht eingehalten werden können, muss der Auftragnehmer auf Verlangen unverzüglich Abhilfe schaffen.

Die völlige Einstellung der Arbeiten kann einen Grund zur außerordentlichen Kündigung darstellen, wenn sich der Unternehmer nicht auf ein entsprechendes Leistungsverweigerungsrecht berufen kann. Die Einstellung der Arbeiten ist der Extremfall der unzureichenden Ausstattung einer Baustelle mit Arbeitskräften im Sinn des § 5 Abs. 3 VOB/B (OLG Stuttgart, Urteil vom 28. April 2020 – 10 U 294/19; Urteil vom 17. August 2021 – 10 U 423/20). Kommt der Auftragnehmer der Verpflichtung nach § 5 Abs. 3 VOB/B trotz berechtigten Abhilfeverlangens nicht nach, gerät der Auftragnehmer mit der Abhilfepflicht in Verzug (OLG Stuttgart, Urteil vom 28. April 2020 – 10 U 294/19).

bb) Vorliegend war die Klägerin nicht zur Kündigung nach § 8 Abs. 3 VOB/B i.V.m. § 5 Abs. 4 VOB/B berechtigt.

(1) Zwar können auch Zwischenfristen gemäß § 5 Abs. 1 S. 2 VOB/B als Vertragsfristen vereinbart werden und nach § 5 Abs. 1, Abs. 4 VOB/B i.V.m. § 8 Abs. 3 VOB/B Grundlage für eine Auftragsentziehung sein, wenn mit der Nichteinhaltung der vertraglich vereinbarten Zwischenfristen insoweit Verzug eingetreten ist (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 28. April 2020 – 10 U 294/19; Urteil vom 1. Dezember 2020 – 10 U 124/20; Rast in BeckOGK, Stand: 01.01.2024, § 637 Rn. 307 ff.).

Vorliegend sind in Nr. 9 des Nachunternehmervertrags durch Ankreuzen verschiedene als “Vertragsfristen/-termine” bezeichnete Termine aufgeführt. Bei Montagebeginn heißt es dort: “ab sofort”, bei Montageende: “08.10.2018”. Ferner ist für die “Übergabe der Zeichnungen” angegeben: “Ende Oktober 2017”, bei “Lieferung” heißt es “gem. Beschreibung im LV”. Schließlich bestand nach Nr. 9 des Vertrags die Verpflichtung des Nachunternehmers, dem Auftragnehmer jeweils zum 30. eines jeden Monats detaillierte Fortschrittsberichte über die Leistungen zuzustellen.

Grundsätzlich ist aufgrund des Wortlauts von Nr. 9 des Vertrags davon auszugehen, dass es sich bei den dort genannten Terminen um Vertragsfristen im Sinne von § 5 Abs. 1 VOB/B handelt. Dies gilt jedenfalls bezüglich der Vereinbarung für den Montagebeginn, das Montageende, den Endtermin (8. Oktober 2018), die Gesamtfertigstellung (ebenfalls 8. Oktober 2018), aber auch für die Übergabe der Zeichnungen Ende Oktober 2017, also bis spätestens 31. Oktober 2017.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Regelung in Nr. 9 des Vertrags nicht wegen AGB-Widrigkeit unwirksam.

Soweit hinsichtlich der ersten beiden angekreuzten Punkte “nach Terminplan, wird in Abstimmung mit Korrosionsschützer noch erstellt” sowie “Terminplan wird noch vereinbart” tatsächlich eine Unbestimmtheit vorliegt, weil insoweit gerade keine konkreten Fristen oder Termine genannt sind, sondern lediglich auf noch zu treffende Vereinbarungen verwiesen wird, ändert dies nichts an der hinreichenden Bestimmtheit der in den weiteren Punkten ausdrücklich genannten Termine. Soweit ein Termin nicht mit Tag, Monat und Jahr bezeichnet ist, sondern lediglich mit Monat und Jahr, wie beispielsweise “09/2018”, ist dies auch ein hinreichend bestimmter Termin, da die Angabe “09/2018” gleichbedeutend ist mit der Fristangabe “September 2018”. Damit ist besagt, dass die Frist bis Ende des Monats September 2018 läuft, mithin bis zum Ablauf des 30. September 2018.

(2) Wie bereits dargelegt, stützt die Klägerin die Auftragsentziehung in dem Schreiben vom 12. März 2019 darauf, dass die “Übergabe vertraglich geschuldeter Unterlagen” trotz mehrerer Aufforderungen und Mahnungen und Kündigungsandrohung nicht erfolgt ist.

Welche Zeichnungen bis Ende Oktober 2017 zu übergeben waren, wird in Nr. 9 des Vertrags nicht definiert. Allerdings ergibt sich aus der Auslegung des Vertrages, dass damit zumindest die auftragnehmerseits geschuldeten Planzeichnungen gemeint sind.

Allerdings wurde der Vertrag erst am 8. November 2017 geschlossen. Zu diesem Zeitpunkt war der Zeitpunkt “Ende Oktober 2017” bereits verstrichen. Hinsichtlich der Pflicht zur “Übergabe der Zeichnungen” liegt daher keine wirksame Vereinbarung einer Vertragsfrist vor.

d) Die Klägerin war allerdings nach den Grundsätzen über die Zulässigkeit einer sonstigen außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund berechtigt, den Nachunternehmervertrag zu kündigen (vgl. auch OLG Stuttgart, Urteil vom 1. Dezember 2020 – 10 U 124/20). Auch aus diesem Grund bedarf es keiner Auseinandersetzung mit der Frage der AGB-rechtlichen Wirksamkeit von §§ 5 Abs. 3 i.V.m. 8 Abs. 3 S. 1 VOB/B.

aa) Wenn bei einem VOB/B-Vertrag der Regelungsbereich der Kündigungsgründe nach VOB/B nicht tangiert ist, ist der Auftraggeber bei Vorliegen eines sonstigen wichtigen Grundes berechtigt, den Vertrag fristlos zu kündigen. Voraussetzung ist, dass durch ein schuldhaftes Verhalten des Auftragnehmers das Vertrauensverhältnis nachhaltig gestört oder der Vertragszweck so gefährdet ist, dass es dem vertragstreuen Vertragspartner nicht zumutbar ist, den Vertrag fortzusetzen. Auch wenn die rechtliche Herleitung dieses Kündigungsrechts früher nicht einheitlich beurteilt wurde, steht die Existenz dieses außerordentlichen Kündigungsrechts außer Frage (vgl. BGH, Urteil vom 7. April 2016 – VII ZR 56/15, BGHZ 210, 1, Rn. 40 m.w.N.; OLG Hamm, Urteil vom 22. Dezember 2011 – 21 U 111/10; OLG Düsseldorf, Urteil vom 24. März 2015 – 21 U 136/14; OLG Jena, Urteil vom 3. Februar 2016 – 2 U 602/13; OLG Stuttgart, Beschluss vom 9. Februar 2016 – 10 U 143/15; Urteil vom 19. September 2017 – 10 U 48/15; Joussen/Vygen in Ingenstau/Korbion, VOB-Kommentar, 21. Aufl., § 8 Abs. 3 VOB/B Rn. 19; Kober in BeckOGK, Stand: 1.1.2024, § 634 BGB Rn. 835; Busche in MünchKomm-BGB, 9. Aufl., § 648a Rn. 24; Brüninghaus in BeckOK VOB, Stand: 31.1.2023, § 8 Abs. 3 Rn. 5) und findet sich mittlerweile in § 648a BGB n.F.

Zur fristlosen Kündigung des Vertrags kann vor allem eine schuldhaft begangene Vertragsverletzung des Vertragspartners berechtigen. Unerheblich ist dabei, ob es sich um die Verletzung einer Haupt- oder Nebenpflicht handelt. Auch Nebenpflichten können für den vereinbarten Vertragszweck von erheblicher Bedeutung sein, soweit das Verhalten des Auftragnehmers hinreichenden Anlass für die Annahme bietet, dass er sich auch in Zukunft nicht vertragstreu verhalten wird (BGH, Urteil vom 23. Mai 1996 – VII ZR 140/95). In Fällen einer schwerwiegenden Vertragsverletzung ist eine vorherige Fristsetzung und Kündigungsandrohung grundsätzlich nicht erforderlich (BGH, Urteil vom 23. Mai 1996 – VII ZR 140/95). Ob ein wichtiger Grund zur Kündigung gegeben ist, ist nach Lage des Einzelfalles zu beurteilen. Dabei sind für die konkrete vertragliche Situation das Interesse des einen Vertragspartners an der Lösung vom Vertrag und das des anderen an dessen Weiterbestand umfassend gegeneinander abzuwägen (BGH, Urteil vom 2. September 1999 – VII ZR 225/98). Allerdings dürfen die Schutzmechanismen der §§ 5 Abs. 4, 4 Abs. 7 und 4 Abs. 8 Nr. 1 VOB/B nicht durch eine außerordentliche Kündigung umgangen werden. Stützt sich der Vertrauensverlust des Auftraggebers auf mangelhafte oder zögerliche Arbeiten des Auftragnehmers, hat der Kündigung deshalb grundsätzlich eine Fristsetzung mit Kündigungsandrohung vorauszugehen. Entbehrlich ist sie nach allgemeinen Grundsätzen nur, wenn sie eine reine Förmelei wäre (OLG Stuttgart, Beschluss vom 9. Februar 2016 – 10 U 143/15; Urteil vom 19. September 2017 – 10 U 48/15; Kober in BeckOGK, Stand: 1.1.2024, § 634 BGB Rn. 835).

Darlegungs- und beweisbelastet für die tatsächlichen Umstände, aus denen sich die Berechtigung zur außerordentlichen Kündigung des Bauvertrags ergibt, ist derjenige, der daraus günstige Umstände ableitet, hier also die Klägerin.

bb) Ausgehend von diesen Grundsätzen war die Klägerin vorliegend berechtigt, das Vertragsverhältnis mit dem Beklagten 1 am 12. März 2019 zu kündigen. Es liegt zwar kein Fall der ernsthaften und endgültigen Erfüllungsverweigerung vor (dazu sogleich unter (1). Der Beklagte 1 hat aber schwerwiegend gegen die bauvertragliche Kooperationspflicht verstoßen (dazu unter (2).

(1) Der Beklagte 1 hat sich zu keinem Zeitpunkt endgültig geweigert, die von ihm zu erbringenden Leistungen auszuführen.

(2) Allerdings liegt eine schwerwiegende Verletzung der bauvertraglichen Kooperationspflicht, aus der sich die Berechtigung zur außerordentlichen Kündigung ergibt, in der unberechtigten Einstellung der Arbeiten zur Durchsetzung eines Nachtrags, einer Abschlagsrechnung oder aus sonstigen Gründen vor (vgl. bspw. OLG Frankfurt, Urteil vom 21. September 2011 – 1 U 154/10; OLG Hamm, Urteil vom 22. Dezember 2011 – 21 U 111/10; OLG Stuttgart, Beschluss vom 9. Februar 2016 – 10 U 143/15 m.w.N.).

Die Vertragsparteien eines VOB/B-Vertrags sind während der Vertragsdurchführung zur Kooperation verpflichtet. Aus dem Kooperationsverhältnis ergeben sich Obliegenheiten und Pflichten zur Mitwirkung und gegenseitigen Information. Die Kooperationspflichten sollen unter anderem gewährleisten, dass in Fällen, in denen nach der Vorstellung einer oder beider Parteien die vertraglich vorgesehene Vertragsdurchführung oder der Inhalt des Vertrages an die geänderten tatsächlichen Umstände angepasst werden muss, entstandene Meinungsverschiedenheiten oder Konflikte nach Möglichkeit einvernehmlich beigelegt werden. Ihren Ausdruck haben sie in der VOB/B insbesondere in den Regelungen des § 2 Abs. 5 und Abs. 6 gefunden. Danach soll über eine Vergütung für geänderte oder zusätzliche Leistungen eine Einigung vor der Ausführung getroffen werden. Diese Regelungen sollen die Parteien anhalten, die kritischen Vergütungsfragen frühzeitig und einvernehmlich zu lösen und dadurch spätere Konflikte zu vermeiden (BGH, Urteil vom 28. Oktober 1999 – VII ZR 393/98, BGHZ 143, 89).

Ein solcher Fall war vorliegend gegeben.

(a) Die Beklagtenseite schuldete die Erstellung und Übergabe von Planzeichnungen hinsichtlich der von ihr auszuführenden Leistungen.

Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen:

Vertragsgrundlagen sind nach Nr. 1 des Vertrags unter anderem die “Baubeschreibung BAB A ###” und das “Leistungsverzeichnis OZ: 05., ausgenommen 05.05.”

Die Baubeschreibung ist von der Klägerin als Anlage K 14 vorgelegt worden. Dabei handelt es sich um eine 47 Seiten umfassende Unterlage der Straßenbauverwaltung des Landes Baden-Württemberg mit Stand vom 10. April 2017. Mit E-Mail vom 29. Mai 2017, also bereits Monate vor Vertragsschluss, bedankte sich der Beklagte 1, der insoweit als Betriebsleiter des Betriebs, dessen Inhaberin die Beklagte 2 sei, handelte, bei der Klägerin für die “Zusendung der jetzigen Baubeschreibung”. Bei der Beklagtenseite als einem in Bauangelegenheiten erfahrenen Unternehmen ist davon auszugehen, dass mit der Bezeichnung einer Unterlage als “Baubeschreibung” auch tatsächlich die Baubeschreibung und nicht das Leistungsverzeichnis oder eine sonstige Unterlage gemeint ist. Der Unterschied zwischen einer Baubeschreibung und einem Leistungsverzeichnis ist den am Bau tätigen Unternehmen und Personen grundsätzlich bekannt. Es ist also davon auszugehen, dass die Beklagtenseite die Baubeschreibung bereits spätestens Ende Mai 2017 vorliegen hatte, also zu einem Zeitpunkt, der deutlich vor Abschluss des streitgegenständlichen Nachunternehmervertrags lag. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagtenseite damals eine andere Baubeschreibung erhalten hatte. Der Beklagtenseite hätte es jedenfalls im Rahmen einer sekundären Darlegungslast oblegen, konkret darzulegen, welche sonstigen Unterlagen sie damals erhalten hatte und für deren Erhalt sie sich bedankt hat.

Die Baubeschreibung enthält Ausführungen zur Elektroinstallation unter anderem in den Abschnitten 1.2.5 sowie 3.5.4. Der Abschnitt 4 der Baubeschreibung betrifft die Ausführungsunterlagen. Die vom Auftraggeber zur Verfügung gestellten Unterlagen bezüglich der Elektroinstallation werden unter Nr. 3 im Unterabschnitt 4.1.1.1 aufgeführt. Der Unterabschnitt 4.2 betrifft vom Auftragnehmer zu erstellende bzw. zu beschaffende Ausführungsunterlagen. In 4.2.5 heißt es unter anderem:

“Der AN erstellt die gesamte Werkstatt- und Montageplanung sowie die Ausführungsplanung für alle Baubehelfe, Bauzustände, Stahlbau, Korrosionsschutz und Elektroinstallation. Die Technische Bearbeitung und Bauausführung erfolgt auf der Grundlage der gültigen technischen Regelwerke. Sie sind mit ausreichendem zeitlichen Vorlauf für die Prüfung und für ggf. notwendige Ergänzungen und Änderungen des AGs bzw. des beauftragten Prüfingenieurs einzureichen. …”

Im weiteren Verlauf wird aufgelistet, welche Ausführungsunterlagen im Detail zu liefern sind (Baubeschreibung Seite 38 f.). Dabei werden in einer eigenen Auflistung die “Ausführungsunterlagen – Elektroinstallation” aufgeführt, so Selektivitäts-, Last- und Kurzschlussberechnung aller Anlagenteile und jedes Abgangs, Grundrissplan, Übersichtsplan mit Angabe aller vermassten Trassen und deren Belegungsgrad, Übersichtsplan mit Angabe aller Verkabelungen, Kabelpläne für alle Anlagenteile mit Darstellung sämtlicher Komponenten, Funktions- und Übersichtsplan für jeden Anlagenteil, Technische Datenblätter, Installations- und Bedienhandbücher, Konformitätsbescheinigungen, Bedienungsanleitungen, Gerätebeschreibungen und Gerätehandbücher, Wartungsanweisungen, Parametrier- und Einstelllisten für Zeitrelais, Vorlage einer Fabrikatsliste, Funktionsbeschreibungen, Betriebsanleitung, technische Datenblätter, statische Nachweise.

Der Auftragnehmer, zunächst also die Klägerin als (Haupt-)Auftragnehmerin, hatte demnach eine vollständige Werkstatt- und Montageplanung sowie die Ausführungsplanung zu liefern. Nach der bereits zitierten Regelung in Nr. 1 des Vertrags ist die Baubeschreibung im Rahmen des streitgegenständlichen Nachunternehmervertrags so zu lesen, dass die hiesige Nachunternehmerin an die Stelle der dortigen Auftragnehmerin getreten ist.

Mit der “Ausführung von Titel 05 Betriebstechnik” wurde die Beklagtenseite in dem streitgegenständlichen Nachunternehmervertrag beauftragt. Ausdrücklich heißt es in Nr. 2 des Vertrages, es erfolge insoweit die Beauftragung “mit der vollständigen Erstellung der in sämtlichen Vertragsunterlagen beschriebenen Leistung”. Weiter heißt es dort:

“Hierzu gehören auch alle Leistungen und die Erfüllung von Mitwirkungspflichten, die in den Vertragsunterlagen, insbesondere in der Baubeschreibung enthalten ist, soweit sie auch für die Ausführung des Gewerkes relevant sind.”

Aufgrund der mehrfachen Bezugnahme auf die Baubeschreibung bzw. die in der Baubeschreibung enthaltene Leistungsbeschreibung kann deshalb kein Zweifel daran bestehen, dass die Klägerin die Beklagtenseite im Nachunternehmervertrag mit der Erbringung sämtlicher die Elektroinstallation betreffenden Leistungen beauftragt hat, die die Klägerin selber im Rahmen ihres Hauptauftrags gegenüber ihrer Auftraggeberin zu erbringen hatte. Dazu gehört also auch die gesamte Werkstatt- und Montageplanung, soweit es die Elektroinstallation betrifft. Dies ergibt sich im Übrigen aus dem von der Beklagtenseite bepreisten LV. Dort findet sich die Position 05.10.0006 “Montage- und Werkstattplanung”. Der Untertitel 05.10. wird in Nr. 2 des Vertrages ausdrücklich genannt.

(b) Die Beklagtenseite hat allerdings diese bestehende vertragliche Verpflichtung durchgängig, ernsthaft und beharrlich in Abrede gestellt.

Die Klägerin hat die Beklagtenseite bereits spätestens Ende April 2018 zur Einreichung der vom RP als fehlend bemängelten Unterlagen der Elektroplanung aufgefordert.

Mit Schreiben vom 12. Juni 2018 setzte die Klägerin der Beklagtenseite eine Nachfrist bis zum 20. Juni 2018 zur Übergabe der korrekten Elektroplanung. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagtenseite daraufhin dieser Aufforderung nachgekommen ist und der Klägerin die Elektroplanung vorgelegt hat. Die Klägerseite bemängelte mit E-Mail vom 20. September 2018 erneut, dass unter anderem die Elektroplanung nicht vorliege, und setzte der Beklagtenseite eine Frist bis zum 25. September 2018. Gleichwohl kann nicht festgestellt werden, dass die Beklagtenseite darauf dergestalt reagierte, dass die Elektroplanung vorgelegt wurde. Vielmehr legte die Beklagtenseite Ende Oktober 2018 eine erste Abschlagsrechnung sowie das Nachtragsangebot Nr. 1 vor. Die Klägerin bemängelte hierauf mit Schreiben vom 22. November 2018 abermals, trotz mehrfacher Aufforderung seien die fälligen Leistungen noch nicht erbracht worden. Erneut, diesmal mit Fristsetzung auf den 26. November 2018, wurde die Beklagtenseite aufgefordert, bis spätestens 25. November 2018 die freigegebene Elektroplanung vorzulegen, ferner rückwirkend für die vergangenen Monate die monatlichen detaillierten Fortschrittsberichte sowie einen fortgeschriebenen Bauzeitenplan. Ein weiterer deutlicher Hinweis der Klägerin an die Beklagtenseite auf die Notwendigkeit einer freigegebenen Elektroplanung ergibt sich aus dem Schreiben vom 17. Dezember 2018 und dem Anwaltsschreiben vom 20. Dezember 2018, das eine erneute Fristsetzung bis zum 29. Januar 2019 enthielt. Hierauf teilte die Beklagtenseite mit Anwaltsschreiben vom 29. Januar 2019 mit, dem Nachunternehmervertrag sei nicht eindeutig zu entnehmen, dass die Beklagtenseite die unter 4.2.5 der Baubeschreibung genannten Ausführungsunterlagen zu stellen habe. Es werde um Klarstellung gebeten, ob mit der verlangten Elektroplanung die Ausführungsplanung nach 4.2.5 der Baubeschreibung gemeint sei. Zugleich wurde mitgeteilt, dass dem RP Bauwerkspläne zur Prüfung und Freigabe vorgelegt worden seien, sowie welche Pläne bereits freigegeben seien und welche Pläne nach Überarbeitung freigegeben würden. Die Klägerin setzte daraufhin mit Anwaltsschreiben vom 13. Februar 2019 eine Nachfrist bis zum 18. Februar 2019 zur Übergabe der bereits mit Schreiben vom 20. Dezember 2018 verlangten Unterlagen. Zugleich wurde angekündigt, der Vertrag werde gekündigt, wenn die Unterlagen auch dann nicht vollständig vorliegen sollten. Hierauf reagierte die Beklagtenseite mit Anwaltsschreiben vom 18. Februar 2019, in welchem erklärt wurde, die Erstellung und Übergabe der Planunterlagen werde zum Zeitpunkt der Abnahme geschuldet. Mangels Fälligkeit liege daher kein Verzug vor.

(c) Da die Nachunternehmerin aus den bereits dargelegten Gründen die Elektroplanung, also die Werkstatt- und Montageplanung sowie die Ausführungsplanung, schuldete – und zwar nicht erst bei der Abnahme, sondern bereits vor Beginn der Elektroinstallationsarbeiten -, dieser Verpflichtung aber trotz zahlreicher Aufforderungen der Klägerin nicht nachgekommen ist, sondern vielmehr eine Verpflichtung entweder vollständig in Abrede stellte oder die unzutreffende Auffassung vertrat, diese Leistungen seien erst zum Zeitpunkt der Abnahme fällig, hat die Beklagtenseite beharrlich gegen ihre vertraglichen Verpflichtungen verstoßen und damit eine erhebliche Verzögerung der Elektroinstallationsarbeiten verursacht.

Das Verhalten der Beklagtenseite stellte eine schwerwiegende Verletzung der bauvertraglichen Kooperationspflicht dar und berechtigte die Klägerin zur außerordentlichen Kündigung des Nachunternehmervertrags. Die Beklagtenseite hätte die geschuldeten Planungsleistungen schon lange erbringen müssen. Selbst wenn sie zunächst – zu Unrecht – der Auffassung gewesen sein sollte, diese Planungsleistungen nicht erbringen zu müssen, hätte sie spätestens, nachdem sie von der Klägerin aufgefordert wurde, die Elektroplanung vorzulegen, dieser Aufforderung zeitnah nachkommen müssen.

Durch das Verhalten der Beklagtenseite wurde das Vertrauensverhältnis der Parteien so beschädigt, dass der Klägerin eine Fortführung der vertraglichen Beziehung nicht zuzumuten war. Aufgrund des Verhaltens der Beklagtenseite bestanden erhebliche Zweifel an ihrer Leistungswilligkeit und Leistungsfähigkeit.

cc) Das Kündigungsrecht der Klägerin ist nicht entfallen, weil der Beklagte 1 seinen vertraglichen Verpflichtungen, konkret der Pflicht zur Vorlage einer genehmigungsfähigen Planung, nachgekommen wäre.

Beklagtenseits wurde zwar mit der Klageerwiderung vom 29. Mai 2021 vorgetragen, der Beklagte 1 habe die “Bauwerkspläne 719 – 728” “über das Regierungspräsidium zur Prüfung und Freigabe zukommen lassen.” Im Januar 2019 seien die Pläne 719 bis 722 und 726 freigegeben worden, im Februar 2019 die Bauwerkspläne 723, 727 und 728.

Die Klägerseite hat in ihrer Replik zum einen bemängelt, dass die Beklagtenseite vorsätzlich gegen die Vertragspflicht aus Nr. 17 des Vertrags verstoßen hätte, wenn sie dem RP und nicht ihr Bauwerkspläne zukommen lasse. Zum anderen seien “solche Bauwerkspläne” – wobei ersichtlich die in der Klageerwiderung aufgeführten Pläne gemeint sind – in dem Aufforderungsschreiben vom 20. Dezember 2018 nicht aufgeführt.

Tatsächlich lässt sich dem Vorbringen der Beklagtenseite nicht entnehmen, was es mit den von ihr so bezeichneten Bauwerksplänen 719 bis 728 auf sich hat. Insbesondere kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagtenseite damit ihre vertraglichen Verpflichtungen gegenüber der Klägerin zur Erbringung einer genehmigungsfähigen Planung für die untervergebenen Elektroarbeiten erfüllt hat. Es fehlt somit bereits an einem erheblichen Vortrag der Beklagtenseite hinsichtlich der vollständigen oder teilweisen Erbringung der geschuldeten Planungsleistungen.

dd) Nicht berechtigt ist auch der Einwand der Beklagtenseite, die Klägerin habe sich ihrerseits in Verzug befunden. Es ist zum einen bereits nicht ersichtlich, dass die Beklagtenseite wegen fehlender erforderlicher Vorleistungen der Klägerin bzw. der Hauptauftraggeberin eine Behinderungsanzeige gestellt hätte. Es ist zum anderen auch nicht ersichtlich, welche Vorleistungen insoweit gefehlt haben sollten. Schließlich fehlt es an einer (substantiierten) Darlegung, dass die Klägerin mit der Erbringung von konkreten Vorleistungen in Verzug geraten ist.

(1) Bereits mit E-Mail vom 26. April 2018 teilte das RP der Klägerin im Rahmen der Vorprüfung der Elektroplanung mit, die eingereichten Planunterlagen seien geprüft worden. Sie entsprächen dem Stand der Ausschreibung. Allerdings werden sodann die fehlenden Unterlagen “gemäß Baubeschreibung A. 4.2.1” aufgelistet. Danach fehlten unter anderem:

– Übersichtspläne für jeden Anlagenteil/Teillos/Gewerk getrennt, versehen mit allen technischen Details,

– Stromlaufpläne,

– Schaltpläne,

– Klemmenpläne,

– Geräteablaufpläne/Schaltschrankansichten

Weiter heißt es, dass grundsätzlich Ausführungspläne im Maßstab 1:50 zur Prüfung einzureichen sind. Ferner enthält die E-Mail Ausführungen zum Inhalt der Unterlagen der Werkstatt- und Montageplanung mit einer umfangreichen Auflistung der erforderlichen Pläne und Zeichnungen. Die E-Mail endet mit der Bitte, die geforderten Unterlagen vollständig und zusammenhängend einzureichen.

Noch am selben Tag, also am 26. April 2018, leitete die Klägerin die E-Mail an den Beklagten 1 weiter mit der Bitte, die geforderten Unterlagen vollständig und wie beschrieben bei der Klägerin einzureichen, so dass diese weitergegeben werden können.

Offensichtlich lagen also am 26. April 2018, also ein knappes halbes Jahr nach Vertragsschluss, die von der Beklagtenseite zu erstellenden Planungsunterlagen nur teilweise vor.

Entgegen der von der Beklagtenseite bereits vorprozessual mit Anwaltsschriftsatz vom 18. Februar 2019 geäußerten Ansicht war die Erstellung und Übergabe der Planunterlagen nicht erst mit der Abnahme fällig. Das Gegenteil ergibt sich nicht nur aus der vertraglichen Regelung in Nr. 9 des Nachunternehmervertrags sowie der Position 05.10.0006 (“Montage- u. Werkstattplanung”) in dem LV, sondern auch aus dem zwangsläufigen Ablauf eines Bauvorhabens: Die Planungsunterlagen, also auch die Planzeichnungen, müssen vor der Ausführung erstellt werden. Der Auftragnehmer muss die Werkstatt- und Montageplanung, soweit von ihm geschuldet, vor Beginn der eigentlichen Leistungsausführung erstellen und dem Auftraggeber zur Freigabe vorlegen.

Mit E-Mail vom 20. September 2018 bemängelte die Klägerin gegenüber den Beklagten, es seien bereits wieder zwei Monate vergangen, ohne dass sie irgendetwas von der Beklagtenseite erhalten habe. Bemängelt wurde die fehlende Vorlage von Schadensaufnahme, Elektroplanung sowie monatlichem Leistungsbericht. Die Klägerin forderte die Beklagtenseite auf, die Unterlagen bis 25. September 2018 zu übergeben.

Vom 22. November 2018 datiert eine weitere Mahnung und Fristsetzung der Klägerin an die Beklagtenseite. Diese wurde aufgefordert, bis spätestens 26. November 2018 die freigegebene Elektroplanung, detaillierte Fortschrittsberichte rückwirkend für die vergangenen Monate sowie einen fortgeschriebenen Bauzeitenplan vorzulegen.

Ein weiteres Mahnschreiben mit Androhung der Auftragsentziehung an die Beklagtenseite stammt schließlich vom Klägervertreter und erfolgte am 20. Dezember 2018. Darin wird unter Nr. 5 ausgeführt, dass die Beklagtenseite nach Ziff. 4.2.5 der Baubeschreibung verpflichtet sei, eine Elektroplanung vorzulegen. Ohne freigegebene Elektroplanung dürfe die Beklagtenseite keine Arbeiten ausführen. Die zunächst übergebene Elektroplanung sei von dem Bauherrn nicht akzeptiert worden. Unter Nr. 9 des Schreibens wurde der Beklagtenseite eine Frist bis zum 29. Januar 2019 zur Übergabe der Elektroplanung, der monatlich detaillierten Fortschrittsberichte und eines fortgeschriebenen Bauzeitenplanes gesetzt. Zugleich wurde angekündigt, dass die Klägerin nach fruchtlosem Ablauf der Frist den Nachunternehmervertrag kündigen werde.

(2) Eine Auftragsentziehung käme nicht in Betracht, wenn die Beklagtenseite sich nicht mit der Erbringung der geschuldeten Planungsleistungen in Verzug befunden hätte, weil sie ihrerseits berechtigt gewesen wäre, die Leistung zu verweigern.

Die Beklagtenseite war aber nicht zur Leistungsverweigerung berechtigt. Insbesondere ergab sich ein solches Recht nicht aus der Nichtbezahlung der überarbeiteten 1. Abschlagsrechnung der Beklagten.

(2.1.) Die erste Fassung der 1. Abschlagsrechnung der Beklagtenseite datiert vom 30. Oktober 2018. Die überarbeitete 1. Abschlagsrechnung stammt vom 3. Dezember 2018 und endet mit einer Gesamtforderung von 31.852,42 Euro netto.

(2.2.) In Nr. 7 des Nachunternehmervertrags wird für die Zahlungen mit Modifikationen auf § 16 VOB/B verwiesen. Nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 VOB/B sind Abschlagszahlungen auf Antrag in möglichst kurzen Zeitabständen oder zu den vereinbarten Zeitpunkten zu gewähren, und zwar in Höhe des Wertes der jeweils nachgewiesenen vertragsgemäßen Leistungen einschließlich Umsatzsteuer. Die Leistungen sind durch eine prüfbare Aufstellung nachzuweisen, die eine rasche und sichere Beurteilung der Leistungen ermöglichen muss.

(2.3.) Die Klägerin bemängelte in einer E-Mail bezüglich der Abschlagsrechnung vom 30. Oktober 2018, dass diese ohne prüfbares Aufmaß nicht geprüft und beglichen werden könne. Die als Aufmaß bezeichneten Unterlagen genügten den Anforderungen nicht. Anhand des Aufmaßes müsse es möglich sein nachzuvollziehen, wieviel von welcher Art wo verbaut worden sei. Dies sei den Unterlagen nicht zu entnehmen.

Die Beklagtenseite legte daraufhin eine überarbeitete Abschlagsrechnung mit Datum vom 3. Dezember 2018 vor. Insoweit bemängelte die Klägerin mit Schreiben vom 17. Dezember 2018, diese Abschlagsrechnung sei ebenfalls nicht prüfbar. Zur Rechnungsprüfung werde die vom Auftraggeber freigegebene Elektroplanung benötigt, ferner Bautagesberichte und der monatliche Fortschrittsbericht.

(2.4.) Soweit in § 16 Abs. 1 S. 2 VOB/B der Nachweis der Leistungen durch eine prüfbare Aufstellung verlangt wird, setzt dies voraus, dass eine prüfbare Abrechnung mit Sinne des § 14 Abs. 1 und 2 VOB/B vorgelegt wird, wobei allerdings die Aufstellung lediglich eine überschlägige Prüfung ermöglichen muss. Der Auftraggeber muss schnell und sicher nachprüfen können, welche Leistungen erbracht worden sind und welcher Vergütungsanteil hierauf entfällt (Kandel in BeckOK VOB/B, Stand: 30.4.2023, § 16 Abs. 1 VOB/B Rn. 28). Beim Einheitspreisvertrag kann eine nachvollziehbare Abrechnung auf Grundlage der entsprechenden Leistungsverzeichnisse sowie Aufmaßunterlagen erstellt werden. Die dabei einzuhaltende Genauigkeit der Aufstellung ist davon abhängig, in welchem Umfang der Auftraggeber zur überschlägigen Ermittlung der auf die erbrachten Leistungsteile entfallenden Vergütungsteile angewiesen ist (Kandel a.a.O. Rn. 29). Soweit es, beispielsweise bei Leistungen im Sinne von § 2 Abs. 5 oder Abs. 6 VOB/B, an einer ausdrücklichen Vergütungsvereinbarung fehlt, sind auch die Preisermittlungsgrundlagen offenzulegen (Kandel a.a.O. Rn. 29).

(2.5.) Gemessen an diesen Vorgaben genügte die von der Beklagtenseite überarbeitete Abschlagsrechnung nicht, um die Fälligkeit der geltend gemachten Abschlagsforderung herbeizuführen.

Die überarbeitete Abschlagsrechnung vom 3. Dezember 2018 besteht aus einer neun Seiten umfassenden Rechnung, in welcher die einzelnen Positionen nach Titel und Einzelbezeichnung mit Angabe von Menge, Einheitspreis und Summe aufgeführt sind. Beigefügt ist eine dreiseitige “Aufmaßliste”. Mit der Abschlagsrechnung wird Vergütung für Leistungen aus den Titeln 05.00, 05.01, 05.02, 05.03, 05.04, 05.07 und 05.08 in Höhe von insgesamt 31.852,42 Euro geltend gemacht. In der beigefügten Aufmaßliste werden die jeweiligen Einzelpositionen aufgeführt. Ferner finden sich dort nähere Erläuterungen mit Angaben zu Mengen bzw. Massen.

Die Klägerin sandte diese Abschlagsrechnung mit Anschreiben vom 17. Dezember 2018 als nicht prüfbar zurück. Sie teilte mit, es werde zur Rechnungsprüfung die vom Auftraggeber freigegebene Elektroplanung benötigt. Ferner seien die Bautagesberichte und der monatliche Fortschrittsbericht geschuldet. Ohne Vorlage dieser Unterlagen sei die Prüfung der Abschlagsrechnung nicht möglich.

Wie bereits dargelegt wurde, schuldete die Beklagtenseite die gesamte Werkstatt- und Montageplanung sowie die Ausführungsplanung. Die Pläne mussten geprüft und freigegeben werden. Der Ablauf ergibt sich aus den Ausführungen unter 4.2.5 der Baubeschreibung. Danach besteht der “Planlauf” aus einem Vorprüflauf und einem Hauptprüflauf. Im Einzelnen ist dort aufgeführt, welche Ausführungsunterlagen bezüglich der Elektroinstallation geschuldet sind. Vor Freigabe der von der Auftragnehmerseite, hier also der Nachunternehmerseite, zu erbringenden Planung durfte nicht mit der Ausführung der eigentlichen Elektroinstallationsarbeiten begonnen werden. Dementsprechend konnte auch eine Abschlagsforderung wie hier mit der überarbeiteten Abschlagsrechnung vom 3. Dezember 2018 verlangt, nur entstehen, wenn die Planung zumindest für die abgerechneten Arbeiten bereits erbracht und freigegeben war. Dass dies der Fall war, lässt sich der Abschlagsrechnung nicht entnehmen. Die überarbeitete 1. Abschlagsrechnung der Beklagtenseite vom 3. Dezember 2018 hat daher nicht zur Fälligkeit der Abschlagsforderung geführt. Dementsprechend war die Beklagtenseite nicht berechtigt, wegen der Nichtbezahlung der Abschlagsrechnung ihrerseits die Leistungen zu verweigern.

ee) Das Kündigungsrecht der Klägerin war bei Ausspruch der Kündigung nicht verwirkt.

ff) Als Zwischenergebnis ist daher festzuhalten, dass die Klägerin den Nachunternehmervertrag wirksam am 12. März 2019 gekündigt hat.

e) Als Folge der berechtigten fristlosen Kündigung des Nachunternehmervertrags durch die Klägerin hat sie gemäß §§ 280 Abs. 1, 281 Abs. 1 S. 1 BGB Anspruch auf Ersatz des Schadens in Form der Mehrkosten für die Fertigstellung (vgl. BGH, Urteil vom 10. Oktober 2019 – VII ZR 1/19, BGHZ 223, 260, Rn. 30; s.a. BGH, Urteil vom 23. Juni 2005 – VII ZR 197/03, BGHZ 163, 274).

Das für den Schadensersatzanspruch erforderliche Verschulden des Beklagten 1 liegt vor. Das Verschulden wird gemäß § 280 Abs. 1 S. 2 BGB vermutet. Der Beklagte 1 hat sich nicht entlastet.

f) Aufgrund der wirksamen Kündigung des Nachunternehmervertrags war die Klägerin daher berechtigt, die vertraglich geschuldeten Leistungen durch eine andere Firma ausführen zu lassen. Der Beklagte 1 hat die dadurch entstandenen Mehrkosten zu erstatten.

Die Klägerin beziffert die Fertigstellungsmehrkosten auf Grundlage der von der Fa. Elektro ### GmbH in Rechnung gestellten Kosten mit 106.384,09 Euro. Daneben verlangt sie mit dem Klageantrag Ziff. 1 noch zum einen die Erstattung von eigenem Aufwand, den sie mit 1.665,00 Euro beziffert, sowie Bürgschaftskosten in Höhe von 4.605,15 Euro.

Die Klägerin hat nur Anspruch auf Ersatz von Mehrkosten in Höhe von 81.381,19 Euro. Hinzu kommt der Anspruch auf Bürgschaftskosten in Höhe von 4.605,15 Euro.

aa) Hinsichtlich der Höhe des der Auftraggeberin von der Auftragnehmerseite zustehenden Schadensersatzanspruchs nach einer berechtigten Kündigung der Auftraggeberin gemäß § 8 Abs. 3 VOB/B oder nach einer Kündigung aus wichtigem Grund (jetzt § 648a BGB n.F.) wegen der für die Fertigstellung entstehenden Mehrkosten gilt, dass die Auftraggeberin Anspruch auf Ersatz der erforderlichen Aufwendungen hat, also derjenigen Aufwendungen, die ein wirtschaftlich denkender Bauherr unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls, ggf. aufgrund sachkundiger Beratung für eine vertretbare, d. h. geeignete und erfolgversprechende Maßnahme erbringen konnte und musste. Die Auftraggeberin ist dabei nicht verpflichtet, eine umfangreiche Marktforschung zu betreiben. Sie darf grundsätzlich den sichersten Weg zur Mangelbeseitigung wählen und muss nicht den billigsten Bieter beauftragen. Die Auftraggeberin ist nach § 254 BGB verpflichtet, die Nachbesserungskosten in angemessenen Grenzen zu halten. Im Rahmen des § 254 Abs. 2 BGB ist der Einwand des Auftragnehmers zu prüfen, die Auftragnehmerin habe einen unnötig teuren Unternehmer ausgewählt (vgl. Brüninghaus in BeckOK VOB/B, Stand: 1.2.2024, § 8 Abs. 3 VOB/B Rn. 25).

bb) Die Klägerin geht bei der Berechnung der Ersatzvornahmekosten von der Schlussrechnung der Fa. Elektro ### GmbH vom 31. August 2020 aus, die auf einen Gesamtbetrag von netto 519.000,02 Euro lautet.

Die Klägerin hat mit der Fa. ### am 2./4. April 2019 den als Anlage K 19 vorgelegten Nachunternehmervertrag geschlossen. Grundlage war nach Nr. 1 dieses Vertrags ein Angebot der Fa. ### vom 30. März 2019.

Das Zustandekommen dieses Vertrags ergibt sich aus der Anlage K 19. Dabei handelt es sich nicht lediglich um einen Entwurf. Der Vertrag ist vielmehr auf der 11. Seite von den Vertragsparteien unterzeichnet worden. Ein etwaiges Bestreiten einer Beauftragung der Fa. ### ist daher unbeachtlich. Der Gegenstand dieses Nachunternehmervertrags entspricht nach Nr. 2 des Vertrags demjenigen des streitgegenständlichen Vertrags vom 8. November 2017. Zwar ist in dem Vertrag mit der Fa. ### zunächst der Untertitel 05.05. aufgeführt; wenige Zeilen danach heißt es aber – ebenso wie im streitgegenständlichen Vertrag -, dass “05.05. Schlosserarbeiten” von der Klägerin gefertigt werden.

Die Fa. ### stellte der Klägerin am 31. August 2020 eine Schlussrechnung. Diese endet mit einem Nettogesamtbetrag von 519.000,92 Euro. Die Klägerin hat ausweislich ihrer Schlussrechnungsprüfung kleinere Mengen- und Stundenkürzungen in Höhe von 1.466,78 Euro vorgenommen. Nach der Kostenermittlung, welche die Klägerin mit Anwaltsschreiben vom 20. März 2021 der Beklagtenseite übermittelte, sollen sich die Mehrkosten für die Ersatzvornahme auf 106.384,09 Euro belaufen.

Bei dieser Kostenermittlung handelt es sich um eine tabellarische Aufstellung, in welcher für die einzelnen LV-Positionen die von der Fa. ### abgerechneten Kosten, erläutert nach Menge bzw. Masse, Einheitspreis und Summe, den Kosten gegenübergestellt werden, die sich bei einer Abrechnung gemäß dem streitgegenständlichen Nachunternehmervertrag ergeben hätten. Die von der Fa. ### zugrunde gelegten Einheitspreise liegen teilweise über den Einheitspreisen, die von der Klägerin mit der Beklagtenseite vereinbart wurden, teilweise sogar deutlich, teilweise liegen die Einheitspreise der Fa. ### aber auch unter den mit der Beklagtenseite vereinbarten Einheitspreisen.

Die Rechnung der Fa. ### enthält auch diverse Nachtragspositionen, gekennzeichnet mit dem Zusatz “NA”. In der tabellarischen Gegenüberstellung der Klägerseite wird insoweit aber nur dann ein Differenzbetrag (zulasten oder zugunsten der Beklagtenseite) angesetzt, wenn es sich um Nachtragspositionen handelt, die auf Vertragspositionen aufbauen.

cc) Ausgehend von den unter aa) dargelegten Grundsätzen ist für die Annahme eines Verstoßes der Klägerin gegen die Schadensminderungspflicht kein Raum. Die Fertigstellungskosten durch die Fa. Elektro ### GmbH sind angemessen und ortsüblich. Die Beklagtenseite kann daher nicht mit dem Einwand gehört werden, die von der Fa. Elektro ### GmbH angebotenen und abgerechneten Kosten seien überhöht, jedenfalls nicht im Rahmen des Ortsüblichen und Angemessenen. Soweit einige Einzelpreise als nicht mehr ortsüblich und angemessen angesehen werden könnten, ändert dies gleichwohl nichts an dem Ergebnis, dass die Schlussrechnung der Fa. ### insgesamt nicht überzogen ist, sondern sich im Rahmen des Ortsüblichen und Angemessenen bewegt.

Die Beklagtenseite hat als Anlage B 18 eine tabellarische Aufstellung vorgelegt, aus der sich überhöhte Preise der Fa. Elektro ### GmbH ergeben sollen. Die Aufstellung betrifft 22 Positionen. Die Schlussrechnung der Fa. Elektro ### GmbH enthält ein Mehrfaches an Einzelpositionen. Bereits dies deutet darauf hin, dass die Beklagtenseite offensichtlich bei den meisten der von der Fa. ### abgerechneten Einzelpositionen keine überhöhten Einheitspreise erkannt hat. In einzelnen Fällen sind diese (nicht in der Anlage B 18 genannten) Einheitspreise sogar niedriger als die ortsüblichen Preise oder niedriger als die von der Beklagtenseite angesetzten Preise. So hat die Fa. ### bei der Pos. 05.02.2007 (Satz Warn- und Hinweisschilder) 203,02 Euro (netto) abgerechnet, während die Beklagtenseite dies zu einem Einheitspreis von 306,00 Euro angeboten hatte.

Es ist aber nicht sachgerecht, von den Kosten der Fa. Elektro ### GmbH lediglich diejenigen Positionen herauszusuchen, deren Einheitspreise möglicherweise über den ortsüblichen und angemessenen Preisen liegen, wenn die Kosten sich insgesamt im Rahmen des Ortsüblichen und Angemessenen bewegen. So ist zu konstatieren, dass beispielsweise bei den LV-Positionen 05.01.0001, 05.01.0002, 05.02.0007, 05.04.0001 05.04.0003, 05.04.0004, 05.04.0007, 05.04.0013, 0506.0009, 05.08.0008 oder 05.10.0002 die von der Beklagtenseite angebotenen Einheitspreis höher liegen als die von der Fa. Elektro ### GmbH angesetzten Einheitspreise.

(1) Die von der Fa. Elektro ### GmbH angesetzten Einzelpreise sind im Wesentlichen als ortsüblich und angemessen anzusehen. Dies ergibt sich aus der gutachterlichen Feststellungen des gemäß Beweisbeschluss vom 27. Januar 2022 beauftragten Sachverständigen ### in seinem schriftlichen Gutachten vom 9. Juli 2022, seiner ergänzenden Stellungnahme vom 8. November 2022 sowie seinen mündlichen Ausführungen bei der Anhörung am 30. März 2023.

Richtig ist zwar, dass das Gutachten vom 9. Juli 2022 sehr knapp gehalten ist. Allerdings ergibt sich aus dem Gutachten sowie der ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen vom 8. November 2022, dass der Beurteilung des Sachverständigen die Baubeschreibung, das LV und das Angebot der Beklagtenseite zugrunde lagen, ebenso das von der Beklagtenseite erstellte Aufmaß und die Aufmaßblätter. Auf dieser Grundlage haben sich für den Sachverständigen nach dessen Ausführungen keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass von der Fa. ### andere zusätzliche oder geänderte Leistungen ausgeführt wurden, also solche, die der Fertigstellung der ursprünglich von der Beklagtenseite zu erbringenden Leistungen gedient haben.

Der Sachverständige führt in dem Gutachten vom 9. Juli 2022 ferner aus, die von der Fa. Elektro ### GmbH angesetzten Preise seien angemessen. Insoweit bezog er sich auf die Kalkulationshilfen 2017/18 und 2018/19 des Zentralverbands der Deutschen Elektro- und Informationstechnischen Handwerke ZVEH und verwies darauf, dass für Baden-Württemberg mit die höchsten Tariflöhne gelten und die hier streitgegenständlichen Arbeiten einen weitaus höheren Aufwand bzw. Schwierigkeitsgrad darstellen als beispielsweise Arbeiten in einem Wohngebäude oder einer Fabrikhalle.

Auch in der ergänzenden Stellungnahme vom 8. November 2022 hat der Sachverständige bestätigt, dass die von der Fa. Elektro ### GmbH abgerechneten Preise nicht überhöht sind. Dies gelte auch für die von der Beklagtenseite mit Schriftsatz vom 13. Juli 2021 auf Seite 14 f. (eAkte 141 f.) genannten Positionen.

Die von der Beklagtenseite erhobenen Einwendungen gegen die gutachterlichen Ausführungen des Sachverständigen ### führen nicht dazu, dass die von der Fa. Elektro ### GmbH abgerechneten Kosten insgesamt nicht als angemessen und ortsüblich zu bewerten wären. Richtig ist lediglich, dass hinsichtlich einzelner Positionen fraglich ist, ob diese noch als angemessen und ortsüblich anzusehen sind. Dies ändert aber nichts daran, dass in der Gesamtschau der Rechnung der Fa. Elektro ### GmbH die Kosten als im Rahmen des Ortsüblichen und Angemessenen liegend anzusehen sind. Dies ergibt sich auch aus den Ausführungen des Sachverständigen bei seiner mündlichen Anhörung am 30. März 2023.

(2) Zu den im Streit stehenden Positionen im Einzelnen:

(2.1) Hinsichtlich der LV-Position 05.01.0004 (Demontage von Kabeln <= 15 mm) hatte die Beklagtenseite einen Einheitspreis von 0,43 Euro angeboten; die Fa. Elektro ### GmbH rechnet in ihrer Schlussrechnung vom 31. August 2020 mit einem Einheitspreis von 3,22 Euro ab. Der Sachverständige hat bei seiner Anhörung erläutert, dass die von ihm angegebene Spanne von 13,46 Euro bis 15,35 Euro sich vor allem aus den Besonderheiten des streitgegenständlichen Bauvorhabens ergibt, nämlich einem Brückenbauwerk mit einer großen Ausdehnung, sodass erhebliche Wegstrecken zurückzulegen sind, um die Arbeiten durchzuführen. Der Sachverständige verweist zudem auf die Position 11.74.75 der Kalkulationshilfe für die elektro- und informationstechnischen Handwerke. Wie sich aus den Erläuterungen in dieser Kalkulationshilfe ergibt, umfassen die dortigen Positionen 11.74.71 ff. auch das Abklemmen von Leitungszu- und -abgängen, bestehend aus dem Abklemmen und Beschriften der Leitungsenden sowie dem Isolieren und Beschriften der Leitungsenden mit Beschriftungskabelbinder. Diese Positionen unterscheiden sich von den Positionen im Abschnitt 11.71, auf welche die Beklagtenseite verweist, insoweit, als sich die Leistungen in den Positionen 11.71.01 ff. auf das Herausziehen bzw. Ausbauen der Leitungen und Kabel aus Röhren, Kanälen und Rinnen sowie dem gesammelten Lagern auf der Baustelle zum Abtransport beschränken. Nicht enthalten ist das Abklemmen sowie das Freischalten der Leitungen. Ebenso wenig ist die Demontage des Zubehörs in den Positionen 11.71.01 ff. enthalten. Nach den Erläuterungen im Leistungsverzeichnis bei Position 05.01.0004 waren vor der Demontage die entsprechenden Kabel an sämtlichen Verteilungen und Verbrauchern freizuschalten, abzuklemmen und zurückzubauen. Geschuldet war auch die fachgerechte Entsorgung der Kabel, wobei eine Wertstoffvergütung in den Einheitspreis einzurechnen war. Danach beschränkte sich die nach dieser Leistungsposition zu erbringende Tätigkeit nicht auf die reine Demontage von Kabeln. Erforderlich waren vielmehr noch darüber hinausgehende Leistungen. Selbst wenn diese nicht den Umfang haben sollten, wie derjenige Umfang, der den in der Kalkulationshilfe im Abschnitt 11.74 aufgeführten Positionen zugrunde liegt, ist jedenfalls nach den Erläuterungen des Sachverständigen nachvollziehbar, dass sich der von der Fa. Elektro ### GmbH angesetzte Einheitspreis noch im Rahmen des Ortsüblichen und Angemessenen bewegt. Dies gilt umso mehr, als der Sachverständige dargelegt hat, dass nach seiner Erfahrung in der Praxis bei einer solchen Position erwartet wird, dass auch das Zubehör wie Kabelschellen oder Kabelkanäle mit entfernt wird. Die Frage, ob vorliegend die Kabel gar nicht mit Kabelschellen befestigt oder in Kabelkanälen verlegt waren, weshalb hierfür kein zusätzlicher Aufwand angefallen ist, ist nachrangig. Jedenfalls ergibt sich die Unangemessenheit oder fehlende Ortsüblichkeit des von der Fa. Elektro ### GmbH angesetzten Einheitspreises nicht daraus, dass die Beklagtenseite einen deutlich niedrigeren Einheitspreis angeboten hatte. Der Sachverständige hat insoweit angegeben, dass nach seiner Einschätzung dieser von der Beklagtenseite angebotene Einheitspreis als viel zu niedrig anzusehen ist, während der Einheitspreis der Fa. Elektro ### GmbH “nicht übertrieben” ist, sondern bei der hier vorliegenden Baustelle eher im unteren Bereich liegt.

(2.2) Hinsichtlich der LV-Positionen 05.01.0005 und 05.01.0006 gilt Entsprechendes.

(2.3) Die LV-Position 05.02.0008 betrifft die Inbetriebnahme der gesamten Anlage (Energieversorgung). Der von der Fa. Elektro ### GmbH hierfür abgerechnete Preis beträgt ungefähr das 2,5-fache des von der Beklagtenseite angebotenen Preises. Auch hier ist festzustellen, dass der von der Beklagtenseite angebotene Preis nicht die Messlatte für die Frage ist, welcher Betrag hierfür ortsüblich und angemessen ist. Der Sachverständige hat erläutert, dass aus seiner Sicht die Höhe des von der Fa. Elektro ### GmbH angesetzten Preises nachvollziehbar ist und als ortsüblich bezeichnet werden kann. Bezüglich der Frage, wie der Angebotspreis für eine solche Position kalkuliert werden kann, gab der Sachverständige an, dass es hierfür keine Faustregel gibt. Dies ist nachvollziehbar, da dies von dem konkreten Bauvorhaben (Größe, Umfang und Komplexität der Energieversorgungsanlage) abhängt.

Die Beklagtenseite hat auch nicht näher dargelegt, wie sie kalkulatorisch zu dem von ihr angebotenen Preis gelangt ist. Der von der Fa. Elektro ### GmbH angesetzte Preis ist daher nicht als überzogen anzusehen.

Soweit die Beklagtenseite im Schriftsatz vom 28. April 2023 unter Bezugnahme auf die gutachterliche Stellungnahme des Sachverständigen ### ausführt, die ortsüblichen Stundenverrechnungssätze zwischen Betrieben könnten sich “leicht unterscheiden”, weshalb sich die Unterschiede auf die Einheitspreise bezogen “im Cent-Bereich” beziffern würden, ist diese Schlussfolgerung unzutreffend. Dabei kann zugunsten der Beklagten als wahr unterstellt werden, dass sich die Stundenverrechnungssätze verschiedener Betriebe nicht wesentlich unterscheiden. Dies bedeutet aber keineswegs, dass verschiedene Betriebe deshalb auf Einheitspreispositionen Einheitspreise anbieten, die nur im Cent-Bereich differieren. Tatsächlich kann man in praktisch jedem Preisspiegel deutliche Unterschiede bei vielen Einheitspreisen feststellen.

(2.4) Hinsichtlich der LV-Position 05.02.0009 (Umbau Bestands NHV) hat sich bei der mündlichen Anhörung des Sachverständigen ergeben, dass dieser übersehen hat, dass es für den Einbau der NH-Sicherungslasttrennschalter sowie die Montage eines einstellbaren elektronischen Zeitrelais gesonderte Positionen im LV gibt. Bei seiner Anhörung am 30. März 2023 gab er deshalb an, dass dann der von der Fa. Elektro ### GmbH angesetzte Preis zu reduzieren wäre.

Es mag daher sein, dass der für diese LV-Position von der Fa. Elektro ### GmbH angesetzte Preis über dem ortsüblichen und angemessenen Preis liegt. Gleichwohl führt dies nicht dazu, dass die von der Fa. Elektro ### GmbH angesetzte Vergütung insgesamt als nicht mehr angemessen und ortsüblich anzusehen wäre.

(2.5) Die LV-Position 05.04.0009 betrifft die Lieferung und Montage von Bügelschellen mit Druckwanne. Die Beklagtenseite hat hierfür einen Einheitspreis von 3,94 Euro angeboten; die Fa. Elektro ### GmbH rechnet 9,70 Euro ab. Nach den Ausführungen des Sachverständigen bei seiner mündlichen Anhörung ist der Einheitspreis von 9,70 Euro als ortsüblich anzusehen. Der Sachverständige hat erläutert, dass es sich bei den Daten, die sich aus der DATANORM-Schnittstelle ergeben, um reine Materialpreise handelt. Vorliegend sind allerdings auch noch die Montagekosten zu berücksichtigen. Soweit die Beklagtenseite darauf verweist, dass auch die Einkaufspreise für entsprechende Metall-Bügelschellen bei Abnahme größerer Mengen deutlich günstiger seien, als vom Sachverständigen angegeben werde, ist zunächst zu konstatieren, dass der Sachverständige die Händler- bzw. Handwerkereinkaufspreise je nach Größe zwischen 1,51 Euro und 3,11 Euro pro Stück veranschlagt hat, wohingegen die Beklagtenseite vorträgt, die Einzelpreise betrügen weniger als 1,00 Euro pro Stück.

Selbst wenn man aber davon ausgehen sollte, dass der Einheitspreis, den die Fa. Elektro ### GmbH angesetzt hat, höher liegt als der ortsübliche und angemessene Preis, wovon man aber bereits nicht ausgehen kann, würde dies gleichwohl nichts daran ändern, dass die von der Fa. Elektro ### GmbH geltend gemachte Vergütung sich in der Gesamtschau im Rahmen des Angemessenen und Ortsüblichen bewegt.

(2.6) Hinsichtlich der LV-Position 05.04.0011 (Spannschloss V4A) ist zunächst zu konstatieren, dass diese Position im Zusammenhang mit der Position 05.04.0010 (Stahldraht Spannseil V4A) zu sehen ist. Die Fa. Elektro ### GmbH rechnet anstelle dieser LV-Position unter 05.04.0017 als Ersatz Spannseil mit 5 mm Durchmesser (statt 2 mm, wie in 05.04.0010) zu einem Einheitspreis von 2,78 Euro/m (statt 3,38 Euro/m, wie von der Beklagtenseite angeboten) ab. Auch hier zeigt sich also in einer Gesamtschau, dass keineswegs davon auszugehen ist, dass die Fa. Elektro ### GmbH unangemessen hohe Preise abrechnet. Selbst wenn daher die Ausführungen des Sachverständigen bei der mündlichen Anhörung am 30. März 2023 so zu verstehen sind, dass er bei seiner Aussage, der abgerechnete Preis sei ortsüblich und angemessen, auch Zubehörteile berücksichtigt hat, die womöglich richtigerweise bei anderen LV-Positionen, wie der Position 05.04.0012, anzusetzen wären, kann im Ergebnis nicht von nicht angemessenen und nicht ortsüblichen Preisen ausgegangen werden.

(2.7) Hinsichtlich der LV-Position 05.04.0016 (Wandhaken geöffnet V4A) gelten die vorstehenden Ausführungen entsprechend.

(2.8) Der von der Fa. Elektro ### GmbH bei der LV-Position 05.06.0008 angesetzte Einheitspreis von 7,28 Euro/m liegt zwar über dem von der Beklagtenseite angebotenen Einheitspreis von 5,42 Euro/m. Gleichwohl bewegt sich dieser Preis nach den Ausführungen des Sachverständigen im Rahmen des Ortsüblichen. Der Sachverständige hat die Spanne des ortsüblichen und angemessenen Preises mit 6,00 Euro bis 8,00 Euro veranschlagt.

(2.9) Auch hinsichtlich der LV-Position 05.06.0010 bewegt sich die von der Fa. Elektro C angesetzte Vergütung im Rahmen des Ortsüblichen und Angemessenen.

(2.10) Für eine LED-Feuchtraumleuchte (LV-Position 05.07.0003) rechnet die Fa. Elektro ### GmbH einen Einheitspreis von 421,63 Euro ab. Die Beklagtenseite hat hierfür 334,51 Euro angeboten. Der Einheitspreis von 421,63 Euro bewegt sich im Rahmen des Ortsüblichen und Angemessenen, wie der Sachverständige bei seiner mündlichen Anhörung erläutert hat. Er hat dargelegt, dass man möglicherweise bei geschickter Verhandlung mit dem Großhändler einen zusätzlichen Rabatt erzielen kann. Es ist aber ein Preis nicht deshalb nicht ortsüblich und nicht angemessen, weil er sich nicht am untersten Bereich des verhandelbaren Preisrahmens bewegt.

(2.11) Zur LV-Position 05.08.0007 (Kennzeichnungsschild) hat der Sachverständige bei seiner mündlichen Anhörung dargelegt, dass der von der Fa. Elektro ### GmbH angesetzte Einheitspreis von 12,02 Euro/Stück nachvollziehbar ist. Dies hat er erläutert mit dem erheblichen Zeitaufwand, der erforderlich ist, um die einzelnen Kabel am Anfang und Ende sowie den Abzweigstellen mit einem Kabelkennzeichnungsschild zu versehen, das gemäß der Beschreibung auf Seite 62 des LV nicht handschriftlich beschriftet werden darf, sondern auszudrucken ist.

(2.12) Auch bei der LV-Position 05.09.0006 (PA-Verbindung) hat der Sachverständige die Ortsüblichkeit des von der Fa. Elektro ### GmbH angesetzten Einheitspreises bejaht.

(2.13) Im Streit steht zwischen den Parteien ferner die LV-Position 05.10.0005. Dabei handelt es sich um die TÜV-/Sachverständigenabnahme. Insoweit hat der Sachverständige bei seiner mündlichen Anhörung dargelegt, dass eine Aussage zur Ortsüblichkeit und Angemessenheit nur schwer zu treffen ist. Auch der TÜV, bei dem sich der Sachverständige nach Durchschnittspreisen erkundigt hat, erklärte ihm gegenüber, dies sei vom Einzelfall abhängig, konkret von dem im Einzelfall erforderlichen Aufwand. Dies ist nachvollziehbar. Vor diesem Hintergrund kann aus dem Umstand, dass die Fa. Elektro ### GmbH bei dieser Position ungefähr das 4,5-fache des von der Beklagtenseite angebotenen Preises geltend macht, nicht auf eine unangemessen hohe Vergütung geschlossen werden.

(2.14) Bezüglich der LV-Position 05.10.0006 kann ebenfalls nicht von einer nicht mehr angemessenen und ortsüblichen Vergütung ausgegangen werden. Der Sachverständige hat bei seiner mündlichen Anhörung nachvollziehbar erläutert, dass ausgehend von einem Stundensatz von 90,00 Euro für einen Projektleiter (vgl. Nr. 6 des Vertrags) bei dem von der Beklagtenseite angesetzten Preis von 866,67 Euro weniger als 10 Stunden für die Montage- und Werkstattplanung zur Verfügung stünden. Dies hält das Gericht ebenso wie der Sachverständige für unzureichend.

(2.15) Im Hinblick auf die in der Schlussrechnung der Fa. Elektro ### GmbH enthaltenen Nachtragspositionen, insbesondere die Nachträge NA 23 bis NA 26, ergeben sich aber Einschränkungen bei der Erstattungsfähigkeit.

Der NA 23 bezieht sich auf die LV-Pos. 05.06.0001 (NYCWY 4 x 185/95 mm2). Hierfür war im LV ein Mengenvordersatz von 1.044 m angegeben. Die Fa. ### rechnet in ihrer Schlussrechnung 645 m Energiekabel “N2XH-J 4X185/95 SW” zu je 90,82 Euro (Seite 26 der Schlussrechnung [gegenüber 99,46 Euro auf Seite 25]; anstatt von der Beklagtenseite angebotenen 64,37 Euro/m) ab. Die Klägerin rechnet in ihrer Mehrkostenberechnung insoweit mit dem Einheitspreis von 90,82 Euro/m. Der sich daraus ergebende Mehrkostenbetrag von 17.060,25 Euro ist zugunsten der Klägerin zu berücksichtigen.

Zusätzlich rechnet die Fa. ### u.a. (auf Seite 24 ihrer Schlussrechnung) 215 m Gummischlauchleitung H07RNF 5G 150 SW zu je 110,80 Euro ab. In ihrer Mehrkostenberechnung rechnet die Klägerin insoweit unter Pos. NA 23 mit 90,82 Euro/m, also dem Einheitspreis, den sie bei der Pos. 05.06.0001 zugrunde legt.

Entsprechendes gilt für die Pos. 05.06.0002 und Pos. NA 24, wo für 295 m Gummischlauchleitung H07RNF 5G 150 SW zu je 76,71 Euro berücksichtigt werden, für Pos. 05.06.0003 und Pos. NA 25 mit 385 m Gummischlauchleitung H07RNF 5G 95 SW zu je 71,58 Euro und Pos. 05.06.0004 und Pos. NA 26 mit Gummischlauchleitung H07RNF 5G 50 SW zu je 48,96 Euro.

Zwar ist entgegen der Auffassung der Beklagtenseite nicht davon auszugehen, dass es sich insoweit um Nachtragsleistungen handelt, die keinerlei Bezug zur ursprünglich ausgeschriebenen Leistung haben. Diese Aussage findet sich freilich – nicht näher begründet – in der E-Mail vom 19. April 2023. Aussagekräftiger ist aber die E-Mail der Fa. Elektro ### GmbH vom 3. Juli 2019, also während der Leistungserbringung der Fa. ###, an das RP sowie Frau ### von der Klägerin. Darin wird als Ergebnis eines am selben Tag geführten Telefonats bestätigt, dass die Zuleitungen von der Hauptverteilung zu den Unterverteilern in die Brücke als flexible Gummischlauchleitungen, und nicht wie im LV vorgesehen, als N2XH-J-Leitungen ausgeführt werden.

Allerdings hat die Klägerin nach dem nicht bestrittenen Vorbringen der Beklagtenseite diese Leistungen vollständig vergütet erhalten. Es fehlt daher an einer finanziellen Einbuße der Klägerin.

Es sind somit von der Mehrkostenberechnung der Klägerin 5.686,75 Euro, 8.590,40 Euro, 8.908,90 Euro und 1.816,85 Euro, zusammen 25.002,90 Euro, abzuziehen.

dd) Die Beklagten haben im Übrigen nicht konkret dargelegt, dass bzw. bei welchen Einzelpreisen die Klägerin vor der Beauftragung der Fa. Elektro ### GmbH hätte erkennen müssen, dass die von der Fa. Elektro ### GmbH angesetzten Einzelpreise nicht mehr als angemessen und ortsüblich anzusehen sind, und dass die Klägerin deswegen als wirtschaftlich denkender Bauherr von einer Beauftragung der Fa. Elektro ### GmbH hätte Abstand nehmen müssen. Dies käme im Übrigen nur in Betracht, wenn es für die Klägerin ohne weiteres erkennbar gewesen wäre, dass die Gesamtkosten, mit denen sie bei einer Beauftragung der Fa. Elektro ### GmbH nach deren Angebot rechnen musste, überhöht sind, und es für die Klägerin überdies ohne weiteres möglich gewesen wäre, ein (nicht nur marginal) günstigeres Angebot einer anderen Firma zu erhalten. Wie bereits dargelegt wurde, ist ein Auftraggeber nicht verpflichtet, vor der Beauftragung eines Ersatzunternehmers eine umfangreiche Marktforschung zu betreiben. Er ist auch nicht verpflichtet, insoweit eingeholte Angebote vor einer Auftragserteilung privatgutachterlich überprüfen zu lassen. Wenn sich aber die von der Fa. Elektro ### GmbH abgerechneten Kosten im Rahmen des Ortsüblichen und Angemessenen bewegen, kann eine solche Konstellation nicht vorliegen.

Die erstattungsfähigen Mehrkosten, die die Klägerin ersetzt verlangen kann, belaufen sich daher auf 106.384,09 Euro abzüglich 25.002,90 Euro, also 81.381,19 Euro.

ee) In dem von der Klägerin mit dem Klageantrag Ziff. 1 geltend gemachten Betrag ist ein Betrag von 1.665,00 Euro für den eigenen Aufwand enthalten, der ihr entstanden sei. Auf Seite 5 der Klageschrift hat sie in tabellarischer Form aufgeführt, an welchen Tagen welcher Stundenaufwand entstanden ist, um die Ersatzvornahme durchführen zu können, insbesondere im Zusammenhang mit der Suche nach einem Ersatzunternehmer.

Dieser Betrag ist nicht als Schadensersatz erstattungsfähig. Grundsätzlich ist der eigene Aufwand keine erstattungsfähige Schadensposition.

ff) Ferner sind in dem mit dem Klageantrag Ziff. 1 geltend gemachten Betrag 4.605,15 Euro an Bürgschaftskosten enthalten. Dieser Anspruch steht der Klägerin gemäß § 648a Abs. 1 BGB a.F. zu.

(1) Nach § 648a Abs. 1 BGB (in der hier anzuwendenden bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung) hat der Unternehmer einen Anspruch gegen den Auftraggeber auf Sicherheitsleistung. Die Sicherheit kann auch durch Bürgschaft geleistet werden, § 648a Abs. 2 BGB. Nach § 648a Abs. 3 S. 1 BGB hat der Unternehmer dem Besteller die üblichen Kosten der Sicherheitsleistung bis zu einem Höchstsatz von 2 % jährlich zu erstatten. § 648a Abs. 3 S. 2 BGB steht der Erstattungsfähigkeit nicht entgegen. Die Einwendungen der Klägerin gegen die vom Beklagten geltend gemachten Vergütungsansprüche sind nicht unbegründet.

(2) Vorliegend hat die Klägerin der Nachunternehmerin im Juli 2018 eine Bürgschaft der [Name Kreditinstitut] über 333.368,34 Euro gestellt. Vorangegangen war ein Sicherheitsverlangen des Beklagten 1, der der Klägerin mit Schreiben vom 10. Juli 2018 eine “letzte Nachfrist” bis zum 23. Juli 2018 für die Übersendung einer Bauhandwerkersicherung gesetzt hatte. Unerheblich ist, dass er dabei auf die vorliegend nicht anwendbare Vorschrift des § 650f BGB (n.F.) verwiesen hat. Den Erhalt der Bürgschaft bestätigte der Beklagte 1 am 20. Juli 2018. Die Bürgschaftssumme wurde im Frühjahr 2019 auf 70.000,00 Euro reduziert.

(3) Die Klägerin hat die Avalkosten auf Seite 9 der Replik vom 18. Juni 2021 in tabellarischer Form dargelegt (vgl. auch die letzte Seite des Anhangs von Anlage K 11). Dies ist von der Beklagtenseite nicht substantiiert bestritten worden. Danach hat die Bürgin die Avalprovision quartalsweise abgerechnet. Die Avalkosten übersteigen nicht den Höchstsatz von 2 % gemäß § 648a Abs. 3 BGB. Einer näheren Auseinandersetzung mit der Frage, ob die Bürgin berechtigt war, Umsatzsteuer in Rechnung zu stellen, bedarf es daher nicht. Auch der geltend gemachte Bruttobetrag ist niedriger als der gesetzlich zulässige Höchstbetrag.

g) Von dem der Klägerin zustehenden Schadensersatz ist die Vergütung abzuziehen, die dem Beklagten 1 für die erbrachten Leistungen zusteht. Diese beläuft sich auf 25.351,24 Euro.

aa) Soweit nach der Kündigung eines Bauvertrags Schadensersatzansprüche des Auftraggebers, aber auch Vergütungsansprüche des Auftragnehmers für erbrachte Leistungen bestehen, stehen sich diese Ansprüche aufrechenbar gegenüber. Es findet keine automatische Verrechnung statt (BGH, Urteil vom 23. Juni 2005 – VII ZR 197/03, BGHZ 163, 274).

Vorliegend hat die Klägerin bereits in der Klageschrift den von ihr bezifferten Vergütungsanspruch der Beklagten von den Ersatzvornahmekosten, dem eigenen Aufwand und den Bürgschaftskosten abgezogen (Seite 6 der Klageschrift). Dies stellt eine zumindest konkludente Aufrechnungserklärung dar, sofern man eine Aufrechnung nicht schon in dem Schreiben des Klägervertreters vom 11. Januar 2021 an den damaligen Beklagtenvertreter sehen sollte. Darin kündigt der Klägervertreter an, dass die Klägerin demnächst die Abrechnung für die Ersatzvornahmekosten fertigstellen werde und dann die Aufrechnung mit der Restvergütung erklärt werde.

bb) Die Klägerin bringt von den geltend gemachten Kosten einen Betrag von 12.945,87 Euro als den Wert der von der Beklagtenseite erbrachten Leistungen in Abzug. Wie sich dieser Betrag errechnet, ergibt sich aus der tabellarischen Aufstellung, die mit Anwaltsschreiben vom 20. März 2021 von der Klägerseite an die Beklagtenseite übermittelt wurde, sowie der Anlage K 10. Die Mengen und Massen sollen sich aus dem Aufmaß ergeben, das als Anlage K 9 vorgelegt worden ist. Bei der Anlage K 9 handelt es sich teilweise um Auszüge aus dem Leistungsverzeichnis, das bei den einzelnen LV-Positionen mit handschriftlichen Zusätzen versehen ist, und teilweise um Aufmaßblätter, die zum überwiegenden Teil Unterschriften der Auftragnehmer- und der Auftraggeberseite tragen.

Die Beklagtenseite hat die erbrachten Leistungen auf Seite 22 ff. ihres Klageerwiderungs- und Widerklageschriftsatzes vom 29. Mai 2021 abgerechnet. Sie rechnet nach ihrem Vortrag für erbrachte Leistungen auf Grundlage der Vertragspreise zusammen 23.604,95 Euro und für erbrachte Nachtragsleistungen weitere 21.051,52 Euro, insgesamt also 44.656,47 Euro, ab.

cc) Hinsichtlich zahlreicher Positionen besteht Einigkeit zwischen den Parteien über die abgerechneten Leistungen. Uneinigkeit besteht hinsichtlich folgender Positionen (auf eine Auflistung der unstreitigen Positionen wird an dieser Stelle verzichtet):

Pos. Kläg. Bekl. Differenz

05.00.0001 0,00 Euro 416,00 Euro 416,00 Euro

05.00.0003 0,00 Euro 1.512,00 Euro 1.512,00 Euro

05.03.0006 381,64 Euro 0,00 Euro – 381,64 Euro

05.04.0001 0,00 Euro 1.698,60 Euro 1.698,60 Euro

05.07.0003 669,02 Euro 334,51 Euro – 334,51 Euro

05.08.0004 0,00 Euro 26,08 Euro 26,08 Euro

05.08.0005 0,00 Euro 263,68 Euro 263,68 Euro

05.08.0006 1.356,16 Euro 8.815,04 Euro 7.458,88 Euro

05.02.0005 NT 0,00 Euro 711,20 Euro 711,20 Euro

05.02.0006 NT 0,00 Euro 711,20 Euro 711,20 Euro

05.02.0007 NT 0,00 Euro 711,20 Euro 711,20 Euro

05.02.0008 NT 0,00 Euro 711,20 Euro 711,20 Euro

05.03.0014 NT 0,00 Euro 1.933,60 Euro 1.933,60 Euro

05.05.0016 NT 0,00 Euro 92,67 Euro 92,67 Euro

05.03.0017 NT 0,00 Euro 131,87 Euro 131,87 Euro

05.03.0018 NT 0,00 Euro 158,60 Euro 158,60 Euro

05.03.0019 NT 0,00 Euro 197,80 Euro 197,80 Euro

05.10.0010 NT 0,00 Euro 6.489,12 Euro 6.489,12 Euro

05.10.0011 NT 0,00 Euro 5.280,00 Euro 5.280,00 Euro

05.10.0012 NT 0,00 Euro 832,00 Euro 832,00 Euro

05.04.0017 NT 0,00 Euro 372,30 Euro 372,30 Euro

05.04.0018 NT 0,00 Euro 610,56 Euro 610,56 Euro

05.07.0007 NT 0,00 Euro 2.108,20 Euro 2.108,20 Euro

Zu den streitigen Positionen im Einzelnen:

(1) Die von der Beklagtenseite abgerechnete Position 05.00.0001 (Aufnahme des Ist-Zustands) ist erbracht.

Diese Leistung war Gegenstand des Aufnahmetermins, der am 27. März 2019 durchgeführt wurde. An diesem Termin nahmen auf Klägerseite der Geschäftsführer Herr ### und Frau ###, für die Beklagtenseite Herr ###, für die Fa. Elektro ### GmbH Herr ### sowie von Seiten des Regierungspräsidiums Stuttgart Frau ### und Herr ### teil. Frau ### fertigte Aufmaßunterlagen an. Bei ihrer Vernehmung am 29. Februar 2024 schilderte sie, dass die entsprechenden Feststellungen auf der Baustelle vor Ort getroffen wurden. Herr ### und Herr ### seien an den Schaltschränken gewesen und hätten ihr alles vorgetragen. Sie habe dies sodann – in Anwesenheit der Beteiligten – in ihre Unterlagen übertragen. Hinsichtlich der unterschiedlichen Schreibfarben bei den handschriftlichen Eintragungen in den Unterlagen erklärte die Zeugin, dass sie die Unterlagen im Büro vorbereitet habe. Vermutlich habe sie dann mit einem andersfarbigen Kugelschreiber vor Ort die weiteren Eintragungen vorgenommen.

Die Position 05.00.0001 wird in dem von der Zeugin ausgefüllten Aufmaßblatt mit der Blatt Nr. 107 abgehandelt. Dieses ist – im Gegensatz zu den weiteren Aufmaßblättern – nicht an den dafür vorgesehenen Stellen von der Auftragnehmer- und der Auftraggeberseite unterzeichnet. Die Zeugin erklärte hierzu, man sei sich vor Ort nicht einig gewesen. Allerdings ergänzte sie, dass nach den ihr vorliegenden Unterlagen der Ist-Zustand von dem Beklagten 1 an Herrn ###, der vor ihr auf Seiten des Regierungspräsidiums zuständig war, mitgeteilt worden ist. Sie verwies dabei auf ein von ihr zur Einsicht vorgelegtes E-Mail-Schreiben der Klägerin an ein vom RP beauftragtes Planungsbüro vom 23. Juli 2018. Darin ist unter dem Betreff “Korrosionsschutz Arbeiten ###-Talbrücke” von der Übersendung der Schadensaufnahme der Firma ### die Rede. Vom selben Tag, also dem 23. Juli 2018, datiert die E-Mail der Klägerseite an das RP, mit welchem “die noch fehlende Elektroplanung sowie Stücklisten der Fa. ###” übersandt wurden. Hierauf antwortete Herr ### vom RP mit der E-Mail vom 24. Juli 2018. Darin wurde die Klägerseite aufgefordert, “die Werk- und Montageplanung vollständig einzureichen.” Wenn aber das RP am 24. Juli 2018 zwar beanstandet hat, dass noch keine bzw. keine vollständige Werk- und Montageplanung vorliege, aber nicht auf das Fehlen oder die Unvollständigkeit der Aufnahme des Ist-Zustandes abstellt, kann davon ausgegangen werden, dass diese Position erbracht worden ist.

(2) Hinsichtlich der Position 05.00.0003 (Baustrom) steht der Beklagtenseite kein Anspruch zu.

Die Beklagtenseite macht in der Schlussrechnung vom 19. April 2021 insoweit den vollen Betrag von 1.512,00 Euro gelten. Nachdem das Vertragsverhältnis der Parteien aber vorzeitig beendet worden ist, kann nicht davon ausgegangen werden, dass diese Position vollständig angefallen ist. Die Beklagtenseite hat aber auch keinen Vortrag dazu geleistet, weshalb gleichwohl diese Position vollständig abgerechnet werden können soll. Es kann auch nicht im Wege einer Schätzung entsprechend § 287 Abs. 1 und 2 ZPO ein Teilbetrag angesetzt werden. Hierfür fehlen die erforderlichen Schätzgrundlagen.

(3) Bei der Position 05.03.0006 besteht insoweit eine Differenz, als die Klägerin hierfür 381,64 Euro ansetzt, die Beklagtenseite hingegen 0,00 Euro. Zugunsten der Beklagtenseite ist der von der Klägerin zugestandene Betrag anzusetzen.

(4) Die Position 05.04.0001 betrifft die Kabelrinne 100 x 60 mm. Die erbrachten Leistungen sind von der Zeugin in dem Aufmaßblatt Nr. 125 detailliert unter Verweis auf die jeweilige Örtlichkeit (mit Angabe der Trägernummer) erfasst worden. Die Addition der von der Zeugin als erbracht vermerkten Massen beläuft sich auf 46,07 m. Dies entspricht der von der Beklagtenseite in der Schlussrechnung angesetzten Menge. Allerdings hat die Zeugin bei einem Teil der erbrachten Leistung vermerkt, dass diese “ohne Kantenschutz” sei bzw. der Kantenschutz teilweise fehle.

Hieraus ergibt sich, dass ein Kantenschutz erforderlich gewesen wäre, dieser aber teilweise fehlt. Gemäß § 287 Abs. 1 und 2 ZPO wird deshalb hier ein Abzug von 1/6 vorgenommen, so dass für diese Position 1.698,60 Euro netto abzüglich 283,10 Euro netto, mithin 1.415,50 Euro netto anzusetzen ist.

(5) Bei der Position 05.07.0003 ist zugunsten der Beklagtenseite der von der Klägerin angegebene Wert von 669,02 Euro netto zugrundezulegen.

(6) Zur Position 05.08.0004 hat die Zeugin in dem Aufmaßblatt Nr. 126 vermerkt, dass von den 3-fach-Tasterkombinationen 1,00 Stück vorhanden ist. Davon sei 40 % erbracht. Dementsprechend sind nicht viermal 6,52 Euro netto anzusetzen, sondern lediglich einmal 6,52 Euro netto. Auf einen weiteren Abzug im Hinblick auf die Angabe, dass 40 % erbracht seien, wird verzichtet.

(7) Bezüglich der Position Wipp-Taster (05.08.0005) ist dem Aufmaßblatt Nr. 128 vermerkt, dass 10,00 Stück erbracht worden sind. Dementsprechend ist der von der Beklagtenseite angesetzte Betrag von 263,68 Euro netto anzusetzen, auch wenn insoweit in der Schlussrechnung lediglich 4,00 Stück angegeben sind.

(8) Zur Position 05.08.0006 (Steckdosenkombination) ist im Aufmaßblatt Nr. 127 angegeben, dass insgesamt 26 Stück, nämlich 12 Stück im Hohlkasten und 14 Stück in den Pfeilern, erbracht worden sind. Dementsprechend ist, wie von der Beklagtenseite in der Schlussrechnung angesetzt, hierfür ein Betrag von 8.815,04 Euro netto zu berücksichtigen, und nicht lediglich 1.356,16 Euro, wie die Klägerin vorträgt.

(9) Im Streit stehen zwischen den Parteien ferner die Positionen 05.02.0005 NT bis 05.07.0007 NT, für die in der Schlussrechnung der Beklagtenseite vom 19. April 2021 zusammen 21.051,52 Euro netto geltend gemacht wird.

Die Positionen 05.02.0005 NT, 05.02.0006 NT, 05.02.0007 NT und 05.02.0008 NT belaufen sich auf jeweils 711,20 Euro und betreffen Mehrkosten, weil jeweils ein größerer Unterverteilerschrank als im LV angesetzt eingebaut wurde.

Die Zeugin ### gab insoweit bei ihrer Vernehmung zur Überzeugung des Gerichts an, dass größere Schränke als die ursprünglich vorgesehenen Schränke eingebaut worden seien. Hintergrund sei gewesen, dass in den ursprünglich vorgesehenen kleineren Schränken nicht genügend Platz zum Einbau der erforderlichen Geräte gewesen wäre. Herr ###, der Vorgänger der Zeugin beim RP, habe den Einbau der größeren Schränke angeordnet, nachdem er von dem Beklagten auf dieses Problem hingewiesen worden sei.

Die Unterverteilerschränke sind auf den Fotos zu sehen, die sich beim Anhang zu der Anlage B 17, der Schlussrechnung der Beklagten vom 19. April 2021, befinden. Von Seiten der Klägerin ist im Termin am 29. Februar 2024 nicht in Abrede gestellt worden, dass es sich um größere als die im LV vorgesehenen Schränke handelt.

Es ist daher angemessen, der Beklagtenseite insoweit jeweils den Mehrbetrag von 711,20 Euro netto zuzugestehen.

(10) Die Nachtragspositionen 05.03.0014 NT, 05.03.0016 NT, 05.03.0017 NT, 05.03.0018 NT und 05.03.0019 NT betreffen Einbaukomponenten für Niederspannungshauptverteiler. Insoweit finden sich im Anhang zur Anlage B 17 nach den Fotos der Verteilerschränke Screenshots mit Kalkulationsgrundlagen. Schriftliche Nachtragsangebote fehlen insoweit aber ebenso wie Nachtragsbeauftragungen. Selbst wenn es insoweit eine “Abstimmung” der Beklagtenseite mit Herrn ### vom RP gegeben haben sollte, wie im Anhang zur Anlage B 17 bei den Screenshots vermerkt ist, kann nicht von der Erbringung dieser Leistungen als Nachtragsleistungen im abgerechneten Umfang ausgegangen werden. Zwar hat die Beklagte zum Beweis dafür, dass sie die abgerechneten Leistungen erbracht hat, Beweis durch Sachverständigengutachten angeboten, so beispielsweise auf Seite 3 des Schriftsatzes vom 15. Juni 2023. Bei den am 27. März 2019 von der Zeugin ### angefertigten Aufmaßunterlagen finden sich aber keine Angaben zu diesen Leistungen. Es ist daher nicht möglich, mittels eines Sachverständigengutachtens zu klären, ob die Beklagte diese Leistungen erbracht hat.

(11) Die Nachtragspositionen 05.10.0010 NT, 05.10.0011 NT und 05.10.0012 NT beziehen sich auf den Abschnitt 05.10 im Leistungsverzeichnis “Sonstige Leistungen”. Die Position 05.10.0010 NT betrifft wohl ebenso wie die Position 05.10.0011 NT eine Ertüchtigung der bestehenden Kabelrinne über die gesamte Brückenlänge inklusive Austausch von defekten Trägern und Befestigungsteilen, die Position 05.10.0012 NT eine Instandsetzung der Stegbeleuchtung und den Austausch von Leuchtmitteln. Auch insoweit helfen die Aufmaßunterlagen nicht weiter. Wie hinsichtlich der vorgenannten Positionen gilt auch hier, dass selbst dann, wenn es insoweit eine “Abstimmung” der Beklagtenseite mit dem RP, hier Herrn ###, und einem Herrn ### gegeben haben sollte, nicht von der Erbringung dieser Leistungen als Nachtragsleistungen im abgerechneten Umfang ausgegangen werden kann. Durch Sachverständigenbeweis kann im Nachhinein nicht geklärt werden, ob und in welchem Umfang die Beklagtenseite diese Leistungen erbracht hat. Für die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu dieser Frage ist daher kein Raum.

(12) Die Nachtragspositionen 05.04.0017 NT und 05.04.0018 NT beziehen sich ausweislich der Positionsbezeichnung in der Schlussrechnung der Beklagtenseite auf die LV-Position 05.05. Es gibt auch hier weder ein Nachtragsangebot noch eine dokumentierte Nachtragsbeauftragung. Die Screenshots, die sich im Anhang zu der Anlage K 17, der Schlussrechnung der Beklagtenseite, befinden, besagen nichts über die Beauftragung und belegen auch nicht die Erbringung dieser Leistungen. Durch Sachverständigenbeweis kann im Nachhinein nicht geklärt werden, ob und in welchem Umfang die Beklagtenseite diese Leistungen erbracht hat. Für die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu dieser Frage ist daher kein Raum.

(13) Unter der Nachtragsposition 05.07.0007 NT macht die Beklagtenseite 2.108,20 Euro netto für eine Musterleuchte SITECO Floodlight 20LED zur Bemusterung vor Ort geltend.

Hierfür gibt es weder ein Nachtragsangebot noch eine Nachtragsbeauftragung. Auch kann den Aufmaßunterlagen nicht die Erbringung dieser Leistung durch die Beklagtenseite entnommen werden.

dd) Der Beklagtenseite steht also ein Vergütungsanspruch für die erbrachten Leistungen zu, der sich wie folgt zusammensetzt:

Titel 05.00

05.00.0001 416,00 Euro

05.00.0003 0,00 Euro

Titel 05.01

05.01.0001 218,16 Euro

Titel 05.02

05.02.0001 1.655,11 Euro

05.02.0002 1.474,85 Euro

05.02.0003 1.618,42 Euro

05.02.0004 1.655,11 Euro

Titel 05.03

05.03.0001 83,88 Euro

05.03.0002 640,96 Euro

05.03.0003 297,04 Euro

05.03.0005 885,15 Euro

05.03.0006 381,64 Euro

05.03.0008 958,20 Euro

05.03.0012 636,16 Euro

Titel 05.04

05.04.0001 1.415,50 Euro

Titel 05.07

05.07.0003 669,02 Euro

05.07.0005 416,00 Euro

Titel 05.08

05.08.0004 6,52 Euro

05.08.0005 263,68 Euro

05.08.0006 8.815,04 Euro

Nachträge

05.02.0005 NT 711,20 Euro

05.02.0006 NT 711,20 Euro

05.02.0007 NT 711,20 Euro

05.02.0008 NT 711,20 Euro

05.03.0014 NT 0,00 Euro

05.03.0016 NT 0,00 Euro

05.03.0017 NT 0,00 Euro

05.03.0018 NT 0,00 Euro

05.03.0019 NT 0,00 Euro

05.10.0010 NT 0,00 Euro

05.10.0011 NT 0,00 Euro

05.11.0012 NT 0,00 Euro

05.04.0017 NT 0,00 Euro

05.04.0018 NT 0,00 Euro

05.04.0007 NT 0,00 Euro

Summe 25.351,24 Euro

Als Vergütung für erbrachte Leistungen kann daher lediglich ein Betrag von 25.351,24 Euro angesetzt werden.

h) Insgesamt ergibt sich daher folgende Berechnung hinsichtlich des Klageantrags Ziff. 1:

Anspruch der Klägerin auf Fertigstellungsmehrkosten: 81.381,19 Euro

Eigener Aufwand 0,00 Euro

Bürgschaftskosten: 4.605,15 Euro

abzügl. Vergütung d. Bekl. für erbrachte Leistungen: – 25.351,24 Euro

ergibt: 60.635,10 Euro.

Der Betrag ist gemäß §§ 280 Abs. 2, 286, 288 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, 291 BGB zu verzinsen. Die Zustellung der Klageschrift an die Beklagtenseite erfolgte am 22. April 2021. Zinsen sind daher ab dem 23. April 2021 geschuldet. Der Zinssatz beträgt gemäß § 288 Abs. 2 BGB 9 Prozentpunkte über dem jeweiligen Basiszinssatz, da an dem Rechtsgeschäft kein Verbraucher beteiligt ist.

2. Zum Klageantrag Ziff. 2

Die Klägerin hat ferner Anspruch gegen den Beklagten 1 auf Erstattung von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 1.642,40 Euro.

Geltend gemacht wird ausweislich der pro-forma-Rechnung des Klägervertreters vom 20. März 2021 an die Klägerin eine 1,3 Geschäftsgebühr aus einem Gegenstandswert von 99.708,37 Euro, also ein Betrag von 1.933,90 Euro zuzüglich der Auslagenpauschale von 20,00 Euro, insgesamt also 1.953,90 Euro.

In der pro-forma-Rechnung ist der Vermerk enthalten, das Honorar sei bereits im Rahmen der Honorarvereinbarung bezahlt.

Die Anwaltskosten, die als Schadensersatz zu erstatten sind, sind aber nur aus einem Gegenstandswert von 60.635,10 Euro zu berechnen (s.o.).

Eine 1,3 Geschäftsgebühr aus diesem Streitwert beläuft sich auf 1.622,40 Euro

zzgl. Pauschale nach Nr. 7002 VV RVG 20,00 Euro

Ergibt: 1.642,40 Euro.

Der Betrag ist ab dem 23. April 2021 mit fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz jährlich zu verzinsen.

3. Zu den Klageanträgen Ziff. 2a. und Ziff. 2 b.

Die Klägerin hat ferner Anspruch gegen den Beklagten 1 gemäß ihren mit Schriftsatz vom 12. Januar 2023 und mit Schriftsatz vom 12. Januar 2023 im Wege der Klageerweiterung gestellten Klageanträgen Ziff. 2a. und Ziff. 2c. auf Zahlung von Avalprovision für den Zeitraum vom 1. Januar 2021 bis zum 31. Dezember 2022 in Höhe von 694,17 Euro und für den Zeitraum vom 1. Januar 2022 bis zum 24. November 2022 in Höhe von 748,95 Euro.

Der Anspruch ergibt sich aus § 648a Abs. 1 BGB a.F. Zur Begründung wird auf die Ausführungen oben unter A. II. 1. f) ff) verwiesen.

Die Zustellung des Klageerweiterungsschriftsatzes vom 17. Januar 2022 an die Beklagtenseite erfolgte am 30. Januar 2022. Der Betrag von 694,17 Euro ist daher gemäß §§ 280 Abs. 2, 286, 288 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, 291 BGB ab dem 31. Januar 2022 mit 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.

Die Zustellung des Klageerweiterungsschriftsatzes vom 12. Januar 2023 an die Beklagtenseite erfolgte am 16. Januar 2023. Der Betrag von 748,95 Euro ist gemäß §§ 280 Abs. 2, 286, 288 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, 291 BGB ab dem 17. Januar 2023 mit 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen. Die Zinshöhe ergibt sich aus § 288 Abs. 2 BGB.

4. Zum ursprünglichen Klageantrag Ziff. 3

Soweit die Klägerin mit ihrem Klageantrag Ziff. 3 zunächst die Herausgabe einer Bürgschaft der [Name Kreditinstitut] in Höhe von 70.000,00 Euro verlangte hatte, haben die Parteien diesen Antrag in der mündlichen Verhandlung am 29. Februar 2024 übereinstimmend für erledigt erklärt.

B.

Widerklage

Die Widerklage ist zulässig, aber nicht begründet.

I.

Zulässigkeit

Die Widerklage ist zulässig.

Das Landgericht ist für die Widerklage zuständig.

Die Widerklage wird von beiden Beklagten erhoben. Dies hat der Beklagtenvertreter mit Schriftsatz vom 31. August 2022 klargestellt.

II.

Begründetheit

Die Widerklage ist nicht begründet. Zwar hat die Klägerin die erbrachten Leistungen dem Beklagten 1 zu vergüten. Ein Anspruch auf Vergütung für nicht erbrachte Leistungen besteht hingegen nicht, da die Klägerin den Nachunternehmervertrag berechtigt gekündigt hat. Der Vergütungsanspruch für die erbrachten Leistungen ist aber bereits durch die zumindest konkludent erklärte Aufrechnung der Klägerin erloschen.

1. Die Beklagten haben keinen Anspruch gegen die Klägerin auf Zahlung von 58.629,32 Euro.

a) Hinsichtlich der vertraglichen Grundlagen, insbesondere der Frage, wer auf Auftragnehmerseite Partei des Nachunternehmervertrags vom 8. November 2017 geworden ist, wird auf die Ausführungen im Rahmen der Klage verwiesen.

b) Auch bezüglich der Frage, ob das Vertragsverhältnis von der Klägerin wirksam gemäß § 8 Abs. 3 VOB/B beendet worden ist, wird auf die Ausführungen im Rahmen der Klage verwiesen.

c) Die Widerklage wird auf die Schlussrechnung vom 19. April 2021 gestützt.

Darin werden für erbrachte Leistungen einschließlich Nachträgen 44.656,47 Euro und für nicht erbrachte Leistungen 13.972,85 Euro geltend gemacht. Wegen der Einzelheiten wird auf die Schlussrechnung verwiesen.

d) Dem Beklagten 1 steht aber kein Zahlungsanspruch für die erbrachten Leistungen und für nicht erbrachte Leistungen zu. Hinsichtlich der Beklagten 2 scheitert ein Zahlungsanspruch schon daran, dass sie nicht Vertragspartnerin der Klägerin geworden ist.

Wie oben unter A. II. 1. dargelegt worden ist, steht der Klägerin ein Zahlungsanspruch zu. Bei der Berechnung dieses Zahlungsanspruchs ist die Vergütung der Beklagtenseite für die erbrachten Leistungen bereits mit 25.351,24 Euro berücksichtigt worden. Auf die Ausführungen unter A. II. 1. g) wird verwiesen.

Auch hinsichtlich der nicht erbrachten Leistungen kann die Beklagtenseite keine Zahlung von 5 % des Wertes der nach ihrem Vortrag nicht ausgeführten Leistungen verlangen. Wie bereits dargelegt worden ist, hat die Klägerin den Nachunternehmervertrag bereits außerordentlich fristlos gekündigt. Die Beklagtenseite hat daher keinen Vergütungsanspruch gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 2 VOB/B oder § 649 S. 2 BGB i.d.F. bis zum 31. Dezember 2017.

2. Den Beklagten steht daher auch kein Zinsanspruch zu.

C.

Nebenentscheidungen

Die Kostenentscheidung ergeht gemäß §§ 91, 91a Abs. 1 S. 1, 281 Abs. 3 S. 2 ZPO und den Grundsätzen der Baumbach’schen Kostenentscheidung.

Hinsichtlich des ursprünglichen Klageantrags Ziff. 2b., der auf die Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung weiterer anfallender Avalprovision gerichtet war, hat die Klägerin zwar mit Schriftsatz vom 12. Januar 2023 erklärt, dieser Anspruch sei erledigt. Allerdings liegt insoweit kein Fall der Erledigung im prozessualen Sinne vor. Vielmehr handelt es sich um eine zulässige Klageänderung, da die Klägerin in dem Schriftsatz vom 12. Januar 2023 stattdessen die weiter angefallene Avalprovision mit ihrem neuen Klageantrag Ziff. 2c. geltend gemacht hat.

Eine Erledigung im prozessualen Sinn liegt allerdings hinsichtlich des ursprünglichen Klageantrags Ziff. 3 der Klägerin vor. Diesen Antrag haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 29. Februar 2024 übereinstimmend im Hinblick auf die erfolgte Rückgabe der Bürgschaft für erledigt erklärt. Daher war insoweit gemäß § 91a Abs. 1 S. 1 ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen über die Kosten zu entscheiden. Die Kosten sind insoweit dem Beklagten aufzuerlegen, da er zur Herausgabe der Bürgschaft verurteilt worden wäre, wenn die Bürgschaft nicht herausgegeben worden wäre.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

Die Streitwertbemessung erfolgt gemäß § 48 GKG, §§ 3, 6 ZPO und berechnet sich wie folgt:

Klage:

Klageantrag Ziff. 1 99.708,38 Euro

Klageantrag Ziff. 2 nicht werterhöhend

Klageantrag Ziff. 2a. 694,17 Euro

Klageantrag Ziff. 2b u. 2c. 748,95 Euro

Klageantrag Ziff. 3 21.000,00 Euro

Widerklage: 58.629,32 Euro

Summe: 180.780,82 Euro.

Der Wert für den Klageantrag Ziff. 3 war auf 30 % der Bürgschaftssumme von 70.000,00 Euro, also 21.000,00 Euro zu veranschlagen.

OLG Zweibrücken ua zu der Frage, dass eine Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Bauunternehmens, wonach “beide Parteien (…) ab Vertragsunterzeichnung bis Ablauf eines Jahres an den vereinbarten Preis gebunden (sind), vorausgesetzt, die Bauarbeiten werden innerhalb von drei Monaten nach Vertragsabschluss begonnen. Ist dies nicht möglich, gilt der neue Listenpreis.”, den Besteller unangemessen benachteiligt und unwirksam ist

OLG Zweibrücken ua zu der Frage, dass eine Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Bauunternehmens, wonach "beide Parteien (...) ab Vertragsunterzeichnung bis Ablauf eines Jahres an den vereinbarten Preis gebunden (sind), vorausgesetzt, die Bauarbeiten werden innerhalb von drei Monaten nach Vertragsabschluss begonnen. Ist dies nicht möglich, gilt der neue Listenpreis.", den Besteller unangemessen benachteiligt und unwirksam ist

vorgestellt von Thomas Ax

1. Ein Pauschalpreis ist ein grundsätzlich unveränderlicher Festpreis. Etwas anderes gilt, wenn eine Preisgleitklausel wirksam vereinbart wurde.
2. Eine Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Bauunternehmens, wonach “beide Parteien (…) ab Vertragsunterzeichnung bis Ablauf eines Jahres an den vereinbarten Preis gebunden (sind), vorausgesetzt, die Bauarbeiten werden innerhalb von drei Monaten nach Vertragsabschluss begonnen. Ist dies nicht möglich, gilt der neue Listenpreis.”, benachteiligt den Besteller unangemessen und ist unwirksam.
3. Weigert sich der Unternehmer, den Vertrag zum vereinbarten Festpreis zu erfüllen, ist der Besteller zur Kündigung aus wichtigem Grund berechtigt und kann vom Unternehmer diejenigen Mehrkosten ersetzt verlangen, die ihm durch Beauftragung eines Drittunternehmers mit der Herstellung des ursprünglich vom Unternehmer zu errichtenden Hauses entstehen.
OLG Zweibrücken, Beschluss vom 13.07.2023 – 5 U 188/22
vorhergehend:
LG Kaiserslautern, 14.12.2022 – 2 O 274/22


Tenor

1. Die Beklagte wird darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, ihre Berufung gegen das Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Kaiserslautern vom 14.12.2022, Az. 2 O 274/22, durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme für die Beklagte bis zum 09.08.2023.

Gründe

I.

Die Parteien schlossen am 16.12.2020 einen Vertrag, in dem sich die Beklagte gegenüber den Klägern dazu verpflichtete, zu einem Pauschalpreis in Höhe von 301.358,00 Euro ein Massivhaus auf einem bestimmten Baugrundstück zu errichten. Hierzu verwendeten die Parteien ein Vertragsmuster der Beklagten, in dem es unter § 3 Abs. 3 auszugsweise heißt:

“Beide Parteien sind ab Vertragsunterzeichnung bis Ablauf eines Jahres an den oben vereinbarten Preis gebunden, vorausgesetzt, die Bauarbeiten werden innerhalb von 3 Monaten nach Vertragsabschluss begonnen. Ist dies nicht möglich, gilt der neue Listenpreis. (…)”

Wegen der weiteren Einzelheiten der vertraglichen Vereinbarung wird auf die zur Akte gereichten Vertragsunterlagen (Anlagen K1-K3, eA I 7 ff.) Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 24.06.2021 teilte die Beklagte den Klägern unter Berufung auf die vorbezeichnete Vertragsklausel eine Preiserhöhung auf 350.315,75 Euro mit. Mit Schreiben vom 10.09.2021 widersprachen die Kläger der Preiserhöhung und forderten die Beklagte auf, binnen zwei Wochen ab Zugang des Schreibens mit den Bauarbeiten zu beginnen. Hierauf teilte die Beklagte den Klägern mit Schreiben vom 28.09.2021 unter anderem mit, dass es für sie unzumutbar und existenzgefährdend sei, am vereinbarten Festpreis festzuhalten, woraufhin die Kläger mit Schreiben ihrer jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 29.10.2021 erklärten, den Vertrag zu kündigen.

Die Kläger beauftragten sodann ein anderes Unternehmen ebenfalls zu einem Festpreis mit der Errichtung eines Massivhauses auf ihrem Baugrundstück. Sie begehren vorliegend die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für hierdurch entstehende Kostensteigerungen.

Die Kammer hat der Klage stattgegeben. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die Klageabweisung beantragt.

II.

1. Die zulässige Berufung der Beklagten hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Zu Recht hat das Landgericht die von den Klägern verlangte Feststellung ausgesprochen. Der Senat macht sich die Ausführungen des Erstrichters auf den Seiten 4 bis 9 des angegriffenen Urteils mit den nachfolgenden Einschränkungen und Ergänzungen zu eigen. Auch die übrigen Voraussetzungen einer Zurückweisung der Berufung durch Beschluss (vgl. § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 bis 4 ZPO) liegen vor.

a) Mit ihrer Feststellungsklage erstreben die Kläger bei sachgerechter Auslegung ihres Klageantrags anhand des von ihnen verfolgten Rechtsschutzziels (Klageschrift, Seite 3 Mitte / unten = eA I 3 Mitte / unten) die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für Schäden, die darauf zurückzuführen sind, dass die Beklagte es endgültig abgelehnt hat, den Vertrag über die Errichtung des im Ausspruch beschriebenen Massivhauses auf dem dort bezeichneten Grundstück zu der vereinbarten Vergütung zu erfüllen.

b) Die Feststellungsklage ist zulässig.

Entgegen der Auffassung der Berufung fehlt es nicht am dafür notwendigen Feststellungsinteresse (§ 256 Abs. 1 ZPO). Ein rechtliches Interesse an einer alsbaldigen Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses ist gegeben, wenn dem Recht der Klagepartei eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit droht und wenn das erstrebte Urteil geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen. Bei einer positiven Feststellungsklage liegt eine solche Gefährdung in der Regel schon darin, dass der Beklagte das Recht des Klägers ernstlich bestreitet (BGH, Urteil vom 7. Februar 1986 – V ZR 201/84, m.w.N.). So liegt es hier, weil die Beklagte einen Schadensersatzanspruch der Kläger mit der Verteidigung ihrer Weigerung, das Haus zum vertraglich vereinbarten Pauschalpreis von 301.358,00 Euro zu errichten, schon dem Grunde nach in Abrede stellt.

Der Annahme eines rechtlichen Interesses i.S.d. § 256 Abs. 1 ZPO steht auch nicht entgegen, dass die Feststellungsklage auf den Ausgleich eines Vermögensschadens gerichtet ist. Die Zulässigkeit eines solchen Feststellungsantrags setzt die Darlegung von Tatsachen voraus, aus denen sich die Wahrscheinlichkeit eines auf die Verletzungshandlung zurückzuführenden Schadens ergibt (bspw. BGH, Urteil vom 26.07.2018 – I ZR 274/16 und vom 04.03.2015 – IV ZR 36/14, jeweils m.w.N.). Das ist den Klägern gelungen. Sie haben – jedenfalls insoweit von der Beklagten unbestritten (Replik, Seite 10 oben/Mitte = eA I 133 oben / Mitte: (“das zwischenzeitlich beauftragte Unternehmen”) – vorgetragen, mittlerweile ein anderes Bauunternehmen mit der Errichtung eines Massivhauses auf dem in Rede stehenden Baugrundstück beauftragt zu haben. Dass die Beklagte den von den Klägern behaupteten – den zwischen den Parteien vereinbarten Pauschalpreis übersteigenden – Angebotspreis bestritten hat (Klageerwiderung, Seite 12 Mitte / unten = eA I 69 Mitte / unten), ist ohne Belang. Denn wie sie selbst – zutreffend – vorträgt, steigen die Kosten für Baumaterial seit dem Jahr 2020 kontinuierlich an, so dass alleine der Umstand einer zeitlich nachfolgenden Beauftragung der S… G… eine vergleichsweise hohe Preisabrede und damit den Eintritt eines Schadens als hinreichend wahrscheinlich erscheinen lässt.

Da – wie die Kläger auf Seite 4 Mitte der Klageschrift (eA I 4 Mitte) unbestritten vorgetragen haben – auch der Angebotspreis der S… G… auf dem die spätere Beauftragung basiert, Preisanpassungen unterworfen sein kann, steht es den Klägern auch frei, die Feststellung der Ersatzpflicht in vollem Umfang zu verlangen (unabgegrenzte Schadensentwicklung, vgl. bspw. BGH, Urteil vom 19.04.2016 – VI ZR 506/14, m.w.N.).

Der Klageantrag bezeichnet das festzustellende Rechtsverhältnis noch hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).

Anders als die Beklagte meint, umreißt er die der Beklagten zur Last gelegte Pflichtverletzung durch Benennung des Vertragsdatums, der Spezifikationen des zu errichtenden Hauses und der vereinbarten Vergütung (noch) ausreichend präzise. Mit seinen am Klageantrag ausgerichteten Ausspruch ist das angefochtene Urteil auch der Rechtskraft fähig. Die Reichweite der Bindungswirkung des Feststellungsurteils könnte von zur Entscheidung im Betragsverfahren berufenen Gerichten hinreichend präzise ermittelt werden. Reichen Urteilsformel, Tatbestand und Entscheidungsgründe nicht aus, um den Rechtskraftgehalt (§ 322 Abs. 1 ZPO) zu ermitteln, ist erforderlichenfalls auch das Parteivorbringen ergänzend heranzuziehen (BGH, Urteil vom 14.02.2008 – I ZR 135/05, m.w.N.). Zugunsten der Beklagten kann rechtlich unterstellt werden, dass der Rechtskraftgehalt des Feststellungsausspruchs aus den Bestandteilen der angefochtenen Entscheidung allein nicht hinreichend genau ermittelt werden kann. Denn dann müsste der Klagevortrag in den Blick genommen werden, aus dem sich eindeutig ergibt, dass die Kläger der Beklagten zur Last legen, das in Rede stehende Haus nicht am vertraglich festgehaltenen Baugrundstück errichtet zu haben (Klageschrift, Seite 3 Mitte = eA I 3 Mitte).

c) Die Feststellungsklage ist auch begründet.

Den Klägern steht gegen die Beklagte dem Grunde nach ein Anspruch auf Ersatz derjenigen Mehrkosten zu, die ihnen durch die Vornahme eines Deckungsgeschäfts (Beauftragung eines anderen Unternehmens mit der Herstellung des ursprünglich von der Beklagten zu errichtenden Massivhauses) entstehen (§ 280 Abs. 1 BGB).

Die Parteien haben einen Verbraucherbauvertrag (§§ 631, 650a Abs. 1 Satz 1, 650i Abs. 1 BGB) geschlossen, der bis zur Kündigung durch die Kläger auch Rechtswirkung entfaltet hat. Denn anders als die Beklagte offenbar meint (zuletzt BB 4 = eA II 4), wurde der Vertrag – ersichtlich – nicht unter der aufschiebenden Bedingung des Baubeginns innerhalb von 3 Monaten nach Vertragsabschluss geschlossen. Insoweit nimmt der Senat vollumfänglich auf die zutreffenden Ausführungen bei LGU 8 Abs. 1 Bezug. Soweit die Berufung den Erwägungen des Landgerichts unter Verweis auf die Bestimmung des § 10 Abs. 6 VOB/A entgegentritt (BB 4 Abs. 3 = eA II 25 Abs. 3), erschließt sich dem Senat der zugrundeliegende Gedankengang schon im Ausgangspunkt nicht. Indessen zielt der Einwand bereits deshalb ins Leere, weil die Parteien die Geltung der VOB/A nicht vereinbart haben.

Indem die Beklagte die Herstellung des Massivhauses von einer Mehrvergütung, die ihr nicht zustand (dazu sogleich), abhängig gemacht hat, hat sie – von ihr zu vertreten (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB) – eine Pflicht aus dem mit den Klägern geschlossenen Vertrag verletzt.

Die Beklagte war nicht berechtigt, die Herstellung des Werks zum ursprünglich vereinbarten Pauschalpreis unter Verweis auf ein ihr zustehendes Recht (§ 3 Abs. 3 des Vertrages) bzw. einen Anspruch auf Anpassung der Preisabrede (§ 313 Abs. 1 BGB) zu verweigern.

§ 3 Abs. 3 des Vertrages ist unwirksam.

Ob dies bereits ohne Weiteres aus § 309 Nr. 1 BGB folgt, oder ob das Klauselverbot im Streitfall nicht einschlägig ist, da die Parteien gegebenenfalls deshalb keine Leistungserbringung innerhalb von 4 Monaten nach Vertragsschluss vereinbart haben, weil schon die zeitliche Festlegung des Baubeginns erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen sollte (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Vertrag = eA I 10), kann offenbleiben. Denn wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, ergibt sich die Unwirksamkeit der Klausel jedenfalls aus § 307 BGB.

Der Erstrichter hat sich zu Recht auf den Standpunkt gestellt, dass die vorbezeichnete, von der Beklagten gestellte (§ 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB) Formularklausel (§ 3 Abs. 3 des Vertrages) sich an § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB messen lassen muss. Die Berufung irrt, wenn sie (sinngemäß) meint, bei der Vergütungsregelung gemäß § 3 Abs. 1, 3 und 4 des Vertrages handle es sich insgesamt um eine nicht kontrollfähige Preishauptabrede über einen variablen Werklohn. Denn eine Vergütungsregelung unterliegt, dann, wenn sie – wie hier § 3 Abs. 3 des Vertrages – künftige Veränderungen des bei Vertragsschluss vereinbarten Werklohns zum Gegenstand hat einer über das Transparenzgebot hinausgehenden Inhaltskontrolle am Maßstab des § 307 Abs. 1 BGB, weil es sich um eine Preisnebenabrede handelt. Diese hat zwar mittelbare Auswirkungen auf den Preis, bestimmt aber anders als die Hauptabrede – hier die Vereinbarung eines Festpreises (§ 3 Abs. 1 des Vertrages) – nicht Grund und Umfang der Vergütung. Sie regelt dessen mögliche Änderung im Laufe der Vertragsdurchführung. Eine Preisnebenabrede wie § 3 Abs. 3 des Vertrages weicht damit von dem das dispositive Recht beherrschenden Grundsatz, nach dem die Preisvereinbarung der Parteien bei Vertragsschluss für die gesamte Vertragsdauer bindend ist, ab. Sie ist daher der Inhaltskontrolle unterworfen (§ 307 Abs. 3 Satz 1 BGB; vgl. bspw. BGH, Urteil vom 14.05.2014 – VIII ZR 114/13, m.w.N.)

Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht auch angenommen, dass die in Rede stehende Klausel den Vertragspartner der Beklagten als Verwenderin entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB). Denn sie ermöglicht es der Verwenderin, den vereinbarten Werklohn – durch die Festlegung ihrer Listenpreise – über die Abwälzung konkreter Kostensteigerungen (etwa der Lohn- und Materialkosten) hinaus ohne Begrenzung einseitig anzuheben. Das benachteiligt ihre Vertragspartner – die Besteller eines Hauses zu einem Festpreis – deshalb unangemessen, weil sie der Formulierung der Klausel nicht bereits bei Vertragsschluss entnehmen können, in welchem Umfang Preiserhöhungen auf sie zukommen könnten. Gerade der Besteller eines Neubaus ist hierauf aber in besonderem Maße angewiesen, weil oft die ganze Finanzierung auf den Festpreis ausgerichtet ist, sich aber durch die Größenordnung der jeweils vereinbarten Vergütung schon prozentual vermeintlich geringfügige Änderungen erheblich zu seinem Nachteil auswirken und an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit bringen können (vgl. zu einer im Wesentlichen identischen Klausel BGH, Urteil vom 20.05.1985 – VII ZR 198/84, zu § 9 Abs. 1 AGBGB).

Ob eine Preisanpassungsklausel wie die vorliegende dann einer Inhaltskontrolle am Maßstab des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB standhalten würde, wenn der Vertrag dem Besteller für den Fall der Preiserhöhung eine folgenlose Lösungsmöglichkeit einräumt, bedarf keiner Entscheidung. Denn ein solches Lösungsrecht sieht der vorliegende Vertrag nicht vor. (Auch) bei dem von der Berufung angeführten Recht zu freien Kündigung handelt es sich, wie sie selbst erkennt (BB 6 Abs. 3 = eA II 27 Abs. 3), gerade nicht um solch eine Lösungsmöglichkeit.

Da eine Aufrechterhaltung der Klausel mit dem Inhalt, dass sie ausschließlich auf Material- und Lohnpreissteigerungen Anwendung findet, ausscheidet (Verbot der geltungserhaltenden Reduktion) und der Vertrag im Übrigen wirksam geblieben ist (§ 306 Abs. 1 BGB), ist es im Streitfall bis zur Kündigung beim vereinbarten Festpreis verblieben.

Ein Anspruch auf Preisanpassung, der die Beklagte dazu berechtigt hätte, die Herstellung zum vereinbarten Pauschalpreis zu verweigern, stand ihr auch unter dem Gesichtspunkt der Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 Abs. 1 BGB) nicht zu. Auch dies hat der Erstrichter zutreffend erkannt. Für eine Berücksichtigung von Störungen der Geschäftsgrundlage ist dann kein Raum, wenn es um Umstände geht, die nach den vertraglichen Vereinbarungen – wie hier infolge der Vereinbarung eines Festpreises das Kostenrisiko für die Beschaffung von Baumaterial – in den Risikobereich alleine einer der Parteien, hier der Beklagten, fallen sollen. Eine solche vertragliche Regelung schließt für den Betroffenen regelmäßig die Möglichkeit aus, sich bei Verwirklichung des Risikos auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage zu berufen (bspw. BGH, Urteil vom 09.03.2010 – VI ZR 52/09 m.w.N.). Ob die hier gegenständliche Materialpreissteigerung von – wie die Beklagte vorträgt – ca. 17 % (BB 6 unten = eA II 27 unten) noch eine “normale” Preisschwankung darstellt, mit der sie bei Vertragsschluss ohne Weiteres hätte rechnen müssen, oder ob diese Steigerung bereits so außerordentlich ist, dass trotz Festpreisvereinbarung nicht ohne Weiteres von einer so weitgehenden einseitigen Risikoübernahme ausgegangen werden könnte, kann dahingestellt bleiben. Letzteres kann rechtlich zugunsten der Beklagten unterstellt werden. Denn selbst dann, wenn man zu ihren Gunsten weiterhin ein “erhebliches Verlustgeschäft” (BB aaO = eA II aaO) unterstellt, war ihr die Herstellung des Hauses zum ursprünglich vereinbarten Festpreis nicht unzumutbar (§ 313 Abs. 1 BGB). Angesichts der überragenden Bedeutung, die dem Grundsatz der Vertragstreue zukommt, ist die Berufung auf eine Störung der Geschäftsgrundlage nur dann zulässig, wenn dies zur Vermeidung eines “untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit nicht zu vereinbarenden und damit der betroffenen Partei nicht zumutbaren Ergebnisses unabweislich erscheint. Dies kann jedoch dann nicht angenommen werden, wenn die betroffene Partei die Möglichkeit gehabt hätte, ein für sie untragbares und unzumutbares Ergebnis zu vermeiden” (BGH, Urteil vom 08.02.1978 – VIII ZR 221/76, m.w.N.). Diese Möglichkeit hatte die Beklagte hier. Sie hat sie nicht genutzt. Insbesondere zur Absicherung der Gefahr von Materialpreissteigerungen hat sie eine Formularklausel gestellt, die ihr ein Preisanpassungsrecht einräumen sollte. Wäre die Bestimmung wirksam, hätte die Beklagten eine Vergütungsanpassung auch bei exorbitanten Kostensteigerungen erwirken können. Dass sie die Risikoabsicherung mithilfe einer unwirksamen Vertragsbestimmung verfolgt hat, die ihre Kunden treuwidrig unangemessen benachteiligt, kann sie nicht entlasten. Denn hierdurch hat sich nur ein weiteres Risiko verwirklicht, das sie selbst durch die Verwendung dieser AGB in Verbraucherverträgen eingegangen ist.

Die Weigerung der Beklagten, den Vertrag zum vereinbarten Festpreis zu erfüllen, ist auch ursächlich für ihre Kündigung und die Entscheidung der Kläger gewesen, das Massivhaus durch ein anderes Unternehmen errichten zu lassen.

Ihre Vertragskündigung hindert die Kläger nicht daran, Ersatz der Mehrkosten des Deckungsgeschäfts zu verlangen. Es kann dahinstehen, ob ihre Kündigung den Vertrag als außerordentliche oder freie Kündigung (§ 140 BGB) beendet hat: Für eine Kündigung aus wichtigem Grund stellt § 648a Abs. 6 BGB klar, dass die Berechtigung, Schadensersatz zu verlangen, durch die Kündigung nicht ausgeschlossen wird. Nach einer freien Kündigung kann der Besteller dann Schadensersatzansprüche geltend machen, wenn er auch berechtigt war, den Vertrag außerordentlich zu kündigen (bspw. BGH, Urteil vom 15.12.1998 – X ZR 90/96). So liegt es hier. Den Klägern stand aufgrund der unberechtigten Weigerung der Beklagten, zum vereinbarten Festpreis zu erfüllen, die sie auch nach dem zutreffenden Hinweis der Kläger auf die Unwirksamkeit der Preisanpassungsklausel (Schreiben der Kläger vom 10.09.2021 = eA I 41) und nach Inanspruchnahme rechtlicher Beratung beharrlich aufrechterhaltenen hat (Schreiben der Beklagten vom 28.09.2021, Seite 1 = eA I 43), das Recht zur außerordentlichen Vertragskündigung zu (vgl. bspw. BGH, Urteil vom 29.06.1989 – VII ZR 330/87, m.w.N.).

Weil die Kläger demnach so zu stellen sind, wie sie stünden, wäre die vorbezeichnete Vertragsverletzung der Beklagten nicht erfolgt und es nicht zur Kündigung gekommen, hat die Beklagte den Klägern diejenigen Mehrkosten zu ersetzen, die ihnen durch die Beauftragung eines anderen Unternehmers mit der Errichtung des Massivhauses auf ihrem Baugrundstück entstehen (Kündigungsfolgeschaden).

Ob und falls ja inwieweit das von der ### gebaute Haus am Ende von der ursprünglichen Planung und Ausstattung des ursprünglichen Gebäudes abweicht, und ob auf solchen Abweichungen beruhende Mehrkosten ersatzfähig sind, ist für den vorliegenden Feststellungsprozess ohne Bedeutung. Es handelt sich um Fragen der äquivalenten und adäquaten Schadenskausalität, die im Betragsverfahren zu klären sind.

d) Auch wenn der Feststellungsausspruch des Landgerichts bereits als Grundlage für die Durchführung des Betragsverfahrens taugt (siehe oben a und b), der Beklagten also auch bei einer Rücknahme des Rechtsmittels keine Nachteile entstünden, beabsichtigt der Senat, ihn im Fall der Beschlusszurückweisung der Berufung klarstellend dahin neu zu fassen, dass festgestellt wird, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klägern denjenigen Schaden zu ersetzen, der auf die Weigerung der Beklagten, den am 16.12.2020 geschlossenen Vertrag zur Errichtung eines ### mit dem im Tenor des Landgerichts ausgeführten Spezifikationen auf dem Baugrundstück ### zum Pauschalpreis von 301.358,00 Euro zu erfüllen, zurückzuführen ist.

2. Da die Berufung nach alledem keine Aussicht auf Erfolg hat, legt der Senat der Beklagten aus Kostengründen die Rücknahme des Rechtsmittels nahe. Im Fall der Rücknahme ermäßigen sich die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).

OLG Köln ua zu der Frage, dass sich die Höhe des Vorschussanspruchs zur Mängelbeseitigung nach den – aus Sicht eines vernünftigen, wirtschaftlich denkenden und sachkundig beratenen Bestellers – für die Mängelbeseitigung voraussichtlich erforderlichen Aufwendungen bemisst, die sich durch Gutachten oder Einholung von Angeboten ermitteln lassen

OLG Köln ua zu der Frage, dass sich die Höhe des Vorschussanspruchs zur Mängelbeseitigung nach den - aus Sicht eines vernünftigen, wirtschaftlich denkenden und sachkundig beratenen Bestellers - für die Mängelbeseitigung voraussichtlich erforderlichen Aufwendungen bemisst, die sich durch Gutachten oder Einholung von Angeboten ermitteln lassen

vorgestellt von Thomas Ax

1. Ob ein Rechtsgeschäft trotz eines Gesetzesverstoßes gültig ist, muss im Einzelfall durch Auslegung der jeweiligen Verbotsnorm ermittelt werden, wobei dem Normzweck eine entscheidende Bedeutung zukommt.
2. Der Vertrag kann nur aufrechterhalten werden, wenn er im Übrigen auch ohne die verbotene Abrede (hier: Erlangung nicht zustehender Fördermittel) zu denselben Bedingungen – insbesondere mit derselben Gegenleistung – abgeschlossen worden wäre.
3. Aus der Gesamtschau der Verbotsnorm des § 263 StGB in Verbindung mit den Vorschriften über die Förderung durch die KfW ergibt sich, dass durch die KfW lediglich energetisch förderungswürdige Vorhaben bezuschusst werden sollen. Diesem Förderungszweck lässt sich nicht entnehmen, dass vom Gesetzgeber beabsichtigt war, Rechtsgeschäfte (und auch den mit ihnen zusammenhängenden Leistungsaustausch) ähnlich den Schwarzarbeiter-Fällen in Gänze zu verhindern.
4. Die verbotswidrige und damit nichtige Absprache kann teilweise aufrechterhalten werden, wenn der Hauptzweck des Vertrags nicht das Erschleichen von Fördermitteln war.
5. Der Begriff der allgemein anerkannten Regeln der Technik umfasst alle überbetrieblichen technischen Normen, zu denen beispielsweise die DIN-Normen, die ETB, die Richtlinien des VDI, die Flachdachrichtlinien gehören, sowie die mündlich überlieferten technischen Regeln. Das WTA Merkblatt E-2-13 Ausgabe 04.2014/D (Wärmedämm-Verbundsysteme) beinhaltet anerkannte Regeln der Technik.
6. Die Höhe des Vorschussanspruchs zur Mängelbeseitigung bemisst sich nach den – aus Sicht eines vernünftigen, wirtschaftlich denkenden und sachkundig beratenen Bestellers – für die Mängelbeseitigung voraussichtlich erforderlichen Aufwendungen, die sich durch Gutachten oder Einholung von Angeboten ermitteln lassen. Der Besteller kann die Kosten bei Vorliegen greifbarer Anhaltspunkte auch laienhaft schätzen.
7. Die Anforderungen an die Darlegungslast sind deshalb nicht hoch, zumal der Vorschuss eine vorläufige Zahlung ist, über die am Ende abgerechnet werden muss. Erforderlich sind die Aufwendungen, die mit Sicherheit der Herstellung des vertragsgemäßen Zustands dienen.
OLG Köln, Urteil vom 15.06.2023 – 7 U 5/23
vorhergehend:
LG Aachen, 07.12.2022 – 4 O 24/22
nachfolgend:
BGH, Beschluss vom 17.01.2024 – VII ZR 139/23 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)


Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Aachen vom 07.12.2022 zum Az. 4 O 24/22 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz trägt die Beklagte.

Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages geleistet hat.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 152.131,14 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt von der Beklagten neben dem Ersatz von Sachverständigen- und Rechtsanwaltskosten Kostenvorschuss sowie Feststellung der Ersatzpflicht für den Vorschuss übersteigende Kosten wegen mangelhafter Ausführung von Arbeiten am Wärmedämm-Verbundsystem (WDVS) am Objekt C.-straße N01 in N02 Y..

Der Kläger ließ an dem genannten Objekt umfangreiche Sanierungs- und Neubaumaßnahmen durchführen. Dazu erteilte der Kläger der Beklagten den Auftrag sowohl für das WDVS als auch für Innenputzarbeiten; streitig ist indes, zu welchen Konditionen. Die Beklagte begann mit den Arbeiten im März 2021. Der Kläger zahlte auf verschiedene Akontorechnungen (K1-K4, B2-B6, K15, K16) bzgl. des WDVS insgesamt 51.765,00 Euro.

Nachdem die Arbeiten zu ca. 50 % fertiggestellt waren, zog der Kläger einen Privatsachverständigen hinzu, wobei auch Bauteilöffnungen vorgenommen wurden. Unter dem 20.12.2021 erstellte der Privatsachverständige K. sein Gutachten, welches im Wesentlichen zu dem Ergebnis gelangte, dass die Arbeiten am WDVS (einschließlich der Fensterbank-Arbeiten) dermaßen mangelbehaftet seien, dass eine Standsicherheit des WDVS nicht gewährleistet und nur durch vollständigen Rückbau und Neuaufbau hergestellt werden könne, dessen Kosten er (u.a. aufgrund hoher Entsorgungskosten und ohne Sowieso-Kosten für notwendige Untergrundvorbehandlung) auf 140.806,08 Euro brutto schätze. Wegen der weiteren Einzelheiten des Privatgutachtens wird auf die Anl. K 11, Bl. 23 ff. d.A. Bezug genommen. Der Sachverständige K. stellte dem Kläger für seine Tätigkeit 4.325,06 Euro in Rechnung (Anl. K14, Bl. 94ff d.A.), welche der Kläger auch bezahlte.

Es folgten verschiedene anwaltliche Schreiben, in denen die Beklagte zur Mangelbeseitigung aufgefordert wurde. Mit anwaltlichem Schreiben vom 29.04.2022 erklärte der Kläger schließlich aufgrund der unterbliebenen Mangelbeseitigung und Fertigstellung sowie der nach seiner Kenntnis erfolgten Gewerbeabmeldung und Aufgabe des Geschäftsbetriebs auf Beklagtenseite die Kündigung des Vertrages und räumte “rein vorsorglich nochmals Gelegenheit zur Nachbesserung” bis zum 13.05.2022 ein (Anl. K15, Bl. 126 GA LG). Eine Abnahme und/oder weitere Arbeiten beklagtenseits erfolgten nicht. Eine Schlussrechnung legte die Beklagte – trotz Hinweises des Gerichts und Fristsetzung (Bl. 140, 161 GA LG) – weder für die WDVS-Arbeiten noch für die Innenputzarbeiten vor.

Die Parteien streiten darüber, ob die Innenputzarbeiten gesondert abgerechnet werden sollten oder abgesprochen war, dass die Beklagte die Innenputzarbeiten nicht gesondert als solche, sondern verdeckt über die das WDVS betreffenden Abrechnungen abrechnen sollte, da der Kläger aus energetischen Gründen Fördermittel nur für das WDVS, nicht aber für den Innenputz beanspruchen konnte. Ferner ist die Höhe der voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten streitig, insbesondere die Höhe der bei einem Rückbau anfallenden Entsorgungskosten. Streitig ist auch, ob und welchen Einfluss eine im Juli 2021 eingetretene Hochwasserkatastrophe und eine mögliche daraufhin erfolgte Regulierung durch eine Versicherung des Klägers auf den Schadensersatzanspruch haben könnte. Außerdem ist streitig, in wieweit restlicher Werklohn der Beklagten bei mangelfrei erbrachter Leistung in Höhe von 22.789,69 Euro brutto (Berechnung Bl. 231 GA LG) in Ansatz zu bringen ist. Hilfsweise erklärt die Beklagte die Aufrechnung bzw. ein Zurückbehaltungsrecht mit einem behaupteten Vergütungsanspruch für die Innenputzarbeiten i.H.v. 19.339,88 Euro, welcher sich aus der Aufstellung Anlage B 9 (Bl. 295 GA LG) ergebe.

Nachdem die Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 06.07.2022 nicht aufgetreten ist, hat das Landgericht auf Antrag des Klägers ein vollständig klagestattgebendes Versäumnisurteil erlassen. Die Beklagte hat zur Abwehr der Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil mit Wertstellung des 05.08.2022 einen Betrag i.H.v. 151.008,30 Euro treuhänderisch auf das Konto der Prozessbevollmächtigten des Klägers gezahlt.

Hinsichtlich des weiteren Vortrages der Parteien und der von ihnen gestellten Anträge bis zur erstinstanzlichen Entscheidung wird gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf das Urteil des Landgerichts vom 07.12.2022 Bezug genommen.

Das Landgericht hat das der Klage vollumfänglich stattgebende Versäumnisurteil nach Verhandlung über den Einspruch insgesamt aufrechterhalten. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Anspruch ergebe sich aus §§ 631, 634 Nr. 2, 637 Abs. 3 BGB. Der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag sei nicht nichtig. Sinn und Zweck der Verbotsnorm (§§ 263/264 StGB) führten nicht dazu, dass man von einer Gesamtnichtigkeit ausgehen könne. Daher seien unabhängig davon, ob es überhaupt eine Absprache zwischen den Parteien über eine Einrechnung der Kosten für den Innenputz in die Kosten für das WDVS gegeben hat, jedenfalls Mangelgewährleistungsansprüche möglich. Die Mängel seien substantiiert dargelegt und das pauschale Bestreiten der Beklagten sei aufgrund der ihr obliegenden sekundären Darlegungslast unbeachtlich. Der beklagtenseitige Vortrag zum Einfluss der Hochwasserkatastrophe auf den geltend gemachten Anspruch sei unsubstantiiert, im Übrigen unbeachtlich, da hypothetische spätere Ereignisse den Schaden nicht entfallen ließen. Die Höhe der voraussichtlichen Mangelbeseitigungskosten sei substantiiert dargelegt und von der Beklagten als Fachunternehmen nur unsubstantiiert angegriffen. Insbesondere der Vortrag der Beklagten zu den Abbruchkosten sei unsubstantiiert. Restliche Werklohnforderungen der Beklagten bestünden nicht, weil diese nicht schlussabgerechnet und nicht schlüssig dargelegt seien. Der Vortrag zur Hilfsaufrechnung sei verspätet und mangels ordnungsgemäßer Schlussrechnung mangele es zudem an der Fälligkeit.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung. Sie wiederholt ihren erstinstanzlichen Vortrag, insbesondere hält sie ihre Auffassung aufrecht, dass der gesamte Vertrag wegen der von ihr behaupteten Abrede über die Abrechnung des Innenputzes über die Rechnungen betreffend das WDVS nichtig sei. Sie hält an ihrem Vortrag fest, dass eine Schadenskompensation durch Versicherungsleistungen im Rahmen der “Hochwasserkatastrophe” 2021 erfolgt sei. Die Höhe der Mangelbeseitigungskosten wird von ihr ebenfalls weiterhin bestritten. Schließlich ist sie der Auffassung, dass ihr Einwand der Aufrechnung Erfolg habe bzw. eine Verrechnung des klägerischen Vorschussanspruchs mit ihren behaupteten, noch offenen Vergütungsforderungen zu erfolgen habe. Das Landgericht habe nicht ohne Hinweis auf die Unschlüssigkeit darüber entscheiden dürfen.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

das Urteil des Landgerichts Aachen vom 07.12.2022, Aktenzeichen 4 O 24/22, abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger hält an seinem erstinstanzlichen Vortrag fest und verteidigt das angefochtene Urteil aus den seiner Auffassung nach zutreffenden Gründen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des in zweiter Instanz erfolgten Vortrags wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Inhalt des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 11.05.2023 (Bl. 138 ff. GA) Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Der geltend gemachte Anspruch auf Kostenvorschuss findet seine Rechtsgrundlage in §§ 631, 634 Nr. 2, 637 Abs. 3 BGB.

a) Der Kläger ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (BGH vom 19.01.2017 –VII ZR 235/15) berechtigt, sein Vorschussbegehren ohne die grundsätzlich erforderliche Abnahme geltend zu machen, wenn das Vertragsverhältnis mittlerweile in ein Abrechnungsverhältnis übergegangen ist. Hiervon ist vorliegend nach dem nicht bestrittenen Klägervortrag auszugehen, zumal der Kläger nach erfolgloser Fristsetzung keine Erfüllung, sondern nur noch Zahlungsansprüche geltend macht, der Vertrag klägerseits gekündigt wurde und die Beklagte ihr Gewerbe abgemeldet und den Geschäftsbetrieb aufgegeben hat.

b) Der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag ist entgegen der Ansicht der Beklagten nicht insgesamt nichtig gemäß § 134 BGB, weil er gegen ein gesetzliches Verbot verstößt.

Nicht jeder Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot führt zwingend zur Nichtigkeit des betroffenen Rechtsgeschäfts. Vielmehr tritt diese Rechtsfolge entsprechend dem Normzweckvorbehalt des § 134 HS 2 BGB nur dann ein, “wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt“. Ob das Rechtsgeschäft trotz eines Gesetzesverstoßes gültig ist, muss deshalb im Einzelfall durch Auslegung der jeweiligen Verbotsnorm ermittelt werden, wobei dem Normzweck eine entscheidende Bedeutung zukommt (BGH NJW-RR 2011, 1426; BGHZ 89, 369; NK-BGB/Looschelders Rn. 41; MüKoBGB/Armbrüster Rn. 177; Beater AcP 197 (1997), 505 (515 ff.); Krampe AcP 194 (1994), 1 (28) BeckOGK/Vossler, BGB, Stand 1.3.2023, § 134 Rn. 84-86.1).

Die ständige Rechtsprechung verlangt für die Nichtigkeitsfolge des gesamten Vertrags, dass Hauptzweck des Vertrags gerade die inkriminierte Handlung ist (vgl. etwa BGH 9.6.1954 – II ZR 70/53, BGHZ 14, 25, 30 f; 23.6.1997 – II ZR 220/95, BGHZ 136, 125, 132; 13.2.2003 – IX ZR 76/99, NJW-RR 2003, 1565, 1568; 14.12.2016 – IV ZR 7/15, NZG 2017, 476, 478; BAG 26.2.2003 – 5 AZR 690/01, NZA 2004, 313, 315). Ist das nicht der Fall, soll der Vertrag nicht ohne Weiteres unwirksam sein (BGH 17.12.1965 – V ZR 115/63, WM 1966, 161, 163; 23.2.1983 – IV a ZR 187/81, NJW 1983, 1843, 1844; 24.4.2008 – VII ZR 42/07, NJW-RR 2008, 1050 f). Unwirksam ist zweifelsfrei in allen Fällen die Abrede über die inkriminierte Handlung. Weil diese jedoch einen Teil des gesamten Geschäfts bildet, kann der Vertrag insgesamt gemäß § 139 BGB nur aufrechterhalten werden, wenn feststeht, dass er auch ohne die verbotene Abrede (etwa der Steuerverkürzung oder hier des Erlangens von nicht zustehenden Fördermitteln) zu denselben Bedingungen – insbesondere mit derselben Gegenleistung – abgeschlossen worden wäre (BGH 3.7.1968 – VIII ZR 113/66, NJW 1968, 1927; 2.7.2003 – XII ZR 74/01, NJW 2003, 2742; 14.12.2016 – IV ZR 7/15, NZG 2017, 476, 478; BGH, Urteil vom 2. Juli 2003 – XII ZR 74/01). Beispiele für Verträge, in denen die strafbare Handlung Hauptzweck ist, sind etwa der Beitrittsvertrag zur Beteiligung an einer KG, wenn die Beitrittserklärung zum Zweck der Steuerersparnis (Verlustzuweisung) rückdatiert wurde (vgl. hierzu OLG Koblenz 22.2.1979 – 6 U 365/78, WM 1979, 1435, 1436 f.), ein Darlehen zum Ankauf unverzollter Zigaretten (siehe Grüneberg/Ellenberger, BGB, 81. Aufl., § 134 Rn. 23) oder eine ausschließlich der Steuerhinterziehung dienende Kontoeröffnung (vgl. RG JW 1935, 420; Liesecke WM 1975, 214, 219). Auch wenn in einem Mietvertrag nur 1/7 der tatsächlich vereinbarten Miete festgehalten ist, liegt ein entsprechender Hauptzweck nahe; maßgeblich sind aber auch insoweit die Umstände des Einzelfalles (BGH 2.7.2003 – XII ZR 74/01, NJW 2003, 2742).

Diese Bewertungsmaßstäbe zu Grunde legend steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Vertrag, den Fall der verbotswidrigen Absprache unterstellt, nicht gesamtnichtig i.S.v. § 134 BGB ist.

Dem Gesetz ist nicht zu entnehmen, dass der Gesetzgeber ähnlich wie im Falle des SchwarzArbG das Ziel verfolgte, derartige Rechtsgeschäfte und auch den insoweit erfolgten Leistungsaustausch in Gänze zu verhindern. Aus der Gesamtschau der Verbotsnorm des § 263 StGB in Verbindung mit den Vorschriften über die Förderung durch die KfW ergibt sich, dass durch die KfW lediglich energetisch förderungswürdige Vorhaben (WDVS) bezuschusst werden sollen, nicht etwa der Verschönerung dienende Verputzarbeiten im Innenbereich. Diesem Förderungszweck lässt sich aber nicht entnehmen, dass vom Gesetzgeber beabsichtigt war, solche Rechtsgeschäfte (und auch den mit ihnen zusammenhängenden Leistungsaustausch) ähnlich den Schwarzarbeiter-Fällen in Gänze zu verhindern. Bei Verträgen zur energetischen Sanierung von Gebäuden ist dies gerade nicht der Fall.

Der zwischen den hiesigen Parteien geschlossene Vertrag kann auch – ohne die (hier unterstellte) verbotswidrige und damit nichtige Absprache – gem. § 139 BGB teilweise aufrecht erhalten werden: Vorliegend war Hauptzweck des Vertrags nicht das Erschleichen von Fördermitteln der KfW. Vielmehr beabsichtigte der Beklagte von vornherein, das in seinem Eigentum stehende Gebäude für die beabsichtigte weitere Nutzung umfassend energetisch zu sanieren, so dass davon auszugehen ist, dass der Vertrag über die Ausführung des WDVS, welches ohnehin als solches förderfähig war, auch ohne die Abrede über die Abrechnungsgestaltung betreffend die – als solche nicht förderfähigen – Innenputzarbeiten geschlossen worden wäre. Die Parteien wollten den ohnehin notwendigen Sanierungsmaßnahmen somit “nur” eine weitergehende Förderung als berechtigt zukommen lassen. Wie bereits ausgeführt, waren die Fördermittel für das Wärmedämmverbundsystem selbst auch berechtigt, sodass die Förderung “lediglich” für den die Innenputzarbeiten betreffenden Anteil der vorzulegenden Rechnungssummen nicht berechtigt gewesen wäre. Die Parteien haben also “nur” die Ausführung von Werkleistungen mit einer inhaltlich falschen Rechnung vereinbart. Schließlich wäre auch die Höhe der insgesamt vereinbarten Gegenleistung von der nach Behauptung der Beklagten getroffenen Absprache nicht berührt worden. Auch die Beklagte hat selbst vorgetragen, dass das angebotene Preisgefüge zum damaligen Zeitpunkt üblich gewesen sei.

c) Zur Überzeugung des Senats wurde das Wärmedämmverbundsystem von der Beklagten auch mangelhaft montiert. Der Kläger hat die Mängel schriftsätzlich konkret bezeichnet (vgl. Bl. 6 f. und Bl. 154 f. GA LG) und unter Bezugnahme auf das Privatgutachten Anl. K11, dort insbes. S. 13 ff. und S. 42 ff. (Bl. 35 ff. und 64 GA LG) hinreichend substantiiert dargelegt.

Das Bestreiten des Mangels durch die Beklagte (Bl. 132 d.A. LG) als Inhaberin eines Fachunternehmens ist vor diesem Hintergrund – gemessen an der sekundären Darlegungslast – als unzureichend anzusehen. Der Kläger hat sich umfangreich bemüht, die Beklagte in die Feststellungsermittlungen des von ihm beauftragten Sachverständigen K. einzubinden und ihr Gelegenheit zu eigenen Darlegungen und Begründungen ihres Vorgehens sowie zu frühzeitigen Verhinderungen vermeintlicher Fehleinschätzungen zu geben, was sie letztlich nicht wahrgenommen hat. Die offensichtlichen Mängel lassen sich für den Senat als Spezialsenat mit der Sonderzuständigkeit für Bausachen auch anhand der vorliegenden Lichtbilder (etwa im Privatgutachten, Anlage K11, Bl. 23 ff. GA LG) problemlos nachvollziehen.

Die Beklagte hat im Schriftsatz vom 15.08.2022 (Bl. 227 ff. GA LG) lediglich dargelegt, die vom Privatgutachter bewerteten 5 Bauteilöffnungen seien nicht repräsentativ und der vom Privatgutachter bemängelte nicht tragfähige Untergrund könne durch eine – auch vom Privatgutachter dokumentierte – Verdübelung kompensiert werden. Diese beiden Aspekte sind jedoch nicht geeignet, Zweifel an der Mangelhaftigkeit des Gewerks hervorzurufen.

Der Kläger hat im Schriftsatz vom 01.09.2022 unter Bezugnahme auf eine weitere Stellungnahme des Privatsachverständigen K. vom 30.08.2022 nebst Merkblatt der WTA Wärmedämm-Verbundsysteme Merkblatt E-2-13 Ausgabe 04.2014/D (Anl. K 21, Bl. 279 ff. GA LG, hier letzter Absatz auf S. 6 des Merkblatts) dargelegt, dass bei einem Objekt wie dem vorliegenden vier Bauteilöffnungen angemessen und repräsentativ seien, wenn bei den Bauteilöffnungen übereinstimmende Ergebnisse vorgefunden würden, was der Sachverständige bestätigt hat. Vorliegend handelt es sich um ein Objekt mit zwei Wohneinheiten und einer Gewerbeeinheit. Das Merkblatt der WTA (der Wissenschaftlich-Technischen Arbeitsgemeinschaft für Bauwerkserhaltung und Denkmalpflege) beinhaltet durch eine maßgebliche Anzahl fachkundiger Personen zusammengefasste anerkannte Regeln der Technik, wonach die Überprüfung in 4 Bereichen ausreicht. Der Begriff der allgemein anerkannten Regeln der Technik umfasst alle überbetrieblichen technischen Normen, zu denen beispielsweise die DIN-Normen, die ETB (Einheitliche Technische Baubestimmungen des Instituts für Bautechnik), die Richtlinien des VDI, die Flachdachrichtlinien usw. gehören, sowie die mündlich überlieferten technischen Regeln (Jurgeleit in Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Auflage 2020, Teil 5 Rn. 48). Auch das o.g. Merkblatt der WTA gibt solche allgemein anerkannten Regeln der Technik wieder (vgl. dazu auch Eßmann in Martin/Krautzberger, Denkmalschutz und Denkmalpflege, 5. Auflage 2022, Teil I Rn. 627). Bedenken an der Feststellung des Mangels durch das beschriebene Vorgehen des Sachverständigen bestehen daher seitens des Senats nicht. Dem ist die Beklagte fachlich auch nicht ausreichend entgegengetreten.

Der Behauptung der Beklagten, dass das Wärmedämmverbundsystem durch nachträgliche Verdübelung nachgebessert werden könnte, vermag der Senat ebenfalls nicht zu folgen. Bereits aus der als solcher von der Beklagten nich bestrittenen Stellungnahme des Herstellers (Anlage A1 zum Gutachten des Sachverständigen K., Bl. 64 GA LG) ergibt sich, dass der Hersteller des Wärmedämmverbundsystems, der das Vorliegen der Voraussetzungen seiner eigenen bauaufsichtlichen Zulassung technisch zu beurteilen vermag, selbst der Ansicht ist, das Wärmedämmverbundsystem sei nicht nachbesserungsfähig. Überdies hat die Beklagte nicht einmal vorgetragen, was sie wie und wo verdübeln will. Schließlich sind auch weder die Mängel der Brandriegel noch die fehlerhaften Anschlüsse an den Fensterbänken und die nicht ausreichend eingebrachte Armierung durch zusätzliche Verdübelungen zu beheben. Letztlich ist das ganze “System” nur punktuell technisch ordnungsgemäß ausgeführt und es besteht daher jedenfalls die Gefahr, dass das System als Ganzes auch hinsichtlich des Brandschutzes, Wärmeschutzes und Witterungsschutzes nicht ausreichend funktioniert. Das muss der Besteller nicht hinnehmen.

d) Soweit die Beklagte vorträgt, dass das Bauvorhaben des Klägers im Juli 2021 durch die sogenannte Hochwasserkatastrophe beschädigt worden sei und der Kläger infolgedessen auch Versicherungsleistungen für die beschädigten bereits angebrachten Teile des Wärmedämmverbundsystems in Anspruch genommen habe, führt das Landgericht zu Recht aus, dass dies klägerseits bestritten worden ist und weitere Ausführungen der Beklagten nicht erfolgten. Die Beklagte hat schon nicht bewiesen, dass die Außendämmung überhaupt von dem Hochwasser betroffen war, geschweige denn infolgedessen Schadensersatzleistungen durch die Versicherung an den Kläger gezahlt wurden. Es handelt sich offensichtlich um Behauptungen ins Blaue.

Überdies hätte solches aber auch – wie das Landgericht zutreffend ausführt – keinen Einfluss auf die hier in Rede stehenden Mangelbeseitigungsansprüche, weil zum Zeitpunkt des Hochwassers im Juli 2021 das Wärmedämmverbundsystem nach den erstinstanzlichen Feststellungen bereits irreparabel mangelhaft war und zurückgebaut werden musste. Eine Vergrößerung des Schadens und damit einhergehend der Mangelbeseitigungskosten kann also schon nicht mehr eingetreten sein. Der Mangelbeseitigungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte bestand bereits. Die Arbeiten wurden auch nicht mehr weiter geführt. Wenn dann durch ein anderes zeitlich nachfolgendes Ereignis eine Vergrößerung des Schadens eingetreten wäre (was indessen bestritten ist), kann dies dem Erstschädiger nicht zum Vorteil gereichen, sofern das Hochwasser nicht als Schadensanlage bereits vorhanden war. Denn der Anspruch auf Mangelbeseitigung war bereits im Vermögen des Klägers vorhanden (dazu auch BGH VI ZR 229/92).

e) Die Beklagte rügt weiterhin zu Unrecht die seiner Ansicht nach deutlich übersetzten Mängelbeseitigungskosten insbesondere im Hinblick auf die Abbruchkosten.

Die Höhe des Vorschusses bemisst sich nach den – aus Sicht eines vernünftigen, wirtschaftlich denkenden und sachkundig beratenen Bestellers – für die Mängelbeseitigung voraussichtlich erforderlichen Aufwendungen (BGHZ 54, 82; BGHZ 47, 272; BGH BauR 1999, 631; NJW-RR 1993, 522; NJW-RR 1991, 789; NJW-RR 1989, 86; BeckOK BGB/Voit Rn. 12; BeckOGK/Rast, BGB, Stand 1.4.2022, § 634 Rn. 204; Staudinger/Peters, 2019, § 634 Rn. 88) die sich ggf. durch Gutachten oder Einholung von Angeboten ermitteln lassen. Der Besteller kann die Kosten bei Vorliegen greifbarer Anhaltspunkte auch – laienhaft – schätzen (BGH BeckRS 2010, 16186; OLG Düsseldorf BeckRS 2020, 7833 Rn. 184; NZBau 2017, 280 Rn. 62; OLG Hamburg NJW-RR 2019, 336 Rn. 104; OLG München BeckRS 2018, 23495 Rn. 284). Die Anforderungen an die Darlegungslast sind deshalb nicht hoch, zumal der Vorschuss eine vorläufige Zahlung ist, über die am Ende abgerechnet werden muss. Erforderlich sind die Aufwendungen, die mit Sicherheit der Herstellung des vertragsgemäßen Zustands dienen (BGH NJW 2014, 620; NJW-RR 2010, 1604).

Unter Berücksichtigung der o.g. Grundsätze hat der Kläger schriftsätzlich und durch Vorlage des Gutachtens Anl. K 11 substantiiert dargelegt, dass zur Beseitigung der mangelhaften Ausführung des WDVS umfangreiche Arbeiten erforderlich sind, welche voraussichtlich Kosten in Höhe von 140.806,08 Euro brutto (Bl. 55 d.A.) auslösen werden. Insbesondere hat der Privatsachverständige ausführlich, detailliert und inkl. Aufmaß seine Kostenschätzung begründet (Bl. 49-62 d.A.), so dass das pauschale Bestreiten der Beklagten, einem Fachunternehmen, (Bl. 132 d.A.) nicht ausreichend ist.

Dass die Beklagte die Mängelbeseitigung bzw. dessen Kostenvorschuss wegen unverhältnismäßiger Kosten verweigern dürfte, ist weder substantiiert dargelegt noch ersichtlich. Voraussetzung hierfür wäre zudem, dass der Aufwand in keinem vernünftigen Verhältnis zu dem objektiven Interesse des Bestellers an einer vertragsgemäßen Leistung steht und deshalb das Bestehen auf Vertragserfüllung sich unter Berücksichtigung aller Umstände als Verstoß gegen Treu und Glauben darstellt (Grüneberg/Retzlaff, BGB, 81. Aufl., § 635 Rn. 11 m.w.N.). Davon ist vorliegend jedoch gerade nicht auszugehen. Insoweit schließt sich der Senat den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts im angefochtenen Urteil, dort S. 18 f., zur Vermeidung von Wiederholungen an.

Zu ergänzen ist lediglich, dass, soweit die Beklagte die Ansicht vertritt, zwar für das Anbringen von WDVS Fachunternehmen zu sein, indes nicht für den Abbruch, so dass einfaches Bestreiten hinsichtlich der Abbruchkosten ausreichen dürfe, dies nicht zutrifft: Derjenige, der die Dämmstoffe montiert, kennt sich naturgemäß auch mit der Entsorgung und den diesbezüglichen Kosten aus. Schon beim Aufbringen ergeben sich immer wieder Abfallstücke, die später zu entsorgen sind. Trotz entsprechender Hinweise im angefochtenen Urteil hat die Beklagte zudem auch mit der Berufungsbegründung ihren diesbezüglichen Einwand nicht näher substantiiert erläutert.

Darüber hinaus war der Vortrag erstinstanzlich bereits verspätet und kann auch in zweiter Instanz nicht mehr berücksichtigt werden: Die Höhe der Mangelbeseitigungskosten im Hinblick auf die Abbruchkosten wurde erstmalig mit Schriftsatz vom 28.11.2022 angegriffen. Zum Zeitpunkt des neuen Vortrags bzw. Bestreitens unter Vorlage eines Gegenangebots war der Termin zur Verhandlung über den Einspruch gegen das erlassene Versäumnisurteil bereits beendet und Verkündungstermin anberaumt (auch wenn dieser nochmals aus dienstlichen Gründen verschobenen wurde). Den Parteien war zwar Schriftsatznachlass jedoch hinsichtlich bestimmter anderer Punkte gewährt worden, welcher aber ebenfalls abgelaufen war. Daher konnte der neue Vortrag gem. § 296a ZPO erstinstanzlich nicht mehr berücksichtigt werden. Ein Grund für die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung i.S.v. § 156 ZPO ist nicht erkennbar. Schließlich wurden auch keine Gründe dafür vorgetragen, den neuen Vortrag gemessen an den Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO zweitinstanzlich zuzulassen.

f) Die Beklagte vermag sich auch nicht darauf zu berufen, ihr stehe noch ein fälliger Werklohnanspruch aus der Ausführung der WDVS-Arbeiten zu, den sie dem Kostenvorschuss des Klägers entgegenhalten könne.

Im Grundsatz zutreffend gehen allerdings beide Parteien davon aus, dass ein Anspruch auf Kostenvorschuss zur Mängelbeseitigung nur insoweit besteht, als sich der Auftraggeber aus zurückbehaltenem Werklohn nicht befriedigen kann (OLG München, Beschluss vom 08. Oktober 2015 – 27 U 1614/15 Bau, nachgehend BGH, Beschluss vom 07. Februar 2018 – VII ZR 253/15, Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen; OLG Dresden, Teilurteil vom 02. Februar 2017 – 10 U 672/12; OLG Celle, Urteil vom 03.03.2016 – 16 U 129/15).

Vorliegend hat die Beklagte jedoch einen fälligen Anspruch auf Werklohn aus der Ausführung der WDVS-Arbeiten nicht schlüssig dargelegt. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts im angefochtenen Urteil (dort S. 19 d. Urteils unter Ziff. 8.) Bezug genommen, zu denen die Beklagte in der Berufungsinstanz keinen weitergehenden Vortrag geleistet hat.

Gleiches gilt auch, soweit die Beklagte mit einem ihr ihrer Auffassung nach zustehenden Werklohnanspruch aus der Ausführung von Innenputzarbeiten am Bauvorhaben die Hilfsaufrechnung erklärt hat. Auch insoweit hat die Beklagte einen fälligen Werklohnanspruch nicht schlüssig dargelegt. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat diesbezüglich ebenfalls Bezug auf die zutreffenden, nicht ergänzungsbedürftigen Ausführungen des Landgerichts in der angefochtenen Entscheidung (dort S. 20 d. Urteils unter Ziff. 9.), denen die Beklagte gleichfalls in der Berufungsinstanz nicht sachlich entgegengetreten ist.

2. Dem Kläger steht weiterhin ein Anspruch auf Ersatz der Sachverständigenkosten gem. §§ 631, 634 Nr. 4, 280 Abs. 1, 249 BGB i.H.v. 4.325,06 Euro zu. Die Kosten der Schadens- bzw. Mängelfeststellung sind Teil des zu ersetzenden Schadens, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Anspruchs erforderlich und zweckmäßig war (BGH, Urteil vom 28. Februar 2017 – VI ZR 76/16). Einwände, dass das Privatgutachten nicht erforderlich oder dessen Kosten überhöht seien, sind erst- wie zweitinstanzlich weder vorgetragen noch ersichtlich.

3. Schließlich ist der zulässige Feststellungsanspruch nach den vorstehenden Ausführungen auch begründet. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Für die Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 S. 2 ZPO bestand keine Veranlassung. Weder hat die Sache grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Vielmehr hat der Senat den Fall nach Maßgabe der höchstrichterlichen und obergerichtlichen Rechtsprechung unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles entschieden.

AxRechtsanwälte: Markterkundung P-Rückgewinnung ab 2029 gestartet

Deutschland – Abwasser- und Abfallbeseitigungs-, Reinigungs- und Umweltschutzdienste – MARKTERKUNDUNG Thermische Klärschlammverwertung 2025-2034 mit gesetzlich geforderter P-Rückgewinnung ab 2029

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Deutschland – Abwasser- und Abfallbeseitigungs-, Reinigungs- und Umweltschutzdienste – MARKTERKUNDUNG Thermische Klärschlammverwertung 2025-2034 mit gesetzlich geforderter P-Rückgewinnung ab 2029

OJ S 55/2024 18/03/2024

Vorinformation oder eine regelmäßige nicht verbindliche Bekanntmachung nur zu Informationszwecken

Dienstleistungen

1. Beschaffer

1.1.

Beschaffer

Offizielle Bezeichnung: HNVG als Vertreter des Arbeitskreises Klärschlammentsorgung im Stadt- und Landkreis Heilbronn (AKS Heilbronn)

Rechtsform des Erwerbers: Öffentliches Unternehmen

Tätigkeit des öffentlichen Auftraggebers: Wirtschaftliche Angelegenheiten

2. Verfahren

2.1.

Verfahren

Titel: MARKTERKUNDUNG Thermische Klärschlammverwertung 2025-2034 mit gesetzlich geforderter P-Rückgewinnung ab 2029

Beschreibung: Markterkundung zur thermischen Klärschlammverwertung in Dienstleistung ab 2025 mit gesetzlich geforderter P-Rückgewinnung ab 2029 für die Klärschlämme des Arbeitskreises Klärschlammentsorgung in Stadt- und Landkreis Heilbronn. Auf den beteiligten 19 Kläranlagen fällt eine Klärschlammmenge von rd. 38.500 t/a entwässertem Klärschlamm (EKS bzw. OS25%) bzw. rd. 10.300 t/a Trockenmasse (TM) an (gerundete Werte).

Interne Kennung: HVG-VI-2024-0001

2.1.1.

Zweck

Art des Auftrags: Dienstleistungen

Haupteinstufung (cpv): 90000000 Abwasser- und Abfallbeseitigungs-, Reinigungs- und Umweltschutzdienste

Zusätzliche Einstufung (cpv): 90400000 Dienstleistungen in der Abwasserbeseitigung, 90513700 Schlammtransport, 90513800 Schlammbehandlung, 90513900 Schlammentsorgung, 90513400 Aschenbeseitigung

2.1.2.

Erfüllungsort

Postanschrift: Heilbronn + 18 Kommunen im Landkreis Heilbronn  

Land, Gliederung (NUTS): Heilbronn, Landkreis (DE118)

Land: Deutschland

2.1.4.

Allgemeine Informationen

Rechtsgrundlage:

Richtlinie 2014/24/EU

vgv –

3. Teil

3.1.

Teil: PAR-0000

Titel: MARKTERKUNDUNG Thermische Klärschlammverwertung 2025-2034 mit gesetzlich geforderter P-Rückgewinnung ab 2029

Beschreibung: Am Arbeitskreis Klärschlammentsorgung im Stadt- und Landkreis Heilbronn (folgend AKS Heilbronn genannt) sind insgesamt 19 Kläranlagenbetreiber beteiligt, darunter die Kläranlage “Eisbiegel” der Entsorgungsbetriebe der Stadt Heilbronn mit einer Ausbaugröße von 500.000 EW und eine weitere Kläranalage der GK 5 im Landkreis Heilbronn mit einer Ausbaugröße von 200.000 EW. Die kommunalen Kläranlagenbetreiber wollen gemeinsam ein tragfähiges Entsorgungskonzept für die Entsorgung ihrer Klärschlämme ab 2025 in Dienstleistung entwickeln. Die Klärschlämme sollen gebündelt als gemeinsames Klärschlammkontingent zur thermischen Verwertung ab 2025 zur Verfügung gestellt werden. Mit einer angestrebten Vertragsdauer bis 2034 ist ab 2029 auch die Durchführung der Phosphorrückgewinnung aus den erzeugten Klärschlammaschen zu berücksichtigen. Auf den beteiligten Kläranlagen fällt eine Klärschlammmenge von rd. 38.500 t/a entwässertem Klärschlamm (EKS bzw. OS25%) bzw. rd. 10.300 t/a Trockenmasse (TM) an (gerundete Werte). Alle Klärschlämme haben bisher die Grenzwerte der Klärschlammverordnung eingehalten und sind somit als Ausgangsstoff für die Düngemittelproduktion zugelassen. Ziel des Markterkundungsverfahrens ist es, die Möglichkeiten einer gesetzeskonformen thermischen Klärschlammverwertung ab 2025 bis einschließlich 2034 in Form einer Dienstleistung “aus einer Hand” zu beleuchten. Die thermische Klärschlammverwertung kann bis 31.12.2028, wie bisher, über Mitverbrennung erfolgen. Ab 01.01.2029 ist die thermische Vorbehandlung in einer Monoverbrennungsanlage erforderlich, mit anschließender P-Rückgewinnung aus der Klärschlammasche. Der Klärschlamm der beteiligten Kläranlagenbetreiber soll zur Durchführung der thermischen Behandlung einem Dienstleister übergeben werden, der gegen Zahlung einer Dienstleistungsvergütung alle Leistungen vollumfänglich wie folgt erbringt: 1. Abholung der entwässerten Klärschlämme auf den Kläranlagen 2. Transport der entwässerten Klärschlämme zu einer Klärschlamm(mono)verbrennungsanlage 3. Thermische Behandlung der Klärschlämme und Gewinnung einer Klärschlammasche. 4. P-Rückgewinnung aus der erzeugten Klärschlammasche 5. Verwertung der erzeugten P-haltigen Asche 6.Verwertung und/oder Entsorgung der entstandenen Nebenprodukte und Rückstände. Durch Überlassung der entwässerten Klärschlämme an den Dienstleister gehen alle Pflichten der weiteren Behandlung, Verwertung und Entsorgung an den Betreiber der Verbrennungsanlage über. Eine verfahrenstechnische Festlegung zur Art der PRückgewinnung oder des erzeugten Produktes erfolgt nicht. Die Wahl des Verfahrens liegt in den Händen des Betreibers der Verbrennungsanlage. Eine ordnungsgemäße Verwertung des Klärschlammes mit Durchführung der nach den gesetzlichen Bestimmungen erforderlichen P- Rückgewinnung ist zu garantieren und nachzuweisen. Das Markterkundungsverfahren wird ergebnisoffen durchgeführt und ist für beide Seiten unverbindlich. Die Teilnahme an der Markterkundung begründet keine Ansprüche auf die Durchführung oder Berücksichtigung in einem ggf. später durchzuführenden wettbewerblichen Vergabeverfahren. An der Maßnahme interessierte Firmen geben Ihr Interesse bis 28.03.24 per E-Mail mit dem Betreff “Markterkundung AKS Heilbronn P-Rück” unter der genannten E-Mail-Adresse bekannt. Nach Eingang der Interessensbekundung erhalten geeignete Interessenten bis zum 05.04.24 weitergehende Informationen, einen Rückmeldebogen, sowie einer Vertraulichkeitsvereinbarung. Der Rückmeldebogen und die Vertraulichkeitsvereinbarung sind bis zum 26.04.24 per E-Mail bei der genannten E-Mail-Adresse mit dem Betreff “Markterkundung AKS Heilbronn P-Rück” einzureichen. Hierin ist so ausführlich wie möglich zu beschreiben, welche Leistungserbringung möglich ist. Den Teilnehmern wird dann Gelegenheit gegeben, ihre Vorstellungen zur Erbringung der Dienstleistung im Rahmen eines zu vereinbarenden Gesprächstermins darzulegen. Die Gespräche finden voraussichtlich in KW 19 und KW 20 statt. Es besteht kein Anspruch der Teilnehmer auf Einladung. Nach den Gesprächen werden die Rückmeldebögen endgültig ausgewertet. Mit der endgültigen Auswertung ist die Markterkundung formal beendet. Angefragte Auskünfte bei Teilnahme: Interessenten weisen ihre Befähigung und Erlaubnis zur Berufsausübung, ihre wirtschaftliche, finanzielle, technische und berufliche Leistungsfähigkeit nach. Der Nachweis erfolgt über die Vorlage von Eigenerklärungen. Als vorläufigen Beleg der Eignung und des Nichtvorliegens von Ausschlussgründen wird die Vorlage einer Einheitlichen Europäischen Eigenerklärung nach § 50 VgV akzeptiert. Als ausreichender Beleg dafür, dass die in § 123 Absatz 1 bis 3 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen genannten Ausschlussgründe auf den Interessenten nicht zutreffen, wird ein Auszug aus einem einschlägigen Register, insbesondere ein Führungszeugnis aus dem Bundeszentralregister oder, in Ermangelung eines solchen, eine gleichwertige Bescheinigung einer zuständigen Gerichts- oder Verwaltungsbehörde des Herkunftslands oder des Niederlassungsstaats des Bewerbers oder Bieters akzeptiert. Als ausreichender Beleg dafür, dass die in § 123 Absatz 4 und § 124 Absatz 1 Nummer 2 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen genannten Ausschlussgründe auf den Interessenten nicht zutreffen, wird eine von der zuständigen Behörde des Herkunftslands oder des Niederlassungsstaats des Bewerbers oder Bieters ausgestellte Bescheinigung akzeptiert.

3.1.1.

Zweck

Art des Auftrags: Dienstleistungen

Haupteinstufung (cpv): 90000000 Abwasser- und Abfallbeseitigungs-, Reinigungs- und Umweltschutzdienste

Zusätzliche Einstufung (cpv): 90400000 Dienstleistungen in der Abwasserbeseitigung

Zusätzliche Einstufung (cpv): 90513700 Schlammtransport

Zusätzliche Einstufung (cpv): 90513800 Schlammbehandlung

Zusätzliche Einstufung (cpv): 90513900 Schlammentsorgung

Zusätzliche Einstufung (cpv): 90513400 Aschenbeseitigung

3.1.2.

Erfüllungsort

Postanschrift: Heilbronn + 18 Kommunen im Landkreis Heilbronn  

Land, Gliederung (NUTS): Heilbronn, Landkreis (DE118)

Land: Deutschland

3.1.3.

Dauer

Datum des Beginns: 01/01/2025

Enddatum der Laufzeit: 31/12/2034

3.1.5.

Allgemeine Informationen

Vorbehaltene Teilnahme: Teilnahme ist nicht vorbehalten.

Die Beschaffung fällt unter das Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen

Zusätzliche Informationen: Interessenten können im Hinblick auf die erforderliche wirtschaftliche und finanzielle, sowie die technische und berufliche Leistungsfähigkeit die Kapazitäten anderer Unternehmen in Anspruch nehmen, wenn sie nachweisen, dass ihnen die erforderlichen Mittel tatsächlich zur Verfügung stehen werden, indem sie beispielsweise eine entsprechende Verpflichtungserklärung dieser Unternehmen vorlegen. Gemeinschaften von Interessenten werden wie Einzelinteressenten behandelt. Es wird nicht verlangt, dass Gruppen von Unternehmen eine bestimmte Rechtsform haben müssen, um sich zu beteiligen. Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es sich bei diesem Verfahren nicht um die Vergabe eines öffentlichen Auftrags oder einer Konzession handelt. Es besteht kein Anspruch auf Durchführung eines wettbewerblichen Verfahrens zu Erteilung eines öffentlichen Auftrags. Auch schließt die Nichtteilnahme an dieser Markterkundung die Möglichkeit zur Beteiligung an einem späteren wettbewerblichen Verfahren zur Erteilung eines öffentlichen Auftrags oder einer Konzession nicht aus. Der Rechtsweg zu den Vergabenachprüfungsinstanzen ist für diese unverbindliche Markterkundung nicht eröffnet. Es handelt sich um eine freiwillige Bekanntmachung zum Zwecke der Durchführung eines Markterkundungsverfahren. Eine Erstattung der Kosten, die den Interessentenn durch die Teilnahme an dieser Markterkundung entstehen sowie sonstige Entschädigungsansprüche sind ausgeschlossen.

3.1.7.

Bedingungen für die Auftragsvergabe

Die Auftragsausführung muss im Rahmen von Programmen für geschützte Beschäftigungsverhältnisse erfolgen: Nein

3.1.8.

Techniken

Rahmenvereinbarung: Keine Rahmenvereinbarung

3.1.9.

Weitere Informationen, Schlichtung und Nachprüfung

Überprüfungsstelle: Vergabekammer Baden-Württemberg beim Regierungspräsidium Karlsruhe

Organisation, die Teilnahmeanträge entgegennimmt: HNVG als Vertreter des Arbeitskreises Klärschlammentsorgungim Stadt- und Landkreis Heilbronn (AKS Heilbronn)

8. Organisationen

8.1.

ORG-7001

Offizielle Bezeichnung: HNVG als Vertreter des Arbeitskreises Klärschlammentsorgung im Stadt- und Landkreis Heilbronn (AKS Heilbronn)

Registrierungsnummer: 07131563590

Postanschrift: Weipertstraße 41  

Stadt: Heilbronn

Postleitzahl: 74076

Land, Gliederung (NUTS): Heilbronn, Stadtkreis (DE117)

Land: Deutschland

Kontaktperson: Volker Schramm

E-Mail: v.schramm@hnvg.de

Telefon: +49 7131-561562

Fax: +49 7131-563329

Rollen dieser Organisation: 

Beschaffer

Federführendes Mitglied

Organisation, die Teilnahmeanträge entgegennimmt

8.1.

ORG-7004

Offizielle Bezeichnung: Vergabekammer Baden-Württemberg beim Regierungspräsidium Karlsruhe

Registrierungsnummer: +497219260

Stadt: Karlsruhe

Postleitzahl: 76131

Land, Gliederung (NUTS): Karlsruhe, Stadtkreis (DE122)

Land: Deutschland

E-Mail: vergabekammer@rpk.bwl.de

Telefon: +497219260

Rollen dieser Organisation: 

Überprüfungsstelle

8.1.

ORG-7005

Offizielle Bezeichnung: Beschaffungsamt des BMI

Registrierungsnummer: 994-DOEVD-83

Stadt: Bonn

Postleitzahl: 53119

Land, Gliederung (NUTS): Bonn, Kreisfreie Stadt (DEA22)

Land: Deutschland

E-Mail: esender_hub@bescha.bund.de

Telefon: +49228996100

Rollen dieser Organisation: 

TED eSender

  1. Informationen zur Bekanntmachung

11.1.

Informationen zur Bekanntmachung

Kennung/Fassung der Bekanntmachung: 6ec86d44-d33f-4d0c-8e39-100769403416 – 01

Formulartyp: Planung

Art der Bekanntmachung: Vorinformation oder eine regelmäßige nicht verbindliche Bekanntmachung nur zu Informationszwecken

Datum der Übermittlung der Bekanntmachung: 15/03/2024 08:44:59 (UTC+1)

Sprachen, in denen diese Bekanntmachung offiziell verfügbar ist: Deutsch

11.2.

Informationen zur Veröffentlichung

Veröffentlichungsnummer der Bekanntmachung: 160536-2024

ABl. S – Nummer der Ausgabe: 55/2024

Datum der Veröffentlichung: 18/03/2024

Voraussichtliches Datum der Veröffentlichung einer Auftragsbekanntmachung im Rahmen dieses Verfahrens: 04/06/2024

Kommt in Brandenburg doch eine Tariftreue-Regelung?

Kommt in Brandenburg doch eine Tariftreue-Regelung?

Nach Angaben des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) gelten im Bundesland Brandenburg nur in 17 Prozent der Betriebe Tarifverträge. Das entspreche 47 Prozent der Beschäftigten. Nun drängt der DGB Bezirk Berlin-Brandenburg die Parteien des Landes, mehr für Tariftreue zu tun.

Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) will nun prüfen, ob eine Übernahme der Berliner Tariftreuepflicht für öffentlich Aufträge sinnvoll und möglich ist. Eigentlich hatte er auf Vorgaben des Bundes gehofft. Die lassen aber auf sich warten. In Berlin gilt seit Dezember 2022, dass öffentliche Aufträge des Landes nur noch an Unternehmen gehen, die nach Tarif bezahlen.

Erneut akut geworden war die Debatte im Februar aufgrund einer Forderung der Linksfraktion. Die Oppositionspartei wollte von der schwarz-rot-grünen Landesregierung bis Mai einen Plan zur Stärkung der Tarifbindung. Auch wenn sie damit im Landtag keine Mehrheit erhielt, drängt die SPD ebenfalls, nicht mehr länger zu warten.

In Brandenburg gilt derzeit ein Mindestlohn von 13 Euro pro Stunde für die Vergabe öffentlicher Aufträge. Am 22. September wird ein neuer Landtag gewählt.

(Quelle: Vergabe24)

Vergaberecht soll allein den Landgerichten zugeordnet werden

Vergaberecht soll allein den Landgerichten zugeordnet werden

Das Justizministerium bereitet ein Gesetz vor, das die Arbeit zwischen Amts- und Landgerichten neu ordnen soll. Vergaberecht würde nach dem derzeitigen Referentenentwurf den Landgerichten zugeordnet.

Das Bundesjustizministerium will die Zuständigkeiten zwischen Amts- und Landgerichten überarbeiten und hat im März einen entsprechenden Referentenentwurf vorgelegt. Hintergrund der Bestrebungen ist zum einen, dass in Zivilsachen immer weniger erstinstanzliche Verfahren bei den Amtsgerichten landen und mindestens kleinere Standorte perspektivisch Gefahr laufen könnten, geschlossen werden zu müssen. Zum anderen strebt das Ministerium eine höhere Spezialisierung der Gerichte an.

Aus diesem Grund sollen “Streitigkeiten aus dem Bereich der Vergabesachen, der Heilbehandlungen sowie der Veröffentlichungsstreitigkeiten” den Landgerichten zugewiesen werden, wie im Referentenentwurf aufgezählt wird. Der Streitwert spielt dabei keine Rolle. Amtsgerichte werden gestärkt, indem der Streitwert für Verfahren dort von 5000 auf 8000 Euro angehoben werden soll. Außerdem sollen sie sich unabhängig vom Streitwert um Nachbarschaftssachen kümmern, da hier die Ortsnähe oft eine besondere Rolle spiele.

Mit den Änderungen wird ein veränderter Personalbedarf der verschiedenen Ebenen einhergehen.

(Quelle: Vergabe24)

Aktuelle Entscheidungen im Volltext (4) – OLG Schleswig zu der Frage, dass eine Änderung der Vergabeunterlagen vorliegt, wenn der Bieter manipulativ in die Vergabeunterlagen eingreift, indem er ein von den Vorgaben abweichendes Angebot macht, das bei einem Wegdenken der Abweichungen unvollständig bleibt

Aktuelle Entscheidungen im Volltext (4) - OLG Schleswig zu der Frage, dass eine Änderung der Vergabeunterlagen vorliegt, wenn der Bieter manipulativ in die Vergabeunterlagen eingreift, indem er ein von den Vorgaben abweichendes Angebot macht, das bei einem Wegdenken der Abweichungen unvollständig bleibt

vorgestellt von Thomas Ax

Der Bieter muss sich festlegen, welches Angebot er abgeben will. Die Zulassung von Alternativangeboten oder Angeboten, die unter eine Bedingung gestellt werden, ist vergaberechtswidrig.
Die Abgabe eines nicht zugelassenen Nebenangebots führt nur zum Ausschluss des Nebenangebots.
Eine Änderung der Vergabeunterlagen ist unzulässig. Eine solche Änderung liegt vor, wenn der Bieter manipulativ in die Vergabeunterlagen eingreift, indem er ein von den Vorgaben abweichendes Angebot macht, das bei einem Wegdenken der Abweichungen unvollständig bleibt.
Ein Ausschluss eines Angebots unter rein formalen Gesichtspunkten kommt nicht in Betracht. Etwaige Unklarheiten sind im Wege der Aufklärung zu beseitigen.
Ein manipulativer Eingriff in die Vergabeunterlagen durch den Bieter liegt vor, wenn er sein Angebot nicht auf die anzubietende Typenanzahl (hier: von Fahrzeugen) beschränkt, sondern unter Erweiterung des Kalkulationsblatts bzw. unter Hinzufügung einer zweiten Seite eine höhere Typenanzahl als gefordert anbietet.
Das Verfahren über die Nachforderung von Unterlagen ist, wie das gesamte Vergabeverfahren, zu dokumentieren. Verstöße gegen die Dokumentationspflicht kann ein Bieter als Rechtsverstöße rügen, wenn er durch sie benachteiligt wird.
Eine unterlassene Dokumentation kann geheilt werden. Das gilt allerdings nicht, wenn die Gefahr einer Manipulation der nachgereichten Dokumentation nicht ausgeschlossen werden kann.
Um sicherzustellen, dass die Aufhebung der Ausschreibung nicht zur Diskriminierung einzelner Bieter missbraucht werden kann, ist eine Aufhebung nur in engen Grenzen zulässig. Die Annahme eines Aufhebungsgrunds setzt voraus, dass ein Umstand nachträglich eingetreten ist oder dem Auftraggeber anfänglich nicht bekannt sein konnte und der Auftraggeber diesen Umstand nicht zu vertreten hat.
OLG Schleswig, Beschluss vom 28.03.2024 – 54 Verg 2/23

Gründe

I.

Der Antragsgegner schrieb mit Bekanntmachung vom 04.10.2022 Leistungen zur Schülerbeförderung im Kreis ### aus. Die Vertragslaufzeit soll von August 2023 bis August 2029 dauern. Sie soll einmalig um 24 Monate verlängerbar sein. Ausgeschrieben wurden drei Lose für die drei anzufahrenden Schulen.

In Ziff. 1 der Aufforderung zur Angebotsabgabe wird darauf hingewiesen, dass einige Kinder wegen Anfallsleiden oder unberechenbaren Verhaltensweisen eine individuelle Begleitung auch während der Busfahrt benötigten. Die Bieter konnten nach Ziff. 2 Angebote für eines oder mehrere Lose abgeben. Gaben sie Angebote für alle drei Lose ab, konnten sie daneben auch ein Gesamtangebot abgeben. Nach Ziff. 4 war der anliegende Verkehrsvertrag als Vertragsgrundlage anzuerkennen. Der Zuschlag sollte nach Ziff. 3.6 auf das wirtschaftlichste Angebot erfolgen. Dazu sollte eine Wertungssumme in einem anliegenden Kalkulationsblatt errechnet werden. Nach Ziff. 4.2 waren im Kalkulationsblatt die Fahrzeugtypen, deren Anzahl und deren Kapazität anzugeben. Änderungen an dem Kalkulationsblatt waren nicht zulässig. Tourenpläne waren nicht einzureichen, jedoch behielt sich der Antragsgegner die Nachforderung vor. Den Zuschlag sollte das günstigste abgegebene Gesamtangebot erhalten, wenn nicht die Summe der günstigsten Einzelangebote darunter lag.

Nach Ziff. 2.1.1 des Verkehrsvertrages ist sicherzustellen, dass für von Sorgeberechtigten oder anderen Institutionen zu stellendes Begleitpersonal in unmittelbarer Nähe zu dem zu befördernden Schüler ein Sitzplatz zur Verfügung gestellt wird. Da bei einem Eintreffen des Transports früher als 15 Minuten vor Unterrichtsbeginn eine Betreuung der Schüler durch die Bediensteten der Schulen nicht gewährleistet ist, hat der Auftragnehmer die Betreuung zu übernehmen, bis das Schulpersonal eintrifft.

Auf die Bieterfrage ID 4 nach dem Begleitpersonal antwortete der Antragsgegner, dass für jedes entsprechend markierte Kind eine Person mitfahre, für jedes Kind jeweils eine Begleitperson vorgesehen sei und diese mit dem Kind ein- und aussteige.

Unter anderem die Antragstellerin und die Beigeladene gaben Angebote jeweils auf alle drei Lose und ein Gesamtangebot ab. Mit Schreiben vom 05.01.2023 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, dass der Zuschlag auf das Gesamtangebot der Beigeladenen erfolgen solle. Das Angebot der Antragstellerin sei nicht das wirtschaftlichste gewesen.

Die Antragstellerin rügte, der Antragsgegner habe das Angebot der Beigeladenen nicht auf Richtigkeit und Vollständigkeit geprüft. Deren Angebot müsse ausgeschlossen werden, weil es inhaltlich von den Vergabeunterlagen abweiche. Nach Zurückweisung der Rüge stellte die Antragstellerin einen Nachprüfungsantrag. Die Vergabekammer (VK-SH 01/23) untersagte dem Antragsgegner mit Beschluss vom 20.02.2023, den Auftrag auf der Grundlage der bisherigen Wertung zu erteilen, setzte das Vergabeverfahren in den Stand vor der Angebotswertung zurück und gab dem Antragsgegner auf, das Verfahren unter Beachtung der Rechtsauffassung der Kammer fortzusetzen. Sie begründete das im Wesentlichen damit, dass der Antragsgegner bei der Angebotsprüfung nach § 60 VgV den von ihm ermittelten Erwartungswert als Maßstab zugrunde gelegt habe. Diesem fehle ein Bezug zur ausgeschriebenen Leistung, insbesondere sei die Preisentwicklung nicht berücksichtigt. Der Antragsgegner sollte würdigen, dass die Beigeladene im Kalkulationsblatt nicht alle geforderten Angaben, jedenfalls nicht in der geforderten Form, gemacht habe, und prüfen, ob nach den Angeboten die ausgeschriebene Leistung, insbesondere hinsichtlich der Schulbegleitung, erbracht werden könne.

Der Antragsgegner stellte – teils noch vor dem Beschluss der Vergabekammer – an die Beigeladene per E-Mail und telefonisch Nachfragen wegen der angebotenen Fahrzeugtypen und der Kapazitäten, die die Beigeladene beantwortete. Er forderte die Kalkulation der Beigeladenen an, die er einer Prüfung unterzog.

Mit Schreiben vom 14.03.2023, hinsichtlich der Wartefrist geändert mit Schreiben vom 23.03.2023, teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, er beabsichtige, den Zuschlag auf das Gesamtangebot der Beigeladenen zu erteilen, da dieses die günstigste Wertungssumme aufweise. Mit E-Mail vom 23.03.2023 rügte die Antragstellerin, die Prüfung des Angebots der Beigeladenen sei nicht nach den Vorgaben der Vergabekammer erfolgt. Deren Angebot sei auszuschließen, weil das Kalkulationsblatt nicht alle geforderten Angaben enthalten habe. Es entspreche nicht den Anforderungen der Leistungsbeschreibung, da keine Rollstuhlplätze angeboten worden seien. Nach den Vorgaben hätten für die einzelnen Fahrzeugtypen getrennte Angaben gemacht werden sollen. Ohne solche Angaben sei die Berechnung der Vergütung für Mehr- oder Minderleistungen anhand der verschiedenen Fahrzeugtypen nicht möglich. Unter dem 24.03.2023 stellte die Antragstellerin ihren Nachprüfungsantrag. Nachfolgend am 24.03.2023 rügte sie, die Angebotsprüfung sei hinsichtlich des Preises und der Einhaltung der Anforderungen aus der Ausschreibung im Vergleich mit ihrer eigenen Kalkulation nicht ordnungsgemäß gewesen.

Zur Begründung ihres Nachprüfungsantrags hat die Antragstellerin im Wesentlichen ausgeführt, das Angebot der Beigeladenen sei unvollständig. Sie habe nicht die im Kalkulationsblatt geforderten Angaben gemacht. Eine Trennung zwischen den Fahrzeugtypen sei nicht erfolgt. Rollstuhlplätze seien nicht gesondert ausgewiesen. Da die Besetzt-Kilometer nicht eindeutig zugeordnet seien, könne später nicht vertragskonform abgerechnet werden. Das gelte insbesondere bei einer Änderung der Anzahl der zu befördernden Personen.

Die Beigeladene habe kein Angebot abgegeben, das der Leistungsbeschreibung entspreche. Sie habe eine Kapazität von 342 Plätzen angegeben, zu befördern seien jedoch 343 Personen. Die Schulbegleitung könne nicht gleichzeitig fahren, weil sie dann ihrer Betreuungsaufgabe nicht nachkommen könne. Zudem sei damit zu kalkulieren gewesen, dass gleichzeitig mehrere Kinder mit Begleitung zu transportieren seien. Die Kosten für die als Fahrer eingesetzten Begleiter habe die Beigeladene nicht berücksichtigt.

Die Beigeladene habe verschiedene Kalkulationsblätter eingereicht. Sie habe darin widersprüchliche Angaben gemacht, was zu einem Ausschluss des Angebots führe. Eine Änderung der Fahrzeugtypen oder der Anzahl der zu transportierenden Personen führe zu einer Änderung der Kalkulation.

Es sei festzustellen, dass der Preis erheblich abweiche. Der Antragsgegner habe die Fahrpläne anfordern müssen, um festzustellen, dass die Anforderungen aus der Leistungsbeschreibung und den Schülerlisten nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt worden seien. Sie habe die Kalkulation überprüfen müssen, um festzustellen, ob alle relevanten Umstände berücksichtigt seien, insbesondere Kosten für rollstuhlgerechte Fahrzeuge.

An die Beigeladene seien unzulässig mehrfache Nachfragen gestellt worden. Sie habe Unterlagen nachgebessert. Die Beigeladene habe ihre angeforderte Kalkulation erst am 02.03.2023 und damit nach Ablauf der bis zum 01.03.2023 gesetzten Frist eingereicht. Die behauptete Fristverlängerung sei nicht dokumentiert.

Der Zuschlag dürfe nicht erteilt werden, weil die Wartefrist nicht zutreffend mitgeteilt worden sei.

Die Antragstellerin hat beantragt,

dem Antragsgegner aufzugeben, den Zuschlag im Ausschreibungsverfahren Vergabe vom freigestellten Schülerverkehr nicht der Beigeladenen zu erteilen;

dem Antragsgegner aufzugeben, geeignete Maßnahmen zu treffen, um die von der Vergabekammer festgestellten Rechtsverletzung zu beseitigen;

hilfsweise für den Fall der Erledigung des Nachprüfungsverfahrens durch Erteilung des Zuschlages durch Aufhebung oder in sonstiger Weise festzustellen, dass eine Rechtsgutverletzung vorgelegen hat;

dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen und die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für notwendig zu erklären.

Der Antragsgegner hat beantragt,

den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen;

die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch ihn für notwendig zu erklären;

der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Der Antragsgegner hat im Wesentlichen ausgeführt, er sei den Vorgaben der Vergabekammer aus dem Beschluss vom 20.02.2023 nachgekommen. Er habe hinsichtlich der Fahrzeugtypen und der ausreichenden Fahrzeugkapazität nachgefragt. Die Beigeladene habe mitgeteilt, dass insgesamt 342 Plätze vorhanden seien. Er habe die Kalkulation angefordert, erhalten, geprüft und sie für auskömmlich angesehen.

Es sei zwar richtig, dass insgesamt 343 Personen zu befördern seien. Aus den Vergabeunterlagen ergebe sich aber nicht, dass die Zahl der Plätze dem entsprechen müsse. Nach den Vorgaben sei das Angebot der Beigeladenen umsetzbar. Es sei nach den Vergabeunterlagen nicht ausgeschlossen, ein Fahrzeug für mehrere Transporte zu nutzen. Ein Transport könne die Schüler absetzen und sodann die in der Nähe der Schule wohnenden Schüler abholen. Für den Fall, dass die zunächst ankommenden Schüler früher als 15 Minuten vor Schulbeginn abgesetzt werden müssten, könne die Beaufsichtigung aufgrund der Vielzahl ankommender Fahrzeuge durch andere Fahrer übernommen werden. Nach Schulschluss könnten die in der Nähe wohnenden Schüler zunächst nach Hause gefahren werden und könnten die Fahrzeuge sodann zurückkehren, um die übrigen Schüler aufzunehmen.

Die Beigeladene habe am 30.11.2022 mitgeteilt, dass sie ein Kalkulationsblatt mit einer Begrenzung auf sechs Fahrzeugtypen sowie zwei weitere, zusammengehörige Kalkulationsblätter mit sechs und zwei Zeilen, insgesamt acht Fahrzeugtypen, eingereicht habe. Er, der Antragsgegner, habe die Zulässigkeit dieses Vorgehens bestätigt. In dem auf sechs Fahrzeugtypen begrenzten Kalkulationsblatt seien Fahrzeugtypen zusammengefasst worden. Es sei möglich, die Fahrzeuge mit einem Sitz mehr auszustatten, sodass tatsächlich die ausgewiesenen 342 Plätze zur Verfügung stünden. Gehe man von dem Angebot mit acht Fahrzeugtypen aus, ergäben sich zwar nur 329 Plätze. Das sei aber ausreichend, weil die Beigeladene damit kalkuliert habe, dass ein wesentlicher Teil der Schulbegleitungen als Fahrer eingesetzt werde. Das werde durch die Vergabeunterlagen nicht ausgeschlossen und sei für die Begleitpersonen wirtschaftlich attraktiv.

Die Beigeladene habe am 15.02.2023 kein neues Preisblatt eingereicht, sondern es handele sich um das am 30.11.2022 alternativ eingereichte Preisblatt, das für die Vergabe nicht maßgeblich sei. Änderungen des Fahrzeugtyps führten nicht zu Änderungen des Preises je Besetzt-Kilometer.

Die geprüfte Kalkulation der Beigeladenen lasse erwarten, dass sie die angebotene Leistung erbringen werde. Insbesondere reichten die kalkulierten Personalkosten, um den Mindestlohn abzudecken.

Die für die Erläuterung der Kalkulation auf den 02.03.2023 gesetzte Frist sei auf telefonische Bitte der Beigeladenen bis zum 02.03.2023 verlängert worden. Das habe der zuständige Mitarbeiter auf der E-Mail vom 24.02.2023 handschriftlich vermerkt.

Die Beigeladene hat an der Verhandlung bei der Vergabekammer teilgenommen und die Kalkulation ihres Angebots erläutert. Sie hat keinen Antrag gestellt.

Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt, der Antrag sei nur teilweise zulässig. Mit der Rüge vom 24.03.2023, die Beigeladene habe mit ihrem Preis die umwelt-, sozial- und arbeitsrechtlichen Anforderungen nicht eingehalten, sei die Antragstellerin präkludiert. Sie kenne ihre eigene Kalkulation als Indiz für die Rüge mindestens seit der Angebotsabgabe, habe aber die Rüge erst am Tag der Stellung des Nachprüfungsantrags zeitlich nachfolgend erhoben. Die Behauptung, die Beigeladene habe nicht mit rollstuhlgerechten Fahrzeugen angeboten, habe keine erkennbare Grundlage.

Der Antrag sei unbegründet. Zwar sei die Dokumentation unzureichend, jedoch sei auf der Grundlage der Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung, insbesondere durch die Ergänzungen der Beigeladenen, kein Vergaberechtsverstoß feststellbar, der sich zu Lasten der Antragstellerin ausgewirkt habe.

Die Beigeladene sei nicht aufgrund eines widersprüchlichen Angebots oder einer Veränderung der Vergabeunterlagen auszuschließen. Das hilfsweise eingereichte Kalkulationsblatt, das der Vergabeakte nicht beigefügt sei, sei weder als Alternativ- noch als zweites Hauptangebot zu berücksichtigen. Zwar sei die Frage der Gestaltung des Kalkulationsblatts von der Beigeladenen rechtzeitig vor Angebotsabgabe zu klären gewesen. Aus ihrer E-Mail vom 30.11.2023 ergebe sich aber, dass sie das auf zwei Blätter verteilte Angebot habe abgeben wollen. In der Verwendung von zwei Kalkulationsblättern liege keine inhaltliche manipulative Änderung der Vergabeunterlagen. Jedenfalls entstehe der Antragstellerin durch einen unterlassenen Ausschluss des Gesamtangebots der Beigeladenen kein Schaden, da bei einem Ausschluss des Gesamtangebots der Zuschlag auf die jeweils preislich günstigsten Einzelangebote der Beigeladenen zu erteilen wäre.

Die Bewertung des Antragsgegners, dass die Beigeladene den Auftrag ausschreibungskonform umsetzen könne, sei im Ergebnis nicht zu beanstanden. Der Antragsgegner habe nicht die Tourenpläne anfordern müssen. Zwar sei ohne die Pläne nur eingeschränkt prüfbar, ob die Beigeladene mit der angegebenen Kilometerleistung und der angegebenen Kapazität den Auftrag umsetzen könne. Jedoch habe die Antragstellerin früher rügen müssen, dass in den Vergabeunterlagen offengeblieben sei, wann eine Anforderung der Tourenpläne erfolgen solle.

Es sei nachvollziehbar, dass die von der Beigeladenen angebotenen Kapazitäten unter Berücksichtigung von im Rahmen der angegebenen Kilometerzahl möglichen Doppelfahrten ausreichend sei. Zwar bleibe das mit der E-Mail vom 15.02.2023 eingereichte Kalkulationsblatt unberücksichtigt, weil die Beigeladene mit konkreten Platzzahlen angeboten habe und eine Änderung der Platzzahlen eine Änderung des Preises zur Folge habe. Auch könnten die Schulbegleiter nicht als Fahrer eingesetzt werden, weil das im Widerspruch zu den Vergabeunterlagen stehe. Darin werde von einer unmittelbaren, lückenlosen und individuellen Schulbegleitung ausgegangen. Ließe man zu, dass Schulbegleiter als Fahrer eingesetzt würden, liege darin eine Änderung der Vergabeunterlagen. Es seien jedoch Doppelfahrten möglich, die durch die Vergabeunterlagen nicht ausgeschlossen würden. Der Abgleich der Besetzt-Kilometer aus den verschiedenen Angeboten lasse diese Möglichkeit plausibel erscheinen. Die Beigeladene habe in der mündlichen Verhandlung erklärt, die Besetzt-Kilometer in ihrem Angebot seien so kalkuliert, dass die erforderlichen Doppelfahrten möglich seien.

Das Angebot der Beigeladenen habe nicht wegen fehlender Angaben zum Fahrzeugtyp ausgeschlossen werden müssen. Zwar seien die Angaben unvollständig gewesen, denn der Fahrzeugtyp sei neben der von der Beigeladenen ausschließlich aufgeführten Sitzplatzanzahl anzugeben gewesen. Der Fahrzeugtyp sei jedoch nicht relevant für den Zuschlag, denn es hätten alle Bieter die Vergabeunterlagen so verstanden, dass auch Fahrzeuge gleichen Typs mit unterschiedlichen Preisen angeboten werden könnten. Der Antragsgegner habe deswegen die Angaben nachfordern können. Die Beigeladene habe den Fahrzeugtyp auf Nachforderung mitgeteilt.

Die Frist für die Beantwortung der Aufklärungsfrage vom 24.02.2023 sei verlängert worden, was sich aus einer Notiz in der Vergabeakte ergebe.

Hinsichtlich der Zweifel, ob das Angebot der Beigeladenen umsetzbar sei, sei die Dokumentation nicht ausreichend, um die Vergabeentscheidung nachvollziehbar zu machen. Die Antragstellerin habe allerdings keinen Anspruch darauf, dass der Antragsgegner die Fahrpläne von der Beigeladenen anfordere. Er müsse nur zu der Überzeugung gelangen können, dass der Auftrag entsprechend der Vorgaben ausgeführt werden könne. Er könne sich zwar auf die Angaben der Beigeladenen verlassen, die Entscheidung müsse aber nachprüfbar sein. An sich sei nur unter Heranziehung der konkreten Umsetzung nachvollziehbar, ob die Beigeladene mit der angebotenen Fahrgastkapazität und den angebotenen Besetztkilometern den Auftrag erfüllen könne. Ohne weitere Erläuterungen sei etwa der Umfang etwaiger Doppelfahrten nicht nachvollziehbar. Anhand der Angaben in der mündlichen Verhandlung sei die Umsetzbarkeit aber nachvollziehbar geworden.

Nachdem der Senat mit Beschluss vom 06.07.2023 die Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde bis zur Entscheidung über sie angeordnet hatte, und vor dem auf den 02.11.2023 anberaumten Verhandlungstermin hob der Antragsgegner das Vergabeverfahren mit Schreiben an die Beigeladene und die Antragstellerin vom 30.10.2023 (Anlage zum Schriftsatz des Antragstellervertreters vom 30.10.2023, Bl. 174 f. d. A.) auf. Die Grundlage des Vergabeverfahrens sei wesentlich verändert, weil aufgrund der Dauer des Nachprüfungsverfahrens die Vergabe für sechs Schuljahre ab 2023/24 nicht mehr möglich sei und ein neuer Zeitraum festgelegt werden müsse. Es lägen andere schwerwiegende Gründe vor, weil die Sach- und Personalkosten während des Nachprüfungsverfahrens gestiegen seien und sie dadurch die Kalkulationsgrundlagen massiv geändert hätten. Ein Festhalten an den Preisen aus den Angeboten aus November 2022 sei nicht möglich. Er beabsichtige eine Neuausschreibung.

Eine Rüge der Antragstellerin vom 03.11.2023 gegen die Aufhebung des Vergabeverfahrens wies der Antragsgegner mit Schreiben vom 17.11.2023 (Bl. 195 ff. d. A.) zurück. Neben den im Schreiben vom 30.10.2023 genannten Gründen führte er aus, er habe keine Begrenzung der Angebote auf sechs Fahrzeugtypen vornehmen wollen. Das habe seinem Interesse an wirtschaftlichen Angeboten widersprochen. Ebenso wenig habe er den Einsatz von Begleitpersonen als Fahrer ausschließen wollen. Dieser Einsatz stelle ein Einsparpotential dar. Das durch den Beschluss des Senats vom 06.07.2023 zur Kenntnis gekommene Verständnis der Vergabeunterlagen entspreche nicht seiner Vergabeabsicht.

Zur Begründung ihrer frist- und formgerecht eingelegten und begründeten sofortigen Beschwerde führt die Antragstellerin im Wesentlichen aus, ihr Antrag sei insgesamt zulässig. Grundlage für die Rüge, die Beigeladene habe keine rollstuhlgerechten Fahrzeuge angeboten, sei die Angabe der Beigeladenen, es handele sich um “8-Sitzer”. Die Rüge vom 24.03.2023 sei nicht präkludiert. Die Frist des § 160 Abs. 3 Nr. 1 GWB dürfe ausgenutzt werden.

Die Entscheidung der Vergabekammer sei widersprüchlich, soweit sie einen Dokumentationsmangel feststelle, aber zu dem Ergebnis komme, die Vergabeentscheidung sei aufgrund des Vortrags in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar. Die Heilung von Dokumentationsmängeln sei ausgeschlossen, wenn durch sie keine wettbewerbskonforme Auftragserteilung mehr möglich sei. Wenn die Vergabekammer die Ausführungen des Antragsgegners für unzureichend halte, jedoch eine Plausibilität aufgrund der Erläuterungen der Beigeladenen annehme, setze sie ihre Entscheidung an die Stelle der Entscheidung des Antragsgegners.

Die Beigeladene habe zwei Angebote mit abweichenden Angaben hinsichtlich der Fahrzeugkapazität abgegeben. Es lägen zwei Kalkulationen mit unterschiedlichen Fahrplänen und Angebotsinhalten vor. Der Antragsgegner habe jedoch suggeriert, es gebe nur ein Angebot. Aus diesen Feststellungen habe die Vergabekammer nicht die notwendigen Konsequenzen gezogen. Alternativ- oder Nebenangebote seien nicht zulässig gewesen. Ein widersprüchliches und mit Bedingungen versehenes Angebot dürfe nicht den Zuschlag erhalten. Das Vorgehen der Beigeladenen sei manipulativ, denn es gehe darum, die Zahl der Sitzplätze offen zu lassen, um auf den Preis einwirken zu können. Die Annahme der Vergabekammer, sie sei durch das widersprüchliche Gesamtangebot nicht beeinträchtigt, sei unverständlich, denn die Beigeladene habe ein Gesamtangebot abgeben wollen. Dieses könne nicht in ein unzulässiges Gesamtangebot und zulässige Einzelangebote aufgespalten werden. Im Preisblatt hätten die Angaben zum Fahrzeugtyp gefehlt. Zudem sei die Kalkulation der Einzelangebote keiner Prüfung nach § 60 VgV unterzogen worden. Die Rüge der Beigeladenen vom 30.11.2022 hinsichtlich der Gestaltung des Kalkulationsblatts sei verspätet gewesen. Das Preisblatt sei der Beigeladenen lange bekannt gewesen. Die Abgabe von zwei Angeboten unterstreiche ihre manipulative Absicht. Die Bestätigung der Zulässigkeit durch den Antragsgegner habe gegen das Gleichbehandlungsprinzip verstoßen.

Das Angebot der Beigeladenen müsse ausgeschlossen werden, weil es immer noch unvollständig und uneindeutig sei und nicht alle geforderten oder nachgeforderten Unterlagen enthalte. Die Dokumentation der Aufklärung sei unvollständig. Es fehle die Anfrage, auf die die Beigeladene mit E-Mails vom 14. und 15.02.2023 geantwortet habe. Zur E-Mail vom 15.02.2023 seien nicht alle Anlagen vorhanden. Die E-Mails der Beigeladenen vom 08.02. und vom 15.02.2023 beträfen verschiedene Angebotsalternativen. Auf die Anfrage des Antragsgegners deswegen hinsichtlich der Fahrzeugtypen “S7” und “S8” vom 24.02.2023 habe die Beigeladene geantwortet, dass in die Fahrzeuge “S7” ein weiterer Sitz eingebaut werden könne, und sich damit erneut nicht festgelegt. Die Anzahl der Sitzplätze sei aber Kalkulationsgrundlage.

Das Angebot der Beigeladenen müsse ausgeschlossen werden, weil die Kalkulation nicht alle Kostenbestandteile berücksichtige und daher untertariflich sei. Es sei wegen einer Änderung der Vergabeunterlagen auszuschließen, weil es entgegen den Vorgaben in den Vergabeunterlagen mit Schulbegleitern als Fahrern kalkuliert habe. Die Vergleichbarkeit der Angebote sei nicht mehr gewährleistet. Die Vergabekammer habe daraus keine Konsequenz gezogen. Ob die Beigeladene auch vergabekonform erfüllen könne, sei unerheblich. Nach den Vergabeunterlagen sei es zudem nicht zulässig, fehlende Sitzplätze durch Besetztkilometer zu kompensieren. Diese fehlten auch in den Fahrplänen und den Kalkulationen.

Die Beigeladene habe die mit E-Mail vom 24.02.2023 gesetzte Erklärungsfrist versäumt. Eine Verlängerung der Frist sei nicht ordnungsgemäß dokumentiert. Sie ergebe sich nicht aus der ihr gewährten beschränkten Akteneinsicht. Eine begründungslose Fristverlängerung verstoße gegen das Gleichbehandlungsprinzip. Ihre Kalkulation sei der Beigeladenen seit langem bekannt gewesen.

Eine ordnungsgemäße Preisaufklärung nach § 60 VgV sei unterblieben. Entgegen der Ansicht der Vergabekammer habe der Antragsgegner die Fahrpläne anfordern müssen.

Die Aufhebung des Vergabeverfahrens sei als Scheinaufhebung unwirksam. Sie erfolge ohne rechtlichen Grund, willkürlich und allein zu dem Zweck, einen Ausschluss der Beigeladenen zu vermeiden.

Eine wesentliche Änderung der Grundlage des Vergabeverfahrens sei nicht eingetreten. Der Zweck, die Beförderung von Schulkindern, sei noch erreichbar. Es gebe keine nachträglich eingetretenen, nicht von dem Antragsgegner zu vertretenden Umstände, die einen Zuschlag sinnlos oder unzumutbar machten. Insbesondere hätten die Preise sich nicht geändert. Sie, die Antragstellerin, habe einer Verlängerung der Bindefrist zugestimmt.

Es liege kein schwerwiegender Grund für die Aufhebung vor. Der Antragsgegner habe die Vergabefehler erkennen und darauf reagieren können.

Die Aufhebung des Vergabeverfahrens diene nur dem Zweck, den Ausschluss der Beigeladenen zu vermeiden. Der Antragsgegner wolle seine rechtswidrige Praxis fortsetzen. Er habe bereits gerichtlich zur Ausschreibung gezwungen werden müssen. Er beabsichtige wiederum eine Auftragserteilung an die Beigeladene, obwohl die Fehler deren Angebots in den Nachprüfungsverfahren deutlich zu Tage getreten seien. Im Eilverfahren sei nicht angedeutet worden, dass die Vergabe eilbedürftig sei. Im Aufhebungsschreiben werde nicht mitgeteilt, wie die Bieter aktuell zu ihren Angeboten stünden. Sie, die Antragstellerin, sei noch nicht einmal angehört worden. Der vorgesehene Vertrag enthalte eine Preisanpassungsklausel, die der Preisentwicklung Rechnung trage. Die Aufhebung führe nur dazu, dass die Beigeladene die Fahrten weiter durchführe, was als rechtswidrig erkannt worden sei.

Die Neuausschreibung solle ohne wesentliche Änderung der Leistungsbeschreibung erfolgen, was willkürlich erscheine.


Die Antragstellerin beantragt,

die Entscheidung der Vergabekammer Schleswig-Holstein vom 12.05.2023 Az. VK-SH 05/23 aufzuheben;

festzustellen, dass sie in ihren Rechten verletzt ist;

dem Antragsgegner aufzugeben, den Zuschlag nicht an die Beigeladene zu erteilen;

geeignete Maßnahmen zu treffen, um die festgestellte Rechtsverletzung zu beseitigen;

hilfsweise für den Fall der Erledigung des Nachprüfungsverfahren durch Erteilung des Zuschlages, durch Aufhebung oder in sonstiger Weise, festzustellen, dass eine Rechtsverletzung vorgelegen hat;

dem Antragsgegner aufzugeben, das Vergabeverfahren fortzuführen;

hilfsweise, festzustellen, dass sie durch die Aufhebung des Vergabeverfahrens in ihren Rechten verletzt ist;

dem Antragsgegner die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie des Verfahrens vor der Vergabekammer Schleswig-Holstein einschließlich ihrer zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen aufzuerlegen und die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für notwendig zu erklären.


Der Antragsgegner beantragt,

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.


Der Antragsgegner führt im Wesentlichen aus, die Beigeladene habe nicht zwei verschiedene Angebote abgegeben. Sie habe ein Angebot mit acht Fahrzeugtypen abgeben wollen und das auf zwei Kalkulationsblätter verteilt, da der Platz sonst nicht gereicht habe. Nur zur Verdeutlichung habe sie ein Hilfsblatt mit acht Zeilen eingereicht. Das Kalkulationsblatt mit sechs Fahrzeugtypen sei nur hilfsweise eingereicht worden für den Fall, dass das Angebot mit acht Typen nicht für zulässig gehalten werde. Er habe bestätigt, dass das zulässig gewesen sei. Die Mitteilung der Beigeladenen vom 30.11.2022 sei keine Rüge gewesen, sondern ein Hinweis. Jedenfalls sei sie nicht präkludiert, weil sie vor Ende der Angebotsfrist eingegangen sei. Zudem könnten Bieterrechte der Antragstellerin nicht betroffen sein.

Das Angebot der Beigeladenen sei nicht widersprüchlich. Die Fahrzeugtypen seien bereits im Angebot nachvollziehbar bezeichnet gewesen. Die Anforderung an die Benennung des Fahrzeugtyps sei nicht abschließend gewesen. Die angebotenen Platzkapazitäten seien ausreichend, weil Doppelfahrten möglich seien. Das führe zu einer Kostensenkung und keiner nennenswerten Steigerung der Besetzt-Kilometer, weil jeweils nur wenige hundert Meter zurückzulegen seien.

Die Beigeladene habe auf Nachfrage die wesentlichen Kostenpositionen mitgeteilt. Die mitgeteilten Kosten seien plausibel gewesen. Es sei erkennbar gewesen, dass die Personalkosten geeignet seien, den Mindestlohn abzudecken. Es bestünden keine Zweifel, dass die Beigeladene die angebotene Leistung zu dem angebotenen Preis erbringen könne. Es sei nicht erkennbar, welche Kostenbestandteile nicht berücksichtigt sein sollten. Die Angebotsprüfung nach § 60 VgV sei damit erfolgt.

Die Mittelung der Beigeladenen sei innerhalb der verlängerten Frist erfolgt. Die Fristverlängerung aufgrund telefonischer Bitte sei in der Vergabeakte eindeutig vermerkt.

Die Aufhebung des Vergabeverfahrens sei rechtmäßig. Wegen des Zeitablaufs sei eine wesentliche Änderung der Grundlagen des Vergabeverfahrens eingetreten. Der Auftrag habe für sechs Jahre ab dem Schuljahr 2023/24 erteilt werden sollen. Das sei nicht mehr möglich. Die ausgeschriebene Dienstleistung habe einen Fixschuldcharakter gehabt. Es sei ausgeschlossen, das Ziel des Vertrages, die Erbringung der Dienstleistung in einem bestimmten Zeitraum, zu realisieren. Die partielle Nichterfüllbarkeit lasse sich nicht durch eine Vertragsanpassung beheben. Es sei unklar, welches Datum statt des 28.08.2023 als Beginn festgelegt werden solle. Erst recht gelte das für die vor Betriebsaufnahme liegenden Verpflichtungen. Die Vertragsstraferegelungen verlören ihre Grundlage. Es sei unklar, wie sich die Verzögerung auf die Vertragsdauer auswirken solle. So habe etwa ein Hinausschieben des Vertragsendes über das Ende des Schuljahrs 2028/29 hinaus ebenso wie eine Verkürzung der Laufzeit Auswirkungen auf die Kalkulationsgrundlagen. Die Angebote seien bis November 2022 abzugeben gewesen. Die Bindefrist bis zum 31.01.2023 sei überschritten. Angesichts der Erhöhungen der Sach- und Personalkosten entsprächen die Angebote nicht mehr dem aktuellen Stand. Der vorgesehene Vertrag enthalte zwar eine Preisanpassungsklausel, diese greife aber erst für die Zeit nach Vertragsschluss ein. Für die Antragstellerin entstehe kein Nachteil, weil sie sich an der neuen Ausschreibung beteiligen könne.

Es lägen andere schwerwiegende Gründe vor, die es ihm, dem Antragsgegner, unzumutbar machen, das Vergabeverfahren fortzuführen. So gehe der Senat davon aus, aus den Vergabeunterlagen ergebe sich eine Beschränkung auf sechs Fahrzeugtypen. Das widerspreche seiner Absicht. Er habe kein erkennbares Interesse daran gehabt. Er habe ein Interesse daran gehabt, die Bedingungen so weit zu fassen, dass er möglichst wirtschaftliche Angebote erhalte. Es sei ihm nicht zuzumuten, an einer Ausschreibung festgehalten zu werden, die Vorgaben enthalte, die er nicht habe regeln wollen und nicht geregelt habe und durch die sein Interesse an einer wirtschaftlichen Vergabe verletzt werden könne. Die angebliche Beschränkung sei für ihn nicht vorhersehbar gewesen. Sie sei den Vergabeunterlagen nicht zu entnehmen gewesen, was sich daraus ergebe, dass die Beigeladene mehr Fahrzeugtypen angeboten und er dies akzeptiert habe. Es habe nur eine formale Ausgestaltung eines Formblatts vorgelegen.

Es liege keine Scheinaufhebung vor. Wenn der Senat an seiner Auffassung festhalte, könne das Angebot der Beigeladenen dennoch nicht ausgeschlossen werden. Das Vergabeverfahren sei auf den Stand vor Angebotsabgabe zurückzuversetzen, um allen Bietern die Möglichkeit zu geben, mit mehr als sechs Fahrzugtypen anzubieten. Das komme faktisch einer Neuausschreibung gleich. Zumindest müsse eine Aufklärung der Angebote der Beigeladenen hinsichtlich der Besetzt-Kilometer erfolgen. Doppelfahrten führten nicht zwingend zu einer Erhöhung. Angesichts des erheblich über dem Angebot der Beigeladenen liegenden Angebotspreises der Antragstellerin sei auch bei einem Ausschluss des Angebots der Beigeladenen eine Aufhebung des Verfahrens mangels wirtschaftlichen Angebots zu prüfen.


Die Beigeladene hat beantragt,

den Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde abzulehnen.


Die Beigeladene hat im Wesentlichen ausgeführt, ein Dokumentationsmangel liege nicht vor. Jedenfalls sei er durch die Erläuterungen vor der Vergabekammer geheilt worden.

Ein Ausschluss ihres Angebots mit acht Fahrzeugtypen komme nicht infrage, weil sie keine andere Leistung angeboten habe als ausgeschrieben. Der Antragsgegner habe ihre Vorgehensweise akzeptiert. Dass sie hilfsweise ein zweites Angebot abgegeben habe, das von dem ersten abweiche, führe nicht zum Ausschluss, da sie deutlich gemacht habe, welches Angebot gewollt sei.

Zweifel an der Erfüllbarkeit der Leistungszugsage habe es nicht gegeben. Jedenfalls habe sie klargestellt, dass sie die erforderliche Anzahl von Personen durch Doppelfahrten befördern könne. So seien die Besetzt-Kilometer kalkuliert. Sie habe erläutert, dass als spätere Optimierung der Einsatz von Begleitpersonen als Fahrer oder der Einbau weiterer Sitze möglich sei. Die Fahrzeugtypen seien hinreichend bezeichnet gewesen, jedenfalls sei die Bezeichnung auf Nachfrage erfolgt.

Der Antragsgegner habe ihre Kalkulation geprüft. Sie habe diese rechtzeitig übersandt, da die Frist vor deren Ablauf verlängert worden sei.

In der mündlichen Verhandlung hat die Beigeladene keinen Antrag gestellt und keine Ausführungen gemacht.


II.

Die zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat in der Sache teilweise Erfolg. Auf die Beschwerde hin wäre das Vergabeverfahren mit einer erneuten Angebotswertung unter Ausschluss des Gesamtangebots der Beigeladenen fortzusetzen gewesen. Das Vergabeverfahren ist jedoch nicht fortzusetzen, nachdem der Antragsgegner es aufgehoben hat. Denn die Aufhebung war zwar rechtswidrig, aber wirksam.

1. Die zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin hätte Erfolg gehabt. Denn der Nachprüfungsantrag war zulässig und begründet.

a) Der Nachprüfungsantrag war überwiegend zulässig. Insoweit wird zunächst auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss der Vergabekammer Bezug genommen. Sie treffen allerdings nur zum Teil zu, soweit die Vergabekammer den Antrag als unzulässig angesehen hat.

aa) Der Behauptung, die Beigeladene habe keine rollstuhlgerechten Fahrzeuge angeboten, entbehrt der Grundlage. Die Antragstellerin kann sich als Anhaltspunkt nicht darauf stützen, dass die Beigeladene hinsichtlich des Fahrzeugtyps nur Angaben zu der Anzahl von Sitzplätzen gemacht habe. Zum einen ist auch aus der Bezeichnung des Fahrzeugs als Pkw oder Kleinbus nicht erkennbar, ob es Rollstuhlplätze bietet. Zum anderen betrifft das nur einen Teil der Fahrzeuge. Andere Fahrzeuge hat die Beigeladene ausdrücklich mit Rollstuhlplätzen angeboten. Deswegen ist die Rüge jedenfalls unbegründet.

bb) Die Rüge, dass der von der Beigeladenen angebotene Preis nicht alle umwelt-, sozial- und arbeitsrechtlichen Anforderungen einhalte, ist nicht nach § 160 Abs. 3 Nr. 1 GWB präkludiert.

Es führt nicht zur Präklusion, dass die Rüge erst nach der Stellung des Nachprüfungsantrags erhoben worden ist. Das ist unschädlich, auch wenn die Rüge an sich dem Auftraggeber die Möglichkeit geben soll, von sich aus Vergaberechtsverstöße zu korrigieren. Indes kann das zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes nicht gelten, wenn die Wartefrist nach § 134 Abs. 2 GWB abzulaufen droht (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 15.01.2021, 15 Verg 11/20).

Der Antragsgegner hat der Antragstellerin mit Schreiben vom 14.03.2023 mitgeteilt, dass der Zuschlag nicht vor dem 24.03.2023 erfolgen werde. Erst mit Schreiben vom 23.03.2023 hat er das dahin korrigiert, dass der Zuschlag nicht vor dem 26.03.2023 erfolgen werde. Danach hätte die Antragstellerin zwar bis zum 25.03.2023 mit der Stellung des Nachprüfungsantrags warten können. Es war allerdings nicht zu erwarten, dass der Antragsgegner die Rüge innerhalb eines Tages bescheiden werde.

Die Zehntagesfrist ist eingehalten. Das gilt im Übrigen auch für die Rüge, das Angebot der Beigeladenen sei unvollständig, weil keine Fahrzeugtypen angegeben seien. Denn die Antragstellerin wusste zwar seit dem Beschluss der Vergabekammer vom 20.02.2023, dass der Preis der Beigeladenen um mindestens 20 % unterhalb ihres Preises lag und in dem Angebot keine Fahrzeugtypen angegeben waren. Dass der Antragsgegner aber dennoch den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen erteilen wollte, wusste sie erst seit dem Informationsschreiben vom 14.03.2023.

cc) Im Übrigen stellt sich die Frage der Präklusion nicht, weil die Antragstellerin wesentliche Einzelheiten des Angebots der Beigeladenen erst durch die Akteneinsicht und den Vortrag des Antragsgegners im Nachprüfungsverfahren erfahren hat. Die Rügeobliegenheit des § 160 Abs. 3 Nr. 1 GWB bezieht sich ausdrücklich nur auf vor Einreichung des Nachprüfungsantrags erkannte Verstöße. Zudem kann dann der Zweck der Rügeobliegenheit, ein Nachprüfungsverfahren zu vermeiden, nicht mehr erreicht werden (Gabriel/Rameil in: BeckOK Vergaberecht, 28. Ed., § 160 GWB, Rn. 213).

b) Der Nachprüfungsantrag wäre begründet gewesen. Er hätte zu einer Zurückversetzung des Vergabeverfahrens vor die Angebotswertung geführt. Das Gesamtangebot der Beigeladenen wäre dabei auszuschließen gewesen.

aa) Auf ein Angebot, das auszuschließen ist, darf der Zuschlag nicht erteilt werden. Ein Bieter kann das mit seinem Nachprüfungsantrag geltend machen. Denn nach § 97 Abs. 6 GWB haben Bieter Anspruch darauf, dass die Vorschriften über das Vergabeverfahren eingehalten werden.

Das Gesamtangebot der Beigeladenen wäre auszuschließen gewesen.

(1) Ein Ausschluss wäre allerdings nicht nach § 57 Abs. 1 Nr. 2 VgV vorzunehmen gewesen. Danach sind Angebote auszuschließen, die nicht die geforderten oder nachgeforderten Unterlagen enthalten. Der Begriff der Unterlage ist im Sinne von § 56 Abs. 2 VgV weit zu verstehen, sodass auch Angaben darunter fallen (von Wietersheim in: BeckOK Vergaberecht, 28. Ed., § 57 VgV, Rn. 34). Ein Ausschluss kommt nur in Betracht, wenn die Unterlagen wirksam gefordert wurden. Dazu muss die Forderung deutlich und widerspruchsfrei sein. Das ist nach dem Empfängerhorizont eines abstrakt bestimmten Interessentenkreises zu beurteilen (BGH, Beschluss vom 03.04.2012, X ZR 130/10).

Das Angebot der Beigeladenen war unvollständig, weil sie im Kalkulationsblatt nur Sitzplatzzahlen, nicht auch Fahrzeugtypen angegeben hat. Nach der Vorgabe in den Vergabeunterlagen sollten beide Angaben gemacht werden. Die Vorgabe war auch für einen unbefangenen Leser eindeutig, da zwar für die Angabe des Fahrzeugtyps nur eine beispielhafte, nicht abgeschlossene Auflistung gegeben wurde, jedoch danach eindeutig gefordert wurde, daneben die Fahrgastkapazität anzugeben.

Die Beigeladene hat den Fahrzeugtyp jedoch auf Nachfrage angegeben. Die Vergabekammer hat zutreffend ausgeführt, dass der Antragsgegner die Angabe nach § 56 Abs. 2 VgV nachfordern durfte. Gegen die Grundsätze der Transparenz und Gleichbehandlung verstieß das nicht, weil der Fahrzeugtyp nicht entscheidend für die Preisbildung war. Dafür war die Anzahl der Sitzplätze entscheidend. Das ergibt sich gerade aus dem Angebot der Antragstellerin, die für gleiche Fahrzeugtypen mit verschiedenen Sitzplatzzahlen verschiedene Preise angeboten hat.

(2) Ein Ausschluss wäre nicht deswegen vorzunehmen gewesen, weil die Beigeladene zwei einander widersprechende Angebote eingereicht hat. Nach ihren Angaben in der E-Mail vom 30.11.2022 und dem Vortrag des Antragsgegners im Nachprüfungsverfahren hat sie zum einen ein Angebot mit acht Fahrzeugtypen abgegeben. Da das Kalkulationsblatt nur sechs Zeilen vorsah, hat sie das Angebot auf zwei Blätter verteilt und zur besseren Übersicht ein Hilfsblatt mit acht Zeilen beigefügt. Zum anderen hat sie ein Kalkulationsblatt mit sechs Fahrzeugtypen eingereicht, in dem sie in zwei Fällen jeweils zwei Fahrzeugtypen zusammengefasst hatte, was zu abweichenden Fahrzeugkapazitäten und Preisen führte. Dieses Angebot soll dem entsprechen, das die Beigeladene mit ihrer E-Mail vom15.02.2023 (Teil des fortgeschriebenen Vergabevermerks) eingereicht hat.

Einen Grund für einen Ausschluss des gewollten Angebots wegen der Abgabe eines weiteren Angebots gibt es nicht. Zwar waren nach der Auftragsbekanntmachung Nebenangebote nicht zugelassen. Die Abgabe nicht zugelassener Nebenangebote würde indes nach § 57 Abs. 1 Nr. 6 VgV nur zum Ausschluss des Nebenangebots führen.

Das Angebot der Beigeladenen ist durch die Einreichung des weiteren Kalkulationsblatts auch nicht widersprüchlich oder formwidrig geworden. Denn die Beigeladene hat deutlich gemacht, welches Angebot sie abgeben wollte, nämlich das mit acht Fahrzeugtypen. Das andere Angebot sollte nur für den Fall abgegeben werden, dass das eigentliche Angebot für unzulässig angesehen würde.

Festzuhalten ist, dass das weitere Angebot nicht zu berücksichtigen ist. Die Zulassung von Alternativangeboten oder Angeboten, die unter eine Bedingung gestellt werden, würde gegen den Gleichbehandlungs- und den Transparenzgrundsatz verstoßen. Der Bieter muss sich festlegen, welches Angebot er abgeben will. Es kann nicht der Entscheidung des Auftraggebers überlassen werden, welches Angebot gewertet wird. Sonst würden Bieter, die sich auf das geforderte eine Angebot beschränken, benachteiligt.

Nebenbei ist zu bemerken, dass die Dokumentation des Vergabeverfahrens fehlerhaft ist, weil das Alternativangebot der Beigeladenen nicht zur Vergabeakte genommen wurde. Es wurde so der Vergabekammer und der Antragstellerin zunächst nicht bekannt. Nach § 8 VgV sind alle wesentlichen Teile des Ausschreibungsverfahrens zu dokumentieren. Dazu gehört, dass Angebote so, wie sie abgegeben werden, zur Vergabeakte genommen werden. Das folgt aus dem Grundsatz der Transparenz, weil sonst in Nachprüfungsverfahren die Angebote nicht umfassend gewürdigt werden können. Auswirkungen hat der Verstoß allerdings nicht.

(3) Das Gesamtangebot der Beigeladenen wäre wegen einer Änderung der Vergabeunterlagen nach § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV auszuschließen gewesen. Die Änderung der Vergabeunterlagen ist nach § 53 Abs. 7 VgV unzulässig. Eine Änderung der Vergabeunterlagen liegt vor, wenn der Bieter manipulativ in sie eingreift, indem er ein von den Vorgaben abweichendes Angebot macht, das bei einem Wegdenken der Abweichungen unvollständig bleibt (BGH NZBau 2019, 661, 663, Rn. 26). Dazu ist keine körperliche Veränderung im Sinne einer Änderung der vorgegebenen Leistungsmengen oder -beschreibungen notwendig. Es reicht, dass der Bieter bei der Ausfüllung von Berechnungsschemata von den Vorgaben abweicht (OLG Schleswig, Beschluss vom 21.12.2018, 54 Verg 1/18). Eine Änderung der Vergabeunterlagen liegt auch vor, wenn das Angebot von den Leistungsvorgaben in der Ausschreibung abweicht (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29.11.2000, Verg 21/00; Koch in: Beck’scher Vergaberechtskommentar, 3. Aufl., § 53 VgV, Rn. 45).

Ein Ausschluss eines Angebots unter rein formalen Gesichtspunkten kommt indes nicht in Betracht. Vielmehr sind etwaige Unklarheiten im Wege der Aufklärung zu beseitigen (BGH, Urteil vom 18.06.2019, X ZR 86/17; BGH, Urteil vom 19.06.2018, X ZR 100/16; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 01.04.2020, Verg 30/19; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 02.08.2017, Verg 17/17). Sanktioniert werden soll nur ein manipulativer Eingriff in die Vergabeunterlagen.

(a) Ein manipulativer Eingriff in die Vergabeunterlagen durch die Beigeladene lag darin, dass sie ihr Angebot nicht auf sechs Fahrzeugtypen beschränkt hat, sondern unter Erweiterung des Kalkulationsblatts bzw. unter Hinzufügung einer zweiten Seite acht Fahrzeugtypen angeboten hat. Es handelt sich nicht um eine bloße Formalie.

Das von dem Antragsgegner vorgegebene Kalkulationsblatt sah sechs Zeilen vor, sodass maximal sechs Fahrzeugtypen angeboten werden konnten. Die Vergabeunterlagen sahen weder eine Erweiterung vor noch, dass zwei Kalkulationsblätter verwendet werden konnten. Im Gegenteil hatte der Antragsgegner unter Ziff. 4.2. der Aufforderung zur Angebotsabgabe Änderungen des Kalkulationsblatts ausdrücklich ausgeschlossen. Diese Vorgabe hat die Beigeladene erkannt, wie sich aus ihre Rüge vom 30.11.2022 ergibt. Ob die Vorgabe sinnvoll war, ist unerheblich. Es handelte sich jedenfalls um eine Vorgabe der Angebotserstellung, die für die Bieter bindend war.

Das Vorgehen des Antragsgegners, nach Ablauf der Angebotsfrist und nur gegenüber der Beigeladenen eine Erweiterung des Kalkulationsblatts für zulässig zu erklären, verstößt gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass auch andere Bieter mehr Fahrzeugtypen angeboten hätten, wenn sie gewusst hätten, dass das zulässig ist. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass sie dann ein individuelleres Angebot mit einer angepassten Sitzplatzkombination angeboten hätten. Das hätte zu einem günstigeren Preis führen können, weil der Preis sich nach der Anzahl der Sitzplätze richtet. Das räumt der Antragsgegner jetzt ein, da er unter anderem auf das Argument der größeren Wirtschaftlichkeit eines Angebots mit mehr Fahrzeugtypen die Aufhebung des Vergabeverfahrens stützt.

Die Beigeladene hätte sich nicht auf einen Vertrauensschutz deswegen berufen können, weil der Antragsgegner ihr Vorgehen für zulässig erklärt hat. Sie hätte rechtzeitig vor Ablauf der Angebotsfrist klären müssen, ob das Angebot auf mehr als sechs Fahrzeugtypen erweitert werden darf. Stattdessen hat sie erst mit Einreichung des Angebots um Klärung nachgesucht und gleichzeitig ein unzulässiges Alternativangebot eingereicht. Dabei handelte sie auf eigenes Risiko.

(b) Das Angebot der Beigeladenen wich von den Vorgaben in den Ausschreibungsunterlagen ab, weil sie nicht die erforderliche Anzahl von Sitzplätzen angeboten hat. Zu transportieren waren nach den Schülerlisten in der Ausschreibung 343 Schüler und Begleitpersonen. Die Beigeladene hat in ihrem Angebot demgegenüber nur 329 Sitzplätze vorgesehen. Das Alternativangebot, das die Beigeladene mit ihrer E-Mail vom 15.02.2023 wiederum in Bezug nahm, bleibt unberücksichtigt. Im übrigen ergeben sich danach zwar dadurch, dass vier Fahrzeugtypen zu jeweils zwei zusammengefasst werden und sich dadurch je Fahrzeug ein Sitzplatz mehr ergibt, 342 Sitzplätze. Das ist indes immer noch einer weniger als die Anzahl der zu transportierenden Personen.

Doppelfahrten zum Ausgleich der fehlenden Sitzplatzkapazität sind nach den Vergabeunterlagen nicht ausgeschlossen. Die Beigeladene trägt vor, sie habe solche Doppelfahrten vorgesehen und die Anzahl der Besetzt-Kilometer entsprechend kalkuliert. Das steht allerdings in Widerspruch zu dem Vortrag des Antragsgegners, wonach die Beigeladene erklärtermaßen damit kalkuliert hat, dass sie Schulbegleiter als Fahrer einsetzen wollte. Dafür spricht auch die E-Mail der Beigeladenen vom 15.02.2023. Darin hat sie für die unzulässige Angebotsalternative mit dreizehn Sitzplätzen mehr als nach ihrem Angebot ausgeführt, dass dann ohne den möglichen Doppeleinsatz von Fahrzeugen und ohne den wesentlichen Einsatz von Schulbegleitern als Fahrer die Kapazitäten ausreichten. Das bedeutet aber, dass auch bei dieser Variante mit einem Sitzplatz weniger als zu befördernde Personen Schulbegleiter als Fahrer eingesetzt werden sollten, nur eben nicht in einem wesentlichen Umfang. Sind allerdings nach dem Angebot der Beigeladenen 14 Sitzplätze weniger vorhanden als zu befördernde Personen, muss das in einem größeren – wesentlichen – Umfang der Fall sein.

Daneben ist auffällig, dass sich die Anzahl der Besetzt-Kilometer zwischen dem Angebot der Beigeladenen und dem Alternativangebot nicht unterscheiden soll. Es wäre dagegen zu erwarten, dass bei einer Kapazitätsdifferenz von 14 Sitzplätzen in höherem Maße Doppelfahrten notwendig werden als bei einer Kapazitätsdifferenz von nur einem Sitzplatz.

Wie die Vergabekammer zutreffend ausgeführt hat, widerspricht der Einsatz von Schulbegleitern als Fahrer den Vergabeunterlagen. Die Vergabekammer hat allerdings nicht die notwendige Konsequenz daraus gezogen.

Nach Ziff. 2.1.1 des Verkehrsvertrages war sicherzustellen, dass die Begleitpersonen einen Platz in unmittelbarer Nähe zu dem zu begleitenden Schüler erhalten. Aus Ziff. 1 der Aufforderung zur Angebotsabgabe ergab sich, dass einige Kinder wegen Anfallsleiden oder unberechenbarer Verhaltensweisen eine individuelle Begleitung auch während der Busfahrt benötigten. Auf Bieterfrage ID 4 teilte der Antragsgegner mit, dass jedes markierte Kind jeweils eine eigene Begleitperson habe, die mit dem Kind ein- und aussteige.

Diese Vorgaben schließen es eindeutig aus, dass eine Begleitperson auch als Fahrer eingesetzt wird. Ein Fahrer, der sich auf den Verkehr konzentrieren muss, kann nicht gleichzeitig eingreifen, wenn ein Kind einen Anfall erleidet oder einen unvorhersehbaren Ausbruch hat.

Hat die Beigeladene aber diesen unzulässigen Einsatz der Begleitpersonen als Fahrer vorgesehen, so muss das zum Ausschluss des Angebots führen.

(c) Die Beigeladene kann sich, nachdem sie mit dem Einsatz von Begleitpersonen als Fahrer kalkuliert hat, nicht darauf berufen, dass sie die angebotene Leistung mit der angebotenen Sitzplatzkapazität auch anders erbringen könnte, nämlich mit Doppelfahrten. Dann darin läge eine Änderung des Angebots.

Nach § 15 Abs. 5 VgV darf der Auftraggeber Aufklärung über das Angebot verlangen, wenn er Zweifel an dessen Inhalt hat. Die Aufklärung darf aber nicht zu einer Änderung des Angebots führen, weil darin ein unzulässiges Nachverhandeln läge.

Eine Abweichung von dem abgegebenen Angebot liegt bereits darin, dass die Beigeladene sich in der E-Mail vom 15.02.2023 auf Frage des Antragsgegners nach der Sitzplatzkapazität auf ihr unzulässiges Alternativangebot bezogen hat. Dieses weicht in der Anzahl der angebotenen Sitzplätze und dadurch in dem Preis je Besetzt-Kilometer für einzelne Fahrzeugkategorien von ihrem Angebot ab.

Zudem dürfte sich die Kalkulation der Personalkosten ändern. Eine Begleitperson, die entgeltlich oder unentgeltlich die Schulfahrten ohnehin durchführen muss, dürfte bereit sein, zu einer niedrigen Entlohnung als Fahrer tätig zu sein als eine eigens als Fahrer eingestellte Person. Einzelne Fahrer müssen zudem für die Zeit entlohnt werden, in der sie bereits in der Schule angekommene oder noch sich dort aufhaltende Kinder betreuen, während andere, ebenfalls für diesen Zeitaufwand zu entlohnende, Fahrer Doppelfahrten durchführen, um verbleibende Kinder abzuholen oder nach Hause zu bringen.

Auch die Kalkulation der Besetzt-Kilometer dürfte sich ändern. Werden mehr Sitzplätze benötigt als vorgesehen, wird sich dadurch der Bedarf an Doppelfahrten erhöhen. Dadurch müssen die Besetzt-Kilometer gegenüber dem Angebot steigen.

(d) Das Angebot der Beigeladenen wäre auszuschließen gewesen, weil sie ihre Kalkulation entgegen der Fristsetzung bis zum 01.03.2023 in der E-Mail vom 24.02.2023 erst am 02.03.2023 eingereicht hat. Eine Fristverlängerung ist nicht ausreichend dokumentiert.

Wird eine nachgeforderte Unterlage erst nach Ablauf einer nach § 56 Abs. 4 VgV gesetzten Frist vorgelegt, ist das Angebot nach § 57 Abs. 1 Nr. 1 VgV auszuschließen (Pauka/Krüger in: MK-VergabeR I, 4. Aufl., § 56 VgV, Rn. 38). Das Verfahren über die Nachforderung von Unterlagen ist, wie das gesamte Vergabeverfahren, nach § 8 VgV zu dokumentieren. Verstöße gegen die Dokumentationspflicht kann ein Bieter als Rechtsverstöße nach § 97 Abs. 6 GWB rügen, wenn er durch sie benachteiligt wird (Müller in: MK-VergabeR I, 4. Aufl., § 8 VgV, Rn. 48). Ob eine nach § 56 Abs. 4 VgV gesetzte Frist verlängert worden ist, ist ein wesentlicher, zu dokumentierender Umstand, weil davon der Ausschluss des Angebots abhängt.

In dem ergänzten Vergabevermerk findet sich keine ausreichende Dokumentation. Dort ist nur handschriftlich auf der E-Mail vom 24.02.2023 vermerkt, die Frist sei telefonisch verlängert worden. Dieser Vermerk war übrigens auch für die Antragstellerin in der teilweise geschwärzten Version sichtbar. Der Vermerk ist bereits für sich unzureichend, weil sich aus ihm nicht ergibt, wer, wann, auf wessen Veranlassung und mit welchem Grund die Frist verlängert haben soll.

Es handelt sich zudem um einen nachträglich angebrachten Vermerk. Das ergibt sich daraus, dass er sich auf dem Ausdruck der E-Mail vom 24.02.2023 befindet, auf dem sich auch die Antwort der Beigeladenen vom 02.03.2023 findet. In der Sache handelt es sich damit um eine nachgeholte Dokumentation.

Eine unterlassene Dokumentation kann geheilt werden. Ein vollständiger Ausschluss mit Vorbringen, das nicht dokumentiert ist, aber die Vergabeentscheidung rechtfertigen soll, würde dem Gebot der Beschleunigung des Vergabeverfahrens widersprechen und wäre eine bloße Förmelei (BGH, Beschluss vom 08.02.2011, X ZB 4/10; OLG Celle, Beschluss vom 29.06.2017, 13 Verg 1/17; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21.10.2015, Verg 28/14). Die Transparenz des Verfahrens kann gewährleistet und der Gefahr von Manipulationen begegnet werden, indem die nachgereichten Unterlagen einer kritischen Würdigung unterzogen werden.

Eine solche kritische Würdigung führt hier nicht dazu, dass der Dokumentationsmangel geheilt ist. Der Gefahr einer Manipulation kann nicht begegnet werden. Denn es ist nicht erkennbar, wer wann und aus welchem Grund den Vermerk über die Verlängerung angebracht hat.

bb) Der Ausschluss des Gesamtangebots der Beigeladenen wäre nicht deswegen unbeachtlich gewesen, weil dann der Zuschlag auf ihre Angebote auf die einzelnen Lose zu erteilen gewesen wäre und die Antragsstellerin deswegen entgegen § 160 Abs. 2 S. 2 GWB keinen drohenden eigenen Schaden geltend machen könnte. Das würde nur gelten, wenn feststünde, dass die Einzelangebote nicht ebenfalls auszuschließen sind.

(1) Es bestehen Anhaltspunkte dafür, dass auch die Einzelangebote auszuschließen sein können. Der Senat geht davon aus, dass die Beigeladene auch insoweit keine ausreichende Sitzplatzkapazität angeboten hat. Das ergibt sich daraus, dass die im Gesamtangebot aufgeführten Fahrzeuge die Summe der in den Einzelangeboten aufgeführten Fahrzeuge darstellt. Auch die Einzelangebote können danach wegen einer Änderung der Vergabeunterlagen nach § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV auszuschließen sein. Auf die obigen Ausführungen wird Bezug genommen.

(2) Der Antragsgegner hätte das bei einer erneuten Angebotswertung aufklären müssen. Er hatte vor Bekanntgabe seiner Zuschlagsentscheidung nicht hinreichend aufgeklärt, ob die Beigeladene mit ihrem Angebot die Leistungsvorgaben hätte erfüllen können oder ob sie ihr Angebot geändert hat.

Der Auftraggeber kann sich zwar grundsätzlich auf die Leistungszusage eines Bieters verlassen. Bestehen aber Anhaltspunkte dafür, dass das Versprechen nicht plausibel ist, muss er aus Gründen der Gleichbehandlung und der Transparenz das Angebot prüfen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15.01.2020, Verg 20/19).

Der Antragsgegner hat eine solche Prüfung nicht einmal bezogen auf das Gesamtangebot der Beigeladenen durchgeführt. Anlass dazu hätte es gegeben, weil die von der Beigeladenen angebotene Sitzplatzanzahl die Zahl der zu befördernden Personen unterschreitet.

Es mag eine telefonische Anfrage vonseiten des Antragsgegners deswegen gegeben haben, die allerdings nicht dokumentiert ist. Indes ist auch die Antwort der Beigeladenen darauf vom 14. und 15.02.2023 nicht plausibel. Sie bezog sich dabei auf ein geändertes Angebot, das zum Teil den Einsatz von Fahrzeugen mit einer höheren Anzahl an Sitzplätzen zu geänderten Preisen vorsah. Zudem war die Anzahl der Sitzplätze immer noch geringer als diejenige der zu befördernden Personen. Auffällig ist, wie ausgeführt, dass sich die Summe der Besetzt-Kilometer nicht ändern soll. Daneben deutete die Beigeladene an, durch den unzulässigen Einsatz von Begleitpersonen als Fahrern die notwendige Kapazität erbringen zu können.

Wie genau die Lösung durch Doppelfahrten aussehen soll und vor allem, ob darin eine Änderung des ursprünglichen Angebots liegt, hat der Antragsgegner nicht geprüft. Er hätte dazu die Kalkulation der Beigeladenen einer genaueren Analyse unterziehen müssen. Er hätte die Kalkulation der Personalkosten darauf prüfen müssen, ob der Zeitaufwand für Doppelfahrten und für die Betreuung der bereits in der Schule angekommenen Kinder währenddessen berücksichtigt ist und ob der Einsatz von hauptberuflich tätigen Fahrern einkalkuliert ist. Er hätte sich die Tourenpläne vorlegen lassen müssen, da er nur so hätte prüfen können, ob die von der Beigeladenen ursprünglich vorgesehene Anzahl der Besetztkilometer die Doppelfahrten ermöglicht und ob diese von vornherein vorgesehen waren.

Ob die Antragstellerin einen Anspruch darauf gehabt hätte, dass sich der Antragsgegner die Tourenpläne vorlegen lässt, und ob sie es eher hätte rügen müssen, dass die Tourenpläne nicht mit dem Angebot vorzulegen waren und offen gelassen wurde, unter welchen Voraussetzungen der Antragsgegner sie anfordern würde, ist unerheblich. Der Auftraggeber muss, wenn er das Angebot aufklären muss, sich alle relevanten Unterlagen vorlegen lassen.

(3) Eine Prüfung ist zumindest nicht dokumentiert. Nach § 8 Abs. 1 VgV ist das Vergabeverfahren zu dokumentieren. Sinn der Dokumentation ist es, die Entscheidungen des Auftraggebers transparent und – auch noch nach geraumer Zeit – überprüfbar zu machen (Fett in: BeckOK Vergaberecht, 28. Ed., § 8 VgV, Rn. 4).

Ob der Antragsgegner das Angebot der Beigeladenen darauf überprüft hat, ob sie die nachgefragte Leistung in Übereinstimmung mit den Vergabeunterlagen erbringen kann, ergibt sich nicht aus dem fortgeschriebenen Vergabevermerk. Bereits die offenbar mündlich erfolgte Anfrage wegen der Sitzplatzkapazität ist nicht dokumentiert. Dokumentiert sind nur die Anfrage vom 24.02.2023 unter anderem wegen der Sitzplatzanzahl und die abändernden Antworten der Beigeladenen vom 14. und 15.02.2023 sowie 02.03.2023, die von höheren Sitzplatzzahlen ausgingen. Auch insoweit ist die Dokumentation unvollständig, weil die E-Mail vom 15.02.2023 eine Anlage “Check_RD_Kapazität.pdf” enthalten haben soll, die sich nicht in dem fortgeschriebenen Vergabevermerk findet. Eine Prüfung der Frage, ob die Beigeladene mit der ursprünglich angebotenen Kapazität und den ursprünglich angebotenen Besetzt-Kilometern die Leistung erbringen kann, ist nicht dokumentiert.

Eine mündliche Erläuterung während der mündlichen Verhandlung vor der Vergabekammer kann eine Dokumentation nicht ersetzen. Sie führt nicht zu eine Nachvollziehbarkeit der Vergabeentscheidung bei einer späteren Nachprüfung.

2. Die Aufhebung des Vergabeverfahrens ist rechtswidrig, aber wirksam.

a) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Vergabeverfahrens ist in diesem Verfahren zu entscheiden. Die Antragstellerin muss nicht ein neues Nachprüfungsverfahren einleiten.

Das Nachprüfungsverfahren dient der Beseitigung der Beschwer des Antragstellers. Er kann im Laufe des Verfahrens neue Vergaberechtsverstöße nachschieben. Ihn zu zwingen, ihretwegen ein neues Nachprüfungsverfahren einzuleiten, würde gegen das Beschleunigungsprinzip verstoßen (MK Wettbewerbsrecht/Gröning, 4. Aufl., § 178 GWB, Rn. 6).

In diesem Verfahren kommt hinzu, dass über die von der Antragstellerin vorgebrachten Vergaberechtsverstöße mit der möglichen Folge der Zurückversetzung des Vergabeverfahrens nur sinnvoll entschieden werden kann, wenn das Vergabeverfahren fortzusetzen ist. Daher ist zwingend über die Rechtmäßigkeit und Wirksamkeit der Aufhebung zu entscheiden.

b) Der im Hinblick auf die Aufhebung des Vergabeverfahrens erweiterte Antrag ist auch ohne Nachprüfungsverfahren zulässig. Die Rüge, die ihm vorauszugehen hat, hat die Antragsgegnerin sogar erhoben.

Wird dem Antragsteller ein Vergaberechtsverstoß erst während des Nachprüfungsverfahrens bekannt, muss er die Rügeobliegenheit nach § 160 Abs. 3 GWB nicht mehr erfüllen. Denn die Rügeobliegenheit dient der Selbstkontrolle des Auftraggebers, der erkannte Verstöße beseitigen kann. Sie dient so der Vermeidung eines Nachprüfungsverfahrens. Dieses Ziel kann nicht mehr erreicht werden, wenn das Nachprüfungsverfahren bereits läuft (MK Wettbewerbsrecht/Gröning, 4. Aufl., § 178 GWB, Rn. 7).

c) Die Aufhebung des Vergabeverfahrens ist rechtswidrig. Es fehlt an Gründen nach § 63 Abs. 1 VgV.

aa) Um sicherzustellen, dass die Aufhebung der Ausschreibung nicht zur Diskriminierung einzelner Bieter missbraucht werden kann, ist eine Aufhebung nur in engen Grenzen zulässig (BeckOK Vergaberecht/Queisner, Stand 31.01.2023, § 63 VgV, Rn. 15). Die Annahme eines Aufhebungsgrunds setzt voraus, dass ein Umstand nachträglich eingetreten ist oder dem Auftraggeber anfänglich nicht bekannt sein konnte und der Auftraggeber diesen Umstand nicht zu vertreten hat (BGH, Urteil vom 08.09.1998, X ZR 48/97; OLG München, Beschluss vom 04.04.2013, Verg 4/13; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.11.2010, Verg 50/10; MK Wettbewerbsrecht/Pauka/Krüger, 4. Aufl., § 63 VgV, Rn. 18 f.). Diese Voraussetzungen liegen für die von dem Antragsgegner geltend gemachten Gründe nicht vor.

(1) Die Verzögerung des Vergabeverfahrens ist zwar erst nach dessen Beginn eingetreten. Der Antragsgegner hat sie indes zu vertreten. Denn die Verzögerung ist aufgrund seiner Vergaberechtsverstöße eingetreten.

Nachdem der Antragsgegner erstmals seine Absicht bekannt gegeben hatte, den Zuschlag an die Beigeladene zu erteilen, hat die Antragstellerin erfolgreich ein Nachprüfungsverfahren eingeleitet. Die Vergabekammer hat den Antragsgegner mit Beschluss vom 20.02.2023 (VK-SH 01/23; Bl. 81 ff. d. A.) verpflichtet, die Angebotsprüfung erneut durchzuführen und dabei eine Preisprüfung nach § 60 VgV durchzuführen. Die Vergabekammer hat dabei auf Fehler des Angebots der Beigeladenen hingewiesen, weil keine Fahrzeugtypen genannt waren. Sie hat dem Antragsgegner aufgegeben, zu prüfen, ob die Beigeladene die ausgeschriebene Leistung überhaupt erbringen könne, weil diese bei der Anzahl der angebotenen Plätze offenbar nur die Schüler, nicht die Begleitpersonen berücksichtigt hatte.

Nachdem der Antragsgegner erneut seine Absicht kundgetan hat, den Auftrag der Beigeladenen zu erteilen, hat die Antragstellerin erneut ein Nachprüfungsverfahren eingeleitet, das sich bis heute hinzieht. Der Senat hat im Beschluss vom 06.07.2023 die Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde verlängert und dabei ausgeführt, dass dem Antragsgegner nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage Vergaberechtsverstöße zur Last fallen dürften.

Eine weitere Verzögerung ist dadurch eingetreten, dass der Antragsgegner die Aufhebung des Vergabeverfahrens erst kurz vor dem nach zwei Verlegungen auf den 02.11.2023 anberaumten Verhandlungstermin und mehr als drei Monaten nach dem Beschluss vom 06.07.2023 erklärt hat. Es war seinerzeit bereits seit langem bekannt, dass der in der Ausschreibung vorgesehene Vertragsbeginn nicht mehr zu halten war.

Der Antragsgegner hätte bereits unmittelbar nach der Einreichung des Angebots der Beigeladenen im November 2022 das tun müssen, was er jetzt beabsichtigt. Er hätte sofort allen Bietern die Möglichkeit geben müssen, ein neues Angebot mit mehr als sechs Fahrzeugtypen einzureichen, um eine Diskriminierung zu vermeiden. Hätte er die sodann eingereichten Angebote ordnungsgemäß darauf geprüft, ob sie die Leistungserbringung im Einklang mit den Vergabeunterlagen ermöglichen, wäre der beabsichtigte Vertragsbeginn zu halten gewesen.

(2) Die von dem Antragsgegner gewählte Gestaltung der Vergabeunterlagen ist ebenfalls von ihm zu vertreten. Er kann sich nicht darauf berufen, dass er den vom Senat angenommenen Inhalt nicht habe erklären wollen.

Der Antragsteller hat den Bietern bewusst ein Wertungsblatt mit sechs Zeilen zur Verfügung gestellt. Er hat in den Vergabeunterlagen Änderungen an diesem Wertungsblatt ausgeschlossen. Die Angebote konnten daher zwangsläufig mit höchstens sechs Fahrzeugtypen eingereicht werden.

Der Antragsgegner hat ebenfalls in den Vergabeunterlagen bewusst Vorgaben gemacht, die den Einsatz von Begleitpersonen als Fahrer ausschlossen. Das erfolgte zuletzt durch die Antwort auf eine Bieterfrage, dass die Begleitpersonen mit den Kindern ein- und ausstiegen.

bb) Der Antragsgegner kann sich nicht auf eine wesentliche Änderung der Grundlage des Vergabeverfahrens im Sinne von § 63 Abs. 1 Nr. 2 VgV berufen. Das setzt voraus, dass eine Auftragsvergabe auf der Grundlage der bisherigen Vergabebedingungen für den Auftraggeber oder die Bieter wegen eines im Nachhinein aufgetretenen und vom Auftraggeber nicht zu vertretenen Umstandes objektiv sinnlos oder unzumutbar geworden ist oder die Auftragsdurchführung nicht mehr möglich ist (OLG München, Beschluss vom 04.04.2013, Verg 4/13; BeckOK Vergaberecht/Queisner, Stand 31.01.2023, § 63 VgV, Rn. 24; MK Wettbewerbsrecht/Pauka/Krüger, 4. Aufl., § 63 VgV, Rn. 17). Der Umstand muss so erheblich sein, dass eine Anpassung der Angebote nicht in Betracht kommt, wobei auch zeitliche Schwierigkeiten Ursache sein können (BeckOK Vergaberecht/Queisner, Stand 31.01.2023, § 63 VgV, Rn. 24).

(1) Hier ist eine Leistungserbringung in Form des Transports der Schüler weiter hin möglich. Der Fixgeschäftcharakter durch den vorgegebenen Leistungszeitraum wirkt sich nur auf die Vergangenheit aus. In Zukunft ist die Leistungserbringung noch ohne weiteres möglich.

Der Verschiebung des Zeitpunkts der Vergabe lässt sich durch geringfügige Änderungen der Vergabeunterlagen Rechnung tragen. Die einfachste Lösung wäre, den Auftrag ab dem Schuljahr 2024/25 beginnen und das vorgesehene Vertragsende unverändert zu lassen. Das würde dem Auftragnehmer ausreichend Zeit geben, seinen Pflichten vor Vertragsbeginn nachzukommen. Diese bestehen nach Ziff. 3.6 des Verkehrsvertrages im Wesentlichen in der Rekrutierung von Personal und der Beschaffung von Fahrzeugen. Eine Verlängerung des Vertragszeitraums könnte bereits durch die Ausübung der vorgesehenen Verlängerungsoption erfolgen. Die Vertragsstraferegelungen in Ziff. 3.6 Abs. 4, 3.7 des Verkehrsvertrages könnten unverändert bleiben. Sie können ohnehin erst ab Vertragsbeginn eingreifen.

(2) Zutreffend ist, dass sich die Kalkulationsgrundlagen durch den Zeitablauf geändert haben dürften und die Preisanpassungsklausel in Ziff. 4.5 des Verkehrsvertrages erst nach Vertragsbeginn greift. Die Vertragsdurchführung wird dadurch indes nicht unzumutbar.

Für den Antragsgegner liegt keine Unzumutbarkeit vor. Er müsste im Gegenteil ein Interesse an der Vertragsdurchführung zu den bisher angebotenen Preisen haben, weil er bei einer Neuausschreibung aufgrund des gestiegenen Preisniveaus mit höheren Angebotspreisen rechnen müsste.

Auf eine Unzumutbarkeit für die Bieter kann sich der Antragsgegner nicht berufen. Den es gibt keine Hinweise darauf, dass diese nicht an den angebotenen Preisen festhalten. Die Antragstellerin erklärt vielmehr ausdrücklich, sich weiterhin an ihr Angebot zu binden. Eine Äußerung der Beigeladenen fehlt.

cc) Es besteht auch kein anderer schwerwiegender Grund im Sinne von § 63 Abs. 1 Nr. 4 VgV. Ein anderer schwerwiegender Grund muss ein ähnliches Gewicht wie die anderen geregelten Aufhebungsgründe haben (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 04.12.2013, 15 Verg 9/13, BeckRS 2014 7327). Als schwerwiegender Grund kommt auch ein Vergaberechtsverstoß durch den Auftraggeber in Betracht, aber nur dann, wenn er die Durchführung des Vergabeverfahrens oder den Zuschlag ausschließt. Das ist im Wege der Interessenabwägung festzustellen (BGH, Beschluss vom 20.03.2014, X ZB 18/13; MK Wettbewerbsrecht/Pauka/Krüger, 4. Aufl., § 63 VgV, Rn. 23). Der Fehler muss von so großem Gewicht sein, dass ein Festhalten des öffentlichen Auftraggebers an dem fehlerhaften Verfahren mit Gesetz und Recht schlechterdings nicht zu vereinbaren wäre und von den Bietern, insbesondere mit Blick auf die Schwere des Fehlers, erwartet werden kann, dass sie auf die Bindung des Ausschreibenden an Recht und Gesetz Rücksicht nehmen (BeckOK Vergaberecht/Queisner, Stand 31.01.2023, § 63 VgV, Rn. 36).

Die von dem Antragsgegner zu verantwortenden Vergaberechtsverstöße sind nicht von einem solchen Gewicht, dass sie das Festhalten an dem Verfahren unzumutbar machten. Sie ermöglichen es vielmehr, das Verfahren vergaberechtskonform jedenfalls mit dem verbliebenen Bieter fortzusetzen.

dd) Soweit der Antragsteller andeutet, eine Aufhebung des Vergabeverfahrens komme in Betracht, weil kein wirtschaftliches Ergebnis erzielt worden sei (§ 63 Abs. 1 Nr. 3 VgV), ist das zweifelhaft. Ob kein wirtschaftliches Angebot erzielt worden ist, ist nach den Grundsätzen des § 127 Abs. 1 GWB zu beurteilen. Es ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen, ob kein Angebot ein angemessenes Preis-Leistungs-Verhältnis aufweist (BeckOK Vergaberecht/ Queisner, Stand 31.01.2023, § 63 VgV, Rn. 28 f.).

Es wäre danach die Angemessenheit des von der Antragstellerin angebotenen Preises für die angebotene Leistung zu prüfen. Es reicht nicht aus, dass der Angebotspreis der Antragstellerin über dem der Beigeladenen liegt. Da gilt um so mehr, als zumindest der Verdacht besteht, dass die Beigeladene den niedrigeren Preis nur durch Abweichungen von den Ausschreibungsbedingungen was die Anzahl der Fahrzeugtypen und die Anzahl der angebotenen Plätze angeht erreichen konnte.

d) Die Aufhebung des Vergabeverfahrens ist wirksam. Eine rechtswidrige Aufhebung der Ausschreibung führt nicht in jedem Fall zu deren Unwirksamkeit. Die Aufhebung kann bei fortbestehendem Vergabewillen wirksam sein, wenn ein anerkennenswerter sachlicher Grund vorliegt. Unwirksam ist eine Scheinaufhebung.

aa) Eine rechtswidrige Aufhebung des Vergabeverfahrens ist wirksam, wenn der Auftraggeber einen sachlichen Grund hat, so dass eine Diskriminierung einzelner Bieter ausgeschlossen und die Entscheidung nicht willkürlich ist oder nur zum Schein erfolgt (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12.01.2015, Verg 29/14). Ein sachlicher Grund kann in der Korrektur eines Fehlers liegen, der nur durch ein neues Vergabeverfahren geheilt werden kann (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 08.07.2009, Verg 13/09; BeckOK Vergaberecht/Queisner, Stand 31.01.2023, § 63 VgV, Rn. 56; Ziekow/Völlink/Herrmann, Vergaberecht, 4. Aufl., § 63 VgV, Rn. 12).

Ein sachlicher Grund für eine Aufhebung liegt darin, dass der Antragsgegner nunmehr endlich beabsichtigt, allen Bietern diskriminierungsfrei ein Angebot mit mehr als sechs Fahrzeugtypen oder dem Einsatz von Begleitpersonen als Fahrern zu ermöglichen. Das ermöglicht eine haushälterisch gebotene wirtschaftliche Beschaffung. Diese wäre diskriminierungsfrei bei der Bezuschlagung des Angebots der Beigeladenen nicht möglich gewesen.

bb) Hinreichende Anhaltspunkte für eine Diskriminierung der Antragstellerin oder eine Scheinaufhebung zugunsten der Beigeladenen sind nicht vorhanden. Eine Scheinaufhebung liegt vor, wenn der Auftraggeber unter Missbrauch seiner Gestaltungsmöglichkeiten nur den Schein einer Aufhebung gesetzt hat, mit dessen Hilfe er dem ihm genehmen Bieter den Auftrag zuschieben will, obwohl dieser nicht das wirtschaftlichste Angebot abgegeben hatte (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19.11.2003, Verg 59/03).

Es steht nicht fest, dass die Aufhebung des Vergabeverfahrens einseitig die Beigeladene begünstigt, weil nur auf diese Weise ein Ausschluss ihrer Angebote vermieden werden könnte. Denn es steht nicht fest, dass die Angebote auf die einzelnen Lose ebenfalls auszuschließen gewesen wären. Der Antragsgegner hätte zunächst prüfen müssen, ob sie eine Auftragserfüllung im Einklang mit den Vergabeunterlagen ermöglicht hätten.

Zudem steht nicht fest, dass der Antragsgegner den Auftrag gerade der Beigeladenen zuschieben will. Er mag sie zwar in dem aufgehobenen Vergabeverfahren bevorzugt haben, indem er eine Bezuschlagung ihres nicht ausschreibungskonformen Angebots beabsichtigte. Indes bietet die Neuausschreibung allen Bietern die Möglichkeit, neue Angebote einzureichen. Die Angebote werden neu zu bewerten sein. Es steht nicht fest, dass die neue Wertung zu einem Auftrag an die Beigeladene führt.

3. Nach § 182 Abs. 3 S. 5, Abs. 4 S. 3 GWB sind die Verfahrenskosten und die zur Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten nach billigem Ermessen zu verteilen, wenn sich das Nachprüfungsverfahren vor einer Entscheidung erledigt hat. Maßgebend ist dabei in der Regel der prognostizierbare Verfahrensausgang, wobei die Sach- und Rechtslage summarisch zu prüfen ist (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 24.01.2019, Verg 30/18; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14.02.2018, Verg 55/17). Dieselben Regeln gelten für die Verteilung der Kosten des Beschwerdeverfahrens nach §§ 175 Abs. 2, 71 S. 1 GWB (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 24.01.2019, Verg 30/18; Krohn in: Beck’scher Vergaberechtskommentar, 4. Aufl., § 182 GWB, Rn. 107; Frister in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 4. Aufl., § 175 GWB, Rn. 29).

Die außergerichtlichen Kosten einer Beigeladenen können anderen Beteiligten auferlegt werden, wenn das der Billigkeit entspricht. Die Beigeladene kann an den Kosten beteiligt werden, soweit sie unterliegt. Beides ist danach zu beurteilen, ob sie durch Anträge oder Sachvortrag versucht hat, das Verfahrensergebnis zu beeinflussen (Krohn in: Beck’scher Vergaberechtskommentar, 4. Aufl., § 182 GWB, Rn. 48 ff.).

Es entspricht der Billigkeit, die Kosten des Nachprüfungsverfahrens und die Kosten des Verfahrens nach § 173 Abs. 1 S. 3 GWB sowie die jeweils zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Antragstellerin in diesen Verfahren notwendigen Auslagen dem Antragsgegner und der Beigeladenen aufzuerlegen. Denn sie wären in diesen Verfahren unterlegen. Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin war, wie dargelegt, zulässig und begründet. Die Beigeladene ist an den Kosten zu beteiligen, weil sie durch die Erläuterung ihrer Kalkulation im Termin bei der Vergabekammer und ihre Antragstellung im Verfahren nach § 173 Abs. 1 S. 3 GWB versucht hat, auf den Verfahrensausgang Einfluss zu nehmen. Nach § 182 Abs. 3 S. 2 GWB haften der Antragsgegner und die Beigeladene für die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer als Gesamtschuldner.

Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigen durch die Antragstellerin im Verfahren vor der Vergabekammer war notwendig. Es ist nicht zu erwarten, dass auch erfahrene Bieter ein Nachprüfungsverfahren ohne rechtlichen Beistand durchführt, da es sich bei dem Vergaberecht um eine Spezialmaterie handelt.

Es entspricht der Billigkeit, die Kosten des weiteren Beschwerdeverfahrens und die ihnen entstandenen außergerichtlichen Kosten zwischen der Antragstellerin und dem Antragsgegner aufzuteilen. Die Antragstellerin ist mit ihrem Antrag, den Antragsgegner zur Fortsetzung des Beschwerdeverfahrens zu verpflichten, unterlegen. Sie ist jedoch deutlich überwiegend erfolgreich, indem die Rechtswidrigkeit der Aufhebung des Vergabeverfahrens und die Verletzung ihrer Rechte festgestellt werden. Ein Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen von 80 % zu 20 % erscheint angemessen.

Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigen durch den Antragsgegner war notwendig. Es ist nicht zu erwarten, dass ein öffentlicher Auftraggeber, auch soweit er eine eigene Rechtsabteilung hat, ein Beschwerdeverfahren ohne rechtlichen Beistand durchführt, da es sich bei dem Vergaberecht um eine Spezialmaterie handelt. Für die Antragstellerin ergibt sich die Notwendigkeit der Beiziehung eines Rechtsanwalts bereits aus § 175 Abs. 1 S. 1 GWB, sodass es dazu keines weiteren Ausspruchs bedarf.

Es entspricht der Billigkeit, die Beigeladene weder an den Kosten des weiteren Beschwerdeverfahrens zu beteiligen noch ihr eine Erstattung ihrer außergerichtlichen Kosten zuzusprechen. Denn sie hat sich an dem weiteren Verfahren weder durch einen Antrag noch durch Sachvortrag beteiligt.

Aktuelle Entscheidungen im Volltext (3) VK Südbayern zu der Frage, dass sich aus dem Verweis in Art. 64 Abs. 6 Unterabs.1 Satz 1 der Richtlinie 2014/24/EU auf die Anforderungen des Art. 60 der Richtlinie ergibt, dass die inhaltlichen Anforderungen an die Eignung und die zu erbringenden Nachweise für jeden Bieter grundsätzlich gleich sein müssen, unabhängig davon, ob dieser präqualifiziert ist oder nicht

Aktuelle Entscheidungen im Volltext (3) - VK Südbayern zu der Frage, dass sich aus dem Verweis in Art. 64 Abs. 6 Unterabs.1 Satz 1 der Richtlinie 2014/24/EU auf die Anforderungen des Art. 60 der Richtlinie ergibt, dass die inhaltlichen Anforderungen an die Eignung und die zu erbringenden Nachweise für jeden Bieter grundsätzlich gleich sein müssen, unabhängig davon, ob dieser präqualifiziert ist oder nicht

vorgestellt von Thomas Ax

Aus dem Verweis in Art. 64 Abs. 6 Unterabs.1 Satz 1 der Richtlinie 2014/24/EU auf die Anforderungen des Art. 60 der Richtlinie ergibt sich, dass die inhaltlichen Anforderungen an die Eignung und die zu erbringenden Nachweise für jeden Bieter grundsätzlich gleich sein müssen, unabhängig davon, ob dieser präqualifiziert ist oder nicht (Anschluss an OLG Düsseldorf, Beschluss vom 08.06.2022 – Verg 19/22, IBRRS 2022, 1970 = VPRRS 2022, 0149).
Angesichts der weit verbreiteten Praxis öffentlicher Auftraggeber, bei präqualifizierten Bietern den Nachweis ihrer Eintragung in das Präqualifikationsverzeichnis als hinreichenden Nachweis ihrer Eignung genügen zu lassen, muss ein präqualifizierter Bieter nicht erkennen, dass er zum Nachweis seiner Eignung vergleichbare Nachweise wie ein nicht-präqualifizierter Bieter einreichen muss.
Dies gilt insbesondere dann, wenn in der Auftragsbekanntmachung hinsichtlich der Mindestanforderungen an die Eignung auf das Formblatt 124 verlinkt wird, das ausdrücklich als “Eigenerklärung zur Eignung für nicht nicht-präqualifizierte Bieter” überschrieben ist und in den Bewerbungsbedingungen (Formblatt 212) ausdrücklich davon die Rede ist, dass präqualifizierte Unternehmen den Nachweis der Eignung für die zu vergebende Leistung durch den Eintrag ins Präqualifikationsverzeichnis führen (Abgrenzung zu OLG Düsseldorf, Beschluss vom 08.06.2022 – Verg 19/22, IBRRS 2022, 1970 = VPRRS 2022, 0149).
Werden in einem Vergabeverfahren mehrere Fachgewerke zusammengefasst vergeben, darf nicht unklar bleiben, welche Leistungsbereiche die Präqualifikation eines Bieters umfassen muss und wie sich die Nachweisführung in jenen Fällen gestalten soll, in denen ein Bieter nur für einen Teil der einschlägigen Leistungsbereiche präqualifiziert ist.
VK Südbayern, Beschluss vom 27.02.2024 – 3194.Z3-3_01-23-61

Gründe:

I.

Mit Auftragsbekanntmachung vom 11.08.2023, veröffentlicht im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union am 16.08.2023 unter Nr. 2023/S …, schrieb der Antragsgegner einen Bauauftrag über das Gewerk “V-H2.1 Stahl Glas reduziert” für den Neubau der Justizvollzugsanstalt, P…-K…, im Wege eines offenen Verfahrens aus. Abschnitt II.2.5) der Bekanntmachung beinhaltete die Angabe, dass der Preis nicht das einzige Zuschlagskriterium sei; alle Kriterien seien nur in den Beschaffungsunterlagen aufgeführt. Die Abschnitte III.1.1) bis III.1.3) der Bekanntmachung enthielten hinsichtlich der Auflistung und Beschreibung der Eignungskriterien jeweils einen Hyperlink, der unmittelbar auf das Formblatt 124 des VHB Bayern – Stand September 2022 in den Vergabeunterlagen verwies. Dieses Formblatt trug den Titel “Eigenerklärung zur Eignung für nicht präqualifizierte Unternehmen” gefolgt von dem Klammerzusatz “vom Bieter/Mitglied der Bietergemeinschaft sowie zugehörigen Nachunternehmen auszufüllen, soweit diese nicht präqualifiziert sind”. In dem Abschnitt “Angaben zu Leistungen, die mit der zu vergebenden Leistung vergleichbar sind” des Formblatts fand sich auszugsweise folgende Angabe:

“Ich erkläre / Wir erklären, dass ich / wir in den letzten fünf Kalenderjahren bzw. dem in der Auftragsbekanntmachung angegebenen Zeitraum, vergleichbare Leistungen ausgeführt habe/haben.

[… ]

Falls mein/unser Teilnahmeantrag/Angebot in die engere Wahl kommt, werde ich /werden wir drei Referenznachweise mit mindestens folgenden Angaben vorlegen:

[…]”

Weiterer Bestandteil der Vergabeunterlagen war unter anderem das Formblatt 212EU mit der Bezeichnung “Teilnahmebedingungen EU”. Dieses enthielt unter Ziffer 7 mit dem Titel “Eignung” unter anderem folgende Vorgabe:

“7.1 Offenes Verfahren

Präqualifizierte Unternehmen führen den Nachweis der Eignung für die zu vergebende Leistung durch den Eintrag in die Liste des Vereins für die Präqualifikation von Bauunternehmen e.V. (Präqualifikationsverzeichnis) und ggf. ergänzt durch geforderte auftragsspezifische Einzelnachweise. Bei Einsatz von anderen Unternehmen ist auf gesondertes Verlangen nachzuweisen, dass diese präqualifiziert sind oder die Voraussetzung für die Präqualifikation erfüllen, ggf. ergänzt durch geforderte auftragsspezifische Einzelnachweise.

Nicht präqualifizierte Unternehmen haben als vorläufigen Nachweis der Eignung für die zu vergebende Leistung mit dem Angebot

– entweder die ausgefüllte “Eigenerklärung zur Eignung” ggf. ergänzt durch geforderte auftragsspezifische Einzelnachweise

– oder eine Einheitliche Europäische Eigenerklärung (EEE)

vorzulegen.

[…]”

Sowohl Antragstellerin als auch Beigeladene reichten innerhalb der auf den 05.10.2023, 09:00 Uhr, verlängerten Angebotsfrist ein Angebot ein. Ausweislich des Protokolls über die Submission am 05.10.2023 um 09:17 Uhr lag das Angebot der Beigeladenen mit einem preislichen Abstand von mehr als 35 % vor dem Angebot der Antragstellerin. Weitere Angebote lagen nicht vor.

Mit Schreiben vom 16.10.2023 wandte sich die Antragstellerin an den Antragsgegner und meldete zum Ergebnis der Angebotsöffnung Bedenken an. Die Beigeladene könne keine Elemente in Anlehnung an RC 4 mit S…-Hochsicherheitsschlössern herstellen, da sie keine RC 3- und RC 4-Prüfungen mit Hochsicherheitsschloss belegen könne. Die erforderliche Fachkompetenz stelle die Antragstellerin in Frage. Zum Nachweis der technischen Leistungsfähigkeit erscheine es notwendig, von den Bietern für RC 3-Türen mit Einfachverriegelung, RC 4-Türen sowie die Brandprüfungen von T 30- und T 90-Türen jeweils mit S…-Hochsicherheitsschlössern entsprechende Prüfzeugnisse zu fordern. Die Beigeladene könne weder Erfahrungen noch Referenzen zu JVA-Projekten vorweisen. Dagegen habe die Antragstellerin in den letzten Jahren zahlreiche Bauvorhaben im Bereich Justizvollzug durchgeführt. Zudem zweifle die Antragstellerin an, dass der Angebotspreis der Beigeladenen auskömmlich ist, dass die Beigeladene mit einem Mitarbeiterstamm von ca. 20 Mitarbeitern in der Lage ist, ein Bauvorhaben in dieser Größenordnung personell, technisch, organisatorisch und finanziell über die entsprechende Laufzeit abzuwickeln, sowie dass die Liquidität der Beigeladenen zur Absicherung des Leistungsteils des Bauvorhabens ausreichen werde.

Mit Schreiben vom 20.10.2023 antwortete der Antragsgegner der Antragstellerin, dass er von den Hinweisen Kenntnis genommen habe und im Rahmen der Prüfung und Wertung insbesondere auch die Eignung der Bieter genauestens geprüft werde.

Mit Informationsschreiben gemäß § 134 GWB vom 22.11.2023 setzte der Antragsgegner die Antragstellerin davon in Kenntnis, dass auf ihr Angebot nicht der Zuschlag erteilt werden könne, weil es nicht das wirtschaftlichste sei. Es liege ein niedrigeres Hauptangebot vor. Zudem teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, dass beabsichtigt sei, den Zuschlag frühestens am 04.12.2023 auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen.

Mit Schreiben vom 23.11.2023 beanstandete die Antragstellerin die Vergabeentscheidung des Antragsgegners als vergaberechtswidrig. Die Beigeladene verfüge weder über die geforderte wirtschaftliche und finanzielle noch über die technische und berufliche Leistungsfähigkeit. Sie verfüge über keine Referenzen einer Leistungserbringung mit dem ausschreibungsgegenständlichen Umfang und einer Leistungserbringung mit S…-Hochsicherheitsschlössern. Außerdem verfüge die Beigeladene nicht über eine im Verhältnis zum Auftragsvolumen ausreichende Anzahl an Mitarbeitern. Zudem rügte die Antragstellerin, dass entgegen der Vorgabe in der Bekanntmachung offensichtlich nur der Preis zur Zuschlagsbewertung herangezogen worden sei.

Mit Schreiben vom 28.11.2023 antwortete der Antragsgegner der Antragstellerin, dass ihren Rügen nicht abgeholfen werde. Eine Prüfung der von der Beigeladenen vorgelegten Unterlagen habe ergeben, dass die geforderte Eignung des Bieters gegeben sei. Insbesondere verfüge die Beigeladene über geeignete Referenzen vergleichbarer Leistungen im vorgegebenen Zeitraum. Referenzen von Leistungserbringungen speziell mit S…-Hochsicherheitsschlössern seien im Vergabeverfahren nicht gefordert gewesen und somit nicht Bestandteil der Prüfung. Des Weiteren habe die Beigeladene schlüssig darstellen können, dass sie über geeignete personelle Kapazitäten verfügt. Zudem verwies der Antragsgegner darauf, dass dem Formblatt 211 EU unter Punkt 7 Angebotswertung eindeutig entnommen werden könne, dass als alleiniges Kriterium für die Wertung das Zuschlagskriterium Preis festgelegt sei. Die Bekanntmachung stehe dem nicht entgegen, da darin erläutert werde, dass alle Kriterien nur in den Beschaffungsunterlagen aufgeführt sind.

Ebenfalls am 28.11.2023 reichte der Antragsgegner eine Schutzschrift bei der Vergabekammer Südbayern ein mit Ausführungen zur Unbegründetheit eines möglichen Nachprüfungsantrags der Antragstellerin, die im Wesentlichen den Darlegungen in der Rügeantwort entsprachen.

Mit Schreiben vom 30.11.2023 trat die Antragstellerin den Ausführungen des Antragsgegners in seiner Rügeerwiderung entgegen. Hauptbestandteil der Ausschreibung sei die Lieferung und der Einbau von Hochsicherheitstüren mit Hochsicherheitsschlössern. In diesem Sinne bedürfe es für die Angaben zu vergleichbaren Leistungen und damit zur Feststellung der Eignung entsprechender Angaben zu getätigten geprüften Einbauten von S…-Hochsicherheitsschlössern. Dass die Beigeladene derartige Angaben vornehmen könne, sei nicht bekannt. Zudem habe die Beigeladene Aufträge in diesem Umfang noch nicht ausgeführt. Nach Erfahrung der Antragstellerin bedürfe die Darlegung der Leistungsfähigkeit für den ausgeschriebenen Auftrag die Hinzunahme eines Nachunternehmers.

Nachdem den Rügen der Antragstellerin auch hiernach nicht abgeholfen wurde, stellte diese mit Schreiben vom 01.12.2023 einen Nachprüfungsantrag gem. § 160 Abs. 1 GWB.

Die Antragstellerin führt aus, dass der Nachprüfungsantrag zulässig sei. Insbesondere sei die Antragstellerin gemäß § 160 Abs. 2 GWB antragsbefugt. Mit Abgabe ihres Angebots habe sie ihr Interesse an der Ausschreibung und der Beauftragung bekundet. Die Antragstellerin sei in ihren Rechten verletzt, sollte der Zuschlag an einen nicht geeigneten Bieter erteilt werden. Die Antragstellerin sei Zweitbieterin mit Chance auf Erteilung des Zuschlages. Die Nichterteilung des Zuschlages wäre ein erheblicher Schaden.

Entgegen der Ansicht des Antragsgegners seien die Rügen weder ins Blaue hinein erfolgt noch seien sie präkludiert. Die Antragstellerin habe deutlich zum Ausdruck gebracht, dass ihr als Marktteilnehmerin bekannt sei, dass die Beigeladene Aufträge in diesem Umfang noch nicht ausgeführt habe und sie derartige Angaben nicht habe vornehmen können. Hiermit seien tatsächliche Anknüpfungstatsachen vorgetragen worden, namentlich, dass die Beigeladene über keine Referenzen einer Leistungserbringung mit dem ausschreibungsgegenständlichen Umfang und einer Leistungserbringung mit S…-Hochsicherheitsschlössern verfüge sowie, dass die Beigeladene im Verhältnis zum Auftragsvolumen nicht über eine ausreichende Anzahl an Mitarbeitern verfüge. Dies umfasse auch die Unauskömmlichkeit des Preises und die nicht ausreichende Mitarbeiterzahl. Die Rügen resultierten aus der Marktkenntnis, dass die Beigeladene vergleichbare Projekte in dieser Größenordnung nicht erbracht habe. Zudem sei der Antragsgegner darauf hingewiesen worden, dass es nicht nur auf nicht geforderten Nach-weise, sondern auf die Erbringung vergleichbarer Leistungen (Referenzen) ankomme. Auf Basis der Rügen habe der Antragsgegner eine konkrete Prüfung vornehmen können; dies habe er auch getan und eine Schutzschrift erlassen.

Der Nachprüfungsantrag sei auch begründet, da die für den Zuschlag vorgesehene Bieterin für den ausgeschriebenen Auftrag nicht leistungsfähig und demnach nicht geeignet sei. Gemäß § 16b EU VOB/A sei die Eignung der Bieter zu prüfen. Welche Nachweise im Einzelfall von den Bietern vorzulegen sind, richte sich nach dem Inhalt der Bekanntmachung. Hier habe der Auftraggeber in der Bekanntmachung unter Ziff. III.2.3. auf das Formblatt 124 verwiesen. Darin habe der jeweilige Bieter die Möglichkeit, bis zu drei Referenzobjekte zu benennen. Gem. § 2 EU Abs. 3 VOB/A müssten Bieter die Kriterien Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit erfüllen. Fachkundig sei ein Unternehmen, dass nicht nur notwendige, sondern umfassende betriebsbezogene Kenntnisse nach den allgemein anerkannten Regeln der Bautechnik auf dem jeweiligen Spezialgebiet habe, hier Hochsicherheitstüren mit S…-Hochsicherheitsschlössern herzustellen. Eine derartige Fachkenntnis und Prüfzeugnisfähigkeit habe die Beigeladene mit ihren Referenzen nicht nachgewiesen. Sie verfüge nicht über die spezielle objektbezogene Sachkenntnis des Einbaus von Hochsicherheitstüren und S…-Hochsicherheitsschlössern. Letztere seien Vorgaben aus der Ausschreibung. Mit der “Antwort zu Teilfrage 8” der Bieterfragen habe die Antragstellerin auf die Verpflichtungen hingewiesen, die bei dem Einbau der S…-Hochsicherheitsschlösser einzuhalten sind und hierzu ausgeführt, dass Grundlage hierfür neben der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung der jeweiligen Rohrrahmentüre auch ein Prüfzeugnis für das Schloss des Fabrikats S… sei. Die Beigeladene habe entsprechende Einbauten noch nicht vorgenommen und entsprechende Prüfzeugnisse noch nie erhalten. Es lägen daher keine Angaben zu Leistungen vergleichbarer Art vor. Wenn wie vorliegend auf die Anforderung expliziter Eignungsnachweise verzichtet wird, müsse sich der Auftraggeber anderweitig von der fachlichen Eignung des zur Bezuschlagung vorgesehenen Bieters überzeugen. Dies umfasse mindestens die Überprüfung der Durchführung vergleichbarer Projekte.

Die Beigeladene sei zudem wirtschaftlich und finanziell für diesen Auftrag nicht leistungsfähig. Bei der Prüfung der Leistungsfähigkeit des technischen und personellen Apparats sei die personelle Ausstattung von wesentlicher Bedeutung. Hierzu gehöre ein ausreichender Bestand an technischem und kaufmännischem Stammpersonal. Dieser Bestand betrage ausweislich der Auskunft der Creditreform 18 Mitarbeiter. Für die Abarbeitung eines Auftragsvolumens von 12 Mio. Euro sei dieser Bestand an Mitarbeitern nicht ausreichend. Die Beigeladene habe auch keine Nachunternehmer angegeben, die die Beigeladene fachlich unterstützen könnten. Soweit der Antragsgegner in der Antragserwiderung andeute, dass es möglich sei, dass die Beigeladene nach Zuschlagserteilung personell aufstocke, verkenne sie offensichtlich, dass für die Ausführung gerade der hier maßgeblichen Arbeiten im Bereich der Herstellung und Montage von Hochsicherheitstüren und dem Einbau von S…-Hochsicherheitsschlössern hochqualifiziertes, erfahrenes und geschultes Personal erforderlich sei, welches eine zertifizierbare Leistung zu erbringen habe, welches weder auf dem freien Markt verfügbar sei noch über Personaldienstleister kurzfristig hinzu gebucht werden könne.

Die Einsichtnahme in den Vergabevermerk habe die Rügen der Antragstellerin bestätigt, dass sich der Antragsgegner bei seiner Bewertung ausschließlich auf die Präqualifikationsangaben verlassen habe, ohne deren offensichtliche Inhalte für die Eignung der vorgesehenen Vergabe abzugleichen. Ausweislich des Vergabevermerks sei insbesondere nicht überprüft worden, ob seitens der Beigeladenen eine vergleichbare Leistung mit den maßgeblichen Anforderungen des ausgeschriebenen Auftrags durchgeführt wurde. Die Vergleichbarkeit der erbrachten Leistungen würden nach den eigenen Maßstäben des Antragsgegners mindestens die Leistungsteile “Verschluss der Hochsicherheitstüren” sowie “sicherheitstechnisch relevanten Anteil” umfassen und zwar in einer Form, dass sich der Antragsgegner hierauf vorbehaltlos verlassen kann. Letzteres ergebe sich aus dem Hinweis auf Seite 3 des Vergabevermerks, da nach eigenem Bekunden des Antragsgegners die verstärkte Schnittstellenprüfung- und Überwachung im Rahmen der beauftragten Ingenieurleistungen nicht kompensiert werden könne.

Der Antragsgegner habe sich ausschließlich auf die PQ-Eintragung bezogen, welche auch ein JVA-Projekt enthalte. Bei diesem Bauvorhaben, das der Antragstellerin bekannt sei, seien zwar vergleichbare Hochsicherheitstüren mit entsprechenden Hochsicherheits-Verschlussanlagen ausgeschrieben und gefordert gewesen. Die dafür erforderlichen Leistungen habe die Beigeladene jedoch komplett, also Lieferung einschließlich Montage, an einen Nachunternehmer vergeben. Die Beigeladene habe also für dieses JVA-Projekt im Bereich der Hochsicherheitstüren und -schlösser gerade keine eigenen Leistungen erbracht. Mit dem Bezug auf dieses JVA-Projekt könne die Beigeladene ihre technische Leistungsfähigkeit im Hinblick auf die in der Ausschreibung geforderten Leistungen nicht belegen. Daneben sei zu beachten, dass Lieferung und Einbau der S…-Hochsicherheitsschlösser nur und ausschließlich in Zusammenarbeit mit dem Hersteller erfolgen könne. Die Beigeladene sei aber nicht als Kompetenzpartner des Herstellers gelistet, was erkennen lasse, dass sie gerade nicht mit der Firma zusammenarbeite. Jedenfalls habe der Antragsgegner es unterlassen, die Eignung dahingehend zu prüfen, ob es dem potentiellen Vertragspartner überhaupt möglich ist, die Leistungen zu erbringen.

Den Ausführungen auf Seite 3 des Vergabevermerks ließe sich entnehmen, dass der Antragsgegner erhöhte Anforderungen an die Ausführung stellte und zur Vergleichbarkeit der erbrachten Leistungen eine gewerkeübergreifende Leistungserbringung notwendig sei. Das schließe Bieter aus, die Leistungen nur als Nachunternehmer erbracht haben.

Soweit der Antragsgegner in Bezug auf die Angemessenheit des Angebotspreises der Beigeladenen auf seine eigene Budget-Schätzung abstelle, sei darauf zu erwidern, dass die Budget-Schätzung überholt sei und nicht die aktuelle Marktsituation abbilde. Wie sich aus dem Aktenvermerk ergebe, sei die Ausschreibung des hier in Rede stehenden Teilloses mit einem längeren zeitlichen Vorlauf erfolgt aufgrund der zunächst erfolgten und anschließend aufgehobenen Ausschreibung der Komplettleistungen. Aus dem Aktenvermerk ergebe sich zwar, dass eine Anpassung der Preise über den Baupreisindex II/2023 erfolgt sei. Dieser Index bilde jedoch die tatsächlichen Preisentwicklungen und Schwankungen gerade in dem hier in Rede stehenden Materialpreissektor nicht ab. Im Aktenvermerk werde auf Seite 4 sogar ausdrücklich darauf hingewiesen, dass aufgrund dieser besonderen Preisentwicklungen einige Positionen des Angebots der Beigeladenen nach wie vor sehr niedrig erscheinen würden. Zudem sei aus dem Aktenvermerk ersichtlich, dass der Antragsgegner den Preis vorrangig vor dem Hintergrund der Frage überprüft habe, ob aufgrund der Überschreitung der Kosten der HU-Bau eine erneute Aufhebung der Ausschreibung erforderlich sei. Offenbar seien nur einige wenige Positionen aufgeklärt worden.

Die Antragstellerin beantragt:

1. Der Antragsgegnerin zu untersagen, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen,

2. Festzustellen, dass die Antragstellerin in Ihren Rechten verletzt ist

3. Geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens wiederherzustellen und die Rechtsverletzung zu beseitigen,

4. Der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der zweckentsprechenden Kosten der Antragstellerin aufzuerlegen,

5. Die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die Antragstellerin festzustellen,

6. Der Antragstellerin Akteneinsicht zu gewähren.

Der Antragsgegner beantragt:

1. Der Vergabenachprüfungsantrag vom 01.12.2023 der Antragstellerin wird zurückgewiesen.

2. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der zum Zweck entsprechenden Rechtsverteidigung des Antragsgegners erforderlichen Aufwendungen zu tragen.

3. Die Hinzuziehung der Bevollmächtigten durch den Antragsgegner wird für erforderlich erklärt.

Der Antragsgegner führt aus, dass im streitgegenständlichen Verfahren die Eignungsanforderungen an die Bieter im Wege der Verlinkung auf die Eignungskriterien der Vergabe-unterlagen festgelegt worden seien. Der in Abschnitt III.1) der Bekanntmachung enthaltene Direktlink führe zum Formblatt 124 (Eigenerklärung zur Eignung). Danach seien für nicht präqualifizierte Bieter unter anderem Angaben über den Umsatz des Unternehmens, Leistungen, die mit der zu vergebenden Leistung vergleichbar sind, sowie über die zur Verfügung stehenden für die Ausführung der Leistungen erforderlichen Arbeitskräfte verlangt gewesen. Besondere Anforderungen oder Mindestbedingungen für die Eignung seien weder für einen Mindestumsatz noch für eine Mindestpersonalstärke und schließlich auch nicht für besondere Zertifizierungen oder besondere Leistungsinhalte in der Vergabebekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen benannt worden.

Die Beigeladene sei präqualifiziert. Die im PQ-Verzeichnis für die Beigeladene hinterlegten Referenzen umfassten unter anderem Leistungen in Bezug auf Brandschutz- und Sicherheitstüren mit automatischer Schließtechnik, Zutrittskontrolle und Sicherheitseinrichtungen für ein JVA Projekt. Ebenso seien mit der PQ-Eintragung die Eigenerklärung zum Personal und Eigenerklärungen zu Umsätzen in den Jahren 2019 bis 2021 dokumentiert. Die Vergabestelle habe das Angebot der Beigeladenen am 30.10.2023 aufgeklärt. Die Aufklärung habe verschiedene Aspekte des Angebots, etwa Erklärungen zum Inhalt des Angebots, die ergänzende Vorlage von Eignungsnachweisen und die Aufklärung von Einheitspreisen betroffen. Die Beigeladene habe auf das Aufklärungsverlangen innerhalb der von der Vergabestelle gesetzten Frist am 03.11.2023 geantwortet und die offenen Angaben und fehlenden Nachweise nachgereicht und aufgeklärt.

Der Nachprüfungsantrag sei unzulässig. Insbesondere seien die beanstandeten und behaupteten Vergaberechtsverstöße nicht hinreichend substantiiert und rechtzeitig gerügt worden. Soweit die Antragstellerin in ihrem Schreiben vom 16.10.2023 bloße Vermutungen äußere, würden keine konkreten Beanstandungen erhoben. Dies gelte namentlich für die Beanstandung der Unauskömmlichkeit des Preises, der nicht ausreichenden Mitarbeiteranzahl und der angezweifelten Liquidität der Beigeladenen. Bei der Bezugnahme auf eigene Marktkenntnisse, ohne entsprechenden weitergehenden Beleg hierzu, handle es sich um eine Rüge ins Blaue hinein, welche die inhaltlichen Mindestanforderungen an die Substantiierung einer Rüge nicht erfülle. Dies insbesondere auch deshalb, da nicht erwähnt werde, woraus die Antragstellerin ihre Erkenntnisse gewonnen haben will. Die Beanstandung, mit der bestimmte Zertifikate und Prüfzeugnisse als notwendig erachtet werden, richte sich gegen einen Verstoß, der auf einer unzulässigen Forderung zur (unterbliebenen) Verschärfung der Eignungsanforderungen basiere. Die Antragstellerin sei insoweit nicht antragsbefugt, da sie keinen Anspruch darauf habe, dass die Eignungsanforderungen verschärft werden. Soweit die Antragstellerin implizit die angebliche Notwendigkeit von Nachweisen durch Prüfzeugnisse zum Beleg der technischen Leistungsfähigkeit fordere, sei die Antragstellerin hiermit präkludiert, da diese Beanstandung gem. § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und 3 GWB bis zum Zeitpunkt des Ablaufs der (verlängerten) Angebotsfrist hätte erhoben werden müssen.

Gleiches gelte für die Rüge vom 23.11.2023, die keine weitergehenden Ausführungen enthalte, die den in den Bedenken vom 16.10.2023 vorgebrachten Aspekten einen Charakter verleihen könnten, welcher über bloße pauschale Vermutungen hinausgehe. Dass die Beanstandung zur fehlenden Eignung der Beigeladenen ins Blaue hinein erhoben wurde, ergebe sich auch daraus, dass die Antragstellerin die PQ-Listung der Beigeladenen, die durch eine einfache Internet-Recherche ermittelbar gewesen wäre, unberücksichtigt gelassen habe. Die mit der Rüge von 23.11.2023 ebenfalls erhobene Beanstandung, dass der Preis als einziges Zuschlagskriterium herangezogen worden sei und insoweit ein Widerspruch zwischen den Vergabeunterlagen und Auftragsbekanntmachung bestehe, sei gem. § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB präkludiert, da sie nicht bis zum Ablauf der Angebotsfrist erhoben worden sei. Die im Schreiben vom 30.11.2023 einzig neue Beanstandung, für die Durchführung des Vertrags sei die Hinzunahme eines Nachunternehmers geboten, sei ebenfalls ins Blaue hinein erhoben worden und stelle eine bloße Vermutung dar.

Der Nachprüfungsantrag sei jedenfalls unbegründet. Die Eignung eines Bieters könne nur an den Kriterien gemessen werden, die der Auftraggeber in den Vergabeunterlagen genannt hat, oder die sich unter Berücksichtigung von Art und Umfang der zu erbringenden Leistungen zwingend und für die Bieter transparent aus der Sache ergeben. Im vorliegenden Fall ergäben sich die Eignungsanforderungen aus der Vergabebekanntmachung und dem damit verlinkten Formblatt 124 der Vergabeunterlagen. Da die Beigeladene in die Liste der präqualifizierten Unternehmen eingetragen sei, sei sie von der Vorlage einzelner Nachweise zum Beleg ihrer Eignung befreit gewesen, soweit die mit der Präqualifikation vorliegenden Nachweise die Eignung belegen. Die mit der PQ-Eintragung verbundenen Nachweise der Beigeladenen enthielten unter anderem Referenzen, die in technischer Hinsicht vergleichbare Leistungen beträfen wie die vorliegend ausgeschriebenen Leistungen. Bei der Bewertung der Frage der Vergleichbarkeit von Referenzen billige die Rechtsprechung der Vergabestelle, welche regelmäßig über spezifisches Fachwissen und fachliche Erfahrungen verfüge, einen Beurteilungsspielraum zu, der nur eingeschränkt überprüft werden könne. Das Leistungsbild der herangezogenen Referenzaufträge müsse mit dem ausgeschriebenen Auftrag nicht identisch sein. Es reiche aus, dass die Referenzleistung der ausgeschriebenen Leistung soweit ähnelt, dass sie einen tragfähigen Rückschluss auf die Leistungsfähigkeit des Bieters für die ausgeschriebene Leistung eröffnet. Es wäre vergaberechtswidrig, die von der Antragstellerin behaupteten Maßstäbe zu Mindestanforderungen aufzustufen und an die Nichterfüllung die zwingende Rechtsfolge des Ausschlusses wegen fehlender Eignung zu knüpfen. Da zudem der Einbau der Hochsicherheitsschlösser von der Firma S… stets mit eigenem, von der Firma S… gestelltem Personal erfolge, werde der fachgerechte Einbau hinreichend gewährleistet.

Die Prüfung der technischen Eignung der Beigeladenen anhand der Titel im Leistungsverzeichnis könne wie folgt differenziert werden: Die technische Eignung für die gewerkeübergreifenden Leistungen wie Baustelleneinrichtung, Projektorganisation, etc. könne aus dem bewältigten Leistungsumfang des Referenzprojekts betreffend eine JVA-Anlage prognostiziert werden. Die technische Eignung zur Bewältigung der Anforderungen für die Pfosten-Riegel-Konstruktionen und Türen für alle Bauteile, Metallverkleidungen für Sockel und in der Fläche, teils mit erhöhten Sicherheitsanforderungen (bis RC 4 und Brandschutz bis F90) bei den Aufsichtskabinen (inkl. Fenster in den Aufsichtskabinen) könne zumindest für die hauptsächlich maßgeblichen Verglasungen mit RC- und Brandschutz-Anforderungen aus den in den vorliegenden Referenzen bewältigten Anforderungen abgeleitet werden. Die technische Eignung für die Innenverglasungen, teils mit erhöhten Sicherheitsanforderungen (bis RC 4, Brandschutz bis F90), könne zumindest für Verglasungen mit RC- und Brandschutz-Anforderungen aus den vorliegenden Referenzen abgeleitet werden; auch wenn in den Referenzen nicht direkt auf Innenverglasungen Bezug genommen werde, ähnele die technische Ausführung der Innenverglasung jedoch der Ausführung von Verglasungen in Türen. Die technische Eignung für die Rohrrahmentüren, teils mit erhöhten Sicherheitsanforderungen (bis RC 4 und Brandschutz T90) könne für Rohrrahmentüren mit RC- und Brandschutz-Anforderungen ebenfalls aus den vorliegenden Referenzen abgeleitet werden. Gleiches gelte für die technische Eignung für die Außentüren, teils mit erhöhten Sicherheitsanforderungen (bis und in Anlehnung an die Kategorie RC 4) für Außentüren mit RC- und Brandschutz-Anforderungen. Ein gesonderter technischer Eignungsnachweis für die einzubauenden Hochsicherheitsschlösser des Herstellers S… habe nicht geprüft werden müssen, da insoweit eine reine Zukaufleistung nach der Produktvorgabe des Antragsgegners erfolge. Damit sei die Prognose gerechtfertigt gewesen, dass die Beigeladene im Fall ihrer Beauftragung einen ordnungsgemäßen Vertragsvollzug erwarten lasse. Dass die Leistungen der Referenz betreffend die Justizvollzugsanstalt von der Beigeladenen im Hinblick auf Lieferung und Montage an einen Nachunternehmer vergeben worden seien, werde bestritten. Der Inhalt der Referenz spreche ausdrücklich davon, dass die Leistungen aus der im eigenen Betrieb erbrachten Fertigung der verschiedenen Sicherheitstüren bestanden hätten, und dass Planung, Fertigung und Montage der entsprechenden Stahlglastürelemente mit eigenem Führungspersonal bearbeitet worden sei.

Die Beigeladene sei ferner wirtschaftlich und finanziell für den Auftrag leistungsfähig. Die Vergabestelle habe die Beigeladene mit Schreiben vom 30.10.2023 zur Nachreichung auch von Eignungsnachweisen über die Umsatzangaben und die für die Leistung erforderlichen Arbeitskräfte aufgefordert. Die Beigeladene habe hierzu inhaltlich Stellung genommen und ihre Leistungsfähigkeit plausibel erläutert.

Letztlich habe die Beigeladene auch ihre Angaben zum Nachunternehmereinsatz sowie ihre Kalkulation zu den vom Antragsgegner als aufklärungsbedürftig angesehenen Einheitspreisen erläutert. Die aufgeklärten Positionen hätten dabei Leistungsvorgaben betroffen, bei denen in der Regel mit umfangreichen Nachtragspotenzialen gerechnet werden könne bzw. die am Anfang der Maßnahme zur Erzielung von Liquidität in Abschlagsrechnungen einbezogen würden. Da der Gesamtpreis aus dem Angebot der Beigeladenen oberhalb der geschätzten Kosten für den Auftragswert liege, sei ein unangemessen niedriges Angebot auszuschließen. Die Schätzung des Auftragswerts sei anhand einer methodisch zutreffenden Berechnung auf der Basis von hinreichend vergleichbaren Ansätzen vorgenommen worden und könne damit als hinreichende Grundlage für die Beurteilung einer Preisprüfung angesetzt werden. Da der Gesamtangebotspreis der Beigeladenen die Auftragswertschätzung überschritten habe, sei allein darüber zu entscheiden gewesen, ob das Vergabeverfahren aufzuheben war. Die Vergabestelle sei nach Prüfung zu der Einschätzung gelangt, dass trotz der Überschreitung der Kostenberechnung eine (erneute) Aufhebung nicht erfolgen soll, und habe dabei unter anderem berücksichtigt, dass sich das Angebot der Beigeladenen mit dem Angebotspreis innerhalb des für das betroffene Vergabepaket veranschlagten Budgets befinde.

Mit Beschluss vom 07.12.2023 wurde die Zuschlagsprätendentin zum Verfahren beigeladen.

Die Beigeladene stellt keine Anträge. Zur Sache führt sie aus, dass die Behauptung der Antragstellerin, sie hätte hinsichtlich der JVA-Referenz die Lieferung einschließlich Montage der Hochsicherheitstüren mit entsprechenden Hochsicherheits-Verschlussanlagen an ein Nachunternehmen vergeben und für dieses Projekt im Bereich der Hochsicherheitstüren und Schlösser keine eigenen Leistungen erbracht, nicht zutreffe. Von den Sicherheitstüren mit S…-Hochsicherheitsschlössern sei lediglich ein kleiner Teil von einem Nachunternehmer gefertigt und montiert worden. Der überwiegende Anteil der Sicherheitstüren mit S…- Hochsicherheitsschlössern sei von ihr vollständig in Eigenleistung gefertigt und im Objekt montiert worden. Entgegen der Behauptung der Antragstellerin sei die Beigeladene auch Kompetenzpartner des Herstellers.

Am 25.01.2024 fand in den Räumen der Regierung von Oberbayern die mündliche Verhandlung statt. Die Sach- und Rechtslage wurde erörtert. Die Verfahrensbeteiligten hatten Gelegenheit zum Vortrag. Die Vergabekammer wies die Beteiligten darauf hin, dass das Angebot der Beigeladenen ungeachtet ihrer in Frage stehenden Eignung nicht ohne weiteres ausgeschlossen werden könne, da die Gestaltung der Angebotsunterlagen (Formblätter 124 und 212) die Bieter dazu verleitet habe, zum Nachweis ihrer Eignung keine vergleichbaren Referenzen vorzulegen, sondern auf die im Präqualifizierungsverzeichnis hinterlegten Referenzen zu verweisen. Offenbar verfügten allerdings sowohl die Beigeladene, die mittlerweile neue Referenzen im Präqualifizierungsverzeichnis hinterlegt habe, als auch die Antragstellerin über weitere, möglicherweise vergleichbare Referenzen, die sie allerdings nicht zum Nachweis ihrer Eignung vorgelegt hätten. Aufgrund dieser Sachlage sei nach vorläufiger Rechtsauffassung der Vergabekammer eine Zurückversetzung bis vor die Bekanntmachung und die Klarstellung der geforderten Nachweise erforderlich.

Mit Schriftsatz vom 05.02.2024 teilte der Antragsgegner zur Kenntnis der Vergabekammer mit, dass er die Teilnehmer an dem verfahrensgegenständlichen Vergabeverfahren durch Mitteilung über die Vergabeplattform darüber informiert habe, dass das Verfahren in den Stand vor Bekanntmachung zurückversetzt worden sei. Die Zurückversetzung beruhe auf dem sachlichen Grund, dass mit der Rechtsprechung des OLG Düsseldorf eine bloße Prüfung der PQ-Eintragungen von der Vergabestelle entgegen der Vorgabe des verlinkten Formblatts 124 nicht zur alleinigen Maßgabe für die Eignungsprüfung habe gemacht werden können. Die in der Bekanntmachung anzugebenden Eignungsanforderungen seien daher so zu fassen, dass die Eignung anhand der tatsächlich für die Bewältigung des ausgeschriebenen Vorhabens anzugebenden Belege geprüft werden könne. Die Zurückversetzung sei darüber hinaus auch recht-mäßig, da kein Angebot vorliege, dass den Ausschreibungsbedingungen entspreche. Zugleich lägen andere schwerwiegende Gründe vor, die einer Zuschlagsentscheidung entgegenstünden.

Mit Schriftsätzen vom 06.02.2024 und 08.02.2024 beantragte die Antragstellerin die Aufhebung der Rückversetzung des Ausschreibungsverfahrens vor Bekanntmachung. Hilfsweise beantragte sie festzustellen, dass eine Rechtsverletzung vorliegt. Zur Begründung führte die Antragstellerin aus, dass die Antragstellerin durch ein Rückversetzen in den Stand vor der Bekanntmachung in ihrer Chance auf Zuschlagserteilung verletzt sei und keine Gründe für eine Rückversetzung vorlägen. Der Wettbewerb sei nicht durch die Bekanntmachung, sondern durch die fehlende Prüfung der Eignung beeinträchtigt. Durch eine erneute Bekanntmachung oder eine Konkretisierung der Eignungsanforderungen ändere sich der Bieterkreis nicht. Es seien auch keine Gründe für die Rückversetzung des Vergabeverfahrens dokumentiert worden. Der pauschale Bezug auf die Rechtsprechung des OLG Düsseldorf sei nicht nachvollziehbar und daher nicht ausreichend. Die Antragstellerin sei geeignet und habe ihre Eignung vergaberechtskonform dargestellt. Sie sei nicht von dem Ausschreibungsverfahren auszuschließen. Die Eignung der Antragstellerin sei vom Antragsgegner bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch nicht abgefragt oder gar geprüft worden. Das Angebot der Antragstellerin sei auch nicht unangemessen hoch. Die Kostenschätzung des Auftraggebers sei unvollständig. Sie berücksichtige nicht die Preisentwicklung der letzten Zeit und sie berücksichtige nicht die Anforderungen, die an die Leistungserbringung gestellt würden. Am Markt ließen sich für die ausgeschriebene Leistung keine anderen Preise erzielen. Jedenfalls habe der Antragsgegner die Kosten des Verfahrens zu tragen, da er eine anderweitige Konkretisierung der Eignungsanforderungen vornehmen wolle.

Mit Schriftsatz vom 09.02.2024 beantragte der Antragsgegner, den Antrag auf Aufhebung der Rückversetzung des Ausschreibungsverfahrens vor Bekanntmachung und den Antrag auf Feststellung der Rechtsverletzung kostenpflichtig zurückzuweisen. Die Zurückversetzung diene dazu, den Bedenken der Vergabekammer an einer hinreichenden Vorgabe der Eignungsanforderungen zu begegnen und zu diesem Zweck die Eignungsnachweise nach § 122 Abs. 4 Satz 2 GWB neu zu fassen und bekannt zu machen. Eine Diskriminierung der Antragstellerin sei damit nicht verbunden. Die Antragstellerin habe (wie die anderen Bieter auch) keinen Anspruch auf Zuschlagserteilung. Die Zurückversetzung sei auch rechtmäßig. Substantielle Einwendungen gegen die Berufung auf § 16d EU Abs. 1 Satz 1 VOB/A habe die Antragstellerin nicht erhoben.

Die Beteiligten wurden durch den Austausch der jeweiligen Schriftsätze informiert. Auf die ausgetauschten Schriftsätze, die Verfahrensakte der Vergabekammer, die Niederschrift der mündlichen Verhandlung sowie auf die Vergabeakten, soweit sie der Vergabekammer vorgelegt wurden, wird ergänzend Bezug genommen.

II.

Die Vergabekammer Südbayern ist für die Überprüfung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens zuständig.

Die sachliche und örtliche Zuständigkeit der Vergabekammer Südbayern ergibt sich aus §§ 155, 156 Abs. 1, 158 Abs. 2 GWB i. V. m. §§ 1 und 2 BayNpV.

Durch die Zurückversetzung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens in den Stand vor der Auftragsbekanntmachung hat sich das Nachprüfungsverfahren in der Hauptsache erledigt.

1. Die Zurückversetzung ist wirksam, da sie zur Klarstellung der Eignungsanforderungen notwendig und damit sachlich gerechtfertigt ist. Der auf die Aufhebung der Rückversetzung gerichtete Antrag der Antragstellerin war deshalb zurückzuweisen.

1.1. Die Zurückversetzung stellt eine teilweise Aufhebung des Vergabeverfahrens dar und richtet sich dementsprechend nach den Regelungen über die Aufhebung (vgl. VK Südbayern, Beschluss vom 05.10.2016 – Z3-3-3194-1-33-08/16). Bei der rechtlichen Überprüfung der vollständigen oder auch nur teilweisen Aufhebung eines Vergabeverfahrens ist zwischen der Wirksamkeit und der Rechtmäßigkeit der (Teil-) Aufhebungsentscheidung öffentlicher Auftraggeber zu unterscheiden. Ein öffentlicher Auftraggeber kann grundsätzlich nicht verpflichtet werden, einen Auftrag auf der Grundlage einer Ausschreibung zu erteilen, die einen erheblichen Fehler im Vergabeverfahren aufweist (vgl. VK Bund, Beschluss vom 13.02.2020 – VK 1-02/20). Dies ist Folge der Vertragsfreiheit, die auch für im Wege öffentlicher Ausschreibungen vergebene Aufträge gilt. Notwendige Voraussetzung für eine vollständige oder auch nur teilweise Aufhebung einer Ausschreibung ist lediglich, dass der öffentliche Auftraggeber für seine (Teil-) Aufhebungsentscheidung einen sachlichen Grund hat, so dass eine Diskriminierung einzelner Bieter ausgeschlossen und seine Entscheidung nicht willkürlich ist oder nur zum Schein erfolgt (VK Südbayern, Beschluss vom 6.9.2018 – Z3-3-3194-1-24-07/18; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12.1.2015 – VII Verg 29/14).

1.2. Ein solch sachlicher Grund ist vorliegend gegeben. Wie die Vergabekammer bereits im Rahmen der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, war in streitgegenständlichem Vergabe-verfahren unklar, ob und welche Nachweise präqualifizierte Bieter zum Beleg ihrer technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit einzureichen hatten.

Vorliegend hatte der Antragsgegner hinsichtlich der Kriterien der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit in Abschnitt III.1.3) der Auftragsbekanntmachung einen Link auf das Formblatt 124 des VHB Bayern – Stand September 2022 eingefügt. Die Praxis, Eignungsanforderungen mittels eines Direkt-Links auf ein Dokument der Vergabeunterlagen bekannt-zugeben, aus dem sich die Eignungsanforderungen ergeben, erachtet die vergaberechtliche Rechtsprechung grundsätzlich als zulässig (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 08.06.2022 – VII Verg 19/22; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.07.2018 – VII Verg 24/18). Allerdings besteht vorliegend die Besonderheit, dass sich das verlinkte Formblatt ausweislich seines Titels nur auf nicht präqualifizierte Unternehmen bezieht. Laut des darauffolgenden Klammerzusatzes ist es vom Bieter nur auszufüllen, soweit dieser nicht präqualifiziert ist. Es stellt sich damit die Frage, welche Eignungsanforderungen Bieter zu erfüllen hatten, die eine einschlägige Präqualifikation aufweisen.

1.2.1. Nach der Rechtsprechung des OLG Düsseldorf müssen die inhaltlichen Anforderungen an die Eignung und ihre Nachweise für jeden Bieter gleich sein, unabhängig davon, ob dieser präqualifiziert ist oder nicht (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 08.06.2022 – VII Verg 19/22). Der in § 122 Abs. 3 GWB, § 6b EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A-EU geregelte Nachweis der Eignung durch Teilnahme an einem Präqualifikationssystem diene der Umsetzung von Art. 64 der Vergaberichtlinie 2014/24/EU. Der Bestimmung liege die Erwägung zugrunde, den Verwaltungsaufwand zu verringern, welcher insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen durch die Führung des Eignungsnachweises entstehe. Die Teilnahme am Präqualifikationssystem bezwecke demnach eine Entlastung des Bieters von der Beibringung der Eignungsnachweise, nicht jedoch ihrer Ersetzung. Die Erleichterung in Bezug auf die Beibringung ändere nichts daran, dass die Erfüllung der Eignungskriterien grundsätzlich vom Bieter nachzuweisen sei. Dies gelte auch für einen im Präqualifikationsverzeichnis eingetragenen Bieter. Dieser sei nur insoweit privilegiert, als er von der Beibringung der geforderten Eignungsnachweise entlastet und die inhaltliche Richtigkeit der hinterlegten Nachweise vermutet würde. Die inhaltlichen Anforderungen an die Eignungsnachweise gälten aber auch für ihn, da nur so das der Konkretisierung des Gleichbehandlungsgrundsatzes dienende Eignungserfordernis gemäß § 122 Abs. 1 GWB gewährleistet sei, wonach Aufträge nur an fachkundige und leistungsfähige Unternehmen vergeben werden (zu alledem OLG Düsseldorf, aaO).

Die Vergabekammer erachtet diese Argumentation für stichhaltig. Wie sich aus Art. 64 Abs. 6 Unterabs.1 Satz 1 der Richtlinie 2014/24/EU ergibt, müssen die Nachweisanforderungen für die Eignungskriterien, auf die sich die Wirtschaftsteilnehmer für ihre Eintragung in das amtliche Verzeichnis berufen, unter anderem die Anforderungen des Art. 60 der Richtlinie erfüllen. Aus diesem Verweis in der Regelung über amtliche Verzeichnisse zugelassener Wirtschaftsteilnehmer auf die außerhalb dieser Verzeichnisse zu erbringenden Nachweise an die Eignung ergibt sich zur Überzeugung der Vergabekammer, dass der EU-Gesetzgeber präqualifizierte und nicht präqualifizierte Bieter im Hinblick auf die jeweils zu erbringenden Eignungsnachweise grundsätzlich gleichbehandelt wissen wollte.

1.2.2. Gleichwohl stellt sich die Frage, ob präqualifizierte Bieter im vorliegenden Fall dem über die Auftragsbekanntmachung verlinkten Formblatt zur Eigenerklärung der Eignung mit der gebotenen Eindeutigkeit entnehmen konnten, dass die in dem Formblatt enthaltenen Nachweisanforderungen auch für sie Anwendung finden sollten.

Der Erklärungswert der Vergabeunterlagen beurteilt sich nach den für die Auslegung von Willenserklärungen maßgeblichen Grundsätzen der §§ 133, 157 BGB (BGH, Beschluss vom 07.01.2014 – X ZB 15/13). Dabei ist auf die objektive Sicht eines verständigen und fachkundigen Bieters abzustellen, der mit der Erbringung der ausgeschriebenen Leistung vertraut ist (OLG München, Beschluss vom 20.01.2020 – Verg 19/19). Maßgeblich ist nicht das Verständnis eines einzelnen Bieters, sondern wie der abstrakt angesprochene Empfängerkreis die Leistungsbeschreibung und Vergabeunterlagen versteht (OLG München, aaO). Wie Mitbieter die Vergabeunterlagen verstanden haben, kann für die normativ zu bestimmende Verständnismöglichkeit des durchschnittlichen Bieters von indizieller Bedeutung sein (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.12.2017 – VII-Verg 19/17). Kommen nach einer Auslegung von Vergabeunterlagen mehrere Verständnismöglichkeiten in Betracht oder können Unklarheiten oder Widersprüche nicht aufgelöst werden, geht dies zulasten des öffentlichen Auftraggebers (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.12.2017 – VII-Verg 19/17). Die Vergabestellen trifft insoweit die Verpflichtung, die Vergabeunterlagen klar und eindeutig zu formulieren und Widersprüchlichkeiten zu vermeiden (OLG München, Beschluss vom 09.03.2020 – Verg 27/19 m. w. N.).

Im Zweifel dürfen Bieter die Vergabeunterlagen so verstehen, dass sie den vergaberechtlichen Anforderungen entsprechen, denn das Verständnis des durchschnittlich erfahrenen Bieters basiert auf der Annahme, dass sich die Vergabestelle vergaberechtskonform verhält (vgl. OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 28.09.2023 – 11 Verg 2/23). Dies spricht dafür, dass präqualifizierte Bieter davon ausgehen konnten, dass ihre technische und berufliche Leistungs-fähigkeit ebenso wie bei nicht präqualifizierten Bietern an dem im Formblatt 124 niedergelegten Maßstab gemessen würde. Ungeachtet dessen entsprach es allerdings zumindest bis zu dem klarstellenden Beschluss des OLG Düsseldorf zur notwendigen Gleichbehandlung von präqualifizierten und nicht präqualifizierten Bietern bezüglich des Nachweises ihrer Eignung in weiten Teilen der vergaberechtlichen Praxis öffentlicher Auftraggeber, bei präqualifizierten Bietern den Nachweis ihrer Eintragung in das Präqualifikationsverzeichnis als hinreichenden Nachweis ihrer Eignung genügen zu lassen. Diese weitverbreitete frühere, aber teilweise auch heute noch anzutreffende, Praxis kann nach Ansicht der Vergabekammer bei der Ermittlung des Verständnisses durchschnittlich erfahrener und mit Vergabeverfahren vertrauter Bieter nicht unberücksichtigt bleiben. Dass Bieter auch heute noch der Vorstellung erliegen, ihre Eintragung in das Präqualifikationsverzeichnis genüge als Nachweis ihrer Eignung, zeigt sich am Verhalten der Beigeladenen im vorliegenden Fall, die davon absah, vor Angebotsabgabe die im Präqualifikationsverzeichnis hinterlegten Referenzen mit Blick auf den streitgegenständlichen Auftrag zu ergänzen, obwohl ihr das – wie sich im Nachhinein gezeigt hat – möglich gewesen wäre. Hinzu kommt, dass sich auch die Vorgabe unter Ziffer 7.1. der Teilnahmebedingungen gemäß Formblatt 212 EU in diesem Sinne verstehen lässt. Danach führen präqualifizierte Unternehmen den Nachweis der Eignung für die zu vergebende Leistung durch den Eintrag ins Präqualifikationsverzeichnis und ggf. ergänzt durch geforderte auftragsspezifische Einzelnachweise. Demgegenüber haben nicht präqualifizierte Unternehmen mit dem Angebot entweder die ausgefüllte “Eigenerklärung zur Eignung” ggf. ergänzt durch geforderte auftragsspezifische Einzelnachweise oder eine Einheitliche Europäische Eigenerklärung (EEE) vorzulegen. Diese Regelungssystematik, nach welcher der Nachweis der Eignung sowohl bei präqualifizierten Bietern als auch bei nicht präqualifizierten Bietern jeweils unter dem Vorbehalt gegebenenfalls geforderter auftragsspezifischer Einzelnachweise steht, lässt sich durchaus so verstehen, dass der Eintrag in das Präqualifikationsverzeichnis der ausgefüllten Eigenerklärung zur Eignung gleichgestellt sein sollte. Dies gilt jedenfalls in Fällen wie dem vorliegenden, wo der Auftraggeber neben dem Eintrag in das Präqualifikationsverzeichnis oder der ausgefüllten Eigenerklärung zur Eignung keine auftragsspezifischen Einzelnachweise gefordert hat.

Erschwerend für ein eindeutiges Verständnis der Vorgaben der Vergabeunterlagen im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass gänzlich unklar war, welche Leistungsbereiche die Präqualifikation eines Bieters umfassen musste und wie sich die Nachweisführung in jenen Fällen gestalten sollte, in denen ein Bieter nur für einen Teil der einschlägigen Leistungsbereiche präqualifiziert ist. Auch diese Unklarheit geht zulasten des öffentlichen Auftraggebers. Hätte der Antragsgegner also das Vergabeverfahren nicht von sich aus in den Stand vor der Auftragsbekanntmachung zurückversetzt, wäre er hierzu von der Vergabekammer zur Klarstellung der zu erfüllenden Eignungsanforderungen zu verpflichten gewesen, da gemäß § 122 Abs. 4 Satz 2 GWB die Eignungskriterien bereits in der Auftragsbekanntmachung anzugeben sind. Damit besteht aber im Ergebnis kein Zweifel, dass die Zurückversetzung des Vergabeverfahrens durch den Antragsgegner von einem sachlichen Grund getragen und damit wirksam ist.

2. Die wirksame Zurückversetzung des Vergabeverfahrens in den Stand vor der Auftragsbekanntmachung führt zu einer Erledigung des Nachprüfungsantrags, da ihm insoweit die Grundlage entzogen wurde.

Die Erledigung des Nachprüfungsantrags hat zur Folge, dass das Verfahren einzustellen und nur noch über den hilfsweise gestellten Feststellungsantrag der Antragstellerin sowie die Kosten zu entscheiden ist.

2.1. Der Hilfsantrag der Antragstellerin festzustellen, dass eine Rechtsverletzung vorliegt, ist unzulässig.

2.1.1. Die Vergabekammer geht davon aus, dass die Antragstellerin mit ihrem Hilfsantrag eine Feststellung der Rechtswidrigkeit der Zurückversetzung des Vergabeverfahrens begehrt und nicht eine Feststellung nach § 168 Abs. 2 Satz 2 GWB im Hinblick auf die ursprünglich geltend gemachten Rechtsverletzungen. Die für die Auslegung von Willenserklärungen des bürgerlichen Rechts entwickelten Grundsätze sind auf die Auslegung von Prozesserklärungen entsprechend anwendbar (vgl. BGH, Beschluss vom 14.02.2001 – XII ZB 192/99). Dies gilt auch für Erklärungen im Vergabenachprüfungsverfahren (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 08.11.2012 – 13 Verg 7/12). Die Auslegung orientiert sich an dem Grundsatz, dass im Zweifel dasjenige gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage der Prozesspartei entspricht (BGH, Beschluss vom 08.09.2021 –VIII ZR 258/20).

In der Begründung zu ihrem hilfsweise gestellten Feststellungsantrag geht die Antragstellerin auf die ursprünglich geltend gemachten Rechtsverletzungen, insbesondere den nicht erfolgten Ausschluss der Beigeladenen mangels Eignung, nicht mehr ein. Sie konzentriert ihre Argumentation vielmehr darauf, dass die Rückversetzung unwirksam und rechtswidrig sei, da es keinen Grund zur Rückversetzung des Vergabeverfahrens in den Stand vor Bekanntmachung gebe. Der Antragsgegner sei verpflichtet, eine Eignungsprüfung vorzunehmen, nötigenfalls unter Nachforderung fehlender, unvollständiger oder fehlerhafter unternehmensbezogener Unter-lagen. Eine grundlegende Änderung der Vergabeunterlagen sei nicht erforderlich und das Angebot der Antragstellerin auch nicht unangemessen hoch. Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen, die auf eine Rechtsverletzung der Antragstellerin durch die Zurückversetzung des Vergabeverfahrens gerichtet sind, geht die Vergabekammer davon aus, dass es der wohlverstandenen Interessenlage der Antragstellerin entspricht, eine Feststellung der Rechtswidrigkeit der Zurückversetzung des Vergabeverfahrens zu erlangen. Ein solcher Antrag ist in entsprechender Anwendung des § 168 Abs. 2 Satz 2 GWB statthaft (vgl. BGH, Beschluss vom 20.03.2014 – X ZB 18/13).

2.1.2. Der hilfsweise gestellte Feststellungsantrag der Antragstellerin ist jedoch mangels Darlegung ihres Feststellungsinteresses unzulässig.

Wie jeder Feststellungsantrag setzt auch der Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Aufhebung bzw. Zurückversetzung des Vergabeverfahrens als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal die Darlegung eines konkreten Feststellungsinteresses voraus (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 19.03.2019 – 13 Verg 1/19; VK Südbayern, Beschluss vom 12.12.2022 – 3194.Z3-3_01-22-33). Dies ergibt sich bereits aus den allgemeinen prozessualen Grundsätzen, nach denen die Inanspruchnahme eines Gerichts bzw. der Vergabekammer nicht zulässig ist, wenn kein berechtigtes Interesse vorliegt. Zur Bestimmung eines solchen Feststellungsinteresses kann auf die Grundsätze anderer Verfahrensordnungen, insbesondere zur Fortsetzungsfeststellungsklage nach der Verwaltungsgerichtsordnung zurückgegriffen werden (VK Hessen, Beschluss vom 31.07.2002 – 69d-VK-14/2002; VK Schleswig-Holstein, Beschluss vom 25.01.2012 – VK -SH 24/11).

Ein Feststellungsinteresse rechtfertigt sich durch jedes nach vernünftigen Erwägungen und nach Lage des Falles anzuerkennende Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art, wobei die beantragte Feststellung geeignet sein muss, die Rechtsposition des Antragstellers in einem der genannten Bereiche zu verbessern und eine Beeinträchtigung seiner Rechte auszugleichen oder wenigstens zu mildern. Das Feststellungsinteresse ist explizit zu begründen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 25.10.2023 – Verg 18/23 m. w. N.).

Ausgehend von diesen Maßstäben kann die Vergabekammer ein besonderes Feststellungsinteresse der Antragstellerin an einer Feststellung der Rechtswidrigkeit der Zurückversetzung des Vergabeverfahrens nicht erkennen. Die Antragstellerin hat nichts zur Begründung eines besonderen Feststellungsinteresses vorgetragen. Auch ein Feststellungsinteresse wegen möglicher Schadensersatzansprüche kann nicht allein aufgrund der im Schadensersatzprozess geltenden Bindungswirkung der Entscheidung der Vergabekammer und des Beschwerdegerichts gemäß § 179 GWB ohne nähere Angaben zu den behaupteten Ansprüchen angenommen werden (OLG Düsseldorf, a.a.O.). Bei fortbestehendem Beschaffungsbedarf des Antragsgegners ist zu erwarten, dass das Vergabeverfahren nach einer Konkretisierung der Eignungsanforderungen fortgesetzt wird. Die Antragstellerin wird in diesem Fall erneut Gelegenheit haben, ihr Angebot einzureichen. Denkbar sind in dieser Situation allenfalls geringfügige Schadensersatzansprüche auf das negative Interesse wegen der Erstellung ihres ersten Angebots. Die Antragstellerin hätte hierzu aber darzulegen, dass sie bei ordnungs-gemäßer Durchführung des Vergabeverfahrens den Zuschlag erhalten hätte, was angesichts ihrer zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe im PQ-Verzeichnis hinterlegten Eignungsnachweise zweifelhaft ist, oder welche sonstigen Schäden ihr entstanden sind (vgl. BGH, Urteil vom 20.11.2012 – X ZR 108/10; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 07.08.2019 – Verg 9/19).

2.2. Nach § 182 Abs. 3 S. 4, 5 GWB treffen Antragstellerin und Antragsgegner aus Gründen der Billigkeit die Kostenlast zu gleichen Teilen. Zwar hat der Antragsgegner dem Nachprüfungsantrag durch die Zurückversetzung des Vergabeverfahrens in den Stand vor der Auftragsbekanntmachung die Grundlage entzogen und ist damit einer entsprechenden Verpflichtung durch die Vergabekammer zuvorgekommen, was für eine Kostentragung des Antragsgegners spricht (vgl. VK Südbayern, Beschluss vom 20.04.2018 – Z3-3-3194-1-59-12/17). Gleichwohl ist hier zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin mit ihrem Recht-schutzbegehren, die Zurückversetzung des Vergabeverfahrens rückgängig zu machen bzw. hilfsweise festzustellen, dass diese rechtswidrig ist, nicht durchdringen konnte. In dieser Situation entspricht es nach Ansicht der Vergabekammer billigem Ermessen, Antragstellerin und Antragsgegner die Kostenlast zu gleichen Teilen aufzuerlegen.

Die Gebührenfestsetzung beruht auf § 182 Abs. 2 GWB. Diese Vorschrift bestimmt einen Gebührenrahmen zwischen 2.500 Euro und 50.000 Euro, der aus Gründen der Billigkeit auf ein Zehntel der Gebühr ermäßigt und, wenn der Aufwand oder die wirtschaftliche Bedeutung außergewöhnlich hoch sind, bis zu einem Betrag von 100.000 Euro erhöht werden kann. Die Höhe der Gebühr richtet sich nach dem personellen und sachlichen Aufwand der Vergabekammer unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstands des Nachprüfungsverfahrens. Eine Reduzierung der Gebühr auf die Hälfte nach § 182 Abs. 3 S. 4 GWB scheidet vorliegend aus, da die Vergabekammer streitig über die Erledigung des Nachprüfungsantrags befinden musste.

Der Antragsgegner ist als Bundesland von der Zahlung der Gebühr nach § 182 Abs. 1 S. 2 GWB i. V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 2 VwKostG (Bund) vom 23. Juni 1970 (BGBl. I S. 821) in der am 14. August 2013 geltenden Fassung befreit. Von der Antragstellerin wurde bei Einleitung des Verfahrens ein Kostenvorschuss in Höhe von 2.500 Euro erhoben. Dieser Kostenvorschuss wird nach Bestandskraft verrechnet.

Die Entscheidung über die Tragung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen von Antragstellerin und Antragsgegner beruht auf § 182 Abs. 4 S. 3 1. HS GWB. Aufgrund der vorgenommenen Kostenteilung zwischen Antragsgegner und Antragstellerin entspricht es billigem Ermessen, dass die Beteiligten ihre Aufwendungen selbst zu tragen haben und eine Erstattung nicht stattfindet (vgl. OLG Naumburg, Beschluss vom 23.12.2014 – 2 Verg 5/14).

Auch wenn die Beigeladene keine Anträge gestellt hat, muss die Vergabekammer von Amts wegen über die Aufwendungen der Beigeladenen entscheiden.

Die Entscheidung über die Tragung der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beigeladenen folgt aus § 182 Abs. 4 S. 3, S. 2 GWB. Danach sind Aufwendungen der Beigeladenen nur erstattungsfähig, wenn die Vergabekammer sie als billig erachtet. Dabei setzt die Erstattungsfähigkeit jedenfalls voraus, dass die Beigeladene sich mit demselben Rechtsschutzziel wie der obsiegende Verfahrensbeteiligte aktiv am Nachprüfungsverfahren beteiligt hat (OLG Brandenburg, Beschl. v. 09.02.2010, Az.: Verg W 10/09). Dieser für die kostenrechtliche Berücksichtigung der Beigeladenen maßgebende Grundsatz ist auch bei der Kostenentscheidung nach Erledigung des Nachprüfungsantrags von entscheidender Bedeutung (OLG Celle, Beschl. v. 29.06.2010, Az.: 13 Verg 4/10).

Die Beigeladene hat sich nur punktuell durch schriftsätzlichen Vortrag geäußert, jedoch keine Anträge gestellt und sich insoweit auch nicht aktiv am Verfahren beteiligt. Sie trägt ihre Aufwendungen selbst.

Rechtsmittelbelehrung

München, 27.02.2024

Aktuelle Entscheidungen im Volltext (2) – VK Westfalen zu der Frage, dass die Ausschreibung einer Rahmenvereinbarung sowohl die Angabe der Schätzmenge und/ oder des Schätzwerts als auch eine Höchstmenge und/oder einen Höchstwert sowie den Hinweis enthalten muss, dass die Rahmenvereinbarung ihre Wirkung verliert, wenn diese Menge oder dieser Wert erreicht ist

Aktuelle Entscheidungen im Volltext (2) - VK Westfalen zu der Frage, dass die Ausschreibung einer Rahmenvereinbarung sowohl die Angabe der Schätzmenge und/ oder des Schätzwerts als auch eine Höchstmenge und/oder einen Höchstwert sowie den Hinweis enthalten muss, dass die Rahmenvereinbarung ihre Wirkung verliert, wenn diese Menge oder dieser Wert erreicht ist

vorgestellt von Thomas Ax

Obwohl ein Durchschnittsbieter, der an der Ausschreibung einer Rahmenvereinbarung teilnimmt, um das nicht eindeutig festgelegte Auftragsvolumen nach § 21 Abs. 1 Satz 2 VgV und die damit verbundenen Ungewissheiten bei der Kalkulation wissen muss, ist für ihn nach einer zumindest laienhaft rechtlichen Bewertung nicht erkennbar im Sinne des § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, 3 GWB, dass die fehlende Angabe der Höchstmenge in rechtlicher Hinsicht einen Vergaberechtsverstoß darstellt. Die Rechtswidrigkeit ergibt sich erst aus einer Auslegung des Gleichheits- und des Transparenzgrundsatzes und begründet sich mit dem nicht zumutbaren und unüberschaubaren Risiko, das einer nicht begrenzten Rahmenvereinbarung immanent ist (EuGH, IBR 2021, 424 = VPR 2021, 113). Dies gilt jedenfalls deshalb, da ein Durchschnittsbieter den Vergabeverstoß nicht zufällig beim Studium der Vergabeunterlagen auffallen kann, da erst das Fehlen der Information den Vergabeverstoß begründet. Es bedarf mit anderen Worten rechtlicher Beratung und Auswertung der Vergabeunterlagen.
Ausgehend von Gleichbehandlungs- und Transparenzgrundsatz muss die Ausschreibung einer Rahmenvereinbarung sowohl die Angabe der Schätzmenge und/oder des Schätzwerts als auch eine Höchstmenge und/oder einen Höchstwert sowie den Hinweis enthalten, dass die Rahmenvereinbarung ihre Wirkung verliert, wenn diese Menge oder dieser Wert erreicht ist (vgl. EuGH, IBR 2021, 424 = VPR 2021, 113, und hieran anknüpfend OLG Koblenz, IBR 2023, 360 = VPR 2023, 16; a. A. noch die am Wortlaut des § 21 VgV orientierte Rechtsprechung des KG, Beschluss vom 20.03.2020 – Verg 7/19, IBRRS 2020, 3836 = VPRRS 2020, 037, und der VK Bund, IBR 2020, 85 = VPR 2020, 24). Dies ist erforderlich, da der Bieter erst auf Grundlage dieser Schätzung seine Leistungsfähigkeit zur Erfüllung der Verpflichtungen aus der Rahmenvereinbarung beurteilen kann (vgl. EuGH, a.a.O.). Wäre der Höchstwert oder die Höchstmenge der Rahmenvereinbarung nicht angegeben oder die Angabe nicht rechtlich verbindlich, könnten sich öffentliche Auftraggeber zudem über diese Höchstmenge hinwegsetzen (vgl. EuGH, a.a.O.). Dann könnten Zuschlagsempfänger wegen Nichterfüllung der Rahmenvereinbarung vertraglich haftbar gemacht werden, wenn sie die von den öffentlichen Auftraggebern geforderten Mengen nicht leisten könnten, selbst wenn diese Mengen die Höchstmenge in der Bekanntmachung und/oder den Vergabeunterlagen überschreiten (vgl. EuGH, a.a.O.).
3. Ohne Angabe der Höchstmenge ist das Vergabeverfahren bei fortbestehender Beschaffungsabsicht in den Stand vor Bekanntmachung zurückzuversetzen. Eine Korrektur des Verfahrensfehlers ist nur durch Überarbeitung der Bekanntmachung möglich. Denn bereits aus der Bekanntmachung muss sich für den Bieterkreis die Schätz- und Höchstmenge einer Rahmenvereinbarung ergeben, damit dieser seine Leistungsfähigkeit beurteilen und entscheiden kann, ob er an dem Vergabeverfahren teilnimmt (vgl. EuGH, IBR 2021, 424 = VPR 2021, 113).
VK Westfalen, Beschluss vom 21.02.2024 – VK 3-42/23
 

Gründe

I.

Mit Bekanntmachung vom 18. Juli 2023 (Referenznummer der Bekanntmachung: […]) schrieb die Antragsgegnerin Sicherheitsdienstleistungen für Kulturbetriebe im nicht offenen Verfahren als Rahmenvereinbarung in zwei Losen aus. Los 1 betraf Sicherheitsdienstleistungen in Museen und Los 2 Sicherheitsdienstleistungen in kulturellen Einrichtungen. Die Laufzeit des Vertrages betrug ein Jahr mit der Option, den Vertrag dreimal um jeweils ein weiteres Jahr zu verlängern. Der geschätzte Auftragswert liegt über dem für EU-Vergaben maßgeblichen Schwellenwert für Sicherheitsdienstleistungen.

Für den Teilnahmewettbewerb sah Ziffer II.2.9 der Bekanntmachung teils unterschiedlich gewichtete Auswahlkriterien vor, anhand derer die Antragsgegnerin eine Wertungsreihenfolge zur Auswahl nur der fünf bestplatzierten Teilnehmer zu erstellen beabsichtigte. Die Auswahl sollte unter anderem erfolgen nach Anzahl und Berufserfahrung der eingesetzten Sicherheitsdienstmitarbeiter sowie der sich aus Referenzen ergebenden Berufserfahrung der Teilnehmer selbst in Bezug auf die Durchführung von Aufträgen vergleichbarer Größenordnung. Ziffer IV.1.3 der Bekanntmachung lautete:

“Abschluss einer Rahmenvereinbarung mit mehreren Wirtschaftsteilnehmern, geplante Höchstzahl: 2”

Einziges Zuschlagskriterium war der Angebotspreis.

Die Vergabeunterlagen bestanden neben dem Teilnahmeantrag insbesondere aus den Leistungsbeschreibungen für die jeweils zu sichernden Objekte (von der Antragsgegnerin als “Position” bezeichnet), den Preisblättern und “Besondere[n] Vertragsbedingungen für Sicherheitsdienstleistungen für die Kulturbetriebe [der Antragsgegnerin]”.

Mit dem Teilnahmeantrag wiederholte die Antragsgegnerin die Auswahlkriterien aus der Bekanntmachung und fragte insbesondere Mitarbeiterzahlen der Teilnehmer aus den Jahren 2020, 2021 und 2022 sowie Referenzobjekte ab, bei denen die Sicherungsdienstleistungen in Museen vergleichbarer Größenordnung (Los 1: Anzahl Objekte: […] Museen, Stundenvolumen Auftrag: ca. […] h pro Jahr) oder in kulturellen Einrichtungen (Los 2: Anzahl Objekte: […] kulturelle Einrichtungen, Stundenvolumen Auftrag: ca. […] h pro Jahr) durchgeführt wurden.

Die Preisblätter enthielten für die einzelnen zu sichernden Objekte jeweils die Leistungen “Standardbewachung” (Ziffern […].1 bis […].6), “Sonderveranstaltung” (Ziffern […].7 bis […].12) und “Spontanbewachung” (Ziffern […].13 bis […].18), wobei die Antragsgegnerin vereinzelt die Stundenwerte der Gesamtstunden für ein Jahr vorgab.

Sie wies in den Preisblättern auf Folgendes hin:

“Bei den angegebenen Stundenzahlen handelt es sich ausschließlich um eine fiktive Mengenangabe für die Wertung, basierend auf den voraussichtlichen Standardeinsatzzeiten sowie den Erfahrungen aus den Vorjahren. Die tatsächliche Abrufhöhe kann hiervon abweichen.”

In dem Preisblatt betreffend die Sicherung des Objekts “[D]” waren die Preise für eine Vertragslaufzeit von einem Jahr, in den übrigen Preisblättern für vier Jahre anzugeben.

In den “Besondere[n] Vertragsbedingungen für Sicherheitsdienstleistungen für die Kulturbetriebe [der Antragsgegnerin]” ergänzte die Antragsgegnerin unter der Überschrift “Kalkulation – Mehrleistung”, Ziffer VI.3, dass

“die Mengenangaben in der Preisabfrage auf Erfahrungswerten aus den letzten Jahren [basieren]. Eine Über- sowie Unterschreitung der Menge ist daher möglich. […]”

Neben weiteren Teilnehmern reichten die Antragstellerin und die Beigeladene einen Teilnahmeantrag ein. Die Antragsgegnerin prüfte die Teilnahmeanträge durch ihren FB 19.2 (“Vergabestelle”) ohne Einbeziehung des EB 41 (“Museen/Bibliotheken/Stadtarchiv/[…]”). Auf Grundlage der vorgenannten Eignungskriterien forderte die Antragsgegnerin die fünf Unternehmen mit der höchsten Wertungspunktzahl im Teilnahmewettbewerb, darunter die Antragstellerin und die Beigeladene, zur Abgabe eines Angebots bis Ablauf des 24. Oktober 2023 auf. Innerhalb der Angebotsfrist gingen vier Angebote ein.

Im Zusammenhang mit der Prüfung der Angemessenheit der Preise übermittelte FB 19 dem EB 41 das Angebot der Beigeladenen für Los 1 “zur Durchsicht”. Bevor EB 41 am 2. November 2023 die Angemessenheit bestätigte, nahm eine Mitarbeiterin aus dem EB 41 unmittelbar Kontakt mit den Mitarbeitern der Antragstellerin auf. Sie forderte diese zur Abgabe von Blankobewerbungen auf, damit sie die Bewerbungen nach Auftragserteilung dem neuen Auftraggeber übergeben könne. Auf eine aus den Vergabeunterlagen nicht ersichtliche Reaktion der Antragstellerin antwortete die vorgenannte Mitarbeiterin aus dem Bereich 41 am 3. November 2023:

“Ihre Mitarbeiter wurden nicht aufgefordert, sich bei einer anderen Firma zu bewerben; sie wurden aufgefordert, mir Blankobewerbungen ohne Adressaten zu überreichen. Es wurden alle Mitarbeiter*innen angesprochen, die ggf. Interesse haben, bei den Museen zu bleiben. Sollte nach Ende der Ausschreibungsfrist feststehen, dass die [Antragstellerin] den Zuschlag für die Ausschreibung nicht bekommt, können die Bewerbungen an die neue Firma überreicht werden. Dies ist ein ganz normaler Vorgang und wurde bei dem Wechsel von der Vorgängerfirma zur Antragstellerin identisch gehandhabt. Auch die [Antragstellerin] hat damals Blanko-Bewerbungen erhalten, da zum Zeitpunkt der Bewerbungserstellung noch nicht feststand, welche Firma den Zuschlag erhält. Dies müssen wir so handhaben, damit Zeit gespart wird. Sollte die [Antragstellerin] den Zuschlag erhalten, würden die Bewerbungen an die Mitarbeiter*innen zurückgeschickt.

Mit freundlichen Grüßen

Im Auftrage […]”


Zu diesem Zeitpunkt war die Auswahlentscheidung noch nicht getroffen. Vielmehr setzte FB 19 nach Rückmeldung des EB 41 die Angebotsprüfung fort. Beispielsweise fragte FB 19 einen Auszug aus dem Wettbewerbsregister nach und bat einen weiteren Fachbereich um Mitteilung, ob gewerberechtliche Bedenken gegen die Beauftragung der Beigeladenen bestünden. Da der Angebotspreis der Beigeladenen für Los 2 geringer als die Kostenschätzung ausfiel, bat FB 19 EB 41 mit E-Mail vom 16. November 2023 weiterhin um Erläuterung insbesondere der Position 5 (Preisabfrage [S]). EB 41 teilte mit, dass es aufgrund der Schließung eines Objekts wegen Umbaumaßnahmen neben dem regulären Bedarf für vier Jahren zusätzlich die (verringerten) Kosten während des geschlossenen Betriebs abgefragt habe.

In der Kostenschätzung wurden die verringerten Kosten während des geschlossenen Betriebs […] für drei Jahre einkalkuliert und nicht wie in der Preisabfrage für ein Jahr […].

FB 19 führte aus:

“Fraglich ist, ob die Preisabfrage angepasst werden müsste, da ein Bedarf abgefragt worden ist, der voraussichtlich in geringerem Umfang abgerufen wird.

Vorliegend handelt es sich um einen Rahmenvertrag. Die angegebenen Mengen dienen ausschließlich als Grundlage für die Wertung. Es besteht weder eine Verpflichtung die angegebenen Mengen abzurufen noch die generelle Abnahme einzelner Positionen. Eine Über- sowie Unterschreitung der Menge wurde sich in den Besonderen Vertragsbedingungen vorbehalten. Es werden nur die tatsächlichen Leistungen abgerechnet.”


Da die Beigeladene in beiden Losen preisgünstiger war, informierte die Antragsgegnerin die Antragstellerin am 24. November 2023 gemäß § 134 GWB über ihre Absicht, der Beigeladenen am 5. Dezember 2023 den Zuschlag zu erteilen.

Mit E-Mail vom 27. November 2023, 7:58 Uhr wandte sich die Mitarbeiterin der Antragsgegnerin aus dem Bereich 41 an die Mitarbeiter der Antragstellerin.

“An: […]

Betreff Wechsel der Wachfirma

Guten Morgen alle zusammen,

ich wurde heute darüber informiert, dass es aller Wahrscheinlichkeit nach am 16.12.2023 zu einem Wechsel der Wachfirma kommt. […]. Die [Beigeladene] hat das beste Angebot abgegeben. […]. Ich habe heute auch direkt Kontakt mit der wahrscheinlich neuen Firma aufgenommen und würde, sobald sich diese bei mir zurückmeldet, als allererstes die Personalfrage klären. Ich weise noch einmal darauf hin, dass die endgültige Entscheidung erst am 05.12.2023 mit Vertragsunterzeichnung fällt. Dennoch habe ich vom Vergabeamt die Freigabe erhalten, mir der wahrscheinlich neuen Firma schon in Kontakt zu treten. Sollte die neue Firma mitteilen, dass sie Interesse an der Übernahme des jetzigen Personals hat, würde ich die Bewerbungen, die Sie mir gegeben haben, weitergeben. Einige Bewerbungen enthalten alle notwendigen Unterlagen wie Führungszeugnis etc., andere nicht. Ich würde deswegen, vorbehaltlich Ihrer Einwilligung, die Bewerbungen mit den Unterlagen aufstocken, die ich von der [Antragstellerin] zur Verfügung gestellt bekommen habe. […]”


Am 27. November 2023, 14:55 Uhr ergänzte sie:

“Die Vorstellungsgespräche mit Ihnen finden dann am 04.12.2023 [in den Räumlichkeiten der Antragsgegnerin] statt.”

Weitere, ähnliche Korrespondenz ist der von der Kammer mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2023 angeforderten Vergabedokumentation zu entnehmen.

Die Antragstellerin rügte das Absageschreiben vom 24. November 2023 am 28. November 2023 insoweit als vergaberechtswidrig als darin die vollständigen Gründe für die Nichtberücksichtigung und die Mitteilung der Platzierung ihres Angebots fehlten. Weiterhin rügte sie, dass der Zuschlag nur an ein Unternehmen erteilt werden solle. Dies widerspreche der Bekanntmachung, in der es heiße:

“Geplante Höchstanzahl an Beteiligten an der Rahmenvereinbarung: 2”.

Am 29. November 2023 stellte die Antragsgegnerin der Antragstellerin eine Antwort in Aussicht, die nicht erfolgte.

Nach unbeantworteter weiterer Rüge vom 2. Dezember 2023 verfolgt die Antragstellerin ihr Rügevorbringen mit Nachprüfungsantrag vom 4. Dezember 2023 weiter.

Sie ist der Auffassung, dass ein Vergabeverstoß bereits in der fehlenden Angabe einer Schätz- oder Höchstmenge zu sehen sei, was gegen Transparenz und Gleichbehandlung verstoße. Die aus den Preisblättern ersichtlichen fiktiven Abnahmemengen oder Vordersätze seien keine Höchstabnahmemengen. Im Gegenteil behalte sich die Antragsgegnerin in den Besonderen Vertragsbedingungen der Antragsgegnerin ein Über- oder Unterschreiten dieser Mengen vor. In der Folge bestehe für einen Bieter das Risiko, weit über den angegebenen Schätzwert leistungsfähig sein zu müssen. In Kenntnis einer konkreten Höchstabnahmemenge hätte die Antragstellerin schärfer kalkulieren und einen niedrigeren Gesamtpreis anbieten können.

Weiterhin frage die Antragsgegnerin rein fiktive Preise ab, die nicht zu den jeweiligen Vorgaben der Leistungsbeschreibung passten und damit gegen § 127 Abs. 3 GWB verstießen. Bei den Objekten [D] und [S] sei die Binnengewichtung ebenso fehlerhaft wie einige Vordersätze bei den Objekten [Z] und [D]. Dies lade zu Spekulationen und unzulässigen Mischkalkulationen ein.

Auch habe die Antragsgegnerin ausweislich der Bekanntmachung zwei Unternehmen beauftragen wollen, den zweitplatzierten Bieter im Zuschlagsschreiben aber nicht mitgeteilt.

Das Vergabeverfahren könne nicht rechtmäßig beendet werden, da bei der Mitarbeiterin aus dem Kulturbereich ein Interessenkonflikt bestanden habe und sich dieser auf das Vergabeverfahren ausgewirkt habe. Schließlich habe die vorgenannte Mitarbeiterin die Beigeladene vor Zuschlagserteilung und auch während der GWB-Wartefrist in rechtswidriger Weise bei der Suche nach Personal unterstützt. Dass zwischen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen offenbar schon länger Kontakt bestanden habe, ergebe sich insbesondere aus den E-Mails der Mitarbeiterin der Antragsgegnerin aus dem Kulturbereich vom 27. November 2023. Wenn die Antragsgegnerin davon ausgehe, die Aufforderung an Mitarbeiter der Antragstellerin, bei der Antragsgegnerin vorausgefüllte Blankobewerbungen einzureichen, um diese an die Beigeladene weiterzugeben, sei ein “ganz normalen Vorgang zur Zeitersparnis”, verkenne sie offenbar die Rechtslage. Eine vermeintliche Eilbedürftigkeit sei kein tauglicher Grund für eine derartige Diskriminierung. Dass auch die Vergabestelle voreingenommen sei, zeige sich daran, dass diese eine Erwiderung auf die Rüge in Aussicht gestellt, diese aber schlussendlich unterlassen habe. Hierdurch entstehe der Eindruck, als wolle die Antragsgegnerin Zeit gewinnen und die Antragstellerin durch irreführende Aussagen von der fristgerechten Einleitung rechtlicher Schritte abhalten.

Die Beigeladene sei nicht geeignet. Sie könne weder Gewähr für ihre finanzielle Leistungsfähigkeit bieten noch vergleichbare Referenzen vorweisen. Ihr Unternehmen sei sehr klein und habe in den letzten Jahren keinerlei Mitarbeiterwachstum zu verzeichnen gehabt. Ab dem Jahr 2020 seien keine Unternehmensbilanzen der Beigeladenen auffindbar. Dies deute darauf hin, dass Minusjahre verschleiert würden. Auch lasse sich weder auf der Plattform TED noch von der Homepage der Beigeladenen entnehmen, dass die Beigeladene Erfahrung mit der Bewachung von Museen habe. Da nicht nur ein Museum bzw. eine Kultureinrichtung Gegenstand des jeweiligen Loses sei, könne auch die Bewachung eines einzelnen Museums nicht als vergleichbare Referenz gewertet werden. Zudem seien die Referenzen je Los zu betrachten. Während ein Museum zugleich auch als kulturelle Einrichtung zu werten sei, könne umgekehrt nicht jedwede kulturelle Einrichtung als Museum gelten.

Auch habe die Antragsgegnerin das Verfahren nicht zeitnah, fortlaufend und mit der gebotenen inhaltlichen Tiefe dokumentiert. Dass die Antragsgegnerin überprüft habe, ob die von der Beigeladenen vorgelegten Referenzen vergleichbare Leistungen beträfen, ihr Umsatz als ausreichend erachtet werde und für die Leistungserbringung hinreichend Mitarbeiter zur Verfügung stünden, lasse sich der Vergabeakte nicht einwandfrei entnehmen.


Die Antragstellerin beantragt:

1. Der Antragsgegnerin wird bei fortbestehender Beschaffungsabsicht aufgegeben, ein ordnungsgemäßes Vergabeverfahren gemäß dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen und gemäß der Vergabeverordnung nach Maßgabe der Rechtsauffassung der Vergabekammer durchzuführen.

2. Der Antragsgegnerseite wird bei fortbestehender Beschaffungsabsicht aufgegeben, die Angebotsphase unter Zugrundelegung rechtskonformer Preisblätter und unter rechtskonformer Prüfung der Angebote im Hinblick auf die Erfüllung der Vorgaben der Leistungsbeschreibung gemäß dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen und gemäß der Vergabeverordnung zu wiederholen,

Hilfsweise: das Verfahren in den Zeitpunkt vor Prüfung der Teilnahmeanträge zurückzuversetzen und das Verfahren ab diesem Zeitpunkt und mithin die Eignungsprüfung sowie die Wertung der Teilnahmeanträge gemäß dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen und gemäß der Vergabeverordnung nach Maßgabe der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen,

Äußerst hilfsweise: Das Verfahren in den Stand vor Absendung der EU-Bekanntmachung zurückzuversetzen.

3. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die Antragstellerseite wird gemäß § 182 Abs. 4 GWB für notwendig erklärt.

4. Die Antragsgegnerseite hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Antragstellerseite zu tragen.


Die Antragsgegnerin beantragt,

den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen.


Der Nachprüfungsantrag sei erfolglos, da er teilweise unzulässig und im Übrigen jedenfalls unbegründet sei.

Soweit die Antragstellerin zur fehlenden Leistungsfähigkeit der Beigeladenen vortrage, sei der Nachprüfungsantrag mangels Antragsbefugnis nach § 160 Abs. 2 GWB unzulässig. Der Vortrag, dass die Beigeladene nicht unter den besten fünf Teilnehmern gewesen sein könne, sei rein spekulativ. Die Beigeladene habe alle geforderten Eignungsnachweise eingereicht sowie ihre finanzielle Leistungsfähigkeit in den letzten drei Jahren und eine ausreichende Zahl an Mitarbeitenden nachgewiesen. Außerdem sei die Beigeladene der Antragsgegnerin als Auftragnehmerin bekannt. Referenzen im Zusammenhang mit Sicherungsdienstleistungen für Museen seien keine zwingend zu erfüllenden Mindestanforderungen an die Eignung. Diese seien optional gewesen und im Falle des Einreichens mit Zusatzpunkten bewertet worden.

Der Nachprüfungsantrag sei unzulässig nach § 160 Abs. 3 Nr. 2 GWB in Bezug auf die fehlende Angabe der Höchstabnahmemenge einerseits und die vermeintlich fehlerhaften Preisblätter andererseits. Beides hätte die Antragstellerin aus den Vergabeunterlagen erkennen können und bis Ablauf der Angebotsfrist rügen müssen. Abgesehen davon sei nicht ersichtlich, dass die Preisblätter Mischkalkulationen begünstigten. Bei keinem Bieter seien große Abweichungen zu marktüblichen Preisen erkennbar. Die Bieter hätten die passenden Stundenverrechnungssätze eingereicht und gesetzlich vorgeschriebene Abgaben sowie die erforderlichen Sonntags-, Nacht- und Feiertagszuschläge eingehalten. Da die [S] voraussichtlich ab Oktober 2024 für Umbaumaßnahmen geschlossen werde, habe die Antragsgegnerin neben dem regulären Bedarf für vier Jahre zusätzlich die verringerten Kosten für Sicherungsdienstleistungen während des geschlossenen Betriebs abgefragt. In der Leistungsbeschreibung sei transparent dargestellt, dass die [S] geschlossen werde und die Dauer der Umbaumaßnahme noch nicht bekannt sei. Die Mengenangaben in den Preisblättern seien auf der Grundlage langjähriger Erfahrung und voraussichtlicher Standardeinsatzzeiten erstellt worden. Bei den angegebenen Stundenzahlen handele es sich ausschließlich um fiktive Mengenangaben.

Die gesetzlichen Anforderungen an die Information gemäß § 134 GWB seien eingehalten worden. Da der Preis das alleinige Zuschlagskriterium sei, reiche es aus, den Bietern mitzuteilen, dass das eingereichte Angebot nicht das wirtschaftlichste sei. Hinsichtlich der an der Rahmenvereinbarung zu beteiligenden Bieter liege nach dem Wortlaut unter Punkt IV.1.3 der Bekanntmachung “Geplante Höchstzahl an Beteiligten: 2” keine verbindliche Angabe vor, den Vertrag mit mehr als einem Bieter schließen zu müssen.

Auch hätten weder Mitarbeitende der Antragsgegnerin gegen das Mitwirkungsverbot verstoßen, noch liege ein Interessenkonflikt gemäß § 6 Abs. 3 Nr. 2 VgV vor. Bei der erstmaligen Kontaktaufnahme durch eine Mitarbeiterin der Antragsgegnerin zu Mitarbeitenden der Antragstellerin Ende Oktober 2023 habe diese keine Informationen über das Vergabeverfahren weitergegeben. Die Kündigung der Mitarbeitenden der Antragstellerin sei bereits zum 16. Dezember 2023 erfolgt. Mit der Beigeladenen habe die vorgenannte Mitarbeiterin der Antragsgegnerin erstmals Kontakt aufgenommen, nachdem die Antragsgegnerin die Informationsschreiben gemäß § 134 GWB verschickt habe und alle Bieter gewusst hätten, dass die Beigeladene den Auftrag in beiden Losen erhalten solle. Die Mitarbeiterin der Antragsgegnerin, die mit den Mitarbeitenden der Antragstellerin und der Beigeladenen in Kontakt getreten sei, sei bei den Kulturbetrieben beschäftigt und habe auf den Ausgang des Verfahrens keinen Einfluss gehabt. Die Antragsgegnerin führte in der mündlichen Verhandlung ergänzend aus, dass die Vergabestelle eine von der Fachstelle unabhängige Entscheidung treffe. Es handele sich eher um eine Anhörung des Fachbereichs als eine tatsächliche Mitwirkung im Vergabeverfahren. Die Mitarbeiterin aus dem Kulturbereich sei lediglich bemüht gewesen, langjährige und bewährte Mitarbeitende, die eine Kündigung erhalten hätten, zu erhalten. Bei der Einreichung von Blankobewerbungen handele es sich um eine langjährige Praxis, welche die Antragsgegnerin unter anderem bei der Beauftragung der Antragstellerin vor vier Jahren analog gehandhabt habe. Zwischen der Mitarbeiterin der Antragsgegnerin und den Mitarbeitenden der Antragstellerin hätten keine Gespräche stattgefunden, die in irgendeiner Weise als “für” oder “gegen” die Antragstellerin wirkende Handlungen gewertet werden könnten.

Ein Interessenkonflikt sei nicht daraus abzuleiten, dass die Antragsgegnerin auf die Rügeschreiben der Antragstellerin nicht reagiert habe. Eine Stellungnahme sei nur wegen des engen zeitlichen Rahmens nicht erfolgt. Auch der zweiten Rüge vom 2. Dezember 2023 habe die Antragsgegnerin nicht abhelfen können, weil hierfür die von der Antragstellerin gesetzte Frist zu kurz gewesen sei.

Die Beigeladene stellte keinen Antrag.

Der Vorsitzende hat die Entscheidungsfrist nach § 167 GWB mit Schreiben vom 21. Dezember 2023 bis Ablauf des 29. Februar 2024 verlängert. Am 2. Februar 2024 hat eine mündliche Verhandlung stattgefunden.


II.

1. Die Vergabekammer Westfalen ist zuständig. Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus §§ 159 Abs. 3 Satz 1 GWB, 2 Abs. 2 VK ZustV NRW, da die Antragsgegnerin ihren Sitz im räumlichen Bezirk der Vergabekammer Westfalen hat. Die Vergabekammer ist sachlich zuständig im Sinne des § 155 GWB, da die Antragsgegnerin als Gebietskörperschaft öffentliche Auftraggeberin nach § 99 Nr. 1 GWB ist und die aus der Rahmenvereinbarung abgerufene Sicherheitsdienstleistung oberhalb des für Dienstleistungen erforderlichen Schwellenwertes liegt, §§ 106 Abs. 2 Nr. 1, 1. Hs. GWB, Art. 4 der Richtlinie 2014/24/EU in Verbindung mit Art. 1 Nr. 1 c) der delegierten Verordnung 2021/1952/EU, 3 Abs. 4 VgV.

2. Der teilweise zulässige Nachprüfungsantrag hat Erfolg, da er begründet ist.

2.1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig, soweit die Antragstellerin zur fehlenden Angabe einer Höchstmenge der Rahmenvereinbarung und zur Voreingenommenheit der Antragsgegnerin vorträgt.

a. Insoweit hat die Antragstellerin ihr Interesse am Auftrag nach § 160 Abs. 2 Satz 1 GWB durch Abgabe ihres Angebots vom 23. Oktober 2023 hinreichend dokumentiert (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18.08.2021, Verg 52/20).

Es erscheint möglich, dass die fehlende Angabe der Höchstmenge in der Rahmenvereinbarung sowie die exklusive Kommunikation zwischen einer Mitarbeiterin der Antragsgegnerin aus dem Fachbereich “Kultur” mit der Beigeladenen vor Zuschlagserteilung die Antragstellerin in ihrem Anspruch auf ein transparentes, nichtdiskriminierendes Vergabeverfahren insbesondere aus § 97 Abs. 6, 2 und 1 GWB verletzt. Die unterbliebene Angabe der Höchstmenge verletzt möglicherweise Gleichbehandlungs- und Transparenzgrundsatz, da die Antragstellerin ohne die vorgenannte Information nicht abschätzen kann, ob sie den Auftrag überhaupt erfüllen können wird. Die exklusive Kommunikation mit der Beigeladenen stellt möglicherweise einen Verstoß gegen § 6 VgV dar, sofern bei der Mitarbeiterin der Antragsgegnerin tatsächlich ein Interessenkonflikt bestand. Dies ist indes eine Frage der Begründetheit.

Der Antragstellerin entsteht durch die benannten Vergabeverstöße ein Schaden. Es ist nicht auszuschließen, dass sich bei angegebener Höchstmenge die Zuschlagschancen der Antragstellerin erhöht hätten. Denn zum einen hätte sie näher am tatsächlichen Bedarf kalkulieren können. Zum anderen erscheint es möglich, dass Mitbewerber ihre fehlende Leistungsfähigkeit erkannt hätten, der Wettbewerbsdruck für die Antragstellerin also abgenommen hätte. Ebenso kann sich ein Interessenkonflikt auf die Zuschlagschancen, insbesondere die Auswahlentscheidung der Antragsgegnerin ausgewirkt haben. Dies insbesondere, da dem Fachbereich “Kultur” die Angebote zur Auskömmlichkeitsprüfung vorlagen.

Eine Präklusion nach § 160 Abs. 3 Satz 1 GWB scheidet im vorgenannten Umfang aus.

Der Nachprüfungsantrag ist in Bezug auf den geltend gemachten Interessenkonflikt nicht nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB unzulässig. Die Antragstellerin hat erst auf Grundlage der E-Mails insbesondere vom 27. November 2023 erkannt, dass die vorbenannte Mitarbeiterin der Antragsgegnerin die Beigeladene mit der Vervollständigung von Bewerbungen unterstützt haben könnte. Dies hat sie innerhalb der 10-Tages-Frist des § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB am 28. November 2023 gerügt.

Auf den 3. November 2023, an dem die Mitarbeiterin der Antragsgegnerin aus dem Kulturbereich auf die Frage der Antragstellerin antwortete, warum diese ihre Mitarbeiter abwerbe, ist hingegen – zumindest vor dem Hintergrund eines möglichen Interessenkonflikts – nicht abzustellen. Zu diesem Zeitpunkt war für die Antragstellerin nur erkennbar, dass die Antragsgegnerin ihre Mitarbeiter zur Abgabe von Blankobewerbungen aufgefordert hat. Eine einen Interessenkonflikt möglicherweise begründende Nähe zur Beigeladenen ergibt sich indes erst aus der Überlegung, die Bewerbungen der Mitarbeiter der Antragstellerin mit deren Unterlagen zu vervollständigen und im Anschluss der Beigeladenen zu übergeben.

Die fehlende Angabe der Höchstmenge führt nicht zur Unzulässigkeit nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB. Diese ist einem durchschnittlich fachkundigen, die übliche Sorgfalt anwendenden (objektiven) Bieter nicht erkennbar.

Ein Vergaberechtsverstoß ist für den vorgenannten Personenkreis erkennbar, wenn dieser Zugang zu den den Vergaberechtsverstoß begründenden Tatsachen hat und nach (zumindest laienhafter) rechtlicher Bewertung einen solchen feststellen kann (vgl. BayObLG, Beschluss vom 6. September 2023, Verg 5/22; OLG Frankfurt, Beschluss vom 30. März 2021; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15. Januar 2020, Verg 20/19, und Beschluss vom 11. Juli 2018, Verg 24/18 m.w.N.).

Bei der Feststellung des Vergaberechtsverstoßes ist kein zu strenger Maßstab anzulegen:

Für einen objektiven Bieter genügt es, wenn er auch ohne Einbeziehung einer rechtlichen Beratung einen Widerspruch oder eine Unstimmigkeit in den Vergabeunterlagen ausmacht (vgl. VK Westfalen, Beschluss vom 15. Juni 2022, VK 1-10/22). Ob er diese rechtlich zutreffend subsumieren kann, ist hingegen unerheblich. Maßgeblich ist vielmehr, ob sich ihm der Verstoß bei der Vorbereitung seines Angebots bzw. seiner Bewerbung aufdrängt bzw. nach der Diktion des OLG Düsseldorf Beschluss vom 3. August 2011, Verg 30/11 ins Auge fällt. Dabei ist zu beachten, dass ein Durchschnittsbieter weder umfassend die vergaberechtliche Literatur noch im Einzelnen die Rechtsprechung zur Auslegung der maßgeblichen Bestimmungen kennen muss (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 12. Dezember 2022, Verg 3/22).

Obwohl ein Durchschnittsbieter, der an der Ausschreibung einer Rahmenvereinbarung teilnimmt, um das nicht eindeutig festgelegte Auftragsvolumen nach § 21 Abs. 1 Satz 2 VgV und die damit verbundenen Ungewissheiten bei der Kalkulation wissen muss, ist für ihn nach einer zumindest laienhaft rechtlichen Bewertung nicht erkennbar, dass die fehlende Angabe der Höchstmenge in rechtlicher Hinsicht einen Vergaberechtsverstoß darstellt. Die Rechtswidrigkeit ergibt sich erst aus einer Auslegung des Gleichheits- und des Transparenzgrundsatzes (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 12. Dezember 2022, Verg 3/22) und begründet sich mit dem nicht zumutbaren und unüberschaubaren Risiko, das einer nicht begrenzten Rahmenvereinbarung immanent ist (EuGH, Beschluss vom 17. Juni 2021, Rs. C-23/20). Gegen die Erkennbarkeit spricht schließlich, dass einem Durchschnittsbieter der Vergabeverstoß nicht zufällig beim Studium der Vergabeunterlagen auffallen kann, da erst das Fehlen der Information den Vergabeverstoß begründet. Es bedarf mit anderen Worten rechtlicher Beratung und Auswertung der Vergabeunterlagen (vgl. OLG Koblenz m.w.N.).

Dass die Antragstellerin in ihrem Angebot Eventualpreispositionen, wie Spontanbewachungen und Sonderveranstaltungen (siehe in der Preisabfrage jeweils die Ziffern 7 bis 18 des jeweiligen Bewachungsobjektes) eingepreist hat, führt entgegen der von der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung geäußerten Auffassung zu keinem anderen Ergebnis. Bei der von der Antragstellerin angegeben Stundenzahl handelt es sich weiterhin um einen Schätzwert. Ob ein Angebot diesen über- oder unterschreitet, ist dem Durchschnittsbieter nicht erkennbar.

2.2. Im Übrigen ist der Nachprüfungsantrag unzulässig.

a. Soweit die Antragstellerin zur fehlenden Leistungsfähigkeit der Beigeladenen vorträgt, fehlt ihr die Antragsbefugnis nach § 160 Abs. 2 Satz 1 GWB. Denn unabhängig davon, dass den Bestimmungen über die Eignungsanforderungen drittschützende Wirkung zukommt (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 6. Mai 2011, Verg 26/11) und ein Mitbewerber überprüfen lassen kann, ob der öffentliche Auftraggeber die Eignung eines Konkurrenten zu Unrecht angenommen hat (vgl. VK Bund, Beschluss vom 27. August 2018, VK 2-72/18), hat die Antragstellerin nicht hinreichend substantiiert zur Nichtbeachtung von Vergabevorschriften nach § 97 Abs. 6 GWB vorgetragen.

Ein hinreichend substantiierter Vortrag setzt eine schlüssige und hinreichend konkrete Behauptung der Antragstellerin voraus, welche vergaberechtlichen Vorschriften im Verlauf des Vergabeverfahrens verletzt worden sein sollen und dass sie ohne die Rechtsverletzung eine Chance auf Erteilung des Zuschlags hätte, so dass der behauptete eingetretene oder drohende Schaden auf die Verletzung vergaberechtlicher Vorschriften zurückzuführen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 18. April 2004, X ZB 7/04). Schlüssigkeit im vergaberechtlichen Sinne meint keine Schlüssigkeit im zivilprozessualen Sinne; Vielmehr ist der Begriff weiter und untechnischer zu verstehen (vgl. OLG Rostock, Beschluss vom 1. September 2021, 17 Verg 2/21). Es geht – angelehnt an § 42 Abs. 2 VwGO – um die Möglichkeit einer Rechtsverletzung (vgl. OLG Rostock, aaO).

Da ein Bieter häufig nur begrenzten Einblick in den Ablauf des Vergabeverfahrens hat, darf er auf der Grundlage dieses – oft nur beschränkten – Informationsstandes behaupten, was er redlicherweise für wahrscheinlich oder möglich halten darf, etwa wenn es um Vergaberechtsverstöße geht, die sich ausschließlich in der Sphäre der Vergabestelle abspielen oder das Angebot eines Mitbewerbers betreffen (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 20. Juli 2023, 11 Verg 3/23; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 1. April 2020, Verg 30/19). Der Antragsteller muss aber – wenn sich der Vergaberechtsverstoß nicht vollständig seiner Einsichtsmöglichkeit entzieht – zumindest tatsächliche Anhaltspunkte oder Indizien vortragen, die einen hinreichenden Verdacht auf einen bestimmten Vergaberechtsverstoß begründen (vgl. aaO m.w.N.). Da die Rüge einerseits den öffentlichen Auftraggeber in die Lage versetzen soll, einen etwaigen Vergaberechtsverstoß zeitnah zu korrigieren, und andererseits Zugangsvoraussetzung zum Nachprüfungsverfahren ist, ist es unabdingbar, dass der Antragsteller – um unnötige Verzögerungen des Vergabeverfahrens zu vermeiden und einem Missbrauch des Nachprüfungsverfahrens vorzubeugen – bereits frühzeitig diejenigen Umstände benennt, aufgrund derer er vom Vorliegen eines Vergaberechtsverstoßes ausgeht (vgl. aaO). Ein Mindestmaß an Substantiierung ist indes einzuhalten; reine Vermutungen zu eventuellen Vergabeverstößen reichen nicht aus (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 20. Juli 2023 und Beschluss vom 09. Juli 2020, 11 Verg 5/10). Vor diesem Hintergrund genügen bloße Vermutungen nicht (vgl. OLG Düsseldorf, aaO). Daher ist der Antragsteller gehalten, schon bei Prüfung der Frage, ob ein Vergaberechtsverstoß zu rügen ist, Erkenntnisquellen auszuschöpfen, die ihm ohne großen Aufwand zur Verfügung stehen. Zudem muss er, um eine Überprüfung zu ermöglichen, angeben, woher seine Erkenntnisse stammen (vgl. OLG Düsseldorf, aaO).

Eine Rechtsverletzung scheidet aus, soweit die Antragsgegnerin die fehlende Leistungsfähigkeit der Beigeladenen auf vermeintlich unzureichende Referenzen stützt. Anders als die Antragstellerin meint, mussten Bieter keine Erfahrungen bei der Sicherung von Museen und Kultureinrichtungen referenzieren. Weder aus der Bekanntmachung noch aus den Vergabeunterlagen ergibt sich eine derartige Einschränkung. Nach der Bekanntmachung genügte “eine Liste der in den letzten drei Jahren erbrachten wesentlichen Liefer- oder Dienstleistungen, mit Angabe des Werts, des Liefer- bzw. Erbringungszeitpunkts sowie des öffentlichen oder privaten Empfängers.” Nach dem eindeutigen und folglich keiner Auslegung bedürftigen Wortlauts des Teilnahmeantrags bezog sich die Vergleichbarkeit der Referenzaufträge nur auf den Stundenumfang und nicht auf den Einsatzbereich. Es ging der Antragsgegnerin um den Nachweis “von der Größenordnung […] vergleichbaren” Erfahrungen, nicht um Erfahrungen bei der Sicherung von Museen und Kultureinrichtungen.

Die Vermutung der Antragstellerin, die Beigeladene habe nur 21 Mitarbeiter, reicht für die schlüssige Begründung der fehlenden Leistungsfähigkeit der Beigeladenen und damit verbunden einer Rechtsverletzung zu Lasten der Antragstellerin nicht aus. Bereits nach den Informationen des (frei zugänglichen) Internetauftritts der Beigeladenen ist davon auszugehen, dass diese ihr Personal seit 2020 vergrößert haben muss. Es ist nach allgemeinen betriebswirtschaftlichen Erwägungen nicht plausibel, dass die Beigeladene 20 Mitarbeiter von zwei Standorten aus verwalten und für diesen geringen Personalstamm sogar eine eigene Ausbildungsakademie vorhalten soll.

Schließlich ist der Vortrag der Antragstellerin unsubstantiiert, soweit sie die fehlende Leistungsfähigkeit der Beigeladenen mit seit dem Jahr 2020 nicht auffindbaren Unternehmensbilanzen belegen will. Es ist nicht nachvollziehbar, welche Erkenntnisquellen die Antragstellerin ausgeschöpft hat und ob diese Erkenntnisquellen die benötigten Informationen überhaupt enthalten müssen.

b. Es fehlt an einer schlüssig vorgetragenen Rechtsverletzung im Sinne des § 160 Abs. 2 Satz 1 GWB, soweit die Antragstellerin aus Ziffer IV.1.3) der Bekanntmachung entnehmen will, dass der Zuschlag an die beiden bestplatzierten Bieter gehen müsse. Da einziges Zuschlagskriterium der Preis ist (siehe Ziffer II.2.5 der Bekanntmachung) erhält in jedem Los ausschließlich das Unternehmen mit dem preislich günstigsten Angebot den Zuschlag. Dass die “geplante Höchstanzahl an Beteiligten der Rahmenvereinbarung” mit “2” benannt ist, ergibt sich schlichtweg aus der Aufteilung des Auftrags in zwei Lose.

c. Der Nachprüfungsantrag ist unzulässig nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB, da die Antragstellerin die Ausgestaltung der Preisblätter erst nach Angebotsabgabefrist gerügt hat. Insbesondere musste einem durchschnittlich fachkundigen, die übliche Sorgfalt anwendenden (objektiven) Bieter (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 12. Dezember 2022, Verg 3/22) bereits bei der Angebotserstellung auffallen, dass die Preisblätter in Bezug auf die verschiedenen zu sichernden Objekte einen unterschiedlichen Leistungsumfang abfragten und dieser zumindest beim [D] nicht mit den Vorgaben der Leistungsbeschreibung übereinstimmte.

Ein objektiver Bieter hätte erkennen müssen, dass die Preisblätter für die verschiedenen zu sichernden Objekte unterschiedlich sind und hinsichtlich des Leistungsumfangs voneinander abweichen. Im Rahmen der Angebotserstellung müssen sich die Bieter intensiv mit den Preisblättern auseinandersetzen. Zu dieser Auseinandersetzung gehört insbesondere auch ein Abgleich der Preisblätter mit dem in der Leistungsbeschreibung vorgesehenen Stundenumfang. Nur auf Grundlage der Preisblätter erschließt sich der Leistungsinhalt regelmäßig nicht. Dies ist indes die maßgebliche Voraussetzung für die Erstellung eines Angebots, da nur bei Kenntnis von Leistungsbeschreibung und Preisblatt sowohl eine Aussage zum einzusetzenden Personal als auch zum Umfang der zu erbringenden Leistungen zu treffen ist. Dass sich die Beschränkung des Leistungsumfangs auf ein Jahr anders als in der Leistungsbeschreibung zur Sicherung der [S] nicht in der Leistungsbeschreibung zum [D] wiederfindet, ist unerheblich. Die Antragstellerin konnte erkennen, dass der vorgegebene Leistungszeitraum vom 1. Oktober 2023 bis Ablauf des 30. September 2024 in Bezug auf die Sicherung des […]-Hauses in der Leistungsbeschreibung nicht enthalten ist.

3. Soweit der Nachprüfungsantrag zulässig ist, ist er begründet.

3.1. Indem die Antragsgegnerin die Rahmenvereinbarung ohne Angabe einer Höchstmenge ausgeschrieben hat, verletzt sie den Anspruch der Antragstellerin auf ein transparentes, alle Bieter gleich behandelndes Vergabeverfahren, § 97 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 GWB.

Ausgehend von Gleichbehandlungs- und Transparenzgrundsatz muss die Ausschreibung einer Rahmenvereinbarung sowohl die Angabe der Schätzmenge und/oder des Schätzwerts als auch eine Höchstmenge und/oder einen Höchstwert sowie den Hinweis enthalten, dass die Rahmenvereinbarung ihre Wirkung verliert, wenn diese Menge oder dieser Wert erreicht ist (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Juni 2021, Rs. C-23/20 und hieran anknüpfend OLG Koblenz, Beschluss vom 12. Dezember 2022, Verg 3/22; andere Auffassung noch die am Wortlaut des § 21 VgV orientierte Rechtsprechung des KG Berlin, Beschluss vom 20. März 2020, Verg 7/19 und der VK Bund, Beschluss vom 19. Juli 2019, VK 1 – 39/19). Dies ist erforderlich, da der Bieter erst auf Grundlage dieser Schätzung seine Leistungsfähigkeit zur Erfüllung der Verpflichtungen aus der Rahmenvereinbarung beurteilen kann (vgl. EuGH aaO). Wäre der Höchstwert oder die Höchstmenge der Rahmenvereinbarung nicht angegeben oder die Angabe nicht rechtlich verbindlich, könnten sich öffentliche Auftraggeber zudem über diese Höchstmenge hinwegsetzen (vgl. EuGH aaO). Dann könnten Zuschlagsempfänger wegen Nichterfüllung der Rahmenvereinbarung vertraglich haftbar gemacht werden, wenn sie die von den öffentlichen Auftraggebern geforderten Mengen nicht leisten könnten, selbst wenn diese Mengen die Höchstmenge in der Bekanntmachung und/oder den Vergabeunterlagen überschreiten (vgl. EuGH aaO).

Diesen Anforderungen genügen Bekanntmachung und Vergabeunterlagen nicht.

Aus der Bekanntmachung ergibt sich nur der Hinweis, dass der zu vergebende Auftrag eine Rahmenvereinbarung betrifft und dass der Auftrag zeitlich auf ein Jahr (mit der Möglichkeit zur dreimaligen Verlängerung um jeweils ein weiteres Jahr) begrenzt ist.

Die Vergabeunterlagen enthalten ebenfalls keine Angabe eines Höchstwerts. Im Gegenteil weist die Antragsgegnerin in den “Besondere[n] Vertragsbedingungen für Sicherheitsdienstleistungen für die Kulturbetriebe [der Antragsgegnerin]” unter der Überschrift “Kalkulation – Mehrleistung”, Ziffer VI.3 darauf hin, dass die Über- sowie Unterschreitung der in den Preisblättern geforderten Mengenangaben möglich ist. Auf dieser Grundlage kann ein Bieter keine verlässliche Aussage zu seiner Leistungsfähigkeit treffen.

3.2. Aufgrund der unterbliebenen Angabe der Höchstmenge war die Antragsgegnerin zu verpflichten, das Vergabeverfahren bei fortbestehender Beschaffungsabsicht in den Stand vor Bekanntmachung zurückzuversetzen. Die Antragsgegnerin kann die fehlende Angabe der Höchstmenge nur korrigieren, indem sie die Bekanntmachung überarbeitet. Denn bereits aus der Bekanntmachung muss sich für den Bieterkreis die Schätz- und Höchstmenge einer Rahmenvereinbarung ergeben, damit dieser seine Leistungsfähigkeit beurteilen und entscheiden kann, ob er an dem Vergabeverfahren teilnimmt (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Juni 2021, Rs. C-23/20).

3.3. Da die fehlende Angabe der Höchstmenge der Rahmenvereinbarung bei fortbestehendem Beschaffungsbedarf bereits die Rückversetzung des Vergabeverfahrens bis in den Stand vor Bekanntmachung erforderlich macht, brauchte die Kammer nicht zu entscheiden, ob der nach § 6 Abs. 3 Nr. 2 VgV vermutete Interessenkonflikt der Mitarbeiterin der Antragsgegnerin aus dem Kulturbereich unmittelbar einen Vergabeverstoß nach § 6 Abs. 1 VgV in dem diesem Nachprüfungsverfahren zu Grunde liegenden Vergabeverfahren begründet. Indes weist die Kammer unter Bezugnahme auf § 168 Abs. 1 Satz 1 GWB darauf hin, dass die erneute Mitwirkung der vorgenannten Person an einem zurückversetzten Vergabeverfahren einen weiteren Vergabeverstoß begründen kann.

Schließlich ist bereits für die Mitwirkung in diesem Vergabeverfahren ein Interessenkonflikt nach § 6 Abs. 3 Nr. 2 VgV zu vermuten, da die Mitarbeiterin der Antragsgegnerin aus EB 41 die Beigeladene “sonst unterstützt” hat. Da die Antragsgegnerin diese Vermutung nicht widerlegt hat, ist nicht auszuschließen, dass eine erneute Mitwirkung zu einer voreingenommenen Vergabeentscheidung führt.

a. “Sonst unterstützt” erfasst eine Tätigkeit auf Seiten des öffentlichen Auftraggebers, die einen Bewerber oder Bieter fördert (vgl. Dreher/Hoffmann, in: Beck’scher Vergaberechtskommentar, § 6 VgV Rn. 39). Dabei genügt nicht jedwedes Tätigwerden, wie etwa die bloße positive Äußerung über einen Mitbewerber in einem Zeitungsinterview (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 9. April 2009, 13 Verg 7/08; vgl. auch VK Bund, Beschluss vom 30. Juni 2021, VK 1-58/21). Die Förderung muss dem Beraten (§ 6 Abs. 3 Nr. 2, 1. Alt. VgV) in seiner Intensität gleichstehen (vgl. OLG Celle aaO) und sich unmittelbar auf das Vergabeverfahren auswirken. Dies ergibt sich zum einen aus dem Gesetzeswortlaut (“in dem Vergabeverfahren”), weiterhin aber auch aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift: § 6 VgV geht es darum, die Neutralität des öffentlichen Auftraggebers zu bewahren und willkürlichem/wettbewerbsschädlichem Verhalten vorzubeugen (vgl. Dreher/Hoffmann, in: Beck’scher Vergaberechtskommentar, § 6 VgV Rn. 8). Diese Neutralität ist jedenfalls nicht gewahrt, wenn eine voreingenommene Person an verfahrenslenkenden Entscheidungen, wie beispielsweise bei der Auswahl von Bietern in einem Teilnahmewettbewerb, bei Zuschlagsentscheidungen etc. mitwirkt, womit eine Verfälschung des Auswahlprozesses einhergehen kann (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 29. März 2018, 11 Verg 16/17). Abseits der Teilnahme an verfahrenslenkenden Entscheidungen kann auch die Teilnahme an Besprechungen, die Verhandlung mit Bietern (vgl. zu § 16 VgV a.F. Meißner, in: Vergaberecht 2009, 618) oder ein sonstiges Tätigwerden eine Voreingenommenheit begründen, sofern die Unterstützungshandlung hinreichend intensiv ist und den Eindruck fehlender Neutralität des Entscheidungsträgers entstehen lässt.

Spätestens indem die Mitarbeiterin der Antragsgegnerin mit E-Mail vom 27. November 2023, 7:58 Uhr erklärt, die für die Beigeladene vorgesehenen, unvollständigen Blankobewerbungen mit den Unterlagen der Antragstellerin “auf[zu]stocken” und diese im Anschluss der Beigeladenen zu übergeben, liegt eine Unterstützungshandlung vor. Denn unabhängig davon, dass die Beigeladene ausweislich ihres Teilnahmeantrags (und anders als von der Antragstellerin vorgetragen) das Personal nicht zur Herstellung ihrer Leistungsfähigkeit benötigt, erleichtert das Personalangebot der Antragsgegnerin der Beigeladenen den Verwaltungsaufwand bei der Personalakquise. Weiterhin liegt eine Unterstützung darin, dass die Vorstellungsgespräche in den Räumlichkeiten der Antragsgegnerin und nicht bei der Beigeladenen selbst stattfinden. Mit beidem übernimmt die Mitarbeiterin der Antragsgegnerin originär der Beigeladenen zufallende Aufgaben, sodass zumindest der Eindruck eines Verstoßes gegen die aus dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 97 Abs. 2 GWB abzuleitende Neutralitätspflicht entsteht (vgl. Greb, in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, § 6 VgV Rn. 3).

b. Die Vermutung eines Interessenkonflikts hat die Antragsgegnerin nicht widerlegt. Insbesondere rechtfertigt die bei der Antragsgegnerin durchgeführte, gängige Praxis einer besonderen Eilbedürftigkeit und die Kontinuität der Leistungserbringung keine derartige Nähe zur Zuschlagsprätendentin vor Zuschlagserteilung.


III.

Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer betragen […] €. Kostenpflichtig ist gemäß § 182 Abs. 3 Satz 1 GWB die (kostenbefreite) Antragsgegnerin als unterlegene Beteiligte. Diese hat auch die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin zu tragen.

1. Gemäß § 182 Abs. 1 GWB werden für Amtshandlungen der Vergabekammer Kosten (Gebühren und Auslagen) zur Deckung des Verwaltungsaufwandes erhoben. Das Verwaltungskostengesetz vom 23. Juni 1970 (BGBl. I. S. 821) in der am 14. August 2013 geltenden Fassung ist anzuwenden.

Die Gebühr beträgt gemäß § 182 Abs. 2 GWB mindestens 2.500 Euro. Die Gebühr soll den Betrag von 50.000 Euro nicht überschreiten; sie kann im Einzelfall, wenn der Aufwand oder die wirtschaftliche Bedeutung außergewöhnlich hoch ist, bis zu einem Betrag von 100.000 Euro erhöht werden.

Grundlage für die Kostenermittlung ist die Gebührentabelle des Bundes und der Länder für Nachprüfungsverfahren.

Ausgehend von dem von der Antragsgegnerin geschätzten Auftragswert beträgt die Gebühr […] €.

2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten als unterlegene Beteiligte nach § 182 Abs. 3 Satz 1 GWB.

3. Die Antragsgegnerin ist als juristische Person des öffentlichen Rechts gemäß § 182 Abs. 1 GWB in Verbindung mit § 8 Abs. 1 Nr. 2 des Verwaltungskostengesetzes des Bundes von den Gebühren befreit.

4. Sie hat als unterlegene Beteiligte die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auflagen der Antragstellerin nach § 182 Abs. 4 Satz 1 GWB zu tragen. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung war wegen der Komplexität der vergaberechtlichen Fragestellungen notwendig. Dies gilt insbesondere in Zusammenhang mit der Frage, ob die fehlende Angabe einer Höchstmenge einen Vergabeverstoß darstellt. Dieser ergibt sich erst aus der Rechtsprechung des EuGH, Urteil vom 17. Juni 2021, Rs. C-23/20, die den Vergabeverstoß nicht aus dem Wortlaut des Art. 33 2014/24/EU ableitet, sondern aus den Grundsätzen der Gleichbehandlung und Transparenz sowie der allgemeinen Systematik der vorgenannten Richtlinie. Daneben ist das Nachprüfungsverfahren gerichtsähnlich konzipiert, so dass auch prozessuale Kenntnisse erforderlich sind, um eigene Rechte wirksam wahren zu können.

Kurz belichtet (1)

Kurz belichtet (1)

Ausschreibung einer Rahmenvereinbarung muss Angabe der Schätzmenge usw enthalten

VK Westfalen, Beschluss vom 21.02.2024 – VK 3-42/23

1. Die Ausschreibung einer Rahmenvereinbarung muss sowohl die Angabe der Schätzmenge und/oder des Schätzwerts als auch eine Höchstmenge und/oder einen Höchstwert sowie den Hinweis enthalten, dass die Rahmenvereinbarung ihre Wirkung verliert, wenn diese Menge oder dieser Wert erreicht ist.

Kontaktaufnahme mit Bestbieter vor Zuschlagserteilung führt zu Interessenskonflikt

VK Westfalen, Beschluss vom 21.02.2024 – VK 3-42/23

Ein Auftraggeber, der nach der Wertungsentscheidung aber vor Zuschlag Kontakt mit dem Zuschlagsprätendenten aufnimmt, und diesen bei ihm originär zufallenden Aufgaben unterstützt, nimmt eine “sonstige Unterstützungshandlung” i.S.v. § 6 Abs. 3 Nr. 2 VgV vor, so dass ein Interessenkonflikt bei ihm vermutet wird. Eine besondere Eilbedürftigkeit und die Kontinuität der Leistungserbringung rechtfertigen keine derartige Nähe zum Zuschlagsprätendenten vor Zuschlagserteilung.

Erkennbare Vergaberechtsverstöße sind zu rügen

VK Bund, Beschluss vom 07.12.2023 – VK 2-82/23

Erkennbare Vergaberechtsverstöße sind zu rügen. Erkennbar sind solche Verstöße, die von einem durchschnittlichen Unternehmen des angesprochenen, mithin fachkundigen, Bieterkreises bei üblicher Sorgfalt und üblichen Kenntnissen erkannt werden können.

Einer üblichen Sorgfalt und üblichen Kenntnissen entspricht es jedenfalls, dass ein Bieter die für die Kalkulation seines Angebots relevanten Vorgaben der Vergabeunterlagen zur Kenntnis nimmt und aufmerksam aufarbeitet. Dazu gehört die Befassung mit den für die Zuschlagserteilung relevanten Vorgaben.

Dass Wertungskriterien hinreichend bestimmt und diskriminierungsfrei sein müssen, damit Angebote vergleichbar sind und kalkuliert werden können, ist ein durchschnittlichen Bietern allgemein bekannter vergaberechtlicher Grundsatz.

Wertung nach dem “Alles-oder-nichts-Prinzip” ist vergaberechtswidrig

VK Bund, Beschluss vom 07.12.2023 – VK 2-82/23

Eine Wertungsmethode, nach der das Angebot mit der höchsten Punktzahl fünf Punkte und das Angebot mit der niedrigsten Punktzahl null Punkte erhält, ist vergaberechtswidrig, weil generell nicht auszuschließen ist, dass das für die Zuschlagserteilung maßgebende beste Preis-Leistungs-Verhältnis jedenfalls dann nicht korrekt ermittelt werden kann, wenn nur zwei Angebote vorliegen.

Keine Sicherheitsüberprüfung „auf Vorrat“

VK Bund, Beschluss vom 14.12.2023 – VK 2-94/23

Eine Sicherheitsüberprüfung nach dem SÜG kann unabhängig von einer konkreten Zuschlagserteilung erst im Hinblick auf den infolge Zuschlags konkretisierten Auftragnehmer bzw. dessen Personal erfolgen, nicht aber für alle am Vergabeverfahren beteiligten Bieter.

Unklare Auftraggebereigenschaft der Referenzstelle ist zu überprüfen

VK Bund, Beschluss vom 02.02.2024 – VK 2-98/23

Muss eine der drei geforderten Referenzen eine Leistungserbringung gegenüber einem öffentlichen Auftraggeber betreffen und benennt der Bieter keine Referenz, die auf den ersten Blick und zweifelsfrei keine Referenz eines öffentlichen Auftraggebers darstellt, muss die Vergabestelle die Auftraggebereigenschaft der als Referenz benannten Stelle prüfen und dies dokumentieren.