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Feuerwehr: Beschaffung von Fahrzeugen: Merkmale, die sich aus Einsatzerfordernissen und/ oder zwingenden Funktionalitätsanforderungen ergeben, sind keine unzulässige produktbezogene Leistungsbeschreibung

Feuerwehr: Beschaffung von Fahrzeugen: Merkmale, die sich aus Einsatzerfordernissen und/ oder zwingenden Funktionalitätsanforderungen ergeben, sind keine unzulässige produktbezogene Leistungsbeschreibung

von Thomas Ax

Soweit die Feuerwehr bei der Beschaffung des Fahrzeugs die Erfüllung von zwingenden technischen Anforderungen oder bestimmte besondere Merkmale vorschreibt, handelt es sich um Anforderungen oder Merkmale, die sich aus Einsatzerfordernissen und/ oder zwingenden Funktionalitätsanforderungen ergeben und die deshalb von dem Leistungsbestimmungsrecht § 31 VgV gedeckt sich und/ oder keine mittelbare oder unmittelbare unzulässige produktbezogene Leistungsbeschreibung und oder unzulässige Wettbewerbsbeschränkung handelt. Zu berücksichtigen ist insbesondere, dass es bei der Vergabe von Feuerwehrfahrzeugen und deren Aufbau um Leistungen geht, die dem Schutz von hochrangigen Rechtsgütern dienen, so dass hier auch relativ geringfügige Vorteile eines Produkts drastische Einschränkungen des Wettbewerbs rechtfertigen können.

Wettbewerbsbeschränkende Vorgaben sind durch das Leistungsbestimmungsrecht der Vergabestelle gerechtfertigt.

Nach ständiger Rechtsprechung ist der öffentliche Auftraggeber bei der Beschaffungsentscheidung für ein bestimmtes Produkt, eine Herkunft, ein Verfahren oder dergleichen im rechtlichen Ansatz ungebunden und weitgehend frei. Nach welchen sachbezogenen Kriterien die Beschaffungsentscheidung auszurichten ist, ist ihm auch in einem Nachprüfungsverfahren nicht vorzuschreiben. Dem Auftraggeber steht hierbei ein – letztlich in der Privatautonomie wurzelndes – Beurteilungsermessen zu, dessen Ausübung im Ergebnis nur darauf kontrolliert werden kann, ob seine Entscheidung sachlich vertretbar ist (OLG Düsseldorf, B. v. 03.03.2010 – Az.: VII-Verg 46/09; B. v. 17.02.2010 – Az.: VII-Verg 42/09). Hintergrund dafür ist, dass das Vergaberecht nicht regelt, was der öffentliche Auftraggeber beschafft, sondern nur die Art und Weise der Beschaffung.

Die danach im jeweiligen Fall vorgenommene Bestimmung des Beschaffungsgegenstands ist von den Vergabenachprüfungsinstanzen im Ausgangspunkt nicht zu kontrollieren (OLG München, Beschluss vom 28.7.2008 – Verg 10/08; Beschluss vom 9.9.2010 – Verg 10/10; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.2.2010 – VII-Verg 42/09; Beschluss vom 3.3.2010 – VII-Verg 46/09; Beschluss vom 27.6.2012 – VII-Verg 7/12). Aller-dings ist die Definitionsmacht des öffentlichen Auftraggebers hinsichtlich des Beschaffungsgegenstandes nicht schrankenlos (OLG Düsseldorf, B. v. 22.05.2013 – Az.: VII-Verg 16/12; B. v. 01.08.2012 – Az.: VII-Verg 105/11; B. v. 25.04.2012 – Az.: VII-Verg 7/12; OLG Karlsruhe, B. v. 15.11.2013 – Az.: 15 Verg 5/13; OLG Naumburg, B. v. 14.03.2013 – Az.: 2 Verg 8/12; B. v. 20.09.2012 – Az.: 2 Verg 4/12; 2. VK Bund, B. v. 09.05.2014 – Az.: VK 2 – 33/14; 2. VK Sachsen-Anhalt, B. v. 19.10.2012 – Az.: 2 VK LSA 17/12). Der Bestimmungsfreiheit des Auftraggebers beim Beschaffungsgegenstand sind im Interesse der von der Richtlinie 2004/18/EG (nunmehr Richtlinie 2014/24/EU) angestrebten Öffnung des Beschaffungswesens der öffentlichen Hand für den Wettbewerb, aber auch der effektiven Durchsetzung der Warenverkehrsfreiheit wegen (vgl. EuGH, Urt. v. 10.5.2012 – C-368/10) durch das Vergaberecht Grenzen gesetzt. Sie wird begrenzt durch die Verpflichtung, den vergaberechtlichen Grundsätzen des Wettbewerbs, der Transparenz und der Gleichbehandlung Rechnung zu tragen (OLG Karlsruhe, B. v. 15.11.2013 – Az.: 15 Verg 5/13; B. v. 21.07.2010 – Az.: 15 Verg 6/10; OLG Naumburg, B. v. 14.03.2013 – Az.: 2 Verg 8/12; B. v. 20.09.2012 – Az.: 2 Verg 4/12). Darüber hinaus sind die Vorgaben des § 31 Abs. 6 VgV zu beachten, der vorschreibt, dass, soweit dies nicht durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt ist, der Auftraggeber in technischen Anforderungen (in einem weit zu verstehenden Sinn) nicht auf eine bestimmte Produktion oder Herkunft oder ein besonderes Verfahren verweisen darf, wenn dadurch bestimmte Unternehmen oder Produkte ausgeschlossen oder begünstigt werden.

Wie das OLG Düsseldorf in seiner Entscheidung vom 12.02.2014, VII-Verg 29-13 ausführte, sind die dem Auftraggeber gesetzten vergaberechtlichen Grenzen der Bestimmungsfreiheit des § 8 Abs. 7 EG VOL/A eingehalten, wenn

– die Bestimmung durch den Auftragsgegenstand sachlich gerechtfertigt ist,

– vom Auftraggeber dafür nach-vollziehbare objektive und auftragsbezogene Gründe angegeben worden sind und die Bestimmung folglich willkürfrei getroffen worden ist,

– solche Gründe tatsächlich vorhanden (festzustellen und notfalls erwiesen) sind

– und die Bestimmung andere Wirtschaftsteilnehmer nicht diskriminiert. Bewegt sich die Bestimmung wie im vorliegenden Fall in diesen Grenzen, gilt der Grundsatz der Wettbewerbsoffenheit der Beschaffung nicht mehr uneingeschränkt (OLG Düsseldorf, B. v. 12.02.2014 – Az.: VII-Verg 29/13; B. v. 22.05.2013 – Az.: VII-Verg 16/12; OLG Karlsruhe, B. v. 04.12.2013 – Az.: 15 Verg 9/13; B. v. 15.11.2013 – Az.: 15 Verg 5/13; VK Baden-Württemberg, B. v. 24.06.2013 – Az.: 1 VK 15/13; 2. VK Bund, B. v. 09.05.2014 – Az.: VK 2 – 33/14).

Zwar verbietet Art. 18 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2014/24/EU, ein Vergabeverfahren mit der Absicht zu konzipieren, es vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie auszunehmen oder den Wettbewerb künstlich einzuschränken. Eine künstliche Einschränkung des Wettbewerbs gilt danach aber nur dann als gegeben, wenn das Vergabeverfahren mit der Absicht konzipiert wurde, bestimmte Wirtschaftsteilnehmer auf unzulässige Weise zu bevorzugen oder zu benachteiligen. Zudem lässt Art. 32 Abs. 2 lit. b) der Richtlinie 2014/24/EU / § 14 Abs. 6 VgV die Wahl einer Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb wegen nicht vorhandenem Wettbewerb aus technischen Gründen dann zu, wenn es keine vernünftige Alternative oder Ersatzlösung gibt und der mangelnde Wettbewerb nicht das Ergebnis einer künstlichen Einschränkung der Auftragsvergabeparameter ist.

Es spricht viel dafür die Anforderungen des Art. 32 Abs. 2 lit. b) der Richtlinie 2014/24/EU / § 14 Abs. 6 VgV auch dann heranzuziehen sind, wenn zwar (pro forma) ein offenes Verfahren durchgeführt wird, durch die Ausgestaltung der Leistungsbeschreibung aber nur ein Bieter ein ausschreibungskonformes Angebot abgeben kann.

Zu berücksichtigen ist aber, dass es bei der Vergabe von Feuerwehrfahrzeugen und deren Aufbau um Leistungen geht, die dem Schutz von hochrangigen Rechtsgütern dienen, so dass hier auch relativ geringfügige Vorteile eines Produkts drastische Einschränkungen des Wettbewerbs rechtfertigen können.

Dies mag bei anderen Beschaffungen u.U. anders zu beurteilen sein.

Von der Redaktion

Von der Redaktion

Bauprojekte stellen für alle Beteiligten in vielerlei Hinsicht eine Herausforderung dar: technisch, praktisch, wirtschaftlich, aber auch juristisch. Durch kompetente baubegleitende Informationsvermittlung sorgen wir dafür, dass Investoren, Architekten, Ingenieure, öffentliche Auftraggeber oder private Bauherren in allen Phasen eines Bauvorhabens den Überblick behalten.

Bereits bei der Schaffung von Baurecht stehen wir Ihnen zur Seite. Liegt der Baugrund im Bereich eines qualifizierten Bebauungsplans? Sind besondere Auflagen zu erfüllen, wie etwa die Einholung eines Bodengutachtens? Entspricht die Baumaßnahme den öffentlichen rechtlichen Vorschriften bzw. der Landesbauordnung? Diese und viele weitere Fragen sollten in der Vorbereitungsphase beantwortet werden.

Bereits vor Beginn eines Bauvorhabens ist die schriftliche Regelung aller wichtigen Details für die Beteiligten von herausragender Bedeutung. Doch schon die Auswahl des richtigen Vertrags stellt die Parteien vor besondere Herausforderungen, denn das Baurecht hält eine Vielzahl sehr unterschiedlicher Vertragsarten bereit. Die Vermeidung möglicher Konflikte steht dabei im Vordergrund, denn ein möglichst reibungsarmer Verlauf, der wichtige Ressourcen wie Zeit, Geld und letztlich auch die Nerven schont, ist der zentrale Erfolgsfaktor für ein Bauvorhaben. In der Planungsphase folgt unter anderem die Vertragsgestaltung. Neben den klassischen Verträgen (GÜ-, GU-, EP- oder Pauschalpreisvertrag) unterstützen wir individuelle und innovative Vertragsmodelle, in denen funktionale Elemente ebenso Berücksichtigung finden können wie eine detaillierte Leistungsbeschreibung. Daneben werden auch neuere Formate wie etwa GMP- oder Cost plus Fee-Verträge in den Blick genommen. Bauunternehmen, Architekten und Ingenieure vertrauen auf unsere baubegleitende Unterstützung. Wir unterstützen bei der Vertragsgestaltung, der Bewertung von Nachtragsforderungen und der Klärung von Ansprüchen des Bauherrn bei mangelhaften Bauleistungen sowie in Fragen des eigenen Haftungsrisikos.

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Kurz belichtet – WohnungseigentumsRecht – Entscheidungspraxis

Kurz belichtet – Öffentliches BauRecht - Entscheidungspraxis

Wohnungseigentum

Darf WEG Rechtsanwalt am Sitz ihres Verwalters beauftragen?

LG Frankfurt/Main, Beschluss vom 09.05.2023 – 2-13 T 20/23

Eine Wohnungseigentümergemeinschaft darf einen Rechtsanwalt am Ort des Sitzes ihres Verwalters beauftragen, insoweit dem Rechtsanwalt entstehende Reisekosten zum Gerichtstermin sind notwendig i.S.v. § 91 ZPO.

Wohnungseigentum

Unwirksamer Umlaufbeschluss ist nicht nichtig, nur anfechtbar

AG Charlottenburg, Urteil vom 10.05.2023 – 75 C 10/23

1Ein Umlaufbeschluss ist gültig, wenn alle Wohnungseigentümer ihre Zustimmung zu diesem Beschluss in Textform erklären.

2. Die Wohnungseigentümer können ausnahmsweise beschließen, dass für einen einzelnen Gegenstand die Mehrheit der abgegebenen Stimmen genügt.

3. Ein Beschluss, mit dem zur Deckung voraussichtlich anfallender Kosten Vorschüsse festgelegt werden, genügt auch dann noch den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung, wenn die Höhe der Beiträge für einzelne Wohnungseigentümer etwa wegen des Ansatzes eines möglicherweise fehlerhaften Verteilungsschlüssels geringfügig höher oder niedriger ausfällt als bei Ansatz eines zutreffenden Verteilungsschlüssels.

4. Auch ohne wirksamen Absenkungsbeschluss ist ein verkündeter mehrheitlicher Sachbeschluss im Umlaufverfahren nicht nichtig, sondern lediglich anfechtbar.

Wohnungseigentum

Eigentümer können selbst Unterlassung von Videoaufzeichnungen durchsetzen

LG Frankfurt/Main, Beschluss vom 10.05.2023 – 2-13 T 33/23

Auch nach der WEG-Reform können die Eigentümer Ansprüche auf Unterlassung von Videoaufzeichnungen und damit verbundene Schadensersatzansprüche individuell geltend machen.

Wohnungseigentum

Muss ausgeschiedener Wohnungseigentümers über den Eigentumswechsel aufklären?

AG Wiesbaden, Urteil vom 06.02.2023 – 91 C 1245/22

Jedenfalls dann, wenn die Wohnungseigentümergemeinschaft den ausgeschiedenen Wohnungseigentümer zur Zahlung nicht mehr geschuldeter Vorschüsse bzw. Nachschüsse zur Kostentragung aufgefordert hat, ist er aufgrund nachwirkender Treuepflichten gehalten, der Wohnungseigentümergemeinschaft den Eigentümerwechsel anzuzeigen. Bei Verletzung dieser Pflicht ist der ausgeschiedene Wohnungseigentümer verpflichtet, der Wohnungseigentümergemeinschaft Schadenersatz für die Kosten eines mit der Beitreibung beauftragten Rechtsanwalts zu leisten.

Wohnungseigentum

Abrechnungsbeschluss über „die Jahresabrechnung“ führt zur Teilnichtigkeit

LG Frankfurt/Main, Urteil vom 11.05.2023 – 2-13 S 85/22

1. Wird im Abrechnungsbeschluss weiterhin “die Jahresabrechnung” und nicht wie in § 28 Abs. 2 WEG vorgesehen, die Anpassung von Vorschüssen bzw. das Einfordern von Nachschüssen beschlossen, führt dies zwar nicht zur Nichtigkeit des Beschlusses insgesamt, hat aber die Teilnichtigkeit insoweit zur Folge, als die Beschlussfassung über die Beschlusskompetenzen des § 28 Abs. 2 WEG hinausgeht. Dies kann bei der Kostenentscheidung mit einer Kostenquote von 1/3 zu Lasten der Wohnungseigentümergemeinschaft berücksichtigt werden.

2. Die Teilnichtigkeit hat das Gericht von Amts wegen festzustellen, ohne dass dieser Mangel vom Kläger gerügt werden muss (vgl. BGH, NZM 2023, 288).

Wohnungseigentum

Kein Anspruch eines Wohnungseigentümers auf Mitgebrauch des Gemeinschaftsvermögens

LG München, Beschluss vom 08.11.2022 – 36 S 6500/22 WEG

1. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer kann Rechte erwerben, Verbindlichkeiten eingehen und Träger eigenen Vermögens sein. Die Wohnungseigentümer haben keinen Anspruch auf Mitgebrauch des Gemeinschaftsvermögens (hier einer “Rezeption”).

2. Ein Raum des Gebäudes oder eine Freifläche kann zum Gemeinschaftseigentum oder zum Gemeinschaftsvermögen gehören. Erwirbt die Gemeinschaft selbst Grundbesitz (z. B. ein angrenzendes Grundstück als Parkfläche oder eine Sondereigentumseinheit als Hausmeisterwohnung oder einen Sondereigentums-Kellerraum als Lagerraum), ist dieser wie jeder andere Gegenstand des Verwaltungsvermögens zu behandeln. Die Nutzung des Gemeinschaftsvermögens erfolgt durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Dies ergibt sich bereits aus ihrer Stellung als Eigentümerin oder Rechteinhaberin, ohne dass es einer besonderen Regelung bedürfte.

Kurz belichtet – Öffentliches BauRecht – Entscheidungspraxis

Kurz belichtet – Öffentliches BauRecht - Entscheidungspraxis

Öffentliches Baurecht

Abstandsflächen eingehalten: Nachbar muss Verschattung hinnehmen!

VGH Bayern, Beschluss vom 09.08.2022 – 15 CS 22.136411.

1. Gewisse Verringerungen des Lichteinfalls bzw. ein Verschattungseffekt als typische Folgen einer Bebauung insbesondere in innergemeindlichen Lagen sind grundsätzlich hinzunehmen.

2. Im Regelfall bedarf es keiner besonderen Ermittlung, Bewertung und Abwägung zur Frage einer planbedingten Verschattung, wenn die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften bei Umsetzung des Bebauungsplans eingehalten sind.

3. Auch bei Einhaltung der bauordnungsrechtlichen Abstandsflächen können im Fall der maximalen Umsetzung eines Bebauungsplans weitere Ermittlungen, Bewertungen und Abwägungserwägungen zur Verschattungsfrage geboten sein, wenn ein bestehender Bebauungsplan geändert werden soll. Das gilt insbesondere, wenn es um Änderungen von Festsetzungen geht, die nachbarschützende Festsetzungen begründen.

4. Ortsrechtliche Festsetzungen begründen – unabhängig davon, ob sie nach dem Willen des Plangebers nachbarschützend sind oder nicht – regelmäßig ein schutzwürdiges Vertrauen darauf, dass Veränderungen des Bebauungsplans, die sich für die Nachbarn nachteilig auswirken können, nur unter Berücksichtigung ihrer Interessen vorgenommen werden.

Öffentliches Baurecht

Keine Innenentwicklung im Außenbereich!

OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 07.12.2022 – 8 C 10123/221

1. Gemeinderatsmitglieder, die Angehörige eines Geschäftsführers und Alleingesellschafters einer GmbH sind, welche durch einen Bebauungsplan unmittelbar betroffen ist, sind gem. § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 GemO von der Mitwirkung am Planaufstellungsverfahren ausgeschlossen.

2. Die Aufstellung eines Bebauungsplans der Innenentwicklung (§ 13a BauGB) ist unzulässig, wenn die beplanten Flächen im Außenbereich liegen.

3. Die Festlegung artenschutzrechtlicher Vermeidungsmaßnahmen im Rahmen der FFH-Vorprüfung lässt nicht die Notwendigkeit einer Vollprüfung entfallen, wenn sich die Vermeidungsmaßnahmen allesamt auf für das FFH-Gebiet maßgebliche Lebensraumarten beziehen.

4. Ein im Plangebiet ansässiges Unternehmen hat grundsätzlich Anspruch auf einen Anschluss an das öffentliche Straßennetz, jedoch nicht auf Beibehaltung einer günstigen Erschließungssituation.

Öffentliches Baurecht

Unverbindliche Erweiterungsabsicht ist nicht abwägungsbeachtlich!

BVerwG, Beschluss vom 05.04.2023 – 4 BN 29.22

1Der besonderen Schutzwürdigkeit privilegierter landwirtschaftlicher Betriebe im Außenbereich ist bei der Abwägung gebührend Rechnung zu tragen.

2. Neben dem schutzwürdigen, insbesondere genehmigten oder genehmigungsfähigen Bestand ist zudem das Bedürfnis nach einer künftigen Betriebsausweitung im Rahmen einer normalen Betriebsentwicklung abwägungsbeachtlich, nicht jedoch unklare oder unverbindliche Erweiterungs- oder Modernisierungsabsichten.

Öffentliches Baurecht

Zur Abgrenzung zwischen Studentenkneipe und Studententanzkeller

OVG Bremen, Beschluss vom 30.03.2021 – 1 LA 180/18

1. Zur Abgrenzung zwischen Studentenkneipe (Schank- und Speisewirtschaft) und Studententanzkeller (Vergnügungsstätte, Diskothek).

2. Zur Abgrenzung zwischen Nutzungsänderung und Nutzungsintensivierung bei einem Studententanzkeller (Diskothek).

Öffentliches Baurecht

Umnutzung einer Wohnung zur Prostitutionsstätte?

OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 28.04.2023 – 2 L 90/21

Die Nutzungsänderung einer Wohnung zur Terminwohnung, in der Prostitution betrieben wird, kann in einem faktischen Mischgebiet im Einzelfall bauplanungsrechtlich unzulässig sein, wenn die Terminwohnung im 2. Obergeschoss eines ansonsten zu Wohnzwecken genutzten Mehrfamilienhauses eingerichtet werden soll.*)

Öffentliches Baurecht

Unser Dorf soll schöner werden …

VG Freiburg, Urteil vom 18.04.2023 – 3 K 1796/22

1. Bemühungen einer Gemeinde um Verbesserung der funktionalen Gestaltung der Innenstadt und Erhöhung der Standortqualität stellen besondere städtebauliche Gründe im Sinne des § 1 Abs. 9 BauNVO dar, die im urbanen Gebiet nach § 6a BauNVO den Ausschluss von Werbeanlagen für Fremdwerbung rechtfertigen können.

2. § 6a Abs. 4 BauNVO enthält über die bestehenden Möglichkeiten zur “Feinsteuerung” nach § 1 Abs. 4 bis 10 BauNVO hinaus zusätzliche Differenzierungsmöglichkeiten.

3. § 6a Abs. 4 Nr. 1 BauNVO schließt – bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen – die Anwendung von § 1 Abs. 7 Nr. 2 BauNVO nicht aus.

Öffentliches Baurecht

Zur Zulässigkeit einer Grenzgarage im unbeplanten Innenbereich

OVG Saarland, Beschluss vom 27.04.2023 – 2 A 259/22

1Ungeachtet des Umstands, dass bei der Beurteilung der Zulässigkeit einer Grenzgarage im unbeplanten Innenbereich hinsichtlich des Einfügens nach der überbaubaren Grundstücksfläche keine Ermessensentscheidung der Baugenehmigungsbehörde in Betracht kommt, weil nach § 34 Abs. 1 BauGB vor dem Hintergrund der Eigentumsgewährleistung im Art. 14 Abs. 1 GG eine gebundene Entscheidung zu treffen ist, sind die im § 23 Abs. 5 BauNVO für die Ermessensentscheidung im Plangebiet geltenden materiellen Maßstäbe auch in dem Zusammenhang in den Blick zu nehmen.

2. Demnach sind auch bei der Anwendung des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB insoweit mögliche städtebaulichen Folgen einer Zulassung der Garage außerhalb der durch faktische Baugrenzen bestimmten überbaubaren Grundstücksflächen von Bedeutung. Die über die Nichteinhaltung des Umgebungsrahmens hinaus für ein Nichteinfügen (§ 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB) der Garage zu fordernden spannungsbegründenden Veränderungen der städtebaulichen Situation beziehungsweise eine das Einfügen hindernde Verschlechterung der städtebaulichen Situation können sich insbesondere aus einer negativen Vorbildwirkung ergeben.

3. Nennt die insoweit maßgebliche Entscheidung der Widerspruchsbehörde als Grundlage ihrer Ermessensentscheidung für den Erlass einer Beseitigungsanordnung die materielle Rechtswidrigkeit im Sinne einer fehlenden (nachträglichen) Genehmigungsfähigkeit des Bauwerks und stellt nicht tragend auf eine beabsichtigte Ausräumung einer Nachbarrechtsverletzung ab, kommt es für die rechtliche Überprüfung dieser Entscheidung nicht entscheidend darauf an, ob die Anlage auch die subjektiven Rechte eines Nachbarn verletzt.

OLG Koblenz zur Frage des Fehlens eines haftungsausfüllenden Kausalzusammenhangs zwischen Baumangel und Schaden, wenn die Leistung des Auftragnehmers zwar nicht mit der (überarbeiteten) Planung übereinstimmt, der Baumangel aber auch dann eingetreten wäre, wenn der Auftragnehmer seine Leistung plankonform ausgeführt hätte und die Höhe des damit verbundenen Mängelbeseitigungsaufwands dem geltend gemachten Schadensersatz entspricht

OLG Koblenz zur Frage des Fehlens eines haftungsausfüllenden Kausalzusammenhangs zwischen Baumangel und Schaden, wenn die Leistung des Auftragnehmers zwar nicht mit der (überarbeiteten) Planung übereinstimmt, der Baumangel aber auch dann eingetreten wäre, wenn der Auftragnehmer seine Leistung plankonform ausgeführt hätte und die Höhe des damit verbundenen Mängelbeseitigungsaufwands dem geltend gemachten Schadensersatz entspricht

vorgestellt von Thomas Ax

Auch wenn die Leistung mangelhaft ist und der Auftragnehmer den Mangel zu vertreten hat, steht dem Auftraggeber kein Anspruch auf Schadensersatz zu, wenn zwischen dem Mangel der Werkleistung und dem Schaden kein haftungsausfüllender Kausalzusammenhang besteht. An einem haftungsausfüllenden Kausalzusammenhang zwischen Baumangel und Schaden fehlt es, wenn die Leistung des Auftragnehmers zwar nicht mit der (überarbeiteten) Planung übereinstimmt, der Baumangel aber auch dann eingetreten wäre, wenn der Auftragnehmer seine Leistung plankonform ausgeführt hätte und die Höhe des damit verbundenen Mängelbeseitigungsaufwands dem geltend gemachten Schadensersatz entspricht.

OLG Koblenz, Urteil vom 13.04.2021 – 3 U 431/20

Gründe:

I.

Die Klägerin hat den Beklagten zu 1) als Architekten und den Beklagten zu 2) als Rohbauunternehmer als Gesamtschuldner auf Schadensersatz für Mehrkosten einer Umbaumaßnahme in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Beklagten antragsgemäß verurteilt. Gegen das Urteil richtet sich die Berufung des Beklagten zu 2).

Nachdem die Berufshaftpflichtversicherung des Beklagten zu 1) und der Beklagte zu 1) teilweise selbst die Klageforderung erfüllt haben, erklärte die Klägerin den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Klägerin ließ in den Jahren 2011 und 2012 auf ihrem Betriebsgelände eine Lagerhalle mit Teilunterkellerung errichten. Hierzu beauftragte sie den Beklagten zu 1) durch Vertrag vom 23.02.2011 (Bl. 1 ff. Anlagenheft Klägerin, im Folgenden: AH) mit den Architektenleistungen der Leistungsphasen 1 bis 9 gemäß § 33 HOAI 2009 einschließlich der Tragwerksplanung (Statik). Letztere gab der Beklagte zu 1) bei seinem Streithelfer in Auftrag. Der Beklagte zu 2) war u. a. mit Betonierarbeiten am Gebäudefundament beauftragt.

Das bauliche Konzept der Lagerhalle sah unter anderem acht Außenstützen auf der Giebelseite mit den Abmessungen 60 * 50 cm als Fundament vor. Diese sollten im Untergeschoss durch den Beklagten zu 2) in Ortbetonbauweise hergestellt werden. Im Erdgeschoss sollten vorgefertigte Fertigteilstützen zum Einsatz kommen. Für die Verbindung der beiden Säulenelemente waren sog. Peikko-Anschlüsse geplant. Bei diesem System wird auf der Oberseite der Ortbetonstütze eine vorgefertigte Stahlplatte mit aufragenden Stahlbolzen (sog. Ankerbolzen) befestigt. Als Gegenstück der Ankerbolzen wird am unteren Ende der Fertigteilstütze eine Stahlplatte mit Lochöffnungen montiert, die exakt auf Zahl, Größe und Position der Ankerbolzen abgestimmt ist (sog. Stützenschuh). Für den Einbau der Ankerbolzen in die Schalung der Ortbetonstütze bedarf es einer Einbauschablone.

Der Streithelfer der Beklagten zu 1) legte unter dem 04.04.2012 einen Plan für die Peikko-Anschlüsse vor, der von dem Prüfstatiker am 18.04.2012 freigegeben wurde. Auf dieser Grundlage wurden Einbauschablonen erstellt (im Folgenden: erste Einbauschablone), die der Beklagte zu 2) verwenden sollte.

Beim Einbau der Schablone in die Schalung stellte der Beklagte zu 2) fest, dass die Ankerbolzen in der Lage, wie sie durch die erste Einbauschablone vorgegeben war, nicht zu den Abmessungen der Ortbetonstützen passten und zeigte dies gegenüber der Bauleitung an.

Um eine Verbreiterung der Schalung für die Ortbetonstützen zu vermeiden, erstellte der Streithelfer des Beklagten zu 1) unter dem 06.07.2012 eine geänderte Planung der Peikko-Anschlüsse mit anderen Positionen der Ankerbolzen. Auf ihrer Grundlage wurden kleinere Einbauschablonen hergestellt (im Folgenden: zweite Einbauschablone).

Der Beklagte zu 2) stellte fest, dass auch die Verwendung dieser Einbauschablone zu Kollisionen mit der Bügelbewehrung der Ortbetonstützen führen würde, die Einbauschablonen also noch zu groß waren, um in die vorhandene Schalung eingebaut zu werden und zeigte dies gegenüber der Bauleitung an. Am 11.07.2012 verweigerte der Prüfstatiker dieser Planung die Freigabe.

Am 16.07.2012 fand eine Besprechung unter Beteiligung des Streithelfers des Beklagten zu 1), des Bauleiters des Beklagten zu 1) (Zeuge …[A]) und des Beklagten zu 2) statt, bei der Lösungsmöglichkeiten erörtert wurden, u. a. eine Änderung der Bewehrung der Ortbetonstützen durch Verwendung der bisherigen Bügel als Zwischenbügel nebst Ergänzung um zusätzliche Bügel, ohne dass eine Einigung erzielt werden konnte.

Am selben Tag übersandte der Beklagte zu 2) der Klägerin über den Beklagten zu 1) eine

“Bedenkenanmeldung nach § 4.3 VOB/B und Behinderungsanzeige nach § 6.1 VOB/B”.

Auf den Inhalt des Schreibens wird Bezug genommen (Anlage B2, AH Beklagter zu 1)). Anschließend unterbreitete der Streithelfer des Beklagten zu 1) dem Prüfstatiker eine Planung, die neben einer Änderung in der Bewehrung vorsah, die Ortbetonstützen auf 62 * 51 cm zu vergrößern und die Ankerbolzen gemäß der ersten Einbauschablone zu setzen.

Dieser Planung erteilte der Prüfstatiker am 17.07.2012 die Freigabe.

Am 19.07.2012 schickte der Streithelfer des Beklagten zu 1) dem Beklagten zu 2) mit dem Betreff

“WG: geänderter Plan mit Zwischenbügel”

folgende E-Mail:

Hallo …[B], wenn wir die alten Bügel als Zwischenbügel nehmen wie der Prüfstatiker vorgeschlagen hat, dann müssen wir nur die neuen bestellen.

Gruss …[C]”.

Der E-Mail war eine Anlage “Plan_DET1.pdf”, beigefügt, deren Inhalt dem letzten Planungsstand entsprach (Anlage B1, AH Beklagter zu 1)), die der Beklagte zu 2) aber nicht öffnete.

In der Folge betonierten Mitarbeiter des Beklagten zu 2) die acht giebelseitigen Ortbetonstützen unter Verwendung der zweiten Einbauschablone.

Am 10.09.2019 stellte man bei dem Versuch die Fertigteilstützen auf die Ortbetonstützen zu setzen fest, dass die Ankerbolzen nicht in die Stützenschuhe passten. Die Beteiligten suchten zusammen mit dem Prüfstatiker nach einer kostengünstigen Lösung, die es erlaubte, sowohl die Ortbetonstützen als auch die Fertigteilstützen weiterzuverwenden. Schließlich wurde ein Windrispenverband verbaut und die Ankerbolzen gekürzt und über stählerne Adapterplatten mit den Fertigteilstützen verbunden.

Die Klägerin hat die Mehrkosten der Umbaumaßnahme, die sie im Mahnverfahren mit 105.498,00 Euro und im Klageverfahren mit 89.374,16 Euro beziffert hat, zunächst gegenüber dem Beklagten zu 1) und im weiteren Verlauf des Rechtsstreits auch gegenüber dem Beklagten zu 2) geltend gemacht.

Soweit für das Berufungsverfahren relevant, haben die Klägerin und der Beklagte zu 2) im Wesentlichen darüber gestritten, ob aus der E-Mail vom 19.07.2012 für den Beklagten zu 2) ersichtlich war, dass die erste Einbauschablone zu verwenden war. Der Beklagte zu 2) war und ist der Ansicht, sein Handeln sei für den Schadenseintritt nicht ursächlich gewesen, da die Planung des Streithelfers des Beklagten zu 1) gemäß der E-Mail vom 19.07.2012 mit für ihn nicht erkennbaren Mängeln behaftet gewesen sei und bei Ausführung der Arbeiten nach dieser Planung derselbe Mehraufwand entstanden sei. Jedenfalls müsse sich die Klägerin die Planungsmängel des Beklagten zu 1) als Mitverschulden entgegenhalten lassen.

Das Landgericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 08.07.2016 (Bl. 204 ff. Papierakte LG) durch Vernehmung des Streithelfers als Zeugen, des Bauleiters des Beklagten zu 1) (Zeuge ..[A]), des Poliers des Beklagten zu 2) (Zeuge …[D]) und des Betriebsleiters der Klägerin (Zeuge …[E]) sowie gemäß den Beweisbeschlüssen vom 20.01.2017 (Bl. 280 ff. Papierakte LG), 23.07.2018 (Bl. 431 f. Papierakte LG) und vom 30.11.2018 (Bl. 477 f. Papierakte LG) durch Einholung eines Gutachtens und zwei Ergänzungsgutachten des Sachverständigen Prof. Dr.-Ing. …[F] vom 16.05.2018, 09.11.2018 und 30.01.2019. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 16.12.2016 (Bl. 231 ff. Papierakte LG) und die Gutachten (Anlagenheft Sachverständigengutachten) Bezug genommen.

Mit Urteil vom 06.03.2020 hat das Landgericht die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 89.374,16 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.06.2013 verurteilt. Beide Beklagten hafteten der Klägerin aus den §§ 631, 280 Abs. 1 BGB auf Schadensersatz.

Der Beklagte zu 1) habe seine Bauaufsichtspflicht verletzt, da er sich trotz Vorhandenseins zweier Einbauschablonen auf der Baustelle nicht vergewissert habe, dass die Peikko-Anschlüsse unter Verwendung der maßgeblichen Einbauschablone erstellt werden. Zudem müsse er sich den Planungsfehler seines Streithelfers zurechnen lassen, entweder bei der Berechnung der Peikko-Anschlüsse oder der Dimensionierung der Ortbetonstützen.

Der Beklagte zu 2) habe pflichtwidrig gehandelt, da er die Anlage zur E-Mail vom 19.07.2012 nicht geöffnet habe. Aus dieser habe sich unmissverständlich ergeben, welche der Einbauschablonen zu verwenden gewesen sei. Wegen der besonderen Schwierigkeit der Konstruktion und der wiederholten Korrespondenz mit Statiker und Prüfstatiker habe er alle Informationsmöglichkeiten ausschöpfen müssen; so habe er sich der Möglichkeit beraubt, für den Fall Bedenken anzumelden oder eine Behinderungsanzeige anzubringen, dass ihm die Planzeichnung nicht aussagekräftig genug erschienen gewesen wäre.

Gegen das Urteil richtet sich die Berufung des Beklagten zu 2).

Das Landgericht habe sich nur oberflächlich mit dem zugrundeliegenden Sachverhalt, den gutachterlichen Feststellungen und dem Parteivortrag auseinandergesetzt. Die mangelhafte Entstehung des Bauwerks sowie die in der Folge erforderlichen Aufwendungen der Klägerin zur Mängelbeseitigung und Fertigstellung habe er nicht verursacht.

Das Landgericht habe unberücksichtigt gelassen, dass nach dem zweiten erfolglosen Einbauversuch am 16.07.2012 ein Ortstermin stattgefunden habe, anlässlich dessen der Streithelfer vorgeschlagen habe, die bereits von ihm, dem Beklagten zu 2), hergestellten Bügel der Bewehrung der Ortbetonstützen als Zwischenbügel zu verwenden, die durch weitere Bügel ergänzt werden sollten, wodurch die Verwendung der bereits vorhandenen kleineren zweiten Einbauschablone ermöglicht worden wäre. Auch unter Berücksichtigung der sich aus der Anlage der E-Mail vom 19.07.2012 allenfalls mittelbar erschließenden Information, dass entgegen des Ergebnisses der Besprechung am 16.07.2012 nun doch die Schalung vergrößert und die ersten Schablonen verwendet werden sollten, hätte kein mangelfreies Bauwerk entstehen und die Aufwendungen zur Mängelbeseitigung nicht vermieden werden können. Das Landgericht habe verkannt, dass nach den Feststellungen des Sachverständigen die vom Streithelfer berechnete und letztlich zur Ausführung bestimmte Planungsvariante der Verbindung von Ortbeton und Fertigteilstützen, wie sie Gegenstand der E-Mail vom 19.07.2012 war, überhaupt nicht umsetzbar gewesen sei. Bereits nach Vorliegen des Gutachtens des Sachverständigen vom 16.05.2018 habe festgestanden, dass die Planungsleistung des Beklagten zu 1) derart mangelbehaftet gewesen sei, dass ein mangelfreies Gebäude in keinem Falle hätte entstehen können und zwar unabhängig davon, welche Einbauschablone zur Anwendung gekommen wäre. Damit stehe zugleich fest, dass die Verwendung der kleineren Schablonen im Zuge des Betoniervorgangs nicht schadensursächlich gewesen sei. Bei ordnungsgemäßer Auseinandersetzung mit dem Sachverhalt und den Feststellungen des Sachverständigen hätte das Landgericht erkannt, dass die Nichtberücksichtigung der Anlage der E-Mail vom 19.07.2012 in der Kausalkette der Ereignisse keine Rolle spiele. Die Planungsfehler seien für ihn als Rohbauunternehmer nicht erkennbar gewesen. Eine gesamtschuldnerische Haftung mit dem Beklagten zu 1) scheide daher aus.

Unabhängig davon habe sich das Landgericht nicht mit dem Vortrag befasst, dass die Mehrkosten auch dann angefallen wären, wenn die Ortbetonstützen nach Maßgabe der gemäß der E-Mail vom 19.07.2012 freigegebenen Planung gefertigt worden wären. In allen denkbaren Kausalverläufen wären die streitgegenständlichen Kosten entstanden.

Die Berufshaftpflichtversicherung des Beklagten zu 1), die der Klägerin als Streithelferin im Berufungsverfahren beigetreten ist, und der Beklagte zu 1) teilweise selbst haben am 03.06.2020 – nach Einlegung der Berufung – die Hauptforderung nebst Zinsen beglichen (Bl. 60, 77 eAkteOLG). Die Klägerin hat den Rechtsstreit auf Hinweis des Senats gemäß Verfügung vom 05.10.2020 (Bl. 75 eAkteOLG) sodann in der Hauptsache für erledigt erklärt. Der Beklagte zu 2) hat der Erledigung widersprochen.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des am 06.03.2020 verkündeten Urteils des Landgerichts Koblenz die Klage gegen ihn abzuweisen.

Die Klägerin und ihre Streithelferin beantragen,

unter Zurückweisung der Berufung den Urteilstenor neu zu fassen und festzustellen, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist.

Die Klägerin führt aus, der Ausführungsfehler des Beklagten zu 2) habe den Schaden verursacht, zumindest aber mitverursacht. Aufgrund des nach der Besprechung vom 16.07.2012 ungeklärten weiteren Vorgehens und seiner eigenen Bedenkenanmeldung und Behinderungsanzeige habe für ihn Veranlassung bestanden, auch die Anlage zur E-Mail vom 19.07.2012 zur Kenntnis zu nehmen. Sodann seien mangels interner Abstimmungen in seinem Unternehmen die Ortbetonstützen betoniert worden, ohne dass vom Prüfstatiker freigegebene Pläne vorgelegen hätten. Denn der Streithelfer des Beklagten zu 1) habe seine Planung vom 19.07.2012 mit dem Prüfstatiker lediglich teilweise abgeklärt gehabt; eine vollständige Überprüfung habe nicht stattgefunden und ein Prüfvermerk sei nicht erteilt worden.

Der Beklagte zu 2) habe vollendete Tatsachen geschaffen, sodass es neben den gewählten Maßnahmen der Mängelbeseitigung nur noch die unwirtschaftlichere Alternative eines Abrisses der Ortbetonstützen und deren Neuherstellung gegeben habe. Zudem lasse der Beklagte zu 2) außer Acht, dass nach der Planung in der E-Mail vom 19.07.2012 auch die Abmessungen der Ortbetonstützen auf 62 * 51 cm zu vergrößern gewesen wären. Wenn die Planung trotz dieser Maßnahme noch Mängel gehabt hätte, so wären sie vom Prüfstatiker festgestellt worden. Vor dem Betonieren der Ortbetonstützen wäre, wie der Sachverständige ausgeführt habe, ein mangelfreies Werk noch zu einem Mehrkostenaufwand von höchstens 6.000,00 bis 8.000,00 Euro herstellbar gewesen.

Die Streithelferin der Klägerin führt aus, dass die Annahme des Beklagten zu 2) unzutreffend sei, der Schaden wäre in gleichem Umfang eingetreten, wenn er gemäß der E-Mail vom 19.07.2012 die erste Einbauschablone verwandt hätte. Denn der Sachverständige habe festgestellt, dass es bei dieser Planung zu geometrischen Kollisionen der Ankerbolzen mit den neuen Außenbügeln gekommen wäre. Dass die Planung damit nicht umsetzbar gewesen sei, wäre aufgefallen, die Betonarbeiten hätten nicht stattgefunden und der Schaden wäre nicht eingetreten. Der Beklagte zu 2) könne sich nicht auf einen hypothetischen Kausalverlauf berufen, da ansonsten wechselseitige Verweise durch die Schädiger zu dem untragbaren Ergebnis führen würden, dass keiner für den Schaden einzustehen habe.

Der Senat hat gemäß Beweisbeschluss vom 02.11.2020 (Bl. 82 ff. eAkteOLG) ein Ergänzungsgutachten des Sachverständigen …[F] vom 12.01.2021 eingeholt, auf das Bezug genommen wird (Bl. 93 ff. eAkteOLG).

Im Übrigen nimmt der Senat Bezug auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil, 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO.

II.

Die zulässige Berufung des Beklagten zu 2) ist begründet und führt zur Abweisung der gegen ihn gerichteten Klage. Die von der Klägerin begehrte Feststellung der Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache bleibt ohne Erfolg, da ihr gegenüber dem Beklagten zu 2) kein Schadensersatzanspruch zustand.

1. Die Berufung ist zulässig. Die nach Erlass des Urteils eingetretene Erfüllung der Hauptforderung lässt die Beschwer des Beklagten zu 2) nicht entfallen. Denn die zur Erfüllung führenden Zahlungen sind erst nach der Berufungseinlegung erfolgt, so dass der Beklagte zu 2) jedenfalls zu dem für die Zulässigkeit der Berufung maßgeblichen Zeitpunkt der Rechtsmitteleinlegung durch das angefochtene Urteil beschwert war.

Zudem haben die Zahlungen nur Erfüllungswirkung im Verhältnis der Klägerin zu dem Beklagten zu 1). Im Verhältnis zum Beklagten zu 2) tritt nur insoweit Erfüllungswirkung ein, als er ebenfalls Schuldner des ausgeurteilten Betrages ist, § 422 Abs. 1 BGB, was er aber in Abrede stellt und was deshalb im Berufungsverfahren zu klären ist (vgl. BGH, Beschluss vom 07.12.2010, VI ZB 87/09; OLG Saarbrücken, Urteil vom 17.12.2015, 4 U 140/14).

2. Die Änderung des ursprünglichen, auf Zahlung gerichteten Klageantrags zu 1) in einen Antrag auf Feststellung der Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache ist zulässig.

a) Die einseitige Erledigungserklärung stellt eine Reduzierung des ursprünglichen Klageantrags und damit einen Unterfall des § 264 Nr. 2 ZPO dar, auf den § 533 ZPO keine Anwendung findet (Musielak/Voit, ZPO, 17. Aufl., § 91 a ZPO, Rn. 29; § 533, Rn. 3 m.w.N.).

b) Das erforderliche Feststellungsinteresse liegt vor, da die Klägerin nach der Erfüllung der Klageforderung keine andere Möglichkeit hat, von den Kosten des Rechtsstreits befreit zu werden, die ihr im Prozessverhältnis zum Beklagten zu 2) entstanden sind.

3. Der Antrag auf Feststellung, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist, bleibt aber in der Sache ohne Erfolg. Denn eine Erledigung ist nicht eingetreten, da der Klägerin gegen den Beklagten zu 2) zu keinem Zeitpunkt ein Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung gemäß den §§ 631, 633 Abs. 1, 634 Nr. 4, 280 Abs. 1 u. 3, 281 BGB zustand.

Dabei richtet sich ein etwaiger Schadensersatzanspruch der Klägerin entgegen der Annahme des Landgerichts nicht nach allgemeinem Schuldrecht, sondern nach dem Leistungsstörungsrecht für Werkmängel gemäß den §§ 633 ff. BGB. Denn der Beklagte zu 2) hat seine Werkleistung erbracht und die Parteien befinden sich, nachdem die Klägerin nicht Nachbesserung des Werkes, sondern Schadensersatz statt der Leistung verlangt, in einem Abrechnungsverhältnis, ungeachtet der Frage, ob eine Abnahme des Werkes stattgefunden hat oder nicht (vgl. BGH, Urteil vom 16.09.1999, VII ZR 456/98; BeckOGK/Kögl, BGB, Stand 01.01.2021, § 641 Rn. 30 m. w. N.).

Ein Anspruch steht der Klägerin nicht zu, da die Werkleistung des Beklagten zu 2) zwar mangelhaft (nachfolgend a)) war und er den Mangel auch zu vertreten hat (nachfolgend b)). Die mangelhafte Werkleistung ist aber nicht kausal für den eingetretenen Schaden (nachfolgend c)). Die Einwände der Klägerin und ihrer Streithelferin sind unbegründet (nachfolgend d)).

a) Das Werk des Beklagten zu 2) war nicht funktionstauglich und damit mangelhaft, § 633 Abs. 2 S. 1 BGB (vgl. BGH, Urteil vom 08.05.2014, VII ZR 203/11; OLG Saarbrücken, Urteil vom 05.08.2020, 1 U 111/19). Maßgebend für die Funktionstauglichkeit der Ortbetonstützen und damit Bestandteil der von den Parteien vereinbarten Beschaffenheit war, dass die Peikko-Anschlüsse in deren Oberseite mit den Stützenschuhen der Fertigteilstützen verbunden werden können, was aufgrund der Ausführung des Beklagten zu 2) nicht möglich war. Darüber besteht kein Streit.

b) Die Mangelhaftigkeit des Werkes hat der Beklagte zu 2) auch zu vertreten. Die Vermutung des § 280 Abs. 1 S. 2 BGB, dass der Sachmangel auf sein sorgfaltswidriges Verhalten (§ 276 Abs. 2 BGB) zurückzuführen ist, hat er nicht widerlegen können. Seine erstinstanzliche Behauptung, aus der von ihm nicht zur Kenntnis genommenen Anlage zur E-Mail vom 19.07.2012 sei nicht ersichtlich gewesen, dass sich die Lage der Ankerbolzen wieder nach der ersten Einbauschablone richten solle, ist, wie bereits das Landgericht auf der Grundlage der eingeholten Gutachten ausgeführt hat (Bl. 596 Papierakte LG), unzutreffend.

Auch der Senat macht sich insofern die überzeugenden und von der Berufung nicht mehr angegriffenen Feststellungen des Sachverständigen zu eigen (Gutachten vom 16.05.2018, S. 21 f., 23). Danach zeigt die der E-Mail als Anlage beigefügte Datei “Plan_DET1.pdf” die Ortbetonstütze unter anderem in einem sog. Detailschnitt A-A. In diesem sind neben der Stützenbewehrung und den auf 62 * 51 cm vergrößerten Gesamtabmessungen auch die Lage der Ankerbolzen in den Stützenecken mit Achsabständen von 48 cm für die lange Seite und 38 cm für die kurze Seite erkennbar. Das aber entspricht der Planung vom 04.04.2012 mit einer Verwendung der ersten Einbauschablone und lässt sich nicht mit der Planung vom 06.07.2012 und der zweiten Einbauschablone in Einklang bringen. Dieser Umstand ist, wie der Sachverständige ausgeführt hat, erkennbar. Nimmt man hinzu, dass zwar nicht im Text der E-Mail, aber in deren Betreffzeile explizit auf einen “geänderten Plan” hingewiesen wurde, und der Beklagte zu 2) nach dem ergebnislosen Gespräch vom 16.07.2012 und seiner eigenen Bedenkenanmeldung und Behinderungsanzeige neue Weisungen zum weiteren Vorgehen kurzfristig erwarten musste, war es offensichtlich sorgfaltswidrig, die an ihn gerichteten Planzeichnungen nicht zur Kenntnis zu nehmen und deren Inhalt nicht an seine Mitarbeiter auf der Baustelle weiterzugeben.

c) Gleichwohl ist der Beklagte zu 2) der Klägerin nicht zum Schadensersatz verpflichtet. Denn der Schaden wäre auch unabhängig von der Verwendung der zweiten Einbauschablone in gleicher Höhe entstanden, so dass kein haftungsausfüllender Kausalzusammenhang zwischen dem Mangel der Werkleistung und dem Schaden der Klägerin besteht.

Es kann daher dahinstehen, ob ein Anspruch der Klägerin auch daran scheitern würde, dass die Klägerin dem Beklagten zu 2) keine Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat.

Ob ein nach den §§ 249 ff. BGB zu ersetzender Vermögensschaden vorliegt, beurteilt sich nach einem Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die ohne jenes Ereignis eingetreten wäre.

Die Differenzhypothese umfasst zugleich das Erfordernis der Kausalität zwischen dem haftungsbegründenden Ereignis und einer dadurch eingetretenen Vermögensminderung. Nur eine Vermögensminderung, die durch das haftungsbegründende Ereignis verursacht ist, das heißt ohne dieses nicht eingetreten wäre, ist als ersatzfähiger Schaden anzuerkennen. Nach der Äquivalenztheorie (auch sog. conditio sine qua non-Formel) ist jede Bedingung kausal, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (st. Rspr., siehe nur BGH, Urteil vom 06.06.2013, IX ZR 204/12 – beck-online, Rn. 20; MüKo/Oetker, BGB, 8. Aufl., § 249 Rn. 103 m. w. N.).

Im Streitfall lässt sich das pflichtwidrige, zur Mangelhaftigkeit seines Werkes führende Verhalten des Beklagten zu 2) hinwegdenken, ohne dass der Schaden entfiele. Denn die Planung des Streithelfers des Beklagten zu 1) vom 19.07.2012 wies weiterhin, wie der Beklagte zu 2) zu Recht rügt, so schwerwiegende Fehler auf, dass auch bei Verwendung der plangemäßen ersten Einbauschablone ein mangelhaftes Werk entstanden wäre, dessen Mangelbeseitigungsaufwand demjenigen der Klageforderung entsprochen hätte.

So hat der Sachverständige festgestellt (Gutachten vom 16.05.2018, S. 24 f., Ergänzungsgutachten vom 12.01.2021, S. 3 ff.), dass diese Planung, die eine Verwendung der ursprünglichen Bewehrungsbügel als Zwischenbügel mit zusätzlichen Erweiterungsbügeln und eine Vergrößerung der Stützenabmessungen auf 62 * 51 cm vorsieht, auch bei Einsatz der ersten Einbauschablone zu einem mit vier Mängeln behaftetem Ergebnis geführt hätte. Denn die nach DIN EN 1992-1-1 erforderliche Betonüberdeckung von 40 mm wäre nicht gewahrt gewesen und die neuen Außenbügel hätten mit den Ankerbolzen kollidiert. Außerdem hätten die Bewehrungsstäbe auf der kurzen Stützenseite einen zu großen Abstand zur Stützenecke und damit keine ausreichende Querbewehrung aufgewiesen mit der Folge einer unzureichenden Tragfähigkeit der Stützen. Die von der Klägerin aufgewendeten Mängelbeseitigungskosten, so der Sachverständige weiter, wären auch dann angefallen, wenn die Bauausführung des Beklagten zu 2) in Übereinstimmung mit den Planunterlagen in der E-Mail vom 19.07.2012 erfolgt wäre.

Der Senat folgt den Feststellungen des Sachverständigen. Sie lassen keine Fehler in der Tatsachenerhebung erkennen und sind aufgrund detaillierter Begründungen und erläuternder Skizzen in jeder Hinsicht plausibel und für den Senat überzeugend. Die Feststellungen des Sachverständigen werden auch von den Parteien nicht angezweifelt.

Danach aber ist die mangelhafte Werkleistung des Beklagten zu 2) nicht schadensursächlich geworden.

d) Die Einwände der Klägerin und ihrer Streithelferin bleiben ohne Erfolg.

aa) So kann zunächst der Annahme der Streithelferin der Klägerin nicht gefolgt werden, bei Verwendung der ersten Einbauschablone wäre dem Beklagten zu 2) aufgefallen, dass die Ankerbolzen mit den Außenbügeln kollidiert hätten mit der Folge, dass er von einem Betonieren der Stützen abgesehen hätte. Sie steht im Widerspruch zu wesentlichen Feststellungen des Sachverständigen. Zwar hat dieser geometrische Kollisionen zwischen den Ankerbolzen und den neuen Außenbügeln als einen Mangel in der Planung des Streithelfers des Beklagten zu 1) vom 19.07.2012 ausgemacht. Er hat allerdings darüber hinaus festgehalten, dass die Mängelbeseitigungskosten in gleicher Höhe angefallen wären, wenn der Beklagte zu 2) gemäß dieser Planung mit der ersten Einbauschablone gearbeitet hätte. Bereits hieraus folgt, dass der Sachverständige nicht von einer fehlenden Umsetzbarkeit der Planung ausgegangen ist. Hinzu kommt seine weitere Feststellung, dass die Mängel dieser Planung für den Beklagten zu 2) nicht in voller Tragweite erkennbar waren (Ergänzungsgutachten vom 12.01.2021, S. 4). Daraus folgt für den Senat, dass die beschriebenen Kollisionen von Ankerbolzen und Außenbügeln jedenfalls kein Ausmaß hätten, das eine Umsetzbarkeit der Planung verhindert hätte. Denn eine nicht umsetzbare Planung wäre für den Beklagten zu 2) bzw. seine Mitarbeiter erkennbar gewesen.

bb) Auch der Einwand der Klägerin, die Mängel der Planung wären vom Prüfstatiker noch festgestellt worden, wenn die Mitarbeiter des Beklagten zu 2) nicht schon vor deren Freigabe vollendete Tatsachen geschaffen hätten, verfängt nicht. Denn nach dem Tatbestand des angefochtenen Urteils war die Planung des Streithelfers des Beklagten zu 1) vom 19.07.2012 freigegeben. An diese Feststellung ist der Senat im Hinblick auf die Tatbestandswirkung des Urteils gemäß § 314 ZPO gebunden. Anders wäre der Fall zu beurteilen, wenn das Gegenteil der im Tatbestand festgestellten Tatsache im Berufungsverfahren unstreitig geworden wäre. Dem ist aber nicht so, da der Beklagte zu 2) die Behauptung der Klägerin, eine Planfreigabe durch den Prüfstatiker habe nicht vorgelegen, nicht unstreitig gestellt hat.

cc) Soweit die Klägerin im Schriftsatz vom 23.03.2021 (Bl. 169 ff. eAkte OLG) geltend macht, dass der Streithelfer des Beklagten zu 1) die Planung vom 19.07.2012 mit dem Prüfstatiker lediglich teilweise abgeklärt, dieser aber nicht die Gesamtplanung der Stützen in Verbindung mit den Peikko-Anschlüssen und den Schablonen überprüft und mit Prüfvermerk versehen habe, ist das mit dem eindeutigen Wortlaut der Feststellung nicht vereinbar. Um eine Bindungswirkung zu verhindern, hätte die Klägerin – wie ausgeführt – die Berichtigung des Tatbestandes beantragen müssen (vgl. BGH, Urteil vom 28.05.2013, XI ZR 6/12; Senat, Beschluss vom 27.05.2013, 3 U 1153/12; Zöller/Heßler, ZPO, 33. Aufl., § 529 Rn. 2 m. w. N.).

dd) Aus demselben Grund kann die Klägerin auch nicht damit gehört werden, dass der Beklagte zu 2) trotz von ihm selbst angebrachter Bedenkenanmeldung und Behinderungsanzeige die Betonierarbeiten vorgenommen hat, ohne sich zuvor über den aktuellen Planungsstand zu erkundigen. Denn nach den vom Senat zu Grunde zu legenden Feststellungen lag eine Planungsfreigabe vor.

ee) Soweit die Streithelferin der Klägerin schließlich die Auffassung vertritt, dass sich der Beklagte zu 2) nicht auf einen hypothetischen Kausalverlauf berufen kann, da ansonsten wechselseitige Verweise durch die Schädiger zu dem untragbaren Ergebnis führten, dass keiner für den Schaden einzustehen habe, gilt Folgendes:

Ist ein bestimmter Schaden durch mehrere gleichzeitig oder nebeneinander wirkende Umstände, etwa durch mehrere Mängel einer Sache, verursacht worden und hätte jede dieser Ursachen für sich allein ausgereicht, um den ganzen Schaden herbeizuführen, dann sind nach ständiger Rechtsprechung sämtliche Umstände als rechtlich ursächlich zu behandeln, obwohl keiner von ihnen als “conditio sine qua non” qualifiziert werden kann. In diesen Fällen der sogenannten Doppelkausalität bedarf es einer entsprechenden Modifikation der Äquivalenztheorie, weil der eingetretene Schadenserfolg ansonsten auf keine der tatsächlich wirksam gewordenen Ursachen zurückgeführt werden könnte (st. Rspr.; BGH, Urteil vom 20.02.2013, VIII ZR 339/11).

Dem Streitfall liegt keine Konstellation einer Doppelkausalität zu Grunde. Zwar steht fest, dass auch bei der planmäßigen Verwendung der ersten Einbauschablone der ganze Schaden eingetreten wäre, wie es der Sachverständige festgestellt hat (siehe oben). Dies gilt jedoch nicht in dem umgekehrten Fall, dass der Streithelfer des Beklagten zu 1) eine mangelfreie Planung vorgelegt und der Beklagte zu 2) mit der nicht plankonformen zweiten Schablone gearbeitet hätte. In diesem Fall wären nämlich jedenfalls folgende Mängel des Gesamtwerkes ausgeblieben: Zunächst wäre die Betonüberdeckung ausreichend gewesen, da die zweite Einbauschablone keine größeren Abmessungen aufweist als die erste Einbauschablone. Vor allem aber wären die Bewehrungsstäbe auf der kurzen Stützenseite, die nach der Planung vom 19.07.2012 einen zu großen Abstand zur Stützenecke haben und keine ausreichende Querbewehrung aufweisen, korrekt positioniert worden. Sie sind es, die die Tragfähigkeit der Stützen maßgebend bestimmen, wie der Sachverständige ausgeführt hat (Ergänzungsgutachten vom 12.01.2021, S. 3 f.; Ergänzungsgutachten vom 09.11.2018, S. 7 ff.). In diesem Falle wäre mithin ein für Tragfähigkeit der Säule maßgebender Mangel ausgeblieben. Der Senat schließt aus, dass in diesem Fall der verbliebene Schaden dem im Streitfall tatsächlich eingetretenen entsprochen hätte. Damit liegt ein Fall der Doppelkausalität nicht vor und der eingetretene Schaden ist insgesamt nicht auf den Sachmangel im Werk des Beklagten zu 2) zurückzuführen.

III.

1. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 S. 1, 101 S. 1 Hs. 2 ZPO bzw. auf §§ 91 Abs. 1 S. 1, 92 Abs. 1, 100 in Verbindung mit den Grundsätzen der Baumbach’schen Formel (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 33. Aufl., § 100 Rn. 5 ff.), 101 S. 1 Hs. 2, 269 Abs. 1 u. Abs. 3 S. 2 ZPO.

2. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10 S. 1, 711 ZPO.

3. Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO. Der Rechtsstreit wirft keine klärungsbedürftige Rechtsfrage auf, die sich in einer unbestimmten Vielzahl weiterer Fälle stellen kann, sondern betrifft lediglich eine Frage im Einzelfall. Auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung des Revisionsgerichts erfordert sie nicht, da der Fall keine Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen aufzustellen oder Gesetzeslücken auszufüllen, § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 1. Alt. ZPO, und nicht zu befürchten ist, dass Unterschiede in der Rechtsprechung entstehen oder fortbestehen, § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 2. Alt. ZPO.

4. Den Streitwert des Berufungsverfahrens hat der Senat anhand der Höhe der begehrten Abänderung der angefochtenen Entscheidung bemessen, § 3 ZPO.

OLG München zur Frage der Absicherung der Vorleistung des Unternehmers durch eine Bauhandwerkersicherheit nach § 648a BGB a.F. (§ 650f BGB n.F.)

OLG München zur Frage der Absicherung der Vorleistung des Unternehmers durch eine Bauhandwerkersicherheit nach § 648a BGB a.F. (§ 650f BGB n.F.)

vorgestellt von Thomas Ax

Eine Bauhandwerkersicherheit nach § 648a BGB a.F. (§ 650f BGB n.F.) soll keine Vorleistung des Unternehmers absichern, sondern dessen Vergütungsanspruch. Deshalb reicht es für den Anspruch des Unternehmers auf Leistung der Sicherheit aus, dass ihm noch ein Vergütungsanspruch zusteht. Die Vorschrift des § 648a Abs. 5 Satz 1 BGB a.F. lässt den einklagbaren Sicherungsanspruch des Unternehmers unberührt und gibt diesem für den Fall nicht bzw. unzureichend erbrachter Sicherung ein Kündigungsrecht sowie ein Leistungsverweigerungsrecht für den Fall, dass vom Besteller die Fortsetzung der Arbeiten bzw. Mängelbeseitigungsarbeiten verlangt werden.
OLG München, Beschluss vom 21.11.2019 – 28 U 3648/19 Bau

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Stellung einer Bauhandwerkersicherheit gem. § 648a BGB a.F..

Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts München I vom 04.06.2019 Bezug genommen.

Das Landgericht hat den Beklagten zur Stellung einer Bauhandwerkersicherheit in Höhe von 201.364,84 Euro verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen (eingeklagt war zuletzt eine Bauhandwerkersicherheit in Höhe von 203.432,28 Euro).

Hinsichtlich der Antragstellung erster Instanz wird auf den Tatbestand und hinsichtlich der Begründung des Ersturteils wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen landgerichtlichen Urteils sowie auf die Zusammenfassung unter Ziffer I. der Senatsverfügung vom 30.10.2019 Bezug genommen.

Der Beklagte will mit seiner Berufung eine Abänderung des Ersturteils und Klageabweisung erreichen.

Wegen der Berufungsrügen des Beklagten wird auf die Zusammenfassung unter Ziffer II. der Senatsverfügung vom 30.10.2019 Bezug genommen.

Im Berufungsverfahren beantragt der Beklagte,

unter Abänderung des am 04.06.2019 verkündeten Urteils des Landgerichts München I, Aktenzeichen 5 O 9957/18, die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt im Berufungsverfahren:

Die Berufung des Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 4.6.2019 zu Aktenzeichen 5 O 9957/18 wird abgewiesen.

Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass sie auch nach der durch den Beklagten erklärten Kündigung des Bauvertrages sowohl vor als auch nach der Abnahme ihrer bis dahin erbrachten Werkleistungen einen Anspruch gem. § 648 a BGB a.F. habe, wobei aufgrund übereinstimmender Erklärungen der Parteien im Vorprozess vor dem Landgericht München I, Az.: 2 O 11107/18 von einer Abnahme durch Ingebrauchnahme am 1.6.2017 auszugehen sei.

Ausreichend sei eine schlüssige Darlegung seiner Vergütungsforderung durch den Werkunternehmer, Streitfragen zu einzelnen Abrechnungspositionen seien im Zahlungsprozess zu klären. Etwaige beklagtenseits behauptete Gegenforderungen seien bei der Bemessung der Höhe der zu bestellenden Sicherheit unbeachtlich.

Die Argumentation des Beklagten, wonach der Anspruch auf Gestellung der Sicherheit schon deshalb entfalle, weil beklagtenseits keine Mängel gerügt oder Gewährleistungsansprüche geltend gemacht worden seien, verfange nicht. Der diesbezügliche Sachvortrag des Beklagten sei präkludiert. Im Übrigen führe die Auffassung des Beklagten zu dem absurden Ergebnis, dass ein Auftraggeber sich seiner Verpflichtung zur Gestellung einer Sicherheit bereits mit dem Argument entziehen könne, dass er keine Gewährleistungsansprüche behaupte.

Die Berufung verkenne den eigentlichen Hauptzweck der Regelung des § 648a BGB a.F. Dieser bestehe darin, den Unternehmer – auch nach Beendigung des Bauwerkvertrages – vor dem Risiko einer ungesicherten Werkleistung zu schützen. Gerade die bisherige Vorgehensweise des Beklagten, welcher versucht habe, sich durch völlig unbegründete Einwände seinen Verpflichtungen zu entziehen, zeige, wie notwendig die Absicherung der klägerischen Werklohnforderung sei.

Im Übrigen stimme es nicht, dass der Beklagte keine Gewährleistungsansprüche geltend mache, auch sei die Gewährleistungsfrist noch nicht abgelaufen.

Der Senat hat mit Verfügung vom 30.10.2019 (Bl. 108/111 d.A.) darauf hingewiesen, dass und – Seite 4 – warum er beabsichtigt, die Berufung gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen und Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

Hierzu ging fristgemäß ein Schriftsatz des Berufungsführers vom 15.11.2019 (Bl. 112/114 d.A.) ein.

Auf die Schriftsätze der Parteien im Berufungsverfahren wird im Übrigen Bezug genommen.

II.

Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 04.06.2019, Aktenzeichen 5 O 9957/18, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

Zur Begründung wird zunächst auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats vom 30.10.2019 Bezug genommen.

Die Ausführungen in der Gegenerklärung geben zu einer Änderung keinen Anlass.

Hierzu ist Folgendes auszuführen:

1. Keine ausstehenden Leistungen der Klägerin

a) In seiner Gegenerklärung argumentiert der Beklagte, wie bereits in der Berufungsbegründung, damit, dass es keine Leistungen gebe, welche von der Klägerin noch zu erbringen wären, da der Bau nach der außerordentlichen Kündigung durch Dritte vollständig fertiggestellt worden und durch den Beklagten in Gebrauch genommen worden sei, wobei weder vor noch nach Abnahme Mängel gerügt worden seien. Da es nichts von der Klägerin zu verweigern gebe, könne auch keine Sicherheit für eine Mangelbeseitigung gefordert werden.

b) Diese Argumentation vermag der Berufung des Beklagten nicht zum Erfolg zu verhelfen.

Der Senat hält an der im vorangegangenen Hinweis dargelegten Auffassung fest, wonach der auf den vorliegenden Fall anzuwendende § 648a BGB in der Fassung vom 23.10.2008 (gültig vom 1.1.2009 bis 31.12.2017) keine Vorleistung des Unternehmers absichern soll, sondern dessen Vergütungsanspruch, weshalb es für den Anspruch des Unternehmers auf Leistung der Sicherheit ausreicht, dass dem Unternehmer noch ein Vergütungsanspruch zusteht.

Entgegen der Auffassung der Berufung geht es bei § 648a BGB in der Fassung vom 23.10.2008 nicht um eine Absicherung des Unternehmers für etwaige Mängelbeseitigungsarbeiten, sondern um die Absicherung seines Vergütungsanspruchs.

Während der Unternehmer nach § 648a Abs. 1 Satz 1 BGB in der Fassung vom 2.1.2002 vom Besteller Sicherheit “für die von ihm zu erbringenden Vorleistungen einschließlich dazugehöriger Nebenforderungen” verlangen konnte und ihm für den Fall, dass der Besteller die geforderte Sicherheit nicht binnen einer ihm vom Unternehmer gesetzten angemessenen Frist leistete, lediglich ein Leistungsverweigerungsrecht zustand, hat sich der Gesetzgeber im Forderungssicherungsgesetz dafür entschieden, dem Unternehmer einen klagbaren Anspruch auf Sicherheitsleistung für seinen Vergütungsanspruch zu gewähren.

Dies ergibt sich eindeutig aus § 648a Abs. 1 Satz BGB in der Fassung vom 23.10.2008, wonach der Unternehmer Sicherheit “für die auch in Zusatzaufträgen vereinbarte und nicht gezahlte Vergütung einschließlich dazugehöriger Nebenforderungen” fordern kann.

Dementsprechend hat der BGH in seinem Urteil vom 6.3.2014, Az.: VII ZR 349/12 ausgeführt:

Das Gesetz bezweckt danach ersichtlich eine Abkehr von dem zweifelhaften Ansatz des § 648 BGB a.F., wonach Voraussetzung eines Sicherungsanspruchs ist, dass noch Vorleistungen ausstehen. Die Altfassung führt dazu, dass nach Beendigung eines Vertrages noch die volle Sicherheit gefordert werden kann, wenn geringe Mängel abzuarbeiten sind, ein Sicherungsbegehren jedoch erfolglos bleibt, wenn der Unternehmer mangelfrei gearbeitet hat. Für dieses Ergebnis gibt es keine innere Rechtfertigung, weil ein Sicherungsbedürfnis in beiden Fällen vorliegt. Nunmehr stellt das Gesetz in der Neufassung konsequent auf das Sicherungsinteresse des Unternehmers ab, das solange besteht, wie sein Vergütungsanspruch nicht befriedigt worden ist. Nach der Neuregelung des § 648 a Abs. 1 Satz 1 BGB reicht es daher für einen Anspruch des Unternehmers gegen den Besteller auf Leistung einer Sicherheit aus, dass dem Unternehmer noch ein Vergütungsanspruch zusteht.

Aus dem durch die Berufung bemühten § 648a Abs. 5 Satz 1 BGB in der Fassung vom 23.10.2008 ergibt sich nichts Gegenteiliges.

§ 648 a Abs. 5 Satz 1 BGB in der Fassung vom 23.10.2008 lautet:

Hat der Unternehmer dem Besteller erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung der Sicherheit nach Absatz 1 bestimmt, so kann der Unternehmer die Leistung verweigern oder den Vertrag kündigen.

§ 648a Abs. 5 Satz 1 BGB lässt den einklagbaren Sicherungsanspruch des Unternehmers unberührt und gibt diesem für den Fall nicht bzw. unzureichend erbrachter Sicherung ein Kündigungsrecht sowie ein Leistungsverweigerungsrecht für den Fall, dass vom Besteller die Fortsetzung der Arbeiten bzw. Mängelbeseitigungsarbeiten verlangt werden.

Die in der Gegenerklärung zitierte Literatur und Rechtsprechung aus dem Zeitraum vor Inkrafttreten des § 648a BGB in der Fassung vom 23.10.2008 am 1.1.2009, betrifft naturgemäß die vorangegangene Fassung der Vorschrift und ist nicht einschlägig.

c) Soweit sich der Beklagte in seiner Gegenerklärung auf die Kommentierung in Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 4. Auflage 2014 bezieht, aus der sich ergebe, dass Voraussetzung für eine Klage auf Sicherheit nach § 648a BGB in der Fassung durch das Forderungssicherungsgesetz sei, dass der Unternehmer tatsächlich in der Lage und bereit sei, Mängel zu beseitigen, ist dies der angegebenen Kommentierung tatsächlich nicht zu entnehmen.

Unter Rn. 135 a.a.O wird ausgeführt, dass noch nicht geklärt sei, welchen Gegenstand die Sicherheit im Falle der Kündigung abdecken soll und dass vieles dafür spreche, nicht nur das bestehende, restliche Vorleistungsrisiko abzusichern, sondern auch die Vergütung für bereits erbrachte Leistungen.

Nach Auffassung des Senats hat der BGH in seinem Urteil vom 6.3.2014, Az.: VII ZR 349/12 zum Ausdruck gebracht, dass es für einen Sicherungsanspruch des Unternehmers nach § 648a Abs. 1 Satz 1 BGB in der Fassung des Forderungssicherungsgesetzes nicht mehr um die Absicherung etwaiger zu erbringender Vorleistungen sondern um die Absicherung des Vergütungsanspruchs des Unternehmers geht. Diese Rechtsauffassung wird vom Senat geteilt.

Im Übrigen ist vorliegend die Gewährleistungsfrist für die durch die Klägerin erbrachten Leistungen noch nicht abgelaufen, weshalb es jedenfalls nicht ausgeschlossen ist, dass die Klägerin diesbezüglich noch Mängelbeseitigungsarbeiten zu erbringen hat.

2. “Zum Bauen bestimmte Finanzmittel

Soweit der Beklagte in seiner Gegenerklärung unter Bezugnahme auf das Urteil des BGH vom 6.3.2014 meint, dass die Klägerin sich im Zeitpunkt ihrer Klage auf Sicherheit keinen Zugriff auf “zum Bauen bestimmte Finanzmittel” mehr eröffnen könne, da der Bau bereits seit 1 Jahr vollständig fertiggestellt und vom Beklagten bezogen worden sei, verfängt dies nicht.

Die Behauptung des Beklagten, wonach der BGH in seinem Urteil ausführe, dass es sich bei den Finanzmitteln “um zum Bauen bestimmte Finanzmittel” handle, ist ersichtlich irreführend und unzutreffend.

Der BGH verwendet den Begriff “die zum Bauen bestimmten Finanzmittel des Bestellers” in Rn. 18 seines Urteils im Zuge seiner zusammenfassenden Darstellung der bisherigen veröffentlichen Rechtsprechung zu der Frage, ob eine Kündigung an der von dem Unternehmer zu beanspruchenden Sicherheit der Höhe nach etwas ändere. Den Entscheidungsgründen ist jedoch nicht zu entnehmen, dass der BGH sich diesen Begriff zu Eigen gemacht hätte. An keiner Stelle seines Urteils finden sich Anhaltspunkte dafür, dass der BGH davon ausgeht, dass die Fertigstellung und Ingebrauchnahme des Werks des Unternehmers dessen Anspruch auf Sicherheit entfallen lassen könnte. Im Gegenteil lässt es der BGH für den Anspruch des Unternehmers auf Gestellung einer Sicherheit ausreichen, dass dem Unternehmer noch ein Vergütungsanspruch zusteht.

Die Berufung ist daher zurückzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgt gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 3 ZPO, 47, 48 GKG bestimmt.

BGH zu den Substantiierungsanforderungen an einen aus der Urkalkulation herzuleitenden Mehrvergütungsanspruch

BGH zu den Substantiierungsanforderungen an einen aus der Urkalkulation herzuleitenden Mehrvergütungsanspruch

vorgestellt von Thomas Ax

Für die Abgrenzung, welche Arbeiten von der vertraglich vereinbarten Leistung erfasst sind und welche Leistungen zusätzlich zu vergüten sind, kommt es auf den Inhalt der Leistungsbeschreibung an.

Welche Leistungen durch die Leistungsbeschreibung erfasst sind, ist durch Auslegung der vertraglichen Vereinbarung der Parteien zu ermitteln. Dabei sind das gesamte Vertragswerk und dessen Begleitumstände zugrunde zu legen. Dazu gehören auch im Rahmen einer Ausschreibung vorgelegte Planungen.

Das Tatsachengericht muss auch die im Rahmen der Ausschreibung vorgelegten Unterlagen bei der Auslegung des Vertrags berücksichtigen und den angebotenen Sachverständigenbeweis zu einer technischen Frage erheben.

Zu den Substantiierungsanforderungen an einen aus der Urkalkulation herzuleitenden Mehrvergütungsanspruch.

BGH, Beschluss vom 29.03.2023 – VII ZR 59/20

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt von den Beklagten Zahlung restlichen Werklohns.

Die Beklagte zu 1 ist eine aus den Beklagten zu 2 und 3 bestehende Dach-ARGE, welche von der Streithelferin der Beklagten zu 1 mit Bauarbeiten am Tunnel L. beauftragt wurde. Mit Vertrag vom 28. September 2009 beauftragte die Beklagte zudie Klägerin, aufgeteilt auf drei Baulose, unter anderem mit Straßenarbeiten im Tunnel, an der Oberfläche und mit den Baumaßnahmen zur Durchführung der vorläufigen Verkehrsführung. Die VOB/B (2006) wurde in den Vertrag einbezogen.

Die Beklagte zu 1 nahm die in der Zeit vom 10. August 2009 bis 30. Juni 2015 erbrachten Leistungen der Klägerin ab. Die Klägerin erstellte sodann, gegliedert nach den Baulosen, drei Schlussrechnungen, wobei sie in erheblichem Umfang Vergütungsansprüche für Nachträge geltend machte. Nachdem die Beklagte zu 1 aufgrund ihrer Schlussrechnungsprüfung Kürzungen vornahm, kam es zu Verhandlungen zwischen den Parteien, die indes zu keiner Einigung führten. Die Beklagte zu 1 bezahlte die Schlussrechnungsforderung nur in der von ihr als berechtigt angesehenen Höhe an die Klägerin. Diese hat daraufhin die Beklagten auf Zahlung restlichen Werklohns in Höhe von 2.568.793,59 EUR gerichtlich in Anspruch genommen.

Das Landgericht hat die Klage als unschlüssig abgewiesen. Mit der hiergegen gerichteten Berufung hat die Klägerin – gestützt auf neue Schlussrechnungen – noch einen Betrag von 2.418.874,25 EUR verlangt. Das Berufungsgericht hat die Berufung als unbegründet zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Nichtzulassungsbeschwerde, mit der sie ihr Klagebegehren im Umfang von 2.145.665,36 EUR nebst Zinsen und Nebenforderungen weiterverfolgt.

II.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision hat im tenorierten Umfang Erfolg und führt insoweit gemäß § 544 Abs. 9 ZPO zur Aufhebung der angegriffenen Entscheidung und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.

1. Das Berufungsgericht hat hinsichtlich der Nachtragspositionen 41.44, 42.44 und 43.44 (1.355.273,92 EUR) ausgeführt:

Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Mehrvergütung gemäß § 2 Nr. 5 VOB/B. Die Notwendigkeit von Umlegungen der provisorischen Verkehrsführung sei unstreitig Vertragsbestandteil. Die Klägerin mache geltend, sie habe mit einer geringeren Anzahl von Umlegungen kalkulieren dürfen als tatsächlich erforderlich geworden sei. Es lasse sich aber keine Veränderung der Leistung im Vergleich zum Vertragssoll feststellen.

Eine Anzahl von möglichen Umlegungen sei im Vertrag nicht genannt. Vielmehr enthalte der Vertrag in den “Vorbemerkungen Allgemeine Bedingungen” auf Seite D9/10 zur Verkehrsführung folgende Regelung:

“Erschwernisse:

Die aus Erschwernissen resultierenden Kosten (Erschwerniskosten) werden für den gesamten Umfang der Bauarbeiten nicht gesondert vergütet. Sie sind bei denjenigen Positionen einzurechnen, bei denen sie anfallen.”

Erschwernisse können entstehen: […]

i) durch die abschnittsweise Ausführung des Bauwerks…”

Weiter heiße es auf S. 15 der “Allgemeinen Vorbemerkungen zu den Straßenbauarbeiten” unter Ziffer 3.6 wie folgt:

“Provisorische Verkehrsführung

Die provisorische Verkehrsführung wird inHauptphasen und in mehreren örtlich begrenzten Zwischenphasen unterteilt. Die Nummerierung der Hauptphasen erfolgt in Schritten 100, 200, 300, 400 und 500, die der Zwischenphasen in den Schritten 110, 120 210, 220.. . 310,320 … 410 usw. Die Hauptverkehrsphasen stellen dabei das Grundgerüst der prov. Verkehrsführung dar. Zusätzlich wird es eine Reihe von Zwischenphasen geben, um z.B. in Kreuzungsbereichen, bei Spartenquerungen, etc. alle erforderlichen Baufelder zu erreichen. Die Zwischenverkehrsphasen werden außerdem benötigt, um Verbindungen zwischen zeitlich unterschiedlichen Hauptverkehrsphasen herzustellen (siehe Rahmenterminplan). Der Umfang der Zwischenverkehrsphasen ist in der Regel örtlich begrenzt. Bei der Kalkulation der prov. Fahr- und Gehbahnen ist daher davon auszugehen, dass neben großen Fahrbahnabschnitten auch eine Vielzahl von kleinen Asphaltflächen herzustellen ist. “.”

Diesen Regelungen lasse sich nicht entnehmen, dass tatsächlich eine zahlenmäßig begrenzte Anzahl von Umlegungen vorab ersichtlich gewesen sei.

Dies gelte auch unter Heranziehung der außerhalb des Vertragstextes liegenden zusätzlichen Umstände, wie etwa dem Phasenübersichtsplan. Aus den als Anlagen K 14, 36 und 50 vorgelegten Darstellungen werde nicht ersichtlich, weshalb die Klägerin von einer verbindlichen oder annäherungsweisen Anzahl der erforderlichen Umlegungen habe ausgehen können, wohingegen in Ziffer 3.6 des Vertrags von einer “Vielzahl von kleinen Asphaltflächen” die Rede sei. Die Klägerin erläutere nicht, wie sie zu der von ihr genannten Anzahl von Umlegungen, die sie im Übrigen auch nicht durchgehend einheitlich angegeben habe, komme. Sei die Anzahl der Umlegungen nicht belastbar erkennbar, aber für die Kalkulation des Angebots erforderlich gewesen, habe sie nicht eine Anzahl “ins Blaue hinein” kalkulieren dürfen.

Die vertraglichen Regelungen seien wirksam. Sie stellten keine Allgemeinen Geschäftsbedingungen dar und seien als unmittelbare Regelungen des Leistungsinhalts der Inhaltskontrolle entzogen. Überdies hielten die Regelungen auch einer Inhaltskontrolle stand, da eine Abweichung von gesetzlichen Regelungen nicht ersichtlich sei. Der Vertrag sehe zudem in Ziffer 2.4 Abs. 8 der Allgemeinen Vorbemerkungen zu den Straßenbauarbeiten vor, dass die Klägerin sich hinsichtlich der Art der Verkehrsführung einbringen und so Einfluss auf die Kosten nehmen könne.

Der Anspruch bestehe schließlich auch deshalb nicht, weil die Klägerin keine Gegenüberstellung der Mehrkosten zu den kalkulierten Kosten vornehme. Die Bezugnahme auf Anlagen sei nicht ausreichend. Das Nachtragsangebot enthalte entgegen der Berufungsbegründung keinen textlichen Beschrieb. Trotz Hinweises des Landgerichts würden die Mehrkosten auch in der Berufung nicht erläutert. Eines erneuten Hinweises habe es nicht bedurft.

2. Mit dieser Begründung verletzt das Berufungsgericht in entscheidungserheblicher Weise den Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG.

a) Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das Gebot des rechtlichen Gehörs soll als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, welche ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben (st. Rspr., vgl. z.B. BGH, Beschluss vom 10. August 2022 – VII ZR 243/19 Rn. 18, BauR 2022, 1812 = NZBau 2023, 17; Beschluss vom 4. November 2020 – VII ZR 261/18 Rn. 13, BauR 2021, 593 = NZBau 2021, 178; Beschluss vom 14. Dezember 2017 – VII ZR 217/15 Rn. 9, BauR 2018, 669; jeweils m.w.N.). Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG liegt dann vor, wenn das Gericht die Substantiierungsanforderungen offenkundig überspannt und es dadurch versäumt, den Sachvortrag der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und die angebotenen Beweise zu erheben (vgl. BGH, Beschluss vom 10. August 2022 – VII ZR 243/19 Rn. 18, BauR 2022, 1812 = NZBau 2023, 17; Beschluss vom 4. November 2020 – VII ZR 261/18 Rn. 13, BauR 2021, 593 = NZBau 2021, 178; Beschluss vom 26. Februar 2020 – VII ZR 166/19 Rn. 14, BauR 2020, 1035 = NZBau 2020, 293; Beschluss vom 14. Dezember 2017 – VII ZR 217/15 Rn. 9, BauR 2018, 669; jeweils m.w.N.). Geht es um die Beurteilung einer Fachwissen voraussetzenden Frage, darf das Gericht auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens nur verzichten, wenn es entsprechende eigene besondere Sachkunde auszuweisen vermag (vgl. BGH, Beschluss vom 25. April 2018 – VII ZR 299/14 Rn. 15, BauR 2018, 1317; Beschluss vom 13. Januar 2015 – VI ZR 204/14 Rn. 5, NJW 2015, 1311).

b) Nach diesen Maßstäben beanstandet die Beschwerde zu Recht einen Verstoß des Berufungsgerichts gegen Art. 103 Abs. 1 GG.

Das Berufungsgericht hat eine von der im Vertrag der Parteien vorgesehenen Art der Ausführung abweichende Leistung aufgrund der Vielzahl von notwendig gewordenen Umlegungen der Verkehrsführung und damit einen Mehrvergütungsanspruch der Klägerin gemäß § 2 Nr. 5 VOB/B verneint. Es hat seine Auffassung, es liege insoweit keine Leistungsänderung im Sinne des § 2 Nr. 5 VOB/B vor, weil sich aus dem Vertrag der Parteien nicht ableiten lasse, dass nur eine bestimmte oder zumindest annäherungsweise bestimmbare Anzahl von Umlegungen der Verkehrsführung vorgesehen gewesen sei, auf eine Auslegung der Regelungen in den “Vorbemerkungen Allgemeine Bedingungen” und in den “Allgemeinen Vorbemerkungen zu den Straßenbauarbeiten” gestützt. Den Vortrag der Klägerin und den von ihr angebotenen Sachverständigenbeweis zu der Frage, ob sich aus den sonstigen Ausschreibungsunterlagen, namentlich aus der Phasenübersichtstabelle und den näher bezeichneten bauzeichnerischen Darstellungen, eine bestimmte oder annäherungsweise bestimmbare Anzahl von Umlegungen der Verkehrsführung ergebe, hat es gehörswidrig übergangen.

Die Klägerin hat in der Berufungsbegründung im Einzelnen dargelegt, warum sie davon ausgegangen sei, dass sich aus der im Rahmen der Ausschreibung vorgelegten Phasenübersichtstabelle eine Anzahl von 10 Umlegungen der Verkehrsführung ergäben. Mit diesen Ausführungen befasst sich das Berufungsgericht nicht, sondern führt lediglich aus, die Klägerin habe nicht erläutert, wie sie zu der von ihr genannten Anzahl von Umlegungen gekommen sei. Ob es die Ausführungen der Klägerin möglicherweise für unzutreffend oder für unerheblich hält und gegebenenfalls aus welchen Gründen, lässt sich den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht entnehmen. Vielmehr geht das Gericht auf diese – zum Kernvorbringen der Klägerin gehörenden – Ausführungen überhaupt nicht ein. Es ist daher davon auszugehen, dass es den diesbezüglichen Vortrag der Klägerin entweder gar nicht zur Kenntnis genommen oder insoweit offenkundig überspannte Substantiierungsanforderungen gestellt hat.

Ergänzend hat sich die Klägerin darauf gestützt, dass sich aus im Rahmen der Ausschreibung vorgelegten bauzeichnerischen Darstellungen ebenfalls eine bestimmte oder zumindest annäherungsweise bestimmbare Anzahl von Umlegungen der Verkehrsführung ergebe. Soweit das Berufungsgericht meint, aus der Phasenübersichtstabelle und den betreffenden bauzeichnerischen Darstellungen könne ein derartiger Schluss nicht gezogen werden, erläutert es wiederum nicht, warum es zu diesem Ergebnis kommt, und woher es die Sachkunde nimmt, diese Frage ohne sachverständige Beratung zu beantworten.

Der Vortrag der Klägerin nebst Beweisangebot ist auch nicht etwa deshalb unbeachtlich, weil die Klägerin in einem außergerichtlichen Anwaltsschreiben vom 5. Februar 2014 behauptet hat, den bauzeichnerischen Darstellungen seien 31 Verkehrsphasen zu entnehmen. Das Kernvorbringen der Klägerin, dass sich aus den von ihr bezeichneten Ausschreibungsunterlagen eine bestimmte oder zumindest annäherungsweise bestimmbare Anzahl von Umlegungen der Verkehrsführung ersehen ließen, wird hiervon nicht berührt. Im Übrigen ist eine Partei nicht daran gehindert, ihr Vorbringen im Laufe eines Rechtsstreits zu ändern, insbesondere zu präzisieren, zu ergänzen oder zu berichtigen. Eine etwaige Widersprüchlichkeit des Parteivortrags kann regelmäßig nur im Rahmen der Beweiswürdigung berücksichtigt werden (vgl. z.B. BGH, Beschluss vom 24. Juli 2018 – VI ZR 599/16 Rn. 12, MDR 2018, 1395; Beschluss vom 16. November 2016 – VII ZR 314/13 Rn. 22, BauR 2017, 306; jeweils m.w.N.).

c) Das angefochtene Urteil beruht auf diesen Gehörsverstößen.

aa) Für die Abgrenzung, welche Arbeiten von der vertraglich vereinbarten Leistung erfasst sind und welche Leistungen zusätzlich zu vergüten sind, kommt es auf den Inhalt der Leistungsbeschreibung an. Welche Leistungen durch die Leistungsbeschreibung erfasst sind, ist durch Auslegung der vertraglichen Vereinbarung der Parteien zu ermitteln, §§ 133, 157 BGB. Dabei sind das gesamte Vertragswerk und dessen Begleitumstände zugrunde zu legen (vgl. BGH, Urteil vom 13. März 2008 – VII ZR 194/06 Rn. 32, BGHZ 176, 23; Urteil vom 27. Juli 2006 – VII ZR 202/04 Rn. 24, BGHZ 168, 368; jeweils m.w.N.). Dazu gehören auch im Rahmen einer Ausschreibung vorgelegte Planungen (vgl. BGH, Urteil vom 13. März 2008 – VII ZR 194/06 Rn. 32, BGHZ 176, 23; Urteil vom 26. Juli 2007 – VII ZR 42/05 Rn. 26, BGHZ 173, 314).

Die Feststellungen des Berufungsgerichts, aus dem Vertrag der Parteien ergebe sich nicht, dass nur eine bestimmte oder zumindest annäherungsweise bestimmbare Anzahl von Umlegungen der Verkehrsführung vorgesehen gewesen sei, entbehren danach einer tragfähigen Grundlage. Das Berufungsgericht hätte vielmehr auch die im Rahmen der Ausschreibung vorgelegten Unterlagen bei der Auslegung des Vertrags berücksichtigen müssen. Es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht zu einem für die Klägerin günstigeren Ergebnis gelangt wäre, wenn es – wie erforderlich – ihren Vortrag zu diesen Unterlagen, namentlich zu der Phasenübersichtstabelle und den bauzeichnerischen Darstellungen, berücksichtigt und den angebotenen Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens erhoben hätte.

bb) Die Erwägungen des Berufungsgerichts, die Höhe des Anspruchs sei nicht substantiiert dargelegt, weil es an einer Gegenüberstellung der Mehrkosten zu den kalkulierten Kosten fehle, vermögen das Berufungsurteil nicht selbständig zu tragen. Denn sie beruhen ihrerseits, was die Beschwerde ebenfalls zu Recht rügt, auf einem Gehörsverstoß.

Die Instanzgerichte haben – was von den Parteien im Beschwerdeverfahren unbeanstandet geblieben ist – zugrunde gelegt, dass im Streitfall ein etwaiger Mehrvergütungsanspruch aus der Urkalkulation herzuleiten ist. Die Klägerin hat sowohl ihre Urkalkulation als auch ihre Nachtragskalkulation vorgelegt. Darüber hinaus hat sie in der Berufungsbegründung erläutert, inwieweit Preisansätze unverändert geblieben und inwieweit Änderungen eingetreten seien. Die Klägerin hat hierzu unter anderem dargelegt, dass aufgrund der vermehrten Umlegungen der Verkehrsführung die zu bearbeitenden Flächen kleiner geworden seien, weshalb bestimmte Leistungsansätze aus der Urkalkulation hätten angepasst werden müssen. Insoweit hat sie die betroffenen Leistungspositionen mit Zuschlägen versehen. Zudem befasst sich die Berufungsbegründung mit der Herleitung der geänderten Ansätze.

Das Berufungsgericht hat hierzu lediglich ausgeführt, eine Bezugnahme auf Anlagen sei nicht ausreichend, die Nachtragskalkulation sei nicht aus sich heraus verständlich und es fehle ein textlicher Beschrieb. Es ist jedoch nicht auf den entsprechenden Vortrag in der Berufungsbegründung eingegangen und es erschließt sich auch nicht, welche weiteren Erläuterungen der Mehrkosten das Berufungsgericht für erforderlich hält. Es hat damit die Substantiierungsanforderungen an den Vortrag der Klägerin offenkundig überspannt. Ferner legt das Berufungsgericht auch in diesem Zusammenhang nicht dar, woher es die Sachkunde nimmt, die anhand der vorgelegten Kalkulationen erfolgte Preisberechnung der Klägerin ohne sachverständige Beratung als unsubstantiiert anzusehen.

III.

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist im Übrigen unbegründet. Sie zeigt insoweit nicht auf, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Von einer näheren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 6 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.

LG Frankfurt zur Frage, ob der Sachverständige rechtzeitig mitzuteilen hat, wenn voraussichtlich Kosten erwachsen, die einen angeforderten Kostenvorschuss erheblich übersteigen

LG Frankfurt zur Frage, ob der Sachverständige rechtzeitig mitzuteilen hat, wenn voraussichtlich Kosten erwachsen, die einen angeforderten Kostenvorschuss erheblich übersteigen

vorgestellt von Thomas Ax

Für die Parteien und das Gericht muss objektiv deutlich erkennbar sein, dass weitere (in welchem Umfang) Kosten anfallen. Liegt eine erhebliche Überschreitung vor, so kommt es nicht darauf an, ob es auch bei pflichtgemäßer Anzeige zu einer Fortsetzung seiner Tätigkeit – mit Willen der Parteien – gekommen wäre, da der Wortlaut von § 8a Abs. 4 JVEG insoweit deutlich und abschließend ist.
LG Frankfurt/Main, Beschluss vom 01.09.2022 – 2-20 OH 13/21

Gründe:

I.

Das erkennende Gericht hatte Herrn … auf Wunsch der beteiligten Parteien als gerichtlichen Sachverständigen bestellt (Beschluss vom 11.08.2021, Bl. … d. A.). Das Gericht hatte in diesem Schreiben einen Kostenvorschuss in Höhe von 3.000,00 Euro angefordert, der auch eingezahlt worden ist. Der Sachverständige teilte am 24.09.2021 (Bl. … d. A.) mit, dass die Kosten der Begutachtung voraussichtlich 3.000,00 Euro betragen würden. Mit Schreiben vom 14.04.2022 (Bl. … d. A.) teilt der Sachverständige wortwörtlich mit “… Derzeitig ist, ohne Vorliegen der notwendigen Unterlagen, siehe oben, eine Abschätzung des zusätzlichen Aufwands nicht sicher möglich. Je nach Qualität der o.a. Unterlagen ist von zusätzlichem Aufwenden von ca. 4-6 Tagen für den SV und entsprechenden Mehrkosten auszugehen. …“. Die Parteien übermittelten im Nachgang Unterlagen (vgl. Bl. … d. A.). Eine weitere Unterrichtung durch den Sachverständigen erfolgte nicht; der Sachverständige meldete sich sodann mit der Übersendung des Gutachtens und der Einreichung der Rechnung.

Der Sachverständige reichte sodann ein Gutachten zur Akte und stellte mit Schreiben vom 07.06.2022 insgesamt Kosten in Höhe von 10.324,56 Euro in Rechnung (Bl. … d. A.). Der Sachverständige berechnete 125,00 Euro die Stunde für seine Tätigkeit. Das Gericht forderte sodann den Fehlbetrag (7.324,56 Euro) an, der auch eingezahlt wurde.

Die Staatskasse beantragte sodann durch den Bezirksrevisor mit Schreiben vom 23.06.2022 (Bl. … d. A.) die Festsetzung der Vergütung des Sachverständigen auf 3.000,00 Euro. Nach Ansicht der Staatskasse habe der Sachverständige die Pflicht aus § 407a IV 2 ZPO verletzt. In der Folge sei eine Kürzung nach § 8a IV JVEG auf die Höhe des Vorschusses angezeigt. Eine nachträgliche Zahlung des Fehlbetrags sei ohne Relevanz gewesen.

Herr … wurde schriftlich angehört (vgl. Bl. … d. A. sowie Schreiben vom 08.08.2022). Er teilte mit, dass durch den Verweis auf den entstehenden Mehraufwand im Schreiben vom 14.04.2022 eine Mitteilung im Sinne von § 407a IV 2 ZPO vorgelegen hätte. Eine Kürzung seines Vergütungsanspruchs sei daher nicht angezeigt gewesen.

Die Staatskasse hält an dem Antrag auch nach der Stellungnahme des Sachverständigen fest.


II.

Der Antrag auf Festsetzung der Vergütung nach § 4 I JVEG ist statthaft. Als Vertreter der Staatskasse ist der Bezirksrevisor zur Beantragung der Festsetzung berechtigt (vgl. Schneider-JVEG/Schneider, 4. Auflage 2021, § 4, Rn. 24). Weitere Zulässigkeitshindernisse sind nicht ersichtlich.

Dem Begehren war positiv zu entsprechen, sodass die Vergütung des Sachverständigen auf 3.000,00 Euro festzusetzen war.

Die Staatskasse hat vorgetragen und den Sachverständigen darauf hingewiesen, dass der Sachverständige rechtzeitig mitzuteilen hat, wenn voraussichtlich Kosten erwachsen, die einen angeforderten Kostenvorschuss erheblich übersteigen – § 407a IV 2 ZPO. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Erheblichkeit erst ab 20% oder ab 25% oder gar 30% vorliegt (vgl. z. B. OLG Stuttgart MDR 2008, 652 und BT-Drs. 17/11471, S. 260), da der Sachverständige vorliegend mehr als das Dreifache des Vorschusses liquidiert (10.324,56 Euro anstatt 3.000,00 Euro).

Der Sachverständige hat nach der Auffassung des Gerichts auch keinen ausreichenden Hinweis darauf gegeben, dass der eingeholte Vorschuss in Höhe von 3.000,00 Euro nicht ausreichen wird. Zunächst hat der Sachverständige selbst – nach Übersendung der Unterlagen – mit Schreiben vom 24.09.2021 angegeben, dass der Vorschuss in Höhe von 3.000,00 Euro ausreichen wird (Bl. … d. A.). Das Gericht sieht in dem Schreiben vom 14.04.2022 (Bl. … d. A.) nicht einen solchen Hinweis, wie in § 407a IV 2 ZPO meint. Denn: Der Sachverständige soll durch die Mitteilung den Parteien deutlich machen, welches Kostenrisiko entsteht, dass diese entsprechend disponieren können (vgl. Musielak-Voit-ZPO/Huber, 19. Aufl. 2022, § 407a ZPO, Rn. 9 [erster Spiegelstrich] und BeckOK-ZPO/Scheuch, 45. Edi., § 407a ZPO, Rn. 4 unter Verweis auf BT-Drs. 11/3621, S. 40) – es sollen just keine überraschenden Kosten auf die Parteien, die im Zivilverfahren nach der ZPO den Streitstoff bestimmen müssen und verändern können, zukommen. Hieraus folgt, dass für die Parteien (und letztlich auch für das Gericht, welches den Vorschuss anzufordern hat [vgl. BeckOK-ZPO/Scheuch, 45. Edi., § 407a ZPO, Rn. 4 f.]), objektiv deutlich erkennbar sein muss, dass weitere (in welchem Umfang) Kosten anfallen. Zieht man diese Kriterien heran, genügt die Mitteilung des Sachverständigen nicht, um der Hinweispflicht zu genügen. Herr … hat – wie zuvor dargetan – ausgeführt, dass ein zusätzlicher Aufwand durch die Einreichung von Unterlagen (die auch eingereicht wurden) anfallen würde, der Mehrkosten auslösen würden. Er hat aber nicht dargetan, ob es sich um Mehrkosten bezogen auf die 3.000,00 Euro aus dem Vorschuss handeln würde oder um Mehrkosten im Sinne von “Kosten, die jetzt noch anfallen, sonst wären 3.000,00 Euro noch gar nicht verbraucht“. Er selbst hat auch die Höhe der Mehrkosten nicht angegeben, sondern abstrakt ausgeführt, dass 4 bis 6 Tage Mehrarbeit anfallen könnten (ohne eine Stundenanzahl anzugeben oder auszuführen, welche Tätigkeiten gemeint sind). Er hat im Nachgang auch nicht konkret dargetan, dass Mehrarbeit angefallen ist – auch nicht in welchem Umfang. Das Gericht hat ausweislich der Akte – auch im Nachgang des Schreibens vom 14.04.2022 – erkennbar keinen weiteren Vorschuss eingeholt, der Sachverständige selbst hat auch nicht erneut nach einem Vorschuss gefragt. Das Gericht selbst hätte aufgrund dieser vagen Angaben keinen Vorschuss anfordern können, legt der Sachverständige gerade nicht dar, welcher Betrag anfallen wird. Insoweit ist ferner zu konstatieren: Der Sachverständige rechnet ausweislich seiner Rechnung auch den Einsatz von Hilfspersonen ab, sodass es dem Gericht auch nicht möglich war, ungefragt irgendeinen Betrag anhand der abstrakten Vorgaben zu errechnen (z. B. 4 Tage a 8 Stunden bei 105,00 Euro die Stunde), da nicht ersichtlich war, was der Sachverständige meinte.

Liegt eine erhebliche Überschreitung vor, so kommt es nicht darauf an, ob es auch bei pflichtgemäßer Anzeige zu einer Fortsetzung seiner Tätigkeit – mit Willen der Parteien – gekommen wäre (OLG Frankfurt am Main DS 2020, 87, 89 unter Hinweis auf OLG Frankfurt am Main Beschluss vom 31.8.2017 – 18 W 130/17; Beschluss vom 22.9.2017 – 18 W 1612/17; Beschluss vom 28.12.2018 – 18 W 194/18 und Beschluss vom 9.7.2019 – 18 W 75/19); OLG Stuttgart BauR 2019, 546; OLG Düsseldorf JurBüro 2018, 540; Schneider-JVEG/Schneider, 4. Aufl. 2021, § 8a JVEG, Rn. 37 auch mit Hinweisen zu anderen Ansicht), da der Wortlaut von § 8a IV JVEG insoweit deutlich und abschließend ist. Der Gesetzgeber hat in Kenntnis der Entscheidungen verschiedener Oberlandesgerichte zur Frage der Kausalität (z. B. OLG Stuttgart DS 2008, 78, und OLG Naumburg BeckRS 2012, 21502) den § 8a IV JVEG nicht angepasst, sondern in der vorliegenden Form so formuliert.

§ 8a V JVEG bestimmt, dass § 8a IV JVEG nicht anwendbar ist, wenn der Vergütungsberechtigte die Verletzung der ihm obliegenden Hinweispflicht nicht zu vertreten hat. Das Vertretenmüssen wird nach der Systematik des § 8a JVEG vermutet, so dass es dem jeweiligen Berechtigen – hier dem Sachverständigen – obliegt, entlastende Umstände darzulegen (OLG Hamm, BeckRS 2015, 9348). Das Sachverständige wurde ausweislich des Anschreibens (Bl. … d. A.) vom 15.09.2021 auf die Anzeigepflicht zur Kostenüberschreitung hingewiesen (weitergehend im Allgemeinen BeckOK-Kostenrecht/Bleutge, 38. Edi., § 8a JVEG, Rn. 28 [zweiter Punkt]). Derartige Umstände hat der Sachverständige in seinen Schreiben vom 05.07.2022 (Bl. … d. A.) und vom 08.08.2022 nicht vorgebracht. Im Schreiben vom 05.07.2022 konstatiert der Sachverständige indirekt selbst, dass er nur eine ungefähre Angabe getätigt hat. Es ist auch zu beachten, dass die Beteiligten – mangels Kenntnis des Vergütungssatzes – nicht errechnen konnten, was der Sachverständige meinte. Auch im Schreiben vom 08.08.2022 findet sich keine weitergehende Erläuterung. Der Sachverständige scheint die Rechtsauffassung zu vertreten, dass die abstrakte Angabe von Parametern – mit denen er ggf. seine Vergütung errechnet – ausreicht, um der Hinweispflicht auf die Kostenüberschreitung nachzukommen. Das Gericht teilt diese Rechtsauffassung nicht. Mit Blick auf die absolut übliche Praxis der Sachverständigentätigkeit, dem Umstand, dass der Sachverständige selbst auch öffentlich bestellt und vereidigt ist, und dem Hinweis, den das Gericht im Anschreiben formulierte, ist das Gericht nicht der Auffassung, dass ein Vertretenmüssen nicht vorliegt. Der Sachverständige formuliert gerade nicht, weshalb es ihm nicht möglich gewesen sein soll, einen konkreten Betrag oder zumindest einen Betragsrahmen (z. B. weitere 5.000,00 bis 7.000,00 Euro) zu nennen. Eine leicht fahrlässige Pflichtverletzung reicht aus, um den Schuldvorwurf und damit die Kürzung der Entschädigung zu rechtfertigen (BeckOK-Kostenrecht/Bleutge, 38. Edi., § 8a JVEG, Rn. 34), hiervon geht das Gericht vorliegend aber mindestens aus, da die Ansicht des Sachverständigen, bloß allgemeine abstrakte Kriterien zu nennen, aus der Sicht des Gerichts nicht nur schwer, sondern mit Blick auf den Sinn und Zweck der Anzeigepflicht unvertretbar erscheint. Dann aber ist bereits eine leicht fahrlässige Pflichtverletzung gegeben – zumal der Sachverständige unabhängig von den vorherigen Ausführungen nicht einmal um die Einholung eines Vorschusses bittet.

Es ist einem Sachverständigen durchaus zuzumuten, stets über die für ein Gutachten bereits aufgewendete Arbeitszeit informiert zu sein, um das Gericht rechtzeitig darauf hinweisen zu können, dass voraussichtlich Kosten anfallen, die den angeforderten Vorschuss erheblich übersteigen.

Auch die Rechtsprechung des OLG Stuttgart (DS 2018, 38) verhilft dem Sachverständigen nicht zu seinem Vergütungsanspruch. Es ist zwar richtig, dass das OLG Stuttgart inhaltlich ausführt: Gibt der Sachverständige rechtzeitig den Hinweis auf die zu erwartende Überschreitung des bezahlten Auslagenvorschusses, so darf er, solange er keine gegenteilige Anweisung erhält, mit der Begutachtung fortfahren, ohne befürchten zu müssen, für diese Tätigkeiten später nur eine Vergütung bis zur Grenze des § 8a IV JVEG zu erhalten. Aber: In dieser Entscheidung hatte der Sachverständige konkret eine Zahl genannt und die Einholung dieses Betrags erbeten – hieran ermangelt es vorliegend schon.

Hat es der Sachverständige – wie im vorliegenden Fall – unterlassen, auf die Mehrkosten hinzuweisen, so erhält er die Vergütung nur in Höhe des Auslagenvorschusses, wenn die geltend gemachte Vergütung den Auslagenvorschuss erheblich überschreitet (OLG Stuttgart IBR 2021, 158; OLG Thüringen BauR 2015, 301; OLG Hamm MDR 2015, 300). Die Vergütung ist bei einer erheblichen Überschreitung deshalb auf die Höhe des Vorschusses gedeckelt, ohne dass zusätzlich, wie bei einer nur unerheblichen Überschreitung, ein Toleranzrahmen zu erstatten wäre (OLG Hamm MDR 2015, 300). Maßgeblich ist daher der Betrag in Höhe von 3.000,00 Euro.

Es ist zwar richtig, dass das Gericht den Fehlbetrag angefordert hat, der auch eingezahlt wurde. Das Gericht ist hierbei a prima vista davon ausgegangen, dass der Sachverständigen zunächst die fehlende richtige Anzeige des fehlenden weiteren Vorschusses nicht zu vertreten hatte. Dies konnte der Sachverständige im Nachgang aber nicht darlegen.

OLG Köln zur Frage, ob wenn der Auftragnehmer vertraglich eine “unbefristete, unwiderrufliche, selbstschuldnerische Vertragserfüllungsbürgschaft eines in der EU zugelassenen Kreditinstituts oder -versicherers” zu stellen hat, die Ausgestaltung der Vertragserfüllungsbürgschaft abschließend geregelt ist

OLG Köln zur Frage, ob wenn der Auftragnehmer vertraglich eine "unbefristete, unwiderrufliche, selbstschuldnerische Vertragserfüllungsbürgschaft eines in der EU zugelassenen Kreditinstituts oder -versicherers" zu stellen hat, die Ausgestaltung der Vertragserfüllungsbürgschaft abschließend geregelt ist

vorgestellt von Thomas Ax

Hat der Auftragnehmer vertraglich eine “unbefristete, unwiderrufliche, selbstschuldnerische Vertragserfüllungsbürgschaft eines in der EU zugelassenen Kreditinstituts oder -versicherers” zu stellen, ist die Ausgestaltung der Vertragserfüllungsbürgschaft abschließend geregelt. Ein etwaiges Formularmuster des Auftraggebers ist insoweit ohne Bedeutung. Der Auftraggeber eines Bauvertrags ist nicht einseitig berechtigt, in einem dem Auftragnehmer nach Vertragsschluss übergebenen Muster über die vertraglichen Regelungen hinaus verschärfende Bedingungen zu verlangen. Eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Bauvertrags, die den Auftragnehmer verpflichtet, zur Sicherung der Gewährleistungsansprüche des Auftraggebers ausschließlich eine unbefristete, unwiderrufliche, selbstschuldnerische Bürgschaft zu stellen, ist wirksam (BGH, IBR 2004, 245). Eine isoliert betrachtet wirksame Sicherungsvereinbarung, die als Allgemeine Geschäftsbedingung zu werten ist, kann im Zusammenwirken mit einer individuellen (Stundungs-)Vereinbarung den Auftragnehmer unangemessen benachteiligen (hier bejaht).
OLG Köln, Urteil vom 08.12.2022 – 7 U 43/22

Gründe

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Auszahlung einer von dieser am 01.12.2015 ausgegebenen Vertragserfüllungsbürgschaft Nr. N01 über einen Betrag in Höhe von 125.000,00 EUR in Anspruch.

Die Klägerin errichtete auf einem in ihrem Eigentum stehenden Grundstück ein Mehrfamilienhaus. Mit der Errichtung des Bauvorhabens beauftragte die Klägerin zunächst die T. (nachfolgend: “Generalunternehmerin”) und schloss mit dieser einen Generalunternehmervertrag (Anlage K3; im Folgenden: “GU-Vertrag”). Das Bauvorhaben sollte gemäß § 6 Abs. 1, 2 GU-Vertrag bis zum 01.12.2016 fertiggestellt werden. Die Vergütung wurde auf einen Festpreis von 3.140.000,00 EUR festgelegt (§ 13 des Vertrags), inklusive einer Schlusszahlung gemäß vereinbartem Zahlungsplan in Höhe von 240.000,00 EUR.

Gemäß § 15 GU-Vertrag sollte die Generalunternehmerin eine Vertragserfüllungsbürgschaft stellen.

In dessen Absatz 1 heißt es:

“Der GU ist verpflichtet, dem AG eine unbefristete, unwiderrufliche, selbstschuldnerische Vertragserfüllungsbürgschaft eines in der Europäischen Gemeinschaft zugelassenen Kreditinstituts oder Kreditversicherers in Höhe von zehn Prozent der Nettoauftragssumme spätestens zwei Wochen vor dem Baubeginn zur Verfügung zu stellen.”

Dessen Abs. 2 lautet:

“Die Vertragserfüllungsbürgschaft ist nach der Abnahme des Bauvorhabens durch den AG und Beseitigung der wesentlichen bei der Abnahme vorbehaltenen Mängel sowie nach Vorlage der Schlussrechnung zurückzugeben Zug um Zug gegen Übergabe einer Gewährleistungsbürgschaft in Höhe eines Betrages von fünf Prozent des Bruttoschlussrechnungsbetrages. Die Gewährleistungsbürgschaft ist auf fünf Jahre ab dem Datum der Abnahme durch den AG zu befristen.”

Die Generalunternehmerin bat die Klägerin um Vorschlag eines Bürgschaftstextes. Daraufhin übermittelte die Klägerin einen Text, der eine Bürgschaft auf erstes Anfordern und einen einstweiligen Verzicht auf Einwendungen aus dem Hauptschuldverhältnis sowie einen Verzicht auf die Einreden der Anfechtbarkeit und der Aufrechenbarkeit vorsah. In diesem Bürgschaftstext strich die Beklagte den Satz über die Leistung auf erstes Anfordern und den einstweiligen Verzicht auf Einwendungen aus dem Hauptschuldverhältnis. Zur Erfüllung ihrer Verpflichtung aus dem GU-Vertrag legte die Generalunternehmerin der Klägerin sodann die von der Beklagten begebene Vertragserfüllungsbürgschaft Nr. N01 vom 01.12.2015 über einen Betrag in Höhe von 125.000,00 EUR vor. Hinsichtlich des genauen Inhalts wird auf die Anlage K4 Bezug genommen.

In der Folgezeit kündigte die Klägerin den GU-Vertrag (Anlage K10). Bis zu diesem Zeitpunkt zahlte die Klägerin an die Generalunternehmerin insgesamt 418.780,00 EUR. Mit anwaltlichem Schreiben vom 29.11.2019 forderte die Klägerin die Beklagte als Bürgin wegen einer ihr ihrer Auffassung nach gegen die Generalunternehmerin zustehenden Forderung zur Zahlung des Bürgschaftsbetrages in Höhe von 125.000,00 EUR bis zum 13.12.2019 auf (Anlage K24). Über das Vermögen der Generalunternehmerin wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 30.06.2020 zu Az. 70c IN 80/20 das Insolvenzverfahren eröffnet (Anlage K23).

Mit Urteil vom 02.02.2022, auf das wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sachvortrags der Parteien, der gestellten Anträge und der Begründung im Einzelnen gemäß § 540 Abs. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung von 125.000,00 EUR aufgrund der von letzterer übernommenen Bürgschaft verurteilt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, zwischen der Klägerin und der Generalunternehmerin sei im Rahmen des GU-Vertrages eine wirksame Sicherungsabrede über die Stellung einer Vertragserfüllungsbürgschaft geschlossen worden. Ob es sich bei § 15 GU-Vertrag um Allgemeine Geschäftsbedingungen i.S.d. § 305 Abs. 1 BGB handelt, könne im Ergebnis dahinstehen. Denn selbst wenn man dies zugrunde lege, führe dies nicht zur Unwirksamkeit des § 15 GU-Vertrag. Weder § 15 Abs. 1 GU-Vertrag noch § 15 Abs. 2 GU-Vertrag seien gemäß § 307 Abs. 1 u. 2 BGB unwirksam. Eine Übersicherung der Klägerin liege nicht vor, auch sei ihr Anspruch gegen die Beklagte entgegen der von der Beklagten erstinstanzlich vertretenen Auffassung nicht verjährt.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten.

Sie ist weiterhin der Ansicht, bei dem GU-Vertrag handele es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen. § 15 GU-Vertrag sei wegen Erfüllungsübersicherung unwirksam. Die Klägerin hätte bei Abnahmereife der Hauptschuldnerleistung bis zur Schlusszahlung über Gesamtsicherheiten von ca. 19,1 % der Netto-Vergütung verfügen können. Eine Gesamtunwirksamkeit ergebe sich ferner daraus, dass das klägerseitige Musterbürgschaftsschreiben die Stellung einer Vertragserfüllungsbürgschaft auf erstes Anfordern verlange. Auch der Verzicht auf alle Einreden des Bürgen aus § 768 BGB und der Anfechtung und Aufrechenbarkeit aus § 770 Abs. 1 u. 2 BGB sowie der Verzicht auf das Hinterlegungsrecht führten zur Gesamtunwirksamkeit.


Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des LG Köln vom 02.02.2022, Az.: 4 O 84/21, abzuändern und die Klage insgesamt kostenpflichtig abzuweisen,

vorsorglich der Beklagten für jeden Fall von ihr zu erbringender Sicherheitsleistung nachzulassen, diese auch durch Vorlage einer unbedingten, unbefristeten und selbstschuldnerischen Bürgschaft eines im Inland zugelassenen Kreditinstituts oder Kreditversicherers erbringen zu dürfen.


Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.


Sie verteidigt das angefochtene Urteil aus den ihrer Auffassung nach zutreffenden Gründen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands zweiter Instanz wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.


II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten hat auch in der Sache Erfolg. Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Zahlung von 125.000,00 EUR aus der von letzterer übernommenen Bürgschaft zu. Die Beklagte kann dem Zahlungsbegehren der Klägerin gem. § 768 S.1 BGB den Einwand der Unwirksamkeit der zwischen der Klägerin und der Generalunternehmerin getroffenen Sicherungsabrede entgegen halten. Die Beklagte als Bürgin ist deshalb der Klägerin als Bürgschaftsgläubigerin zur Zahlung nicht verpflichtet (vgl. st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 09.12.2010, VII ZR 7/10, NJW 2011, 2125 ff.; Urteil vom 12.02.2009, VII ZR 39/08, BGHZ 179, 374 ff.).

Vorliegend erweist sich die in § 15 des zwischen der Klägerin und der Generalunternehmerin geschlossenen Generalunternehmervertrages (GUV) getroffene Sicherungsabrede wegen Übersicherung gemäß § 307 Abs. 1 BGB als unwirksam.

Im Einzelnen:

1. Rechtsfehlerhaft ist die Beklagte allerdings der Auffassung, im Rahmen der rechtlichen Beurteilung der Wirksamkeit der vertraglichen Vereinbarungen seien die in dem der Generalunternehmerin später übergebenen Bürgschaftsmuster enthaltenen Regelungen in die Würdigung einzubeziehen.

Dies ist jedoch nicht der Fall. Der Senat schließt sich insoweit den Ausführungen des Landgerichts im angefochtenen Urteil an. Die Auslegung der vertraglichen Vereinbarungen der Parteien ergibt auch unter Berücksichtigung der als nachrangig vereinbarten Geltung der VOB/B, dass die Generalunternehmerin (nur) eine unbefristete, unwiderrufliche, selbstschuldnerische Vertragserfüllungsbürgschaft zu stellen hatte.

Nach § 15 (1) des GU-Vertrages war von der Generalunternehmerin eine

“unbefristete, unwiderrufliche, selbstschuldnerische Vertragserfüllungsbürgschaft eines in der Europäischen Gemeinschaft zugelassenen Kreditinstituts oder Kreditversicherers”

zu stellen. Bereits damit war die Ausgestaltung der Vertragserfüllungsbürgschaft abschließend geregelt. Ein etwaiges Formularmuster der Klägerin ist insoweit vertraglich ohne Bedeutung. Selbst wenn gemäß § 17 Nr. 4 S. 2 VOB/B Bürgschaften nach Vorschrift des Auftraggebers auszustellen sind, wird der Inhalt der Sicherungsabrede hierdurch nicht berührt; der Auftraggeber ist nicht berechtigt, die vertragliche Sicherungsabrede durch ein Muster zu ändern (vgl. BGH, Urteil vom 26.02.2004 – VII ZR 247/02, NZBau 2004, 323, beck-online). Insbesondere ist der Auftraggeber nicht einseitig berechtigt, in einem dem Auftragnehmer übergebenen Muster über die Regelungen in § 17 Abs. 4 VOB/B hinaus verschärfende Bedingungen, z. B. eine unangemessene Höhe der Sicherheit oder eine Bürgschaft auf erstes Anfordern zu verlangen (Kapellmann/Messerschmidt/Thierau, 7. Aufl. 2020, VOB/B § 17 Rn. 141).

Eine andere Auslegung der Vertragsbestimmungen wäre sogar dann nicht gerechtfertigt, wenn der Generalunternehmerin bereits bei Vertragsschluss ein von den in der Vertragsurkunde enthaltenen Sicherungsvereinbarungen abweichendes Muster der Bürgschaft übergeben worden wäre (vgl. BGH, Urteil vom 26.02.2004 – VII ZR 247/02, NZBau 2004, 323, beck-online). Die Beschreibung der zu übergebenden Bürgschaften in dem nach den vertraglichen Vereinbarungen ausdrücklich vorrangig vor den Vorschriften der VOB/B geltenden schriftlichen GU-Vertrag stellte sich auch in diesem Fall als eine abschließende Regelung dar. Die Generalunternehmerin durfte aus ihrer maßgeblichen Sicht als Erklärungsempfängerin vorliegend daher die sogar erst auf ihre Bitte hin erfolgte nachträgliche Übergabe eines Musters durch die Klägerin nicht dahin verstehen, dass sich der Inhalt der geschuldeten Bürgschaften nicht nur nach dem Vertragstext, sondern auch nach dem ihr erst nachträglich auf ihre Anforderung hin übergebenen Bürgschaftsmuster richten musste (vgl. auch BGH, Urteil vom 26.02.2004 – VII ZR 247/02, NZBau 2004, 323, beck-online).

Dem steht auch nicht das Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 12.10.2016, Az.: 11 U 3/16, entgegen. Bestandteil des zwischen der dortigen Auftraggeberin als Klägerin und der Bauunternehmerin geschlossenen Bauwerkvertrags waren ausweislich der Einbeziehung zu Ziffern 4 und 6 auf Seite 2 oben des dortigen Werkvertrags die ZVB der Klägerin sowie – ausdrücklich – “Die Verwendung des Bürgschaftsmusters des AG (Anlage 7)”. Die ZVB nahmen zu Ziffer 12.2 nochmals ausdrücklich Bezug auf diese Anlage 7 (“Die Bürgschaft hat im Übrigen der Anl. 7 zu entsprechen”) (siehe OLG Köln Urteil vom 12.10.2016 – 11 U 3/16, BeckRS 2016, 128245 Rn. 14, beck-online). So liegt der Fall hier aber gerade nicht. Das der Generalunternehmerin später übergebene Muster war nach den allgemeinen schuldrechtlichen Grundsätzen, wie oben bereits ausgeführt, nicht, auch nicht über den explizit als nachrangig geltend vereinbarten § 17 Ab. 4 VOB/B, in den Vertrag einbezogen.

2. Ist nach den vorstehenden Ausführungen der Bürgschaftstext in die Prüfung der Rechtswirksamkeit der vertraglichen Sicherungsvereinbarungen nicht einzubeziehen, bestehen gegen die Regelung in § 15 (1) des GU-Vertrages zwar für sich betrachtet keine Bedenken. Sie ist weder intransparent noch überraschend. Isoliert betrachtet benachteiligte sie die Generalunternehmerin auch nicht unangemessen. Die Verpflichtung zur Stellung einer (einfachen) selbstschuldnerischen Vertragserfüllungsbürgschaft in AGB des Auftraggebers ist vielmehr vom Grundsatz her wirksam (Kniffka/Koeble, Teil 9 Anspruchssicherung bei Bausachen Rn. 32, beck-online).

Zu Recht weist die Beklagte allerdings darauf hin, dass die belastende Wirkung einer für sich allein gesehen noch hinnehmbaren Klausel durch eine oder mehrere weitere Vertragsbestimmungen derart verstärkt werden kann, dass der Vertragspartner des Verwenders im Ergebnis unangemessen benachteiligt wird. (vgl. OLG Köln, Urteil vom 10.05.2012 – 24 U 118/11 -). So kann eine isoliert betrachtet wirksame Sicherungsvereinbarung, die als Allgemeine Geschäftsbedingung zu werten ist, auch im Zusammenwirken mit einer individuellen (Stundungs-)Vereinbarung den Auftragnehmer und Sicherungsgeber unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 BGB benachteiligen (vgl. OLG Köln, Urteil vom 10.05.2012, ebenda).

So liegt der Fall hier.

a) Der Anwendungsbereich des § 307 Abs. 1 BGB ist eröffnet. Bei § 15 (1) GUV handelt es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne von § 305 Abs. 1 BGB.

Die Klägerin behauptet hierzu zwar, sie und auch ihre Gesellschafter hätten nur dieses eine Bauvorhaben beabsichtigt und auch nur dieses realisiert. Der GU-Vertrag sei extra für dieses Bauvorhaben entworfen und auch nur deshalb 2x verwendet worden, weil die zuerst beauftragte Generalunternehmerin habe gekündigt werden müssen.

Um eine rechtliche Einordnung als AGB zu treffen, müssen indes der Formulierer der Klausel und der Verwender nicht identisch sein. §§ 305 ff. BGB können deshalb auch dann anwendbar sein, wenn eine Vertragspartei die von Dritten vorformulierten Vertragsbedingungen stellt. Das gilt nach der Rechtsprechung des BGH nicht nur bei öffentlich zugänglichen Formularverträgen, sondern auch dann, wenn auf Vertragsbedingungen anderer Personen wie Architekten, Unternehmer, Notare und Anwälte zurückgegriffen wird, die zur Vielfachverwendung entworfen worden sind. Das gilt selbst dann, wenn der Verwender selbst diese Allgemeinen Geschäftsbedingungen nur einmal verwenden will (so ausdrücklich Kniffka/Koeble, Teil 2 Bauvertrag, Verbraucherschutz im Baurecht und Allgemeine Geschäftsbedingungen im Bauvertrag Rn. 165, beck-online).

Es kommt mithin nicht darauf an, ob die Klägerin oder ihre Gesellschafter die Vertragsklausel nur einmal verwenden wollte(n). Entscheidend ist nur, ob derjenige, der die Klausel formuliert hat, die Klausel nur einmal verwenden wollte.

Grundsätzlich liegt die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer Allgemeinen Geschäftsbedingung bei der Beklagten, die sich hier auf den Schutz des § 307 BGB beruft. Die Beklagte hat jedoch ihrer Darlegungs- und Beweislast durch die Vorlage des – gedruckten – GU- Vertrages sowie den von der Klägerin unbestrittenen Vortrag, die Vertragsbestimmungen seien auch bei dem Nachfolgeunternehmen inhaltsgleich verwandt worden, genügt. Aus den beiden Verträgen folgt auch unter Berücksichtigung ihrer drucktechnischen Gestaltung der Anschein eines zur Mehrfachverwendung entwickelten Vertrages (vgl. zum Anscheinsbeweis OLG Koblenz, Urteil vom 26.03.2010 – 8 U 1325/05 -; BGHZ 118, 238; Grüneberg, BGB, 81. Aufl. 2022, § 305 Rn 239). Dies gilt insbesondere deshalb, weil auch die im GU-Vertrag verwendeten Vertragsklauseln den Anschein der Mehrfachverwendung erwecken (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 27.11.2003 – VII ZR 53/03 -, BGHZ 157, 102-117, Rn. 24). Eine Vielzahl der im GU-Vertrag enthaltenen Vertragsklauseln, insbesondere auch die hier streitgegenständliche, finden sich form- und inhaltsgleich in einer Vielzahl von Bauverträgen. Dies ist dem Senat als Spezialsenat gemäß § 119 a Abs. 1 Nr. 2 GVG gerichtsbekannt.

Den danach zugunsten der Beklagten eingreifenden Anscheinsbeweis hat die Klägerin nicht zu widerlegen vermocht. Nach dem Vortrag der Klägerin in der mündlichen Verhandlung hat ihr Prozessbevollmächtigter den Vertragsentwurf für sie erstellt. Dieser hat auf Nachfrage des Senats erklärt, er habe die in § 15 des Generalunternehmervertrages zu lesende Klausel in den Vertrag hineingeschrieben. Er könne nicht ausschließen, dass er dabei aus einem Formularbuch oder auch aus verschiedenen Formularbüchern diese Klausel zusammengestellt habe oder auch aus Verträgen, die er früher schon einmal gelesen habe. Rekonstruieren könne er das heute nicht mehr. Bedient sich der Ersteller einer Klausel jedoch eines Musterformulars, handelt es sich um ein von einem Dritten für eine Vielzahl von Verträgen angefertigtes Formular, auch wenn der Ersteller der Klausel es seinerseits nur für einen einzigen Vertrag verwendet (vgl. BGH, Urteil vom 16.11.1990 – V ZR 217/89 -, Rn. 12; MüKoBGB/Fornasier, 9. Aufl. 2022, BGB § 305 Rn. 19).

b) Die als solche isoliert betrachtet wirksam vereinbarte Klausel benachteiligt im Zusammenwirken mit der individualvertraglich vereinbarten Regelung des Zahlungsplanes die Auftragnehmerin unangemessen und ist deshalb gemäß § 307 Abs. 1 BGB auch im unternehmerischen Geschäftsverkehr unwirksam.

Der Zahlungsplan der Parteien (Bl. 419 LGA) sieht eine ratenweise Begleichung der Werklohnforderung gestaffelt nach Datum und zu diesem Tag als erbracht geplanten Bauleistungen vor.

Die Regelung der Parteien im Zahlungsplan führt jedoch dazu, dass die Klägerin an Abschlagszahlungen während der Bauphase letztlich im Ergebnis nur etwas über 90 % des Baufortschrittes geleistet hätte, da laut dem vereinbarten Zahlungsplan trotz endgültiger Fertigstellung des Bauvorhabens nach der Baufeinreinigung zum 9.12.2016 noch ein offener Betrag i.H.v. 240.000,00 EUR als Schlusszahlung ausgestanden hätte (vgl. Bl. 420 LGA).

Dies ist nach Auffassung des Senates gleichbedeutend mit einem ca. 10 %-igen Einbehalt von Abschlagszahlungen, da es im Hinblick auf die Beurteilung einer unangemessenen Benachteiligung des Auftragnehmers wegen einer Übersicherung des Auftraggebers keinen Unterschied machen kann, ob der Auftraggeber von jeder einzelnen Abschlagszahlung 10 % einbehält oder über die Regelung im Zahlungsplan bereits von vornherein nur eine Zahlung von 90 % vorgesehen ist. Wäre eine Zahlung von 100 % der Bauleistungen im Zuge des Baufortschritts vereinbart gewesen, dürfte sich nach Fertigstellung und Endreinigung des Bauvorhabens kein offener Vergütungsanspruch des Generalunternehmers mehr ergeben. Dies ist jedoch, wie vorstehend ausgeführt, nicht der Fall.

Es entspricht indes allgemeiner Auffassung in Literatur und Rechtsprechung, dass die Vereinbarung eines 10-prozentigen Einbehalts von den Abschlagsrechnungen während der Bauzeit im Zusammenwirken mit der Vereinbarung der Gestellung einer 10-prozentigen Vertragserfüllungsbürgschaft jedenfalls in zwei (AGB-) Klauseln unwirksam ist (vergleiche Thierau in Kapellmann/Messerschmidt, VOB-Kommentar, Teil A/B, 7. Aufl., 2020, 91, OLG München, Urteil vom 15.10.1991-9 U 2951/91, Baurecht 1992,234 ; Beck’scher VOB-Kommentar, Teil B, 3. Aufl. 2013, RN 240; BGH, Urteil vom 09.12.2010 – VII ZR 7/10, Rn. 24 mit weiteren Nachweisen).

Gleiches gilt auch für eine an sich wirksame AGB-Klausel, die erst durch das Zusammenwirken mit einer Individualvereinbarung bewirkt, dass die Gesamtbelastung durch die vom Auftragnehmer zu stellenden Sicherheiten das Maß des Angemessenen überschreitet (vgl. BGH, Urteil vom 16.06. 2016 – VII ZR 29/13).

So liegt der Fall hier. Das Zusammenwirken beider Vertragsklauseln bewirkte vorliegend, dass der Klägerin als Auftraggeberin während der Bauphase ein Anspruch auf eine Sicherheit von insgesamt 19,1 % der Nettoauftragssumme zustand. Zulässig ist nach h.M. eine Sicherung in Höhe von ca. 10%. Diese Grenze ist durch die vorliegende Regelung einer 19,1 %-igen Sicherheit deutlich zulasten des Auftragnehmers überschritten.

Die Klägerin vermag sich auch nicht mit Erfolg darauf zu berufen, der der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 16.06.2016 (- VII ZR 29/13) zugrundeliegende Sachverhalt sei mit dem hier vorliegenden nicht vergleichbar.

Der Bundesgerichtshof ging im dortigen Fall von einer Übersicherung aus, weil nach den zwischen der dortigen Auftraggeberin und der Werkunternehmerin vereinbarten Zahlungsplänen zum einen die letzten 3 Abschlagsforderungen abweichend von dem gesetzlichen Leitbild des § 632 BGB a.F. erst nach einem gegebenenfalls längeren Zeitraum nach der mangelfreien Fertigstellung des Bauwerks fällig werden sollten. Zudem war nach Auffassung des Bundesgerichtshofs die Fälligkeit der letzten 3 Abschlagsforderungen von Voraussetzungen abhängig, die außerhalb des Einflussbereichs der Werkunternehmerin lagen. So war die drittletzte Abschlagsforderung i.H.v. 5 % der vereinbarten Vergütung erst nach” Fertigstellung und Übergabe an den Kunden des Auftraggebers” fällig. Maßgeblich für die Beurteilung durch den Bundesgerichtshofs war daher, dass zwischen der mangelfreien Fertigstellung des Bauwerks und der Übergabe sämtlicher Wohneinheiten ein erheblicher Zeitraum hätte liegen können, insbesondere wenn die dortige Auftraggeberin noch nicht für sämtliche Wohneinheiten Erwerber gefunden hatte. Während dieses Zeitraums wäre die Werkunternehmerin dem Insolvenzrisiko der Auftraggeberin ausgesetzt gewesen.

Nach § 14 Abs. 5 des hiesigen GU-Vertrages betrug die Zahlungsfrist für die Schlussrechnung, die spätestens 2 Wochen nach der Fertigstellung und der Abnahme sämtlicher Arbeiten vorzulegen war, 21 Bankarbeitstage nach dem Eingang der Schlussrechnung beim Auftraggeber. Hieraus folgt zwar zum einen, dass es der Generalunternehmerin unbenommen war, die Schlussrechnung unmittelbar nach Fertigstellung und auch vor Abnahme sämtlicher Arbeiten vorzulegen. Abs. 5 des § 14 sieht nämlich lediglich vor, dass die Schlussrechnung spätestens 2 Wochen nach Fertigstellung und Abnahme vorzulegen ist, hindert den Auftragnehmer jedoch nicht an der vorherigen Vorlage der Schlussrechnung beim Auftraggeber. Eine Frist von 21 Bankarbeitstagen zur Zahlung der Schlussrechnung ist grundsätzlich zur Prüfung durch den Auftraggeber angemessen und bewegt sich mit 21 Bankarbeitstagen auch noch im Rahmen der in § 16 Abs. 3 Nr. 1 VOB/B vorgesehenen Frist von grundsätzlich 30 Tagen nach Zugang der Schlussrechnung. Eine vertragliche Verlängerung der 30-tägigen Frist ist in § 16 Abs. 3 Nr. 1 VOB/B als möglich auch ausdrücklich vorgesehen.

Gleichwohl ist vorliegend von einer die Auftragnehmerin unangemessen benachteiligenden Übersicherung der Klägerin als Auftraggeberin auszugehen. Während der Bauphase stand ihr nicht nur der sich auf umgerechnet 9,1% belaufende Betrag aus der Schlusszahlung, sondern auch die Vertragserfüllungsbürgschaft in Höhe von 10% der Nettoauftragssumme als Sicherheit zur Verfügung. Die Stellung der Bürgschaft belastete ebenso wie der faktisch vorgenommene Einbehalt von den Abschlagsrechnungen die Avalkreditlinie und die Liquidität der Auftragnehmerin (vgl. BGH, Urteil vom 09.12. 2010 – VII ZR 7/10, NJW 2011, 2125, beck-online).

Eine Übersicherung kann auch nicht mit den Ausführungen des Landgerichts in der angefochtenen Entscheidung verneint werden, die Schlusszahlung habe keinem Sicherungszweck gedient, weshalb keine Übersicherung vorliegen könne. Die Klägerin hätte gegen die Forderung der Auftragnehmerin auf Zahlung der Schlusszahlungsrate jederzeit die Aufrechnung erklären und darüber hinaus zusätzlich die Bürgin in Anspruch nehmen können. Insofern standen ihr entgegen der vom Landgericht vertretenen Auffassung sowohl der Einbehalt als auch die Bürgschaft zeitgleich als Sicherungsmittel zur Verfügung.

Der Senat setzt sich mit seiner Entscheidung auch nicht in Widerspruch zu dem Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 29.01.2013 – 13 U 3214/12 (BeckRS 2016, 12072, beck-online). Im dortigen Fall war nur eine Vertragserfüllungsbürgschaft in Höhe von 5% und ein 5%iger Einbehalt vereinbart worden, so dass die Sicherheit in Summe 10% nicht überstieg. Hier hingegen betrug die Sicherheit insgesamt 19,1% und damit fast das Doppelte der zulässigen Höhe.


III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Der Senat hat die Sache allein unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles entschieden.

KG zum vorläufigen Charakter von Abschlagszahlungen, wonach der Auftragnehmer verpflichtet ist, diese an die andere Vertragspartei zurückzuzahlen, soweit sie seinen abschließend ermittelten Vergütungsanspruch übersteigen

KG zum vorläufigen Charakter von Abschlagszahlungen, wonach der Auftragnehmer verpflichtet ist, diese an die andere Vertragspartei zurückzuzahlen, soweit sie seinen abschließend ermittelten Vergütungsanspruch übersteigen

vorgestellt von Thomas Ax

Aus dem vorläufigen Charakter von Abschlagszahlungen folgt, dass der Auftragnehmer verpflichtet ist, diese an die andere Vertragspartei zurückzuzahlen, soweit sie seinen abschließend ermittelten Vergütungsanspruch übersteigen. Sofern der Auftragnehmer in knapp 23 Monaten keinen erkennbaren Fortschritt der Planung bewirkt und sodann eine extra zur Beschleunigung der Planungen erst kurz zuvor vertraglich vereinbarte Frist versäumt, ist der Auftraggeber zur außerordentlichen Kündigung berechtigt. Durch dieses Verhalten bringt der Auftragnehmer zum Ausdruck, dass er sich auch in Zukunft nicht vertragstreu verhalten wird und weitere Vertragsfristen nicht einzuhalten gedenkt.
KG, Urteil vom 03.03.2023 – 7 U 158/21

I.

Die Parteien streiten um die Rückzahlung von Architektenhonorar nach außerordentlicher Kündigung des Auftragsverhältnisses durch die Klägerin.

Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks ### Straße in ###. Für dieses existierte ein bis Oktober 2017 gültiger Bauvorbescheid mit einer Bruttogrundfläche (BGF) von 4.970 m2 (Anlage K16). Ein Bebauungsplan besteht nicht.

Am 15.05.2017 schlossen die ### GmbH als Auftraggeberin und die “###” (nachfolgend ###), als Auftragnehmerin den als Anlage K 1 vorgelegten Architekten- und Ingenieurleistungsvertrag über Objekt- und Tragwerksplanung für die “Erarbeitung passgerechter Gebäudeplanungen für betriebsfertige Errichtung” für das vorgenannte Grundstück. Der im Vertrag auf Seite 3 vereinbarte Zahlungsplan für “netto 500.000 € pauschalierte(n) Architekturleistungen” sah die Zahlung einer 1. Rate von 150.000,00 € “bei hiesiger Auftragserteilung für bereits erbrachte Grundlagenermittlung und Vorentwurfsplanungen”, die Zahlung einer 2. Rate von 300.000,00 € netto für die “Erstellung der Entwurfsplanung für das auftragsrelevante Planungsgebiet” sowie eine 3. Rate für die “Fertigstellung der Bauvorlagen für das Gebäude in genehmigungsfähiger Form” in Höhe von 50.000,00 € vor. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vertrages wird auf Anlage K 1 verwiesen.

Mit Zwischenrechnungen vom 05.06.2017 und 07.09.2017 stellte die ### die ersten beiden Raten mit insgesamt 535.500,00 € brutto in Rechnung (Anlagen K5) und bat darum, die Zahlung auf ein von dem in I. Instanz Beklagten zu 2, Herrn ###, geführtes Konto zu überweisen. Der Geschäftsführer der Klägerin unterzeichnete dem Beklagten einen Blanko-Bauantrag.

Als Anlage K 6 liegt in Kopie eine Bauvoranfrage vom 09.12.2017 vor (Eingangsstempel 28.12.2017). Mit Vorbescheid vom 08.03.2019 des zuständigen Bauamtes wurde die Bauvoranfrage negativ beschieden (Anlage K7). Es wurde Widerspruch eingelegt, der im Mai 2019 wieder zurückgezogen wurde. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlagen K8 und K9 verwiesen.

Am 03.04.2019 wurde eine Ergänzungsvereinbarung zum Vertrag vom 15.05.2017 (Anlage B1) geschlossen. In der Präambel heißt es:

“Mit Rechnungen vom 05.06.2017 und 07.09.2017 hat der AN einen Betrag von insgesamt 456.000 EUR netto (542.640 EUR brutto) für sämtliche Leistungsphasen bis zur abgeschlossenen Entwurfsplanung verlangt und erhalten.”

Weiter stellt die Vereinbarung klar, dass die im Rubrum aufgeführten Parteien, die Klägerin und der Beklagte, “###” Vertragsparteien des Architekten- und Ingenieurleistungsvertrages vom 15.05.2017 sind. Wegen der übrigen Einzelheiten der Ergänzungsvereinbarung wird auf den Inhalt der Anlage B1 Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 15.05.2019 kündigte die Klägerin das Vertragsverhältnis aus wichtigem Grund (Anlage K 10). Sie begründete die außerordentliche Kündigung mit einem Vertrauensverlust, der ihr die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses unzumutbar mache.

Mit anwaltlichen Schreiben vom 13.11.2019 forderte die Klägerin den Beklagten zur Rückzahlung des erhaltenen Honorars unter Fristsetzung bis zum 22.11.2019 auf.

Mit der am 07.02.2020 beim Landgericht Berlin eingegangenen, dem Beklagten am 14.03.2020 zugestellten Klage verfolgte die Klägerin ihr Begehren sowohl gegen den Beklagten, als auch später gegen den Beklagten zu 2. und die Beklagte zu 3. weiter. In der Begründung führte die Klägerin u.a. aus, dass der Beklagte die in Rechnung gestellten Leistungen nicht erbracht habe. Es fehle insbesondere an einer zusammenfassenden Dokumentation und Erläuterung der Ergebnisse der Grundlagenermittlung, bzw. jeglicher Hinweis auf ggf. bestehende städtebaurechtlichen Probleme im Hinblick auf die Bebaubarkeit des Grundstückes. In der 2. Leistungsphase fehle es an der Klärung der wesentlichen Zusammenhänge, Vorgaben und Bedingungen hinsichtlich des Projektes und einer Auseinandersetzung mit der Lage des Projektes sowie den städtebaulichen Vorgaben. Eine entsprechende Risikoaufklärung und eine Dokumentation der Arbeitsergebnisse sei nicht erfolgt. Auch die mit der 2. Vorschussrechnung geschuldeten Leistungen wie die Erbringung der Entwurfs- und Genehmigungsplanung gemäß Leistungsbild § 33 Abs. 3 und 4 HOAI seien nicht erbracht; es fehle an einer Kostenschätzung mit Vergleich zu den ursprünglichen Rahmenbedingungen, die Erstellung eines Terminplans mit den wesentlichen Vorgängen des Planungs- und Bauablaufs, sowie der abschließenden Dokumentation der Ergebnisse mit den entsprechenden Erläuterungen. Auch sei die entsprechende Entwurfsplanung und Genehmigungsplanung nicht erstellt worden.

Die Ansprüche wurden ebenfalls gegenüber dem Beklagten zu 2 geltend gemacht, da dieser eine GbR mit dem Beklagten eingegangen sei. Die Klage gegen den Beklagten zu 2. hat das Landgericht mit rechtskräftigem Teilurteil vom 02.07.2021 – Az. 34 O 283/20 – abgewiesen.

Der Beklagte wendet ein, die Klägerin mache eine Nichtleistung geltend, ohne die tatbestandlichen Voraussetzungen eines derartigen Anspruchs vorzutragen. Es fehle an der Darlegung zum Umfang und Inhalt der geschuldeten Leistung. Vielmehr behaupte die Klägerin ins Blaue hinein, dass die angeblich geschuldete Leistung nicht erbracht seien, indem sie die angeblich überhaupt nicht erbrachten Grundleistungen aus der Anlage 10.1 der HAOI einfach aufzähle, ohne diese substantiiert zu bestreiten, wozu auch gehöre, dass die Klägerin erkläre, weshalb ihr bestimmte Leistungen gefehlt bzw. genützt hätten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands erster Instanz wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil und dem Teilurteil vom 02.07.2021 Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO.

Das Landgericht hat der Klage gegen den Beklagten mit Schlussurteil vom 19.11.2021 – Az. 34 O 283/20 – dem Beklagten am 23.11.2021 zugestellt, überwiegend stattgegeben. Die Klage gegen die Beklagte zu 3. hat das Landgericht abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht insbesondere ausgeführt, der Klägerin stehe nach ihrer außerordentlichen Kündigung des Architekten- und Ingenieurleistungsvertrags ein vertraglicher Anspruch auf Rückzahlung überzahlter Abschläge zu. Dies deshalb, weil der Beklagte im Zeitraum ab seiner Beauftragung bis zum Abschluss der Ergänzungsvereinbarung vom 03.04.2019 keinen erkennbaren Fortschritt der Planung bewirkt habe und anschließend eine in der Ergänzungsvereinbarung zur Beschleunigung der Planungen gesetzte Frist versäumt habe. Der Beklagte habe keine verwertbare Leistung dargelegt, die zu vergüten wäre.

Hiergegen richtet sich der Beklagte mit seiner Berufung am 17.12.2021 bei Gericht eingegangen Berufung. Unter Bezugnahme auf seinen erstinstanzlichen Vortrag trägt der Beklagte vor, dass die abgerechneten Leistungsphasen 1-3 vollständig erbracht und abgenommen worden seien (Bl. 20 ff. d.A., Bd. III) und die Genehmigungsplanung der Leistungsphase 4 nicht von der in Rede stehenden Honorarforderung umfasst sei (Bl. 23 d.A., Bd. III).

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Berlin vom 19.11.2021 – 34 O 283/20 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Sie tritt dem Rechtsmittel entgegen und verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die nach §§ 511 Abs. 1 und 2 Nr. 1, 517, 518, 520 ZPO statthafte und zulässige, da form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Beklagten ist unbegründet. Die gegen das landgerichtliche Urteil erhobenen Einwendungen greifen im Ergebnis nicht durch.

Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Beides ist vorliegend nicht der Fall.

Das Landgericht hat den Beklagten mit zutreffender Begründung, welcher die zuständige Einzelrichterin des Senats folgt, antragsgemäß verurteilt.

1. Auch unter Berücksichtigung des Vortrags des Beklagten in der Berufungsinstanz steht der Klägerin gegen den Beklagten ein vertraglicher Anspruch auf Rückzahlung zu viel gezahlten Architektenhonorars in Höhe von 535.000,00 € nebst Zinsen zu.

a. Dieser Anspruch ergibt sich allein aus dem gekündigten Architektenvertrag aus Mai 2017 über die Erbringung der Leistungsphasen 1-4 der Objektplanung betreffend das Bauvorhaben ### Str. (Anlage K1). Auf das Rechtsverhältnis finden die Vorschriften des BGB in der bis Ende 2017 geltenden Fassung Anwendung (Art. 229 § 39 EGBGB) sowie die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI 2013) in der ab dem 17.07.2013 gültigen Fassung Anwendung.

In Ziffer 1 der Ergänzungsvereinbarung vom 03.04.2019 (Anlage B1) wird klargestellt, dass die hiesigen Streitparteien die Vertragsparteien des Vertrags vom 15.05.2017 sind.

Der Vertrag vom 15.05.2017 zwischen der Klägerin und dem Beklagten, gemäß § 17 Abs. 1 HGB handelnd unter seiner Firma ###, sieht in seinem einleitenden Satz vor, dass die Architekten- und Ingenieurleistungen “in Stufen” anfallen, mithin sieht der Vertrag eine Pflicht der Klägerin vor, Abschlagszahlungen an den Beklagten zu leisten. Derartige Abschläge sind lediglich vorläufige Zahlungen auf den endgültigen Vergütungsanspruch des Auftragnehmers, der erst nach der Schlussrechnung ermittelt werden kann (BGH, Urteil vom 11.02.1999 – VII ZR 399/97, NJW 1999, 1867; BGH, Urteil vom 19.03.2002 – X ZR 125/00, NJW 2002, 2640; BGH, Urteil vom 22.11.2007 – VII ZR 130/06, NZBau 2008, 256). Aus dem vorläufigen Charakter von Abschlagszahlungen folgt, dass der Auftragnehmer, hier der Beklagte, verpflichtet ist, diese an die andere Vertragspartei, im Streitfall die Klägerin, zurückzuzahlen, soweit sie seinen abschließend ermittelten Vergütungsanspruch übersteigen. Dieser Rückzahlungsanspruch ist vertraglicher Natur und ergibt sich allein aus der Vereinbarung der Parteien, welche die Pflicht des Auftraggebers zu Abschlagszahlungen vorsieht (BGH, Urteil vom 22.11.2007 – VII ZR 130/06, NZBau 2008, 256, 257, Rz. 16 m.w.N.; BGH, Urteil vom 23.01.1986 – IX ZR 46/85, NJW 1986, 1681). Auf einen solchen Anspruch finden die Vorschriften des Bereicherungsrechts und die dort geltenden Darlegungs- und Beweislastgrundsätze keine Anwendung (BGH, Urteil vom 22.11.2007 – VII ZR 130/06, NZBau 2008, 256, 257). Unterlässt es der Auftragnehmer, in angemessener Frist eine Schlussabrechnung vorzulegen, kann der Auftraggeber auch ohne eine solche Rechnung Klage auf Rückzahlung seiner Abschläge erheben, soweit sie die Vergütung des Auftragnehmers seiner Meinung nach übersteigen (st. Rechtsprechung vgl. BGH, Urteil vom 11.02.1999 – VII ZR 399/97, NJW 1999, 1867; BGH, Urteil vom 19.03.2002 – X ZR 125/00, NJW 2002, 2640; BGH, Urteil vom 22.11.2007 – VII ZR 130/06, NZBau 2008, 256, 257, Rz. 16 m.w.N.). Die Höhe dieser Vergütung kann der Auftraggeber dabei mit einer eigenen Berechnung ermitteln, bei der er sich darauf beschränken kann, die ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen in zumutbarer Weise auszuschöpfen (BGH, Urteil vom 11.02.1999 – VII ZR 399/97, NJW 1999, 1867). Eine prüfbare Abrechnung schuldet der Auftraggeber nicht. Wenn der Auftragnehmer sich gegen die Klage sodann mit der Argumentation verteidigt, tatsächlich stehe ihm eine höhere als die vom Auftraggeber ermittelte Vergütung zu, so trägt der Auftragnehmer trotz seiner Stellung als Beklagter hierfür die Darlegungslast (BGH, Urteil vom 11.02.1999 – VII ZR 399/97, NJW 1999, 1867; BGH, Urteil vom 30.09.2004 – VII ZR 187/03, BeckRS 2004, 10182). Hat der Auftraggeber ausreichend vorgetragen, muss der Auftragnehmer darlegen und beweisen, dass er berechtigt ist, die Voraus- und Abschlagszahlungen endgültig zu behalten (BGH, Urteil vom 30.09.2004 – VII ZR 187/03, BeckRS 2004, 10182; BGH, Urteil vom 22.11.2007 – VII ZR 130/06, NZBau 2008, 256). Der Anspruch des Auftraggebers auf Ausgleich überhöhter Abschlagszahlungen entsteht allerdings erst nach Beendigung des Vertrags, sei es in der ursprünglich vereinbarten Weise oder durch Kündigung (BGH, Urteil vom 11.02.1999 – VII ZR 399/97, NJW 1999, 1867). Denn die Vergütung des Auftragnehmers lässt sich erst dann anhand des erreichten Leistungsstands abschließend ermitteln. Bis zu diesem Zeitpunkt ist der Auftragnehmer folglich berechtigt, die geleisteten Abschläge zu behalten. Auf den hier geltend gemachten Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten auf Rückzahlung überzahlten Architektenhonorars sind diese Grundsätze entsprechend anzuwenden (BGH, Urteil vom 22.11.2007 – VII ZR 130/06, NZBau 2008, 256, 257, Rz. 16 m.w.N.).

b. Die Klägerin hat die Voraussetzungen für den geltend gemachten Rückzahlungsanspruch hinreichend dargelegt. Zum vereinbarten Vertragsgegenstand gehörte, wie eine Auslegung des in Rede stehenden Architekten- und Ingenieurleistungsvertrags unter Berücksichtigung des weiteren unstreitigen Sachverhalts ergibt, die vollständige Erfüllung der Leistungsphasen 1-4 gemäß § 34 Abs. 3 Nr. 1-4 HOAI (2013) durch den Beklagten. Ob ein Vertrag zustande gekommen und was Vertragsinhalt geworden ist, hat der Tatrichter durch Auslegung der beiderseitigen Erklärungen gemäß §§ 133, 157 BGB unter Zugrundelegung eines objektivierten Empfängerhorizonts zu ermitteln. Maßgeblich ist, wie die jeweils andere Partei die Erklärung des Vertragspartners nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste. Neben dem Wortlaut der Erklärungen sind dabei auch der mit der Absprache verfolgte Zweck, die Interessenlage der Parteien und die sonstigen Begleitumstände zu berücksichtigen, die den Sinngehalt der gewechselten Erklärungen erhellen können (st. Rspr., BGH, Urteil vom 03.09.2020 – III ZR 56/19, NZG 2021, 302; BGH, Urteil vom 16.10.2012 – X ZR 37/12, NJW 2013, 598).

Unter Buchstabe “a.) Wohngebäude” des Vertrages vom 15.05.2017 wird u.a. Bezug genommen auf das “Leistungsbild § 33 Abs. 1” bis Abs. 4 und es werden die entsprechenden Honorarprozentpunkte aufgeführt. Weiter wird auf den “Auszug HOAI 2013” und dessen “Honorar Zone IV tief § 34 HOAI” verwiesen. Auch in dem Zahlungsplan auf Seite 3 der Vereinbarung wird begrifflich auf die Leistungsphasen der HOAI Bezug genommen (“1. Rate [###] Grundlagenermittlung und Vorentwurfsplanung”, “2. Erstellung der Entwurfsplanung für das auftragsrelevante Planungsgebiet”). In Ansehung dieser vertraglichen Vereinbarungen sind – trotz Fehlens einer ausdrücklichen Bezugnahme auf die einzelnen Grundleistungen gemäß Anlage 10 der HOAI – jedenfalls die vollständige Erfüllung der Leistungsphasen 1-4 gemäß § 34 Abs. 3 Nr. 1-4 HOAI von dem Beklagten geschuldet.

Zutreffend weist das Landgericht an dieser Stelle darauf hin, dass das Vorbringen des Beklagten, der Klägerin sei es bei der Auftragserteilung allein um das Ausloten der Maximalbebauung gegangen, die Klägerin habe zu keinem Zeitpunkt vorgehabt, seine Entwürfe tatsächlich zu realisieren, auf den Inhalt der vertraglichen Leistungspflichten des Beklagten inkl. der einzelnen erforderlichen Arbeitsschritte, keinerlei Einfluss hat. Auch derjenige Auftraggeber, welcher “nur” eine Baugenehmigung mit möglichst hoher Bruttogrundfläche (BGF) erreichen will, weil er das Grundstück anschließend gewinnbringend mit einer Baugenehmigung veräußern möchte, benötigt für den potentiellen Erwerber neben einer vollständigen Genehmigungsplanung eine umfassend dokumentierte Leistungsphase 3 einschließlich Kostenberechnung und Objektbeschreibung, um dem nächsten Architekten umfassende Planungsgrundlagen zu verschaffen. Diesem Vorbringen des Beklagten ist auch nicht zu entnehmen, dass der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte meinte, zu eben diesen Arbeitsschritten nicht verpflichtet gewesen zu sein. Vielmehr spricht der Umstand, dass die Parteien – durch die Beauftragung des Beklagten – eben eine Baugenehmigung mit hoher BGF erreichen wollten, erst Recht für die Beauftragung des Beklagten mit den Leistungsphasen 1-4 (Korbion/Mantscheff/Vygen/Korbion, 9. Aufl. 2016, HOAI § 34 Rn. 46; OLG Düsseldorf Urteil vom 01.07.2016 – 22 U 22/16, BeckRS 2016, 116667 Rn. 15).

c. Die Klägerin hat den Vertrag vom 15.05.2017 mit Erklärung vom 15.05.2019 berechtigtermaßen außerordentlich und fristlos gekündigt und dadurch mit sofortiger Wirkung beendet. Anders als der Beklagte wohl meint kann grundsätzlich jeder Werkvertrag vom Auftraggeber aus wichtigem Grund gekündigt werden, wobei der wichtige, Grund zur Kündigung in einer schweren schuldhaften Verletzung oder einer sonstigen Zerstörung des vertraglichen Vertrauensverhältnisses bestehen kann, die eine Fortsetzung des Vertrages für den Auftraggeber unmöglich macht. Für das Vorliegen eines wichtigen Grundes trägt der Auftraggeber die Darlegungs- und Beweislast (vgl. BGH, Urteil vom 24.06.2004, VII ZR 271/04, NZBau 2004, 612; Werner/Pastor, Der Bauprozess, 17. Auflage 2020, Rn. 1066, 1073 ff. m. w. N., 1080). Als wichtige Gründe zur Kündigung wurden von der Rechtsprechung unter anderem die Abweichung von vertraglichen Vorgaben (vgl. OLG Celle, Urteil vom 16.12.2004 –  5 U 71/04, BauR 2005, 1336), die Verursachung besonders grober Mängel (vgl. OLG Schleswig, Urteil vom 09.03.2010 – 3 U 55/09, IBR 2011, 9) und die begründete Annahme, der Auftragnehmer werde sich auch in Zukunft nicht vertragstreu verhalten (vgl. BGH, Urteil vom 23.05.1996 – VII ZR 140/95, BauR 1996, 704), die Verletzung von Kooperationspflichten (vgl. BGH, a.a.O.) sowie die schuldhafte, erhebliche Überschreitung von Vertragsfristen (vgl. BGH, Urteil vom 12.02.2003 – X ZR 62/01, BauR 2003, 880) und ähnlich schwere Verletzungen von Vertragspflichten anerkannt (vgl. auch Zusammenstellung bei Werner/Pastor, a. a. O., Rn. 1073 ff., 1708 ff. m. w. N.). Diese Grundsätze gelten für Architektenverträge entsprechend (vgl. Werner/Pastor, a.a.O., Rn. 1061 ff.). Nach ihrer sich aus dem Architektenvertrag ergebenden Kooperationspflicht sind die Parteien zwar verpflichtet, sich um die Beilegung entstandener Meinungsverschiedenheiten zu bemühen (vgl. Werner/Pastor, a. a. O., Rn. 1063). Es reichen indes auch mehrere, im Einzelfall nicht schwerwiegende Verstöße gegen Vertragspflichten aus, die in ihrer Fülle bzw. Gesamtschau zu einer derart erheblichen Erschütterung des Vertrauensverhältnisses geführt haben, dass dem Auftraggeber ein Festhalten am Architektenvertrag nicht mehr zumutbar ist (vgl. BGH, Urteil vom 29.06.1989 – VII ZR 330/87, BauR 1989, 626; Werner/Pastor, a. a. O., Rn. 1073 ff. w. N.).

Unter Berücksichtigung der vorstehenden Grundsätze sowie des unstreitigen Vorbringens der Parteien war der Klägerin im Zeitpunkt der Kündigung vom 15.05.2019 – wie vom Landgericht zutreffend festgestellt – nicht zuzumuten, an dem Architektenvertrag aus Mai 2017 mit dem Beklagten weiter festzuhalten. Das Vordergericht hat insoweit zutreffend ausgeführt, dass der Umstand, dass der Beklagte im Zeitraum ab seiner Beauftragung bis zum Abschluss der Ergänzungsvereinbarung (einem Zeitraum von knapp 23 Monaten) keinen erkennbaren Fortschritt der Planung bewirkt hat und anschließend eine in der Ergänzungsvereinbarung zur Beschleunigung der Planungen gesetzte Frist versäumt hat, als außerordentlicher Kündigungsgrund zu bewerten ist. Unter Ziffer 3, Absatz 2 der Ergänzungsvereinbarung hatten die Parteien erst kurz zuvor vereinbart, dass bis spätestens zum 15.04.2019 eine behördliche Reaktion erwirkt werden sollte und noch im April 2019 Gespräche des Beklagten mit dem Bezirksamt und dem Baustadtrat stattfinden sollten und zwar in Begleitung eines Vertreters der Klägerin. Jedenfalls eine Beteiligung der Klägerin an eben solchen Gesprächen mit Behördenvertretern hat unstreitig nicht stattgefunden. Durch dieses Verhalten, insbesondere die erneute Vertragspflichtverletzung fast unmittelbar im Anschluss an den Abschluss der Ergänzungsvereinbarung, hat der Beklagte im Rahmen der notwendigen Gesamtschau für die Klägerin insoweit unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass er sich auch in Zukunft nicht vertragstreu verhalten wird und weitere Vertragsfristen nicht einzuhalten gedenkt.

Das Landgericht hat weiter zutreffend ausgeführt, dass angesichts der von den Parteien übereinstimmend vereinbarten Frist bis Ende April 2019 eine weitere Abmahnung bzw. eine ausdrückliche Kündigungsandrohung gem. § 314 Abs. 2 BGB ausnahmsweise entbehrlich war. Für den Beklagten ergab sich aus der Ergänzungsvereinbarung, insbesondere aus dem in Ziffer 3 enthaltenen klaren Fristenplan und den unter Ziffer 4 aufgeführten Bedingungen (“b) Aufgrund des erheblichen verstrichenen Zeitraums”), klar und unmissverständlich, dass die weitere Zusammenarbeit auf dem Spiel steht und er für den Fall weiterer Verstöße mit rechtlichen Konsequenzen rechnen musste (BGH, Urteil vom 12.10.2011 – VIII ZR 3/11, NJW 2012, 53; BGH, Urteil vom 20.02.2008 – VIII ZR 139/07, NJW 2008, 1303). Eine weitere rechtsgeschäftsähnliche Erklärung, welche darauf abzielt, der anderen Vertragspartei ein bestimmtes, als Vertragsverletzung beanstandetes Fehlverhalten vor Augen zu führen, wäre zu diesen Zeitpunkt wegen offensichtlicher Zwecklosigkeit, weil eine Korrektur der Vertragsverletzung zu diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich war bzw. das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien bereits zerstört war, reine Förmelei gewesen (siehe auch BGH, Urteil vom 20.02.2008 – VIII ZR 139/07, NJW 2008, 1303; MüKoBGB/Gaier, 9. Aufl. 2022, BGB § 314 Rn. 40; OLG Düsseldorf, Urteil vom 26.03.2013 – 23 U 102/12, BeckRS 2013, 13867).

d. Der Beklagte ist in beiden Instanzen dafür darlegungsfällig geblieben, dass er seine vertraglichen Verpflichtungen aus dem Architektenvertrag aus dem Jahr 2015 vorgenommen hat. Dies gilt insbesondere für die im Rahmen der Leistungsphasen 1-4 zu erbringenden einzelnen Grundleistungen, zu denen die Klägerin im Einzelnen vorgetragen hat, ohne dass der Beklagte diesen Einwänden im Rahmen seiner originären Darlegungslast hinreichend entgegengetreten ist. Zutreffend hat das Landgericht festgestellt, dass die Klägerin ihrer Darlegungslast schon dadurch genügt, dass sie vorträgt, der Beklagte habe die versprochenen Leistungen insgesamt nicht ausgeführt. Entsprechend fordert die Klägerin auch die kompletten Abschlagszahlungen zurück. Ob die vollständige Überzahlung nach dem Vertrag aus dem Jahr 2015 zutreffend ist bzw. der Beklagte tatsächlich keine für die Klägerin verwertbare Leistungen erbracht hat, ist keine Frage der Darlegung, sondern der Begründetheit des Anspruchs. Entsprechend oblag es dem Beklagten, unter Vorlage einer prüffähigen Abrechnung der von ihm erbrachten Leistungen darzulegen, dass ihm ein Honorar in Höhe der erhaltenen Vorauszahlungen endgültig zusteht. Daran fehlt es.

(1) Das Gericht versteht – wie zuvor das Landgericht – weder den Zahlungsplan des Vertrags, noch die Formulierungen in der Präambel der Ergänzungsvereinbarung oder die Vereinbarungen in der Ergänzungsvereinbarung selbst (z.B. in Ziffer 2) als Einigung der Parteien darüber, dass die Leistungsphasen 1 und 2 zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses oder des Abschlusses der Ergänzungsvereinbarung bereits vollständig erbracht waren. Vielmehr sind die Formulierungen nach dem objektiven Empfängerhorizont und den sonstigen Umständen, insbesondere der zu diesem Zeitpunkt erst kurzzeitigen Befassung des Beklagten mit dem Projekt und den zu diesem Zeitpunkt allein vorliegenden Planungsunterlagen ehemaliger Architekten, dahingehend zu verstehen, dass ein bestimmtes Honorar für bestimmte noch von dem Beklagten zu erbringende Leistungen gezahlt werden sollte. Anders als der Beklagte, versteht das erkennende Gericht die Formulierung “für bereits erbrachte” Grundlagenermittlung in Ziffer 1 des Zahlungsplans nicht so, dass die Rate schon zum Zeitpunkt der Auftragserteilung verdient sein sollte, sondern, dass die 1. Rate nach der Grundlagenermittlung fällig werden sollte. Für eine zu dieser Zeit bereits vollständige Bearbeitung der Leistungsphasen 1 und 2 spricht weder der Wortlaut noch die sonstigen Umstände der Vereinbarung. Unstreitig hatte der Beklagte bei Vertragsschluss keine eigene Vorentwurfsplanung erstellt. Warum sollte die Klägerin dann zu diesem frühen Zeitpunkt die Tätigkeit des Beklagten bereits als vollständige Leistungserbringung in den Leistungsphasen 1 und 2 anerkennen? Eine Erklärung hierfür gibt der Beklagte nicht.

Nach zutreffender Einschätzung des Landgerichts ist den in Rede stehenden Vereinbarungen auch kein Verzicht der Klägerin auf die Abrechnungspflicht des Beklagten zu entnehmen. Allein die Bezeichnung als “Rate” statt “Vorschuss” oder “Abschlag” ist hierfür kein ausreichendes Indiz. Bei Abschluss der Ergänzungsvereinbarung im April 2019 ging vielmehr keine der Parteien davon aus, dass die Leistungsphasen 1 und 2 bereits abgeschlossen wären, denn die Parteien hielten ausdrücklich fest, dass zunächst ein Bauvorbescheid eingeholt werden sollte. Letzterer wäre indessen in Leistungsphase 2 einzuholen gewesen.

(2) Auch in der II. Instanz hat der Beklagte nicht dargelegt, dass er bis zur Kündigung des Vertrags die beauftragten Leistungsphasen vollständig oder nur selbstständige Teile davon erbracht hat und diese für die Klägerin verwertbar waren.

Ein Vergütungsanspruch des Auftragnehmers besteht nach berechtigter außerordentlicher Kündigung eines Werk- oder Architektenvertrages durch den Auftraggeber dann nicht, wenn die bis zur Kündigung erbrachte Leistung infolge einer vom Auftragnehmer zu vertretenden Kündigung für den Auftraggeber ohne Wert bzw. unbrauchbar ist (vgl. BGH, Urteil vom 25.03.1993 – X ZR 17/92, NJW 1993, 1972; OLG Nürnberg, Urteil vom 27.07.2005 – 6 U 117/05, NZBau 2006, 320; OLG Düsseldorf, Urteil vom 26.03.2013 – 23 U 102/12, BeckRS 2013, 13867). Die Beweislast für die (völlige) Wertlosigkeit bzw. Unbrauchbarkeit der bis zur Kündigung erbrachten Werkleistungen trägt der Auftraggeber (vgl. BGH, Urteil vom 25.03.1993 – X ZR 17/92, NJW 1993, 1972; OLG Nürnberg, Urteil vom 27.07.2005 – 6 U 117/05, NZBau 2006, 320). (Erst) wenn der Architekt vorgetragen und bei Bestreiten bewiesen hat, welche konkreten Teil-Architektenleistungen er mangelfrei erbracht hat, muss der Auftraggeber darlegen und – bei Bestreiten – ggf. beweisen, dass die Architektenleistungen für ihn unverwertbar sind oder deren Verwertung für ihn unzumutbar ist (OLG Düsseldorf, Urteil vom 26.03.2013 – 23 U 102/12, BeckRS 2013, 13867; OLG Nürnberg, Urteil vom 27.07.2005 – 6 U 117/05, NZBau 2006, 320).

aa) In der Leistungsphase 1 “Grundlagenermittlung” im Rahmen der vorliegenden Objektplanung musste der Beklagte zunächst die Aufgabenstellung auf Grundlage der Vorgaben oder der Bedarfsplanung der Klägerin klären und danach eine Planungsgrundlage zur Ermittlung der Planungs- und Überwachungsziele erstellen (siehe dazu Beck HOAI/Seifert/Fuchs, 3. Aufl. 2022, HOAI § 34 Rn. 31b). Auch wenn man das von der Klägerin dem Beklagten zur Verfügung gestellte Exposé (Anlage B2), welches die Klägerin von den vormaligen Eigentümern erhalten hatte, im Rahmen der Leistungsphase 1 als ausreichende Planungsgrundlage für den Beklagten bewerten würde, fehlt es gleichwohl an der in dieser Leistungsphase von dem Beklagten geschuldeten dokumentierten Ortsbesichtigung. Durch die Ortsbesichtigung soll sich der Planer mit den örtlichen Gegebenheiten vertraut machen und sich einen ersten Eindruck von städtebaulichen, landschaftlichen und topografischen Gegebenheiten verschaffen (Beck HOAI/Seifert/Fuchs, 3. Aufl. 2022, HOAI § 34 Rn. 32). Die Ergebnisse der Ortsbesichtigung sind – wie die anderen Ergebnisse der Grundlagenermittlung – zusammenzufassen, zu erläutern und zu dokumentieren (Beck HOAI/Seifert/Fuchs, 3. Aufl. 2022, HOAI § 34 Rn. 44). Letzteres hat der Beklagte indes unstreitig nicht getan. Es konnte daher offen bleiben, ob der Beklagte überhaupt eine Ortsbesichtigung vorgenommen hat, denn jedenfalls hat der Beklagte auch nach eigenem Vorbringen etwaige Feststellungen nicht schriftlich oder auf andere Weise für die Klägerin festgehalten. Zutreffend führt das Landgericht in diesem Zusammenhang aus, dass ohne eine entsprechende Dokumentation der behaupteten Leistungen in dieser Phase ein Nutzen für die Klägerin nicht erkennbar ist. Ohne irgendeine textliche oder sprachliche Fixierung ergibt sich nichts, worauf die Klägerin oder Dritte später aufbauen könnten. Dabei hat sich der Planer in dieser Phase auch zu versichern, ob die Leistungsziele richtig verstanden wurden (Beck HOAI/Seifert/Fuchs, 3. Aufl. 2022, HOAI § 34 Rn. 45). Dem weiteren pauschalen Vorbringen des Beklagten, er habe auf Grundlage der Vorgaben der Klägerin eine Planungsgrundlage (welche?) ermittelt und seine Beratungspflichten in dieser Phase erfüllt (wann? wodurch?), war deshalb schon nicht nachzugehen. Wie das Landgericht zutreffend in dem angefochtenen Urteil ausführt, hat die Klägerin den Beklagten trotz des Vorliegens eines von den vormaligen Architekten der Verkäuferin für das Grundstück erstellten Exposé (Anlage B2) beauftragt und zwar, jedenfalls weil sie eine Maximierung der Bruttogrundfläche im Vergleich zu den Planungen des Exposé erreichen wollte. Warum der Beklagte gleichwohl meint seine eigene Pflichtenerfüllung in dieser Phase bereits durch Vorlage eben dieses Exposé nachgewiesen zu haben, erschließt sich nicht. Auf die ebenso erforderliche Pflicht des Auftragnehmers den Auftraggeber frühzeitig, also schon in der Leistungsphase 1, über Risiken der Genehmigungsfähigkeit des Projekts aufzuklären (z.B. wegen der Einordnung des Grundstücks nach § 34 BauGB oder § 35 BauGB) und die von der Klägerin in diesem Zusammenhang behauptete Pflichtverletzung des Beklagten kam es daher nicht mehr an.

bb) Auch in der Leistungsphase 2, der Vorplanung, ist der Auftragnehmer verpflichtet, die in dieser Phase geschuldeten Grundleistungen zusammenzufassen, zu erläutern und zu dokumentieren. Eine Dokumentation ist eine Zusammenstellung aller maßgeblichen Unterlagen. Sie umfasst in der Leistungsphase 2 zumindest die Vorplanung als zeichnerische Darstellung des Planungskonzepts, mit Lageplan, Grundrissen, Schnitten und Ansichten, erläuternden Angaben und Beschreibungen, Gesprächs- und Aktennotizen zu den Vorverhandlungen, eine Kostenschätzung und einen Terminplan (Beck HOAI/Seifert/Fuchs, 3. Aufl. 2022, HOAI § 34 Rn. 91). Auch betreffend die Leistungsphase 2 hat der Beklagte indes nicht dargelegt, dass er bis zur Kündigung des Vertrags die beauftragte Leistungsphase vollständig oder nur selbstständige Teile davon für die Klägerin verwertbar erbracht habe, insbesondere fehlt auch in dieser Phase jegliche Art von Dokumentation und deren Übergabe an die Klägerin. Der Beklagte hat zwar vorgetragen, dass die Parteien etwa alle ein bis zwei Monate Meetings betreffend das Bauvorhaben abgehalten haben und hierzu auch Beweis angetreten. Rechtsfehlerfrei ist das Landgericht dem entsprechenden Beweisantritt indessen nicht nachgegangen. Eine schriftliche Fixierung der Ergebnisse der verschiedenen Grundleistungen in dieser Phase war jedenfalls bei solchen umfangreichen und komplizierten Bauvorhaben wie dem Vorliegenden im mehrstelligen Millionenbereich zwingend erforderlich.

Ob sich der Beklagte in dieser Phase mit den fachlich an dieser Planung Beteiligten abstimmte oder seine Arbeitsergebnisse als Grundlage für die anderen an der Planung fachlich Beteiligten bereitstellte, brauchte daher nicht entschieden zu werden. Die angebotenen Zeugen waren nicht zu vernehmen, als der Beklagte zu keinem Zeitpunkt vorgetragen hat, dass die Besprechungen mit den Zeugen protokolliert und/oder etwaige Protokolle und Arbeitsergebnisse an die Klägerin oder Dritte übergeben worden sein sollen.

Zutreffend stellt das Landgericht sodann fest, dass auch die notwendigen Vorverhandlungen über die Genehmigungsfähigkeit mit dem zuständigen Bauamt von dem Beklagten nicht ausreichend dargelegt sind. Zwar legt der Beklagte eine einzelne Email vom 21.08.2017 (Anlage B19) vor und erklärt, dass es noch weitere umfangreiche Korrespondenz mit den zuständigen Behörden gäbe. Aus der vorgelegten Email ergibt sich aber erstens nicht, was genau mit dem Absender besprochen wurde und zweitens wurden weitere Schriftsätze trotz Ankündigung in erster Instanz nicht vorgelegt. Auch in der Berufungsbegründung hat der Beklagte trotz der ausführlichen Feststellungen des Landgerichts im angefochtenen Urteil keinen entsprechenden Vortrag nachgeholt oder die entsprechenden Dokumente vorgelegt, so dass es eines erneuten Hinweises und eines entsprechenden Erklärungsnachlasses nicht bedurfte.

cc) Weiter hat der Beklagte auch das Erarbeiten einer Entwurfsplanung, das Bereitstellen der Arbeitsergebnisse und/oder eine Objektbeschreibung in der Leistungsphase 3 nicht hinreichend dargelegt. Zwar hat der Beklagte während des Klageverfahrens einzelne Pläne, namentlich sieben Grundrisse, vorgelegt. Diese Pläne sind aber weder bemaßt, noch lässt sich den Plänen hinreichend genau entnehmen, welche Ebene bzw. welchen Gebäudeteil sie betreffen. Auch die während des Verfahrens überreichten Lagepläne liegen in mehreren Varianten vor und bleiben ohne Erläuterung des Beklagten. Wie das Landgericht zutreffend hervorhebt, wurden auch diese Pläne unstreitig jedenfalls nicht an die Klägerin übergeben. Letzteres gehört aber auch im Rahmen der Leistungsphase 3 zu den Pflichten des Auftragnehmers. In der Schnittstelle zwischen der Entwurfsplanung und der Genehmigungsplanung und damit auch noch vor der Ausführungsplanung dient diese Grundleistung “Zusammenfassen, erläutern und dokumentieren der Ergebnisse” als maßgebliche Grundlage für eine Entscheidung über die Entwurfsplanung, also über den bis dahin entwickelten Planungsstand (Beck HOAI/Seifert/Fuchs, 3. Aufl. 2022, HOAI § 34 Rn. 139).

Es kam daher auch nicht auf die strittige und unter Zeugenbeweis gestellte Behauptung des Beklagten an, ob die Anträge auf Genehmigungsfreistellung nach § 62 BauOBln (Anlagen B11, Bk18 und Bk12) beim Bauamt auch tatsächlich eingereicht wurden, weil im Außenbereich nach § 35 BauGB und ohne positiven Bauvorbescheid ohnehin keine Genehmigungsfreistellung erfolgen konnte. Es musste daher auch nicht beurteilt werden, ob sie in diesen Anlagen enthaltenen Pläne eine im Rahmen der Leistungsphase 5 verwertbare Leistung darstellen. Die für diese Phase erforderliche Baugenehmigung fehlt bis heute.

2. Der Anspruch der Klägerin war wie von dem Landgericht tenoriert zu verzinsen, §§ 286 Abs. 1 Satz 1, 288 Abs. 1 BGB. Weiter waren der Klägerin ihre vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu erstatten, §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1, 280, 249 ff. BGB.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97, 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

4. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO liegen nicht vor. Denn weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung erforderlich.