Bei der Beschaffung von Gerät und Material gilt für die Bundeswehr das für alle öffentlichen Auftraggeber verbindliche Vergaberecht, das unter anderem auf den Grundsätzen Gleichbehandlung, Wirtschaftlichkeit, Wettbewerb und Transparenz beruht. Bevor es aber zu einer Ausschreibung kommt, müssen in einem ersten Schritt die militärischen Anforderungen definiert werden. Hier spricht man von der Bedarfsermittlung. Diese Anforderungen werden dann in einem Forderungskatalog festgehalten. Dieser Katalog dient anschließend als Grundlage zur Erstellung einer Leistungsbeschreibung, die Basis für das sich anschließende Vergabeverfahren ist. Die Bieter prüfen die Leistungsbeschreibung und geben ein Angebot ab.
Vergabeverfahren sind möglichst offen und nicht auf einen Bieterkreis beschränkt durchzuführen, um faire Wettbewerbsbedingungen zu schaffen. Um für ein faires Verfahren mit klaren und transparenten Vorgaben zu sorgen, erhalten alle Bieter die notwendigen Informationen sowie Unterlagen.
Zusammen mit der Leistungsbeschreibung werden den potenziellen Bietern im Rahmen der Angebotsaufforderung auch die Zuschlags- und Ausschlusskriterien mitgeteilt. Um für Transparenz im Vergabeverfahren zu sorgen, werden zudem die Bewertung der einzelnen Forderungen (Gewichtung) und die Bewertungsmethode zur Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes übersandt. Wirtschaftlich bedeutet in diesem Zusammenhang allerdings nicht, dass das günstigste Angebot obsiegt. Neben dem Preis werden auch andere Faktoren wie die Leistung berücksichtigt.
Alle in der Ausschreibung befindlichen Kriterien wurden unter anderem in einer Erprobung geprüft. Jedes Kriterium wurde dann nach einer vorher transparent kommunizierten Gewichtung bewertet und im Rahmen der Gesamtbewertung berücksichtigt. Zusammen mit dem angebotenen Preis führte dies mathematisch nachvollziehbar zu einem Ausschreibungssieger. Die Vergabestelle – bspw das BAAINBwBundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr – ist für die sachgerechte Auswahlentscheidung unter Berücksichtigung der aufgezeigten Kriterien verantwortlich und vertritt ihre Entscheidungen bei eventuellen Rügen und Klagen der unterlegenen Bieter.
Um an der Vergabe teilnehmen zu können, müssen bei komplexen Projekten alle Wettbewerber vorab ihre Befähigung nachweisen, die vertraglich geforderte Leistung auch wirklich erbringen zu können. Die Leistungsfähigkeit wird anhand von vorab bekannt gegebenen Eignungskriterien (fachliche Qualifikation, sachliche und finanzielle Leistungsfähigkeit) festgestellt. Nach dieser Überprüfung werden geeignete Teilnehmer im Verfahren weiter zugelassen oder mangels Eignung davon ausgeschlossen. Rechtlich dürfen die Eigentümerverhältnisse eines Bieters dabei ausdrücklich keine Rolle spielen. Auch im Ausschreibungsverfahren des Sturmgewehrs wurde nach diesen Prinzipien verfahren.
Auftragsvergabe zum Bau von fünf Korvetten verstößt gegen das Vergaberecht
Die erste Vergabekammer des Bundes beim Bundeskartellamt hat am 15. Mai 2017 entschieden, dass die von der Bundeswehr beabsichtigte Auftragsvergabe zum Bau von fünf weiteren Korvetten des Typs K130 an den bisherigen Auftragnehmer gegen Vergaberecht verstößt. Die Vergabekammer gibt damit dem Nachprüfungsantrag eines Kieler Unternehmens statt. Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes: „Auch für Militärausrüstung gilt der Grundsatz, dass diese im Wettbewerb zu beschaffen ist. Ausnahmen sind nur unter besonders engen Voraussetzungen möglich, die im vorliegenden Fall nicht hinreichend belegt werden konnten.“ Das Kieler Unternehmen rügte bei der Vergabekammer des Bundes die beabsichtigte Auftragsvergabe durch das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) im Verhandlungsverfahren, ohne dass andere Unternehmen beteiligt wurden. Das BAAINBw trug vor, dass diese Vorgehensweise notwendig gewesen sei, da nur das Bieterkonsortium, das dasselbe Schiffsmodell bereits in der Vergangenheit an die Bundeswehr geliefert hatte, aufgrund seiner besonderen Vorkenntnisse und Erfahrungen in der Lage sei, die Schiffe innerhalb eines einzuhaltenden Zeitrahmens nachzubauen. Dieser Zeitrahmen ergab sich dabei aus internationalen Bündnisverpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland. Im Laufe des Verfahrens konnte jedoch aus Sicht der Vergabekammer kein hinreichender Nachweis dafür erbracht werden, dass nur der bisherige Auftragnehmer den Nachbau innerhalb der einzuhaltenden Zeit leisten kann.
Sturmgewehrvergabe mit Schwierigkeiten
Auf Grundlage des am 30. September 2020 bei der 1. Vergabekammer des Bundes beim Bundeskartellamt eingegangenen Nachprüfungsantrags der Firma Heckler und Koch hat die Vergabestelle des Bundes (BAAINBw) erstmalig nachprüfbar von einer möglichen Patentrechtsverletzung durch die Firma C.G. Haenel GmbH Kenntnis erlangt. Die darauf eingeleiteten internen Prüfungen haben zum Ergebnis geführt, dass eine entsprechende Patentrechtsverletzung durch den Bieter C.G. Haenel GmbH zulasten des Bieters Heckler und Koch nicht auszuschließen ist. Vor diesem Hintergrund war die Vergabestelle des Bundes angehalten, das Informationsschreiben (§ 134 GWB) an die Bieter über die beabsichtigte Zuschlagserteilung an die Firma C.G. Haenel GmbH aufzuheben. Die Vergabestelle des Bundes wird damit in eine Neubewertung der Angebote unter Berücksichtigung aller Aspekte eintreten.
Drohnen-Beschaffung rechtmäßig
Das OLG Düsseldorf (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 31.05.2017 – VII-Verg 36/16) hat entschieden, dass zur Beschaffung der Drohnen des Typs Heron TP ein Verhandlungsverfahren ohne vorangegangenen Teilnahmewettbewerb nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 lit. c) VSVgV durchzuführen ist.
Hintergrund:
Die Antragstellerin – ein in den USA ansässiges Unternehmen – ist Herstellerin von unbemannten Luftfahrzeugen (Drohnen), sog. Unmanned Aircraft Systems oder Unmanned Aerial Systems (UAS). Der von ihr hergestellte Typ Predator B Block 1 ist seit mehr als 15 Jahren in Betrieb. Sie hat zudem eigens für den europäischen Markt das bewaffnungsfähige Modell „Certifiable Predator B – Guardian Eagel“ (nachfolgend: CPB) entwickelt. Die NATO-Partner Großbritannien, Frankreich und Italien haben sich zur Beschaffung dieses Modells entschieden. Das israelische Unternehmen J1 Ltd. (J1) produziert unbemannte Luftfahrzeuge der Produktfamilie Heron, zu der das System Heron 1 und das bewaffnungsfähige System Heron TP gehören. Die Beigeladene – hierbei handelt es sich um eine Tochtergesellschaft des europäischen Rüstungskonzerns B1 – ist exklusiver Vertragspartner des israelischen Herstellers und für die Vermarktung des Systems Heron in Europa zuständig. Seit dem Jahr 2010 nutzt die Antragsgegnerin aufgrund eines Leasingvertrags mit der Beigeladenen unbewaffnete Drohnen des Typs Heron 1, die vor allem zur Aufklärung und Überwachung im ISAF-Einsatz in Afghanistan eingesetzt waren und nunmehr in Mali eingesetzt sind. Beginnend im Jahr 2013 plante die Antragsgegnerin die Beschaffung mehrerer bewaffnungsfähiger Drohnen der MALE-Klasse (Medium Altitude Lond Endurance). Hierbei soll es sich um eine Überbrückungslösung für einen Zeitraum von bis zu zehn Jahren handeln. Ab dem Jahr 2025 soll eine von Deutschland und drei weiteren Nationen (Italien, Spanien und Frankreich) entwickelte „europäische Drohne“ zum Einsatz kommen. Ausgehend von ihren internen Verfahrensbestimmungen „Costumer Produkt Management (nov.)“ – CPM (nov.) erarbeitete die Antragsgegnerin das Dokument „Fähigkeitslücke und funktionale Forderung“ (FFF) und sodann in einer zweiten Analysephase drei verschiedene Lösungskonzepte. Lösungskonzept 1 war das Modell Heron 1, Lösungskonzept 2 die seinerzeit am Markt verfügbare MALE UAS System Predator B und Lösungskonzept 3 das Modell Heron TP. Der Generalinspekteur der Bundeswehr erhielt die Lösungskonzepte am 8. Januar 2016 und traf am 12. Januar 2016 seine Auswahlentscheidung für das Lösungskonzept 3 Heron TP des Herstellers J1. An die Umsetzung der Auswahlentscheidung wurden Bedingungen, sog. Quality Gates, geknüpft. Sollte das System Heron TP diese Bedingungen in der Folgezeit nicht erfüllen, soll das System CPB der Antragstellerin zum Zuge kommen. In der Bundestagssitzung vom 13. Januar 2016 informierte die Bundesregierung den Bundestag über die Auswahlentscheidung des Generalinspekteurs der Bundeswehr (Plenarprotokoll 18/148, Anlage 13).
Nachdem die Antragstellerin einige Tage später Kenntnis von der Auswahlentscheidung erhalten hatte, rügte sie mit Schreiben vom 21. Januar 2016 die Vorgehensweise der Antragsgegnerin als vergaberechtswidrig. Die Antragsgegnerin habe insbesondere den Grundsatz der Produktneutralität missachtet und das nach GWB und VSVgV vorgesehene Verfahren nicht eingehalten. Die Antragsgegnerin teilte der Antragstellerin mit Schreiben vom 10. März 2016 mit, dass sie die Beanstandungen prüfen und sie anschließend über das Ergebnis ihrer Prüfung unterrichten werde. Ausweislich des Vergabevermerks vom 12. April 2016 entschloss sich die Antragsgegnerin die Drohnen des Typs Heron TP in einem Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 lit. c) VSVgV zu beschaffen. Eine ausführliche Begründung dieser Entscheidung ist in der Anlage I zu diesem Vermerk niedergelegt, auf die zur Vermeidung von Wiederholung Bezug genommen wird. Mit Schreiben vom 12. Mai 2016 unterrichtete die Antragsgegnerin die Antragstellerin, dass sie die mit Schreiben vom 21. Januar 2016 geäußerten Bedenken nicht teile und beabsichtige, ein Vergabeverfahren ohne vorhergehenden Teilnahmewettbewerb nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 lit. c) VSVgV durchzuführen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Schreiben der Antragsgegnerin vom 12. Mai 2016 Bezug genommen. Unter dem 22. Juni 2016 beantragt die Antragstellerin Nachprüfung bei der Vergabekammer des Bundes. Mit Beschluss vom 17. August 2016 hat die Vergabekammer den Nachprüfungsantrag zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss wendet sich die Antragstellerin mit der sofortigen Beschwerde.
Das OLG Düsseldorf kommt zu dem Ergebnis: Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist nicht begründet. Die Vergabekammer hat im Ergebnis zur Recht den Nachprüfungsantrag als unbegründet zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin hat die Grenzen ihres Leistungsbestimmungsrechts nicht überschritten. Sie ist berechtigt, zur Beschaffung der Drohnen des Typs Heron TP ein Verhandlungsverfahren ohne vorangegangenen Teilnahmewettbewerb nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 lit. c) VSVgV durchzuführen.
Mit ihrer Entscheidung, den zu vergebenden Auftrag „MALE UAS Brückenlösung“ auf die Lieferung von Drohnen des Typs Heron TP des israelischen Herstellers J1 zu beschränken, hat die Antragsgegnerin die Grenzen des dem öffentlichen Auftraggeber zustehenden Leistungsbestimmungsrechts nicht überschritten.
Bei der Beschaffungsentscheidung für ein bestimmtes Produkt, eine Herkunft, ein Verfahren oder dergleichen ist der öffentliche Auftraggeber im rechtlichen Ansatz ungebunden. Die Entscheidung wird erfahrungsgemäß von zahlreichen Faktoren beeinflusst, unter anderem von technischen, wirtschaftlichen, gestalterischen oder solchen der sozialen, ökologischen oder ökonomischen Nachhaltigkeit. Die Wahl unterliegt der Bestimmungsfreiheit des Auftraggebers, deren Ausübung dem Vergabeverfahren vorgelagert ist. Sie muss zunächst einmal getroffen werden, um eine Nachfrage zu bewirken. Das Vergaberecht regelt demnach nicht, was der öffentliche Auftraggeber beschafft, sondern nur die Art und Weise der Beschaffung (überwiegende Rechtsprechung der Vergabesenate der OLG, vergleiche allein OLG München, Beschluss vom 28.7.2008 – Verg 10/08 u. Beschluss vom 9.9.2010 – Verg 10/10, Bestuhlung; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.2.2010 – VII-Verg 42/09, ISM-Funk, Beschluss vom 3.3.2010 – VII-Verg 46/09, L.-Lysimeter u. Beschluss vom 27.6.2012 – VII-Verg 7/12, Fertigspritzen; Jaeger, ZWeR 2011, 365, 366; Scharen GRUR 2009, 345 – jeweils m.w.N.). Einer besonderen vergaberechtlichen Ermächtigungsgrundlage bedarf die Bestimmung des Auftragsgegenstands durch den Auftraggeber nicht. Sie ergibt sich aus der Vertragsfreiheit. Die danach im jeweiligen Fall vorgenommene Bestimmung des Beschaffungsgegenstands ist von den Vergabenachprüfungsinstanzen im Ausgangspunkt nicht zu kontrollieren.
Nichtsdestoweniger unterliegt die Bestimmungsfreiheit des Auftraggebers beim Beschaffungsgegenstand, und zwar im Interesse der von der Richtlinie 2004/18/EG angestrebten Öffnung des Beschaffungswesens der öffentlichen Hand für den Wettbewerb, aber auch der effektiven Durchsetzung der Warenverkehrsfreiheit wegen (vgl. EuGH, Urteil vom 10.5.2012 – C-368/10), bestimmten durch das Vergaberecht gezogenen Grenzen. So sieht § 15 Abs. 8 VSVgV vor, dass, soweit dies nicht durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt ist, der Auftraggeber in der Leistungsbeschreibung nicht auf eine bestimmte Produktion oder Herkunft oder ein besonderes Verfahren oder auf Marken, Patente, Typen, einen bestimmten Ursprung oder eine bestimmte Produktion verweisen darf, wenn dadurch bestimmte Unternehmen oder Güter begünstigt oder ausgeschlossen werden. Die genannten Normen beschreiben abschließend die für die Bestimmungsfreiheit bestehenden Beschränkungen. Die Subsumtion des jeweiligen Sachverhalts unter die genannten Normen obliegt den nationalen Gerichten.
Nach der dazu ergangenen Rechtsprechung des Senats (vgl. oben, insbesondere zuletzt: OLG Düsseldorf, Beschluss vom 1.8.2012 – VII – Verg 10/12, SatWaS/ MoWaS u. Beschluss vom 27.6.2012 – VII-Verg 7/12, Fertigspritzen) sind die vergaberechtlichen Grenzen der Bestimmungsfreiheit des öffentlichen Auftraggebers indes eingehalten, sofern
– die Bestimmung durch den Auftragsgegenstand sachlich gerechtfertigt ist,
– vom Auftraggeber dafür nachvollziehbare objektive und auftragsbezogene Gründe angegeben worden sind und die Bestimmung folglich willkürfrei getroffen worden ist,
– solche Gründe tatsächlich vorhanden (festzustellen und notfalls erwiesen) sind,
– und die Bestimmung andere Wirtschaftsteilnehmer nicht diskriminiert.
Bewegt sich die Bestimmung in diesen Grenzen, gilt der Grundsatz der Wettbewerbsoffenheit der Beschaffung nicht mehr uneingeschränkt.
Nach Maßgabe dieser Voraussetzungen hat der Senat die Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers für die Beschaffung eines bestimmten Produkts aus technischen Gründen für sachlich gerechtfertigt gehalten, wenn hierdurch im Interesse der Systemsicherheit und Funktion eine wesentliche Verringerung von Risikopotentialen (Risiko von Fehlfunktionen, Kompatibilitätsproblemen, höherem Umstellungsaufwand) bewirkt wird (OLG Düsseldorf, Beschluss v. 13. 04.2016, VII-Verg 47/15, juris Rn. 19; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22.05.2013, VII-Verg 16/12, juris Rn. 40; OLG Düsseldorf, Beschluss v. 01.08.2012, VII-Verg 10/12, Rn. 49). Der öffentliche Auftraggeber darf in diesem Fall jedwede Risikopotentiale ausschließen und den sichersten Weg wählen.
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Entscheidung der Antragsgegnerin, Drohnen des Typs Heron TP zu beschaffen, vergaberechtlich nicht zu beanstanden. Es liegen nachvollziehbare objektive und auftragsbezogene Gründe für die Auswahlentscheidung des Generalinspekteurs der Bundeswehr vor. Hierbei handelt es sich um die raschere Verfügbarkeit und Einsatzfähigkeit (siehe unter a.) und um Vorteile im Zusammenhang mit der Bewaffnungsfähigkeit der Drohnen (siehe unter b.).
Die schnellere Verfügbarkeit und Einsatzfähigkeit des Systems Heron TP ist ein nachvollziehbarer objektiver und auftragsbezogener Grund.
Ziel der vorliegenden Beschaffung ist, eine existierende Fähigkeitslücke der Bundeswehr bis zu Einführung der Eurodrohne schnellstmöglich zum Schutz der eigenen Soldatinnen und Soldaten aber auch der Soldatinnen und Soldaten verbündeter Nationen zu schließen. Die gegenwärtige und sich entwickelnde sicherheitspolitische Lage, die aktuellen Einsätze der Bundeswehr im Ausland sowie die politische Vorgabe zur Übernahme einer größeren Verantwortung der Bundeswehr als Rahmennation in militärischen Einsätzen haben eine Fähigkeitslücke im Bereich der luftgestützten abbildenden Aufklärung mit der Fähigkeit zur verzugslosen Wirkung ergeben. Die bisher zum Einsatz gekommene MALE UAS vom Typ Heron 1 kann ausschließlich in der abbildenden Aufklärung eingesetzt werden. Diese Fähigkeit erfüllt jedoch aufgrund der sich stetig weiterentwickelnden technischen Fortschritte und der eingesetzten Technologien der Verbündeten nicht die Anforderungen, die heutige Einsätze mit sich bringen. Es soll daher ein adäquates, weitgehend marktverfügbares System als sogenannte Überbrückungslösung rasch eingeführt werden (siehe Vermerk des BMVG/Generalinspekteur Entscheidungsbegründung Auswahlentscheidung MALE UAS Brückenlösung vom 12. Januar 2016 (Bl. 117 VergabeAkte). Entscheidender Aspekt ist daher die Fähigkeitslücke so schnell wie möglich durch die Beschaffung bewaffneter Drohnen zu schließen.
Zum Zeitpunkt der Auswahlentscheidung im Januar 2016 war gestützt auf die Angaben der Antragstellerin und der Beigeladenen das System Heron TP wesentlich früher verfügbar und zum Einsatz mit Bundeswehrpersonal bereit als das System CPB. Während die Drohne der Antragstellerin erst 30 Monate nach Vertragsschluss im Juni 2016 ausgeliefert werden konnte und erst ein weiteres Jahr nach Ausbildung des Bundeswehrpersonals einsatzfähig war, konnte die Beigeladene dieselbe Leistung (Auslieferung und Ausbildung incl. Ausbildung zum Waffeneinsatz, 24 Crews in 24 Monaten) innerhalb von nur 24 Monaten und damit 18 Monate früher als die Antragstellerin anbieten (BT-Drucks. 18/7725 S. 5, GA 165). Ursächlich hierfür war unter anderem, dass die Ausbildung des Bundeswehrpersonals zunächst übergangsweise auf einem anderen System und zwar Predator B Block 5 erfolgen sollte, bis Ausbildungskurse für das System CPB angeboten werden konnten.
Zwischenzeitlich hat sich die Situation zwar zu Gunsten der Antragstellerin verändert. Folgende Gründe sprechen aber gleichwohl dafür, dass die Einsatzfähigkeit des CPB nicht so schnell herbeigeführt werden kann wie beim Heron TP bzw. zumindest deutlich risikobehafteter ist. Während das System Heron TP nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Antragsgegnerin bereits „weitgehend“ die technischen Voraussetzungen für eine Einsatznutzung erfüllt und erforderliche Anpassungen zur Zulassung bereits identifiziert und im Musterprüfungsprogramm für die Zulassung nach deutschem Recht durch das Luftfahrtamt der Bundeswehr berücksichtigt worden sind (GA Bl. 327), hat der CPB am 17.11.2016 erst seinen Erstflug absolviert und befindet sich zurzeit in der Flugerprobung, die nach Aussage des Zeugen L. etwa 1 – 2 Jahre andauern wird. Außerdem besteht beim CPB anders als beim Heron TP ein zusätzlicher technischer Anpassungsbedarf. Verlässliche Angaben der Antragstellerin dazu, ob die technischen Anpassungen erfolgreich innerhalb von 24 Monaten nach Vertragsschluss durchgeführt werden können, fehlen. So ist der Piloten-Platz in der Bodenstation von zwei auf drei Sitzplätze zu erweitern und sind die Bildschirme so zu gestalten, dass jedes Crew-Mitglied den Bildschirm des jeweils anderen auf seinem Bildschirm einsehen kann. Da der CPB über kein automatisches Start- und Landesystem (ATOL) verfügt, ist ein solches zukünftig erst zu integrieren. Der Zeuge P. hat hierzu bei seiner Vernehmung vor dem Senat ausgesagt, dass Kunden das ATOL derzeit im Grey Eagle und im Predator B nutzten. Es werde in den nächsten Monaten eine neue Software-Ausgabe des ATOL erwartet. Diese neue Version solle in den CPB integriert werden. Auf Wunsch des Kunden könne zudem eine manuelle Steuerung für den Fall konfiguriert werden, dass das ATOL ausfalle. Auch ein automatisches Taxiing, also das Bewegen am Boden bis zum Start, fehle derzeit, könne aber auf Wunsch des Kunden integriert werden. Im Rahmen der Beweisaufnahme konnte nicht aufgeklärt werden, dass für den Einbau der zuvor genannten Änderungen und die Konfiguration der Steuerungs-Software nur ein den Auslieferungszeitpunkt nicht beeinflussender zeitlicher Aufwand erforderlich ist. Die Angaben des Zeugen P. waren undifferenziert und durch keine belastbaren Tatsachen belegt. So sprach der Zeuge P. im Zusammenhang mit der Integration eines automatischen Start- und Landesystem von einem „geringen Aufwand“. Auf Nachfrage, was er darunter verstehe, konnte der Zeuge seine Aussage nicht weiter präzisieren. Vor diesem Hintergrund ist die Befürchtung der Antragsgegnerin, die Antragsgegnerin könne die erforderlichen technischen Anpassungen nicht binnen 24 Monate nach Vertragsschluss erfolgreich durchführen mit der Konsequenz, dass sich die Einsatzbereitschaft der Drohne verzögert, nachvollziehbar und bei der Auswahlentscheidung als nachvollziehbarer objektiver und auftragsbezogener Grund zu berücksichtigen.
Ein weiterer sachlicher und auftragsbezogener Grund für die Auswahlentscheidung zu Gunsten des Heron TP sind Vorteile bei der Beschaffung und dem späteren Einsatz der Drohnen. Dies betrifft die Notwendigkeit, Genehmigungen des Herstellerlandes für den Kauf, den Export und den Einsatz der Drohnen zu erhalten.
Die Situation beim Heron TP ist deutlich vorteilhafter als beim CPB.
Die Antragsgegnerin hat mit Schriftsatz vom 28. Februar 2017 vorgetragen und durch Vorlage eines Schreibens der israelischen Regierung an das deutsche Verteidigungsministerium vom 08.10.2015 und eines Schreibens der israelischen Rüstungsexportkontrollbehörde im israelischen Verteidigungsministerium vom 22.02.2017 bestätigt, dass sie, die Antragsgegnerin, über die Nutzung des Systems völlig souverän entscheiden kann und sie keinen Beschränkungen der israelischen Seite unterliegt. Sie hat bereits zum jetzigen Zeitpunkt Gewissheit darüber, dass sie über die Art und den Ort des Einsatzes souverän entscheiden kann. Anders ist die Situation bei einer Beschaffung des CPB, wobei es dabei weniger problematisch erscheint, die Genehmigung der US-amerikanischen Regierung für den Kauf bzw. Leasing und den Export zu erhalten. Seit dem 17.02.2015 ist eine neue Richtlinie zur Erleichterung und Beschleunigung von Exportgenehmigungen von bewaffneten UAS für Nato-Partner und alliierte Staaten in Kraft. Der Zeuge L. hat bei seiner Vernehmung glaubhaft ausgesagt, insbesondere Frankreich und Großbritannien hätten die erforderlichen Genehmigungen innerhalb von 4 – 6 Monaten erhalten. Zudem sei zu erwarten, dass die Antragsgegnerin die Genehmigungen noch zügiger erhalte, weil die US-Administration in der Vergangenheit bereits mehrfach signalisiert habe, dass eine Genehmigung im Falle Deutschlands eine reine Formsache sei (GA 214). Diese Aussage wird gestützt durch ein an das BMVG adressiertes Schreiben vom 18.11.2015, in dem die US Luftwaffe der Antragsgegnerin die Unterstützung des US State Departments für das Leasing eines bewaffnungsfähigen UAS incl. Bewaffnung zusichert (GA 213). Deutlich schwieriger ist die Situation hingegen bei der Veränderung des Einsatzgebietes der Drohne. Der von der Antragsgegnerin zu stellende Letter of Request (LOR) würde zwar den gewünschten geographischen Einsatzraum beinhalten und im Letter of Offer and Acceptance (LOA) bzw. Technical Assistance Agreement (TAA) entsprechend genehmigt. Soll das System aber in ein neues, von der Genehmigung nicht erfasstes Einsatzgebiet verlegt werden, bedarf es einer neuen Genehmigung. Zwar trägt die Antragstellerin vor, eine solche Genehmigung werde unproblematisch und innerhalb weniger Tage erteilt (GA Bl. 434). Es verbleibt aber gleichwohl das nicht zu unterschätzende Risiko, ob eine solche Genehmigung in zeitlicher und inhaltlicher Hinsicht tatsächlich erteilt wird. Die Entscheidung hängt von den politischen Mehrheitsverhältnissen im US-Kongress ab. Hierbei ist durchaus möglich – so wie die Antragsgegnerin von der Antragstellerin unwidersprochen vorgetragen hat -, dass aufgrund der zunehmend komplexeren internationalen Zusammenhänge über Einsatzszenarien zu entscheiden ist, in denen die Antragsgegnerin andere, von denen der amerikanischen Stelle abweichende militärtaktische oder einsatzpolitische Entscheidungen treffen möchte (GA Bl. 469). Ob der US-Kongress in einem solchen Fall das erweiterte Einsatzgebiet schnell und problemlos genehmigt, ist ungewiss. Ein durchsetzbarer Anspruch auf Erteilung der Genehmigung steht der Antragsgegnerin jedenfalls nicht zu. Sie wäre bei der Nutzung des Systems in einem anderen als dem ursprünglich genehmigten Einsatzgebiet daher nicht – wie beim Einsatz des Heron TP – völlig frei, sondern von Entscheidungen der US-amerikanischen Seite abhängig.
Auch im Hinblick auf die Bewaffnungsfähigkeit der Drohnen und die bei einer Bewaffnung notwendig werdenden taktischen Waffenausbildung, ist die Beschaffung des Heron TP der des CPB überlegen. Heron TP kann im Gegensatz zu CPB mit L.er, skalierbarer und abstandsfähiger Präzisionsmunition ausgestattet werden und entspricht damit eher dem Bewaffnungskonzept der Luftwaffe (GA 169; BT-Drucks. 18/7725 S. 2; Auswahlentscheidung v. 12.01.2016 Ziff. 2.5; Schreiben BMVG Abt. Leiter Bald v. 01.04.2016, Anl. MEK 6). Die mögliche Bewaffnung mit geringer Wirkkraft ermöglicht L.teilige, „chirurgische“ Angriffe unter weitest gehendem Schutz nicht beteiligter Dritter (Anlage I. zur Entscheidung über die Vergabeart MALE UAS Überbrückungslösung, Seite 10). Sie ist daher auch im urbanen Gebiet einsetzbar. Diese Überlegungen der Antragsgegnerin sind nachvollziehbar objektiv und auftragsbezogen. Sie sind nicht, so wie die Antragstellerin geltend macht, erst während des laufenden Verfahrens „nachgeschoben“ worden. Sie fanden vielmehr schon vor der Auswahlentscheidung des Generalinspekteurs der Bundeswehr Berücksichtigung, wie sich aus dem Positionspapier der Luftwaffe vom 30.09.2012 und der Funktionalen Fähigkeitsanforderung vom 26.02.2013 ergibt. Unstreitig kann die Antragstellerin die von der Antragsgegnerin bevorzugte Art der Bewaffnung nicht anbieten. Sie ist dem diesbezüglichen Vortrag der Antragsgegnerin in ihrem Schriftsatz vom 2. Februar 2017 (GA Bl. 337) nicht entgegen getreten. Soweit sie geltend macht, der CPB könne auch mit eigenen Waffen der Antragsgegnerin ausgestattet werden, da standardisierte Schnittstellen vorhanden seien und eine Genehmigung der US-Regierung für diese Bewaffnung unproblematisch – wie im Fall von Großbritannien – erlangt werden könne, kommt es hierauf nicht entscheidend an. Die Bewaffnung, die die Antragsgegnerin aus sachlich nachvollziehbaren Gründen von Anfang an favorisiert hat, stammt aus .. (GA Bl. 337). Hinzu kommt, dass sich ein solches Vorgehen auch noch aus einem weiteren Grund nachteilig auf die geforderte schnelle Systemverfügbarkeit 24 Monate nach Vertragsschluss auswirken kann. Während die Ausbildung auf Heron TP… nach Vertragsschluss… beginnen kann und nach 24 Monaten bereits 24 Crews ausgebildet sind, kann die Antragstellerin die taktische Waffenausbildung in ihrem Simulator nur mit US-amerikanischen Waffen durchführen. Bei Waffen aus anderen Ländern erfolgt die taktische Waffenausbildung durch den Hersteller, wie der Zeuge L. auf Nachfrage bei seiner Vernehmung ausgesagt hat. Dies bedeutet aber, dass die taktische Waffenausbildung und das Bedienen der Waffe am CPB erst nach Integration der (fremden) Waffen und Auslieferung der Drohnen erfolgen können.
Nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 lit. c) VSVgV ist ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb bei Liefer- und Dienstaufträgen zulässig, wenn der Auftrag wegen seiner technischen Besonderheiten nur von einem bestimmten Unternehmen durchgeführt werden kann.
Hiernach darf die Antragsgegnerin den in Rede stehenden Auftrag MALE UAS Überbrückungslösung im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb vergeben, weil die zugunsten des Systems Heron TP getroffene Beschaffungsentscheidung vergaberechtlich nicht zu beanstanden ist. Ist dies der Fall, dann kann der Auftrag wegen seiner technischen Besonderheiten nur von der Beigeladenen durchgeführt werden.