OLG München, Beschluss vom 02.11.2012 – Verg 26/12: Maßgaben für die Vergabe von Planungsleistungen im Hochwasserschutz
vorgestellt von Thomas Ax
Strittig ist vielfach die Handhabung und Bewertung und Dokumentation der Präsentation von Planung und Team.
Die Auftragsverhandlungen mit den nach vorangegangenem Teilnahmewettbewerb ausgewählten Bietern dienen der Ermittlung des Bieters, der im Hinblick auf die gestellte Aufgabe am ehesten die Gewähr für eine sachgerechte und qualitätsvolle Leistungserbringung bietet.
Zu diesem Zweck werden Auftragsgespräche mit den ausgewählten Bietern durchgeführt.
Der Auftraggeber berücksichtigt bei der Entscheidung über die Auftragserteilung verschiedene Kriterien, welche er zuvor einschließlich ihrer Gewichtung anzugeben hat. Da es sich bei der Beurteilung, welcher Bieter die ausgeschriebene Leistung wohl am besten erbringen wird, um eine Prognose handelt, steht dem öffentlichen Auftraggeber ein Beurteilungsspielraum zu. Dieser kann nur eingeschränkt von den Nachprüfungsinstanzen überprüft werden, nämlich dahingehend, ob der Auftraggeber das vorgeschriebene Verfahren nicht eingehalten hat, von einem unzutreffenden bzw. nicht hinreichend überprüften Sachverhalt ausgegangen worden ist, sachwidrige Erwägungen für die Entscheidung verantwortlich waren oder der Beurteilungsmaßstab nicht zutreffend angewandt wurde.
Die Präsentation von Planung und Team stellt ein übliches Verfahren bei der Auswahl des am besten erscheinenden Bieters dar. Dies gilt gerade für den Bereich, in welchem individuell geplante Ingenieur- und Architektenleistungen beauftragt werden sollen. Nicht nur das geplante Objekt an sich, sondern auch die geplante konkrete Ausführung sind vom Auftraggeber einzuschätzen. Einen Eindruck hiervon lässt sich im Rahmen einer Präsentation gewinnen.
Das OLG München hatte sich mit dem folgenden Ausgangsfall zu befassen:
Die Antragsgegnerin schrieb am 16.3.2011 den Hochwasserschutz für den Ortsteil W. europaweit als Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb aus. Zuschlagskriterien für das wirtschaftlich günstigste Angebot sind
-Projekteinschätzung 20%-Erwartete fachliche Leistung durch Präsentation einer vergleichbaren Aufgabenstellung 20%-Gesamteindruck des Projektteams 40%-Honorar 15%-Gesamteindruck der Präsentation und Bewerbung 5%. Es wurden drei Teilnehmer ausgewählt, darunter die Antragstellerin und die Beigeladene. Nachdem eine erste Verhandlungsrunde mit diesen Teilnehmern nicht zu einem Ergebnis geführt hatte, wurden die drei Bewerber zu einer zweiten Verhandlungsrunde mit Schreiben vom 16.3.2012 eingeladen. Im Einladungsschreiben sind die Kriterien der Bekanntmachung sowie verschiedene Unterkriterien angegeben. Außerdem wurden Hinweise zur Wertung der einzelnen Auftragskriterien gegeben.
Der Präsentationstermin fand am 11.5.2012 statt; die Jury bestand aus fünf Mitgliedern. Jedes der Jurymitglieder vergab anhand des den Bewerbern zuvor mitgeteilten Bewertungsbogens Punkte von 1 – 5, wobei 5 die höchste Punktzahl darstellte. Mit 1 Punkt sollte z.B. beim Unterpunkt „Gesamteindruck der Präsentation und Bewerbung“ eine Präsentation in nur sehr geringer Qualität bewertet werden. Die Antragstellerin wurde – ohne Honorarwertung – von einem Jurymitglied deutlich schlechter beurteilt als die beiden anderen Bewerber; für den Gesamteindruck vergab dieser Bewerter nur 1 Punkt. Nach der Gesamtwertung – unter Einschluss des Honorars – lag die Antragstellerin mit 365,9 Punkte an letzter Stelle, die Beigeladene erreichte 398,1 Punkte und eine weitere Bieterin wurde mit 372,2 Punkten bewertet.
Das OLG gibt folgende Hinweise für die Handhabung und Bewertung und Dokumentation der Präsentation von Planung und Team:
1 Der Auftraggeber muss Präsentation vergaberechtskonform in die Wege leiten.
Den Bietern ist die Präsentation zeitgerecht anzukündigen, es sind die Bewertungskriterien einschließlich der Unterkriterien sowie die Punkteskala mit einer Erläuterung der einzelnen Punktwerte mitzuteilen. Den Bietern muss klar sein, und zwar vor der Präsentation, um welche Gesichtspunkte es dem Auftraggeber geht und wie die Notenstufen (ähnlich der Beschreibung von Schulnoten) definiert sind. Insgesamt bedeutet eine schlechte Bewertung nicht von vornherein, dass diese auf Willkür beruht, und zwar auch dann nicht, wenn sich die schlechte Punktzahl als „Ausreißer“ gegenüber der Wertung anderer Juroren darstellt. Eine Wertung hat immer eine subjektive Note, da sie auf dem Hintergrund und auf der Erfahrung der betreffenden Persönlichkeit beruht. Schon von daher sind derartige Wertungen nur eingeschränkt überprüfbar. Es kommt hinzu, dass die Präsentation einen Vorgang darstellt, der einer Situation in einer mündlichen Prüfung ähnelt und wegen seiner Einmaligkeit nicht wiederholt werden kann.
2 Grundsätzlich verbleibt dem öffentlichen Auftraggeber ein Rest an Wertungsspielraum, welcher sich der gerichtlichen Überprüfung entzieht. Es ist auch Sache des öffentlichen Auftraggebers, die Art des Wertungsvorganges festzulegen. Dies folgt aus seiner Hoheit über den Beschaffungsvorgang: er bestimmt, welche Leistung er haben möchte und in welcher Form oder Qualität. Daraus folgt zwangsläufig, dass er die entsprechenden Wertungsmaßstäbe und die Art und Weise der Wertung bestimmen kann. Man kann darüber streiten, ob und inwieweit es sinnvoll ist, die Vergabe eines Auftrages von Planungsleistungen im Hochwasserschutz hauptsächlich von der Bewertung einer Präsentation abhängig zu machen.
3 Entscheidend ist dass sich der Auftraggeber an alle Vorgaben gehalten hat, welche er aufgestellt und den Bietern auch mitgeteilt hat.
4 Das Vergabeverfahren ist von Anbeginn fortlaufend zu dokumentieren, so dass die einzelnen Stufen des Verfahrens, die einzelnen Maßnahmen sowie die Begründung der einzelnen Entscheidungen festgehalten werden. Die Dokumentationspflicht folgt aus dem Transparenzgebot; sie soll sowohl für die Bieter als auch für die Nachprüfungsinstanzen die Entscheidungen des Auftraggebers transparent und nachvollziehbar machen. Dies gilt vor allem für Entscheidungen, welche die Ausübung von Ermessen oder die Ausfüllung eines Beurteilungsspielraumes enthalten, hier sind die Gründe für die erfolgte Ermessensausübung bzw. Beurteilung darzulegen, weil sich die Entscheidung nicht unmittelbar aus dem Gesetz oder einer sonstigen Vorschrift ergibt.
5 Ein Bieter kann sich nur dann auf eine fehlende oder unzureichende Dokumentation stützen, wenn sich die diesbezüglichen Mängel auf seine Rechtsstellung im Vergabeverfahren nachteilig ausgewirkt haben.
6 Eine ordnungsgemäße Dokumentation erfordert nicht eine wörtliche Begründung der vergebenen Punktzahl. Es reicht aus, wenn der Auftraggeber in den übersandten Unterlagen für jedes Kriterium, welches mit der Präsentation geprüft werden soll, eine wörtliche Umschreibung für die Punktbewertung gibt, wie z.B.; „wesentliche Gesichtspunkte der Aufgabenstellung nur sehr gering erkannt. Problemstellungen werden nur sehr eingeschränkt bewältigt – 1 Punkt“. Anhand der vergebenen Punkte kann der Bieter daher erkennen, wie seine Leistung im betreffenden Sektor ausgefallen bzw. gewertet worden war.
7 Die Forderung nach einer zusätzlichen detaillierteren wörtlichen Begründung würde die Anforderungen an die Bewerter und auch die Dokumentationspflicht überspannen; es verbleibt bei der Wertung des Auftraggebers ein Rest, der sich der gerichtlichen Nachprüfung entzieht und auch nicht unbedingt in Worte gekleidet werden kann. Eine weitere wörtliche Begründung würde auch dem einzelnen Bieter kaum einen weiteren Erkenntnisgewinn bringen.