I
Wir beschäftigen uns ausschließlich mit wirtschaftlichen und sonstigen Vor- und Nachteilen und den (vergabe-)rechtlichen Implikationen verschiedener Unternehmereinsatzformen. TÜ, TU, GÜ, GU, GP.
Wir entwickeln die notwendigen Begründungen und dokumentieren die Begründungen so dass sie vom Kunden für seine Belange verwendet werden können.
II
Der Weg der GU Vergabe nach Abschluss der Entwurfsplanung mit Baugenehmigung kann unter folgenden Voraussetzungen vergaberechtlich korrekt erfolgen.
1
Die rechtliche Zulässigkeit von GU-Vergaben richtet sich im Oberschwellenbereich nach § 97 Abs. 4 S. 2 GWB. Entscheidend ist das Vorliegen von wirtschaftlichen und/oder technischen Gründen, die das Absehen von einer Losvergabe zu Gunsten der Gesamtvergabe rechtfertigen.
Bauleistungen verschiedener Handwerks- und Gewerbezweige sind gem. § 5 VOB/A in der Regel nach Fachgebieten oder Gewerbezweigen getrennt zu vergeben. Die Ausnahme davon setzt voraus, dass die gemeinsame Vergabe aus wirtschaftlichen oder technischen Gründen notwendig ist.
Wenn wirtschaftliche oder technische Ausnahmetatbestände nicht vorliegen, stellt die Vergabe von Bauleistungen an einen Generalunternehmer einen Verstoß gegen das Vergaberecht dar.
Nach der Rechtsprechung rechtfertigen unzulässige Generalunternehmer-Vergaben die Rückforderung von Zuwendungen, vgl. z. B. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 4. April 2011, Az.: IBR 2011, 545; VG Augsburg, Urteil vom 23. Februar 2016, Az.: 3K 15.1070, BeckRS 2016, 43243; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 16. Januar 2017, Az.: 12 A 833/16; Troidl, Thomas, Vergaberecht und Verwaltungsrecht. Die jüngere Rechtsprechung zur Förderschädlichkeit von VOB-Verstößen in zehn Entscheidungen, NVwZ 9/2015, S. 549 ff.; Byok, Jan, Die Entwicklung des Vergaberechts seit 2015, NJW 21/2016, S. 1500.
Zum Teil wird somit schon das Vorliegen vertretbarer Gründe als ausreichend erachtet (OLG Schleswig, Beschluss vom 14.08.2000, 6 Verg 2/00, OLGR 2000, 470). Ein derart weitgehendes Ermessen wird dem Auftraggeber indes nicht eingeräumt.
Vielmehr müssen überwiegende Gründe für eine Gesamtvergabe sprechen (Beschluss des Senates vom 08.09.2004, VII Verg 38/04, VergabeR 2005, 107, 110; Byok in Byok/Jaeger, VergabeR, § 97 Rdnr. 222; Stickler in Kapellmann/Messerschmidt, VOB, § 4 Rdnr. 40; Müller-Wrede, NZBau 2004, 645).
Eine solche Sachlage kann vorliegen, wenn die Aufteilung unverhältnismäßige Kostennachteile mit sich bringen oder zu einer starken Verzögerung des Vorhabens führen würde (Beschluss des Senates vom 08.09.2004, VII Verg 38/04, aaO).
Dagegen können aus wirtschaftlichen oder technischen Gründen bestehende Schwierigkeiten, die nach Art und Ausmaß typischerweise mit der Vergabe von Fachlosen verbunden sind, eine Gesamtvergabe nicht rechtfertigen (Rusam in Heiermann/Riedl/Rusam, VOB, § 14 Rdnr. 18; Schranner in Ingenstau/Korbion, VOB, § 4 Rdnr. 16; Stickler in Kapellmann/Messerschmidt, VOB, § 4 Rdnr. 41).
An sich plausible Gründe, wie etwa die Entlastung des Auftraggebers von der Koordinierung, der Vorzug, nur einen Vertragspartner zu haben oder die einfachere Durchsetzung von Gewährleistungsansprüchen sind damit nicht geeignet, einen Ausnahmefall zu begründen.
§5 VOB/A würde leer laufen, wenn zur Begründung einer Gesamtvergabe die Benennung solcher Schwierigkeiten ausreichte, die typischerweise mit jeder losweisen Ausschreibung verbunden sind.
2
Eine Generalunternehmer-Vergabe hat relevante Vorteile gegenüber einer fachlosweisen Vergabe.
2.1
Bei einer fachlosweisen Vergabe hat der Bauherr einen höheren Aufwand zu tragen als bei einer zusammengefassten Vergabe.
Dieser wird z. B. hervorgerufen durch die Durchführung einer weitaus größeren Anzahl von Ausschreibungen und Vergaben sowie durch die erforderliche Koordination der Einzelunternehmer und deren Leistungsschnittstellen. Dem gegenüber steht bei der GU-Einsatzformen GU-A,A der bauherrenseitige Aufwand für die Prüfung und Freigabe GU-seitig erbrachter Planungsleistungen.
Der Bauherr ist nicht in der Lage, den höheren Aufwand der fachlosweisen Vergabe mit eigenem Personal abzudecken. Muss der Bauherr auf externes Personal zurückgreifen, so ist bei einem Kostenvergleich der Vergabeformen die resultierende Kostendifferenz dieser lt. DIN 276-1:2008-12 der Kostengruppe 700 (Baunebenkosten) hinzuzurechnenden Kosten zu berücksichtigen.
2.2
Die GU-Vergabe bringt die benötigte Terminsicherheit.
2.2.1
Ein erster Vorteil der GU-Vergabe ergibt sich aus dem Sachverhalt, dass bei ihr der Gesamt-Fertigstellungstermin der Baumaßnahme schon vor Beginn der Bauausführung zwischen Bauherr als AG und GU als AN bauvertraglich vereinbart wird.
Beim Bauen mit Einzelunternehmern erfolgt die Vergabe der die Bauausführung abschließenden Fachlose und somit auch die Vereinbarung der zugehörigen Vertragstermine erst weit nach Baubeginn. Bei fachlosweiser Vergabe ist der Gesamtfertigstellungstermin der Baumaßnahme als Vertragstermin eines Fachloses häufig erst nach ca. 2/3 der Gesamtbauzeit vereinbart und mittels einer Vertragsstrafenregelung gemäß § 11 VOB/B abgesichert.
2.2.2
Der GU-A,A ist für die rechtzeitige Bereitstellung der Ausführungsplanung verantwortlich.
Die rechtzeitige Bereitstellung der Ausführungspläne ist eine wesentliche Voraussetzung zur fristgerechten Bauausführung. Beim Bauen mit Einzelunternehmern wird die Ausführungsplanung dem AN vom AG zur Verfügung gestellt. Kommt es aufgrund der Nichteinhaltung von Planlieferterminen zur Behinderung oder Unterbrechung der Bauausführung, steht dem AN laut § 6 Absatz 2 VOB/B eine Verlängerung der Ausführungsfrist zu, ggf. auch ein Schadenersatzanspruch gemäß § 6 Absatz 6 VOB/B. Im Gegensatz dazu gehört bei den Unternehmereinsatzformen GU-A,A und GU-E,A die Ausführungsplanung zum Leistungsumfang des AN, der für ihr rechtzeitiges Vorliegen verantwortlich ist.
2.2.3
Im Falle von Terminüberschreitungen aufgrund verspäteter Ausschreibungen bzw. Vergaben, des Verzugs von ausführenden Unternehmern sowie der Insolvenz eines Einzelunternehmers bzw. Nachunternehmers des GU findet bei allen GU-Vergabevarianten eine Verlagerung der Terminrisiken in den Verantwortungsbereich des AN statt.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass bei der Projektabwicklung mit einem GU-A,A das Terminrisiko des Bauherrn im Vergleich zum Einsatz von Einzelunternehmern oder eines GU-A insgesamt reduziert wird. Dies begründet sich vor allem mit dem Transfer des aus der Nichteinhaltung von Planlieferfristen und aus dem Verzug bauausführender Unternehmer resultierenden Terminrisikos auf den GU.
Die vertragliche Vereinbarung des Gesamt-Fertigstellungstermins bereits vor Baubeginn und der damit u. a. einhergehende Transfer der aus verspäteten Fachlosvergaben resultierenden Risiken auf den GU sind hierfür die maßgebenden Gründe.
2.3
Die Baukosten stehen früh und fix fest.
2.3.1
Bei fachlosweiser Vergabe erfolgt die vertragliche Vereinbarung der Baukosten zwischen Bauherrn und den verschiedenen Unternehmen in aller Regel – aufgrund der nacheinander erfolgenden Vergaben der einzelnen Fachlose – sukzessive bis weit nach Beginn der Bauausführung.
Basierend auf unseren Erfahrungen kann in diesem Zusammenhang als Faustwert festgehalten werden, dass bei fachlosweiser Vergabe 75 % der Baukosten nach gut 40 % der Bauzeit und 95 % der Baukosten erst nach ca. 70 % der Bauzeit bauvertraglich fixiert sind. Im Gegensatz dazu stehen bei GU-Vergaben die Baukosten größtenteils (bis auf die nach Vertragsabschluss anfallenden Nachträge) bereits vor Beginn der Bauausführung fest.
Durch das frühzeitige Vorliegen von Angeboten für die Gesamtleistung besteht für den Bauherrn die Möglichkeit, Ungenauigkeiten und Fehler bzw. erforderliche Anpassungen in der Kostenermittlung seiner Fachplaner bereits vor Baubeginn zu erkennen.
Anpassungen der Planung an den vorgesehenen Kostenrahmen können dann ggf. noch vor Abschluss des Bauvertrags (GU-Vertrag) vorgenommen werden. Diese Reduzierung seines Kostenrisikos stellt für den Bauherrn einen Vorteil der zusammengefassten Vergabe gegenüber der fachlosweisen Vergabe dar.
2.3.2
Insbesondere bei der Unternehmereinsatzform GU-A,A sind bei der bauvertraglichen Gestaltung Varianten von Pauschalverträgen zur Anwendung geeignet, die es dem Bauherrn ermöglichen, Schnittstellen- und Komplettheitsrisiken bzgl. des geschuldeten Leistungsumfangs auf den GU zu verlagern. Dadurch sinkt tendenziell das beim Bauherrn verbleibende Nachtragsrisiko.
2.4
In Bezug auf die Verteilung des Haftungsrisikos bei Mängeln sind zwei Unterschiede zwischen den Vergabeformen zu betrachten: zum einen die Verteilung der Leistungsgefahr bis zur Abnahme und zum andern die Zuordnung der Haftung für Mängelansprüche während der Verjährungsfrist nach der Abnahme.
Bezüglich der Verteilung der Leistungsgefahr stellt es für den Bauherrn im Falle einer GU-Vergabe einen Vorteil dar, dass der GU sämtliche Leistungen seiner Nachunternehmer abzunehmen hat und bis zur Abnahme durch den Bauherrn für ihre Mangelfreiheit haftet. Dadurch entfällt für den Bauherrn die Notwendigkeit, für den Schutz bereits abgenommener Leistungen bis zum Ende der Bauzeit selbst zu sorgen.
2.4.1
Die Vorteile für den Bauherrn liegen im geringeren Umfang der von ihm direkt zu veranlassenden Überwachungstätigkeiten sowie im zu erwartenden geringeren Umfang erforderlicher Nacharbeiten zu seinen Lasten aufgrund von Verschmutzungen bzw. Beschädigungen.
2.4.2
Mit dem Zeitpunkt der Abnahme beginnt die o. g. Verjährungsfrist gemäß § 13 Absatz 4 VOB/B. Während dieser Frist hat der AN auf Verlangen des AG alle hervortretenden Mängel zu beseitigen, wenn sie auf vertragswidrige Leistung zurückzuführen sind. Die Beweislast liegt hierbei beim AG. Vor diesem Hintergrund fordert § 5 Absatz 1 VOB/A Bauleistungen so zu vergeben, dass eine „zweifelsfreie umfassende Haftung für Mängelansprüche erreicht wird“. Wird diese Regelung vollständig umgesetzt (was sich in der Praxis im Detail, z. B. im Bereich der Gebäudehülle, häufig als nicht einfach erweist), resultieren diesbezüglich aus Sicht des Bauherrn prinzipiell keine durch die Vergabeform bedingten Unterschiede.
2.4.3
Allerdings ist auch hier die Insolvenz eines ausführenden Unternehmers während der noch laufenden Verjährungsfrist zu beachten. Im Falle einer fachlosweisen Vergabe entsteht dadurch für den Bauherrn eine Haftungslücke. Wurde die Baumaßnahme mit einem GU abgewickelt, bleibt der Haftungsumfang unberührt; der GU springt für seinen betreffenden Nachunternehmer ein. Selbst unter der Annahme einer gleich hohen Insolvenzwahrscheinlichkeit ist beim Einsatz eines GU im Gegensatz zu voraussichtlich mehr als 20 Einzelunternehmern die Gesamtwahrscheinlichkeit eines Insolvenzfalls augenscheinlich geringer.
2.5
Im Falle der zusammengefassten Vergabe besteht für die Bieter die Möglichkeit, mehrere oder alle Teilleistungen in ihrem Gesamtzusammenhang zu betrachten. Somit erhöht sich die Anzahl der Ansatzpunkte für die Ausarbeitung von Ausführungsalternativen. Basieren die Ausschreibungsunterlagen auf der Entwurfsplanung, können zur Ausführung gelangende Nebenangebote im Regelfall mit geringerem Änderungsaufwand in die Planung eingearbeitet werden.
Unsere Erfahrung zeigt bei GU-Ausschreibungen (GU-A,A) ein Kostensenkungspotenzial aus fachlosübergreifenden Nebenangeboten, das sich im niedrigen einstelligen Prozentbereich, bezogen auf die Hauptangebots-Summe, bewegt.
2.6
Der Generalunternehmer erhebt für seinen Verwaltungsaufwand (z. B. Einholen von Nachunternehmerangeboten, Koordination der einzelnen Gewerke) und für Wagnis (Haftung für die Nachunternehmerleistungen gegenüber dem Auftraggeber) kalkulatorische Zuschläge auf die Preise der Nachunternehmer.
Dh aber nicht zwingend, dass der Generalunternehmereinsatz zu einer Verteuerung der Gesamtbauleistung führen muss.
3
Zu beachten ist indessen, dass der Auftraggeber sich bei dem Absehen von einer Losvergabe nicht nur an der zur Vermeidung von mit der Fachlosvergabe typischerweise verbundenen Belastungen und Schwierigkeiten orientieren darf, sondern sich an den besonderen Bedingungen des konkreten Bauvorhabens orientiert. Denn der Aspekt der Bauzeitverkürzung und der Vermeidung von Bauzeitverzögerungen bildet keinen Selbstzweck (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.07.2007 – Verg 10/07). Auch können aus wirtschaftlichen oder technischen Gründen bestehende Schwierigkeiten, die nach Art und Ausmaß typischerweise mit der Vergabe von Fachlosen verbunden sind, eine Gesamtvergabe nicht rechtfertigen (Rusam in Heiermann/Riedl/Rusam, VOB, § 14 Rdnr. 18; Schranner in Ingenstau/Korbion, VOB, § 4 Rdnr. 16; OLG Düsseldorf a.a.O.). An sich plausible Gründe, wie etwa die Entlastung des Auftraggebers von der Koordinierung, der Vorzug, nur einen Vertragspartner zu haben oder die einfachere Durchsetzung von Gewährleistungsansprüchen sind damit nicht geeignet, einen Ausnahmefall zu begründen.
Unsere Prüfung ergibt vielfach, dass alle genannten Aspekte für sich genommen – zumindest in der Gesamtschau – bei dem anstehenden Sanierungsvorhaben ganz besondere technische und wirtschaftliche Gründe nach § 97 Abs. 4 S. 3 GWB darstellen und daher ausnahmsweise eine GU-Vergabe rechtfertigen.
Dabei spielt vielfach insbesondere die rechtliche und technische Komplexität eine Rolle, die sich aus der besonderen Projektausgangslage ergibt.
Zu betonen sind insbesondere die überobligationsmäßig hohen Koordinierungsaufwände auf Seiten der Verwaltung.
Bsp.:
Eine Aufteilung als Vergabe an Einzelunternehmer würde sicher unverhältnismäßige Kostennachteile mit sich bringen.
Im Direktvergleich wie nachfolgend dargestellt ist die geschätzte Angebotssumme deutlich attraktiver als die geschätzte relativierte Gesamt-Angebotssumme.